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Love is Wild – Uns gehört die Welt (Love-is-Reihe 3): Roman (German Edition)

Page 28

by Engel, Kathinka


  »Ich … ähm … ich hatte gehofft, dass das ginge. Ja. Aber …« Hitze steigt mir ins Gesicht. »So was ist ziemlich teuer, oder?« Ich weiß, dass vor allem reiche Leute Therapien machen.

  »Ja.«

  »Ich habe kein Geld.«

  »Verstehe«, sagt er und setzt seine Brille wieder auf. Mit seinem Stift klopft er ein paarmal auf sein Notizbuch, während er nachdenkt. »Nun, ich schätze, unser Verhältnis ist nicht so persönlich, dass ich als dein Therapeut nicht infrage käme. Aber es ist persönlich genug, dass ich dich nicht wegschicken werde.« Seine Augen wirken ganz warm. Er streicht sich einmal über seinen gepflegten rot melierten Vollbart. »Wenn du möchtest, gehen wir die Sache zusammen an.«

  Ich atme laut aus, kralle meine Hände in die Armlehnen des Sessels. »Ja.«

  Lachfältchen bilden sich um Jacobs Augen, als er mir aufmunternd zulächelt. »Wann möchtest du anfangen?«, fragt er.

  »Jetzt?« Sobald ich es ausgesprochen habe, weiß ich, dass ich mich zum Affen gemacht habe. Jacob lacht leise. »Also, ich meine, bald?«

  »Du willst keine Zeit verlieren, hm?«, fragt er.

  »Ich will keine Zeit haben, um darüber nachzudenken«, sage ich.

  »Warum?«

  »Schätze, ich habe Angst, dass ich es mir noch mal anders überlege.« Ich zucke mit den Schultern. Weil Jacob darauf nichts sagt, mich nur durch seine Brille ansieht, spreche ich einfach weiter. »Ich bin nicht der Typ für so was.«

  »Was ist denn ›so was‹?«

  »Rumlabern, Gefühle.«

  Jacob nickt. »Das macht nichts.«

  »Nicht?«

  »Nein. Niemandem fällt das leicht. Das ist nichts, was ich als ›Typsache‹ bezeichnen würde. Es ist für jeden eine Herausforderung.«

  »Hm.«

  »Wenn du möchtest«, fährt er fort, »legen wir tatsächlich gleich los.«

  »Ja!«, sage ich etwas übereifrig. Je schneller wir anfangen, desto schneller sind wir fertig.

  Jacob nimmt sich das Notizbuch und schlägt es auf. »Lass uns über dein Ziel sprechen. Du hast gesagt, du willst ein besserer Mensch werden. Das ist aller Ehren wert, aber kannst du konkret sagen, was du damit meinst?«

  »Ähm …« Meine Gedanken rasen. Das hier passiert. Es passiert wirklich. Ich spreche mit Jacob. Über mich. »Ich möchte mit Amory zusammen sein. Ich möchte für sie der Mann sein, den sie verdient. Obwohl: Das kriege ich wohl nicht mehr hin. Aber ich will besser werden. Besser als die Vollkatastrophe, die ich bin. Ich will eine Chance haben.«

  »Darf ich kurz einhaken?«, fragt Jacob, und ich nicke. »Machst du das hier für Amory oder für dich?«

  Darauf weiß ich nichts zu sagen.

  »Ich frage deswegen, weil es natürlich sein kann, dass du alles tust, um ein besserer Mensch zu werden. Und am Ende hängt Amorys Entscheidung vielleicht noch von anderen Faktoren ab. Faktoren, die du nicht in der Hand hast.«

  »Das wäre scheiße«, sage ich, aber ich weiß, was er meint. »Es ist die einzige Möglichkeit, die ich sehe. Und wenn ich am Ende ein besserer Mensch ohne Amory bin, ist das wohl auch was wert, denke ich.«

  »Ich denke auch«, sagt Jacob, nickt und lächelt. »Was macht für dich einen guten Menschen aus? Und in welchen Punkten unterscheidest du dich davon?«

  »Gute Menschen flippen nicht aus, oder? Treten nicht besoffen gegen Mülltonnen, prügeln sich nicht. Gute Menschen machen anderen Menschen keine Angst.«

  »Haben Menschen Angst vor dir?«

  »Ja.«

  »Warum?«

  »Weil ich unberechenbar bin, schätze ich. Weil ich ihnen wehtun kann. Körperlich. Weil ich manchmal so wütend bin, dass alles passieren kann.«

  »Kannst du mir ein Beispiel dafür nennen? Wann warst du das letzte Mal so wütend, dass ›alles hätte passieren können‹?«

  »Heute Vormittag.«

  »Was war heute Vormittag?«

  »Eine Nachbarin hat mir einen Korb mit Lebensmitteln vor die Haustür gestellt.«

  »Was hat dich daran wütend gemacht?« Er runzelt die Stirn.

  »Dass sich jemand in meine Angelegenheiten einmischt. Dass da jemand glaubt, ich bräuchte Hilfe. Dass sie mich nicht einfach in Frieden lassen kann. Ich hab keinen Bock drauf, dass die Leute mich als einen verfluchten Sozialfall betrachten, der alleine nichts gebacken kriegt.«

  Jacob nickt. »Und dass es einfach nur eine nette Geste war, ist ausgeschlossen?«

  Ich schnaube. »Wann ist denn jemals jemand einfach nur nett gewesen?«

  Jacob zieht die Augenbrauen in die Höhe und legt den Kopf leicht schief. Sein Lächeln verändert sich zu einem wissenden Grinsen.

  »Ja, okay. Sorry«, sage ich und merke, wie ich rot werde.

  »Wie fühlt sich das an, wenn diese Wut kommt?«, fragt er, und ich bin froh, dass er nicht weiter darauf herumreitet.

  »Wie Wut halt.«

  »Was macht dein Körper? Dein Verstand?«

  »Er ist wütend?« Ich checke nicht, was er von mir will.

  »Beschreib es mir.«

  »Es fühlt sich an wie Wut. Ich weiß nicht, was es dazu noch zu sagen gibt.«

  Jacob schweigt.

  »Keine Ahnung, ich hab so einen Klumpen in mir, der wird ganz hart. Immer härter. So, dass nur noch Schreien dagegen hilft. Schreien und Kaputtschlagen.«

  Er schweigt weiter.

  »Ich hab dann nur einen Gedanken. So was wie: Ich mach dich fertig. Dir werd ich’s zeigen. Alles ist verkrampft, so verkrampft, dass ich meine Hände zu Fäusten balle, meine Zähne aufeinanderpresse …« Ich versuche mich zu erinnern, wie es mir heute Morgen ging, als ich mit dem blöden Korb über die Straße lief. »Da wächst was in mir, das rauswill.«

  Jacob nickt und schreibt etwas in sein Buch.

  »War das richtig?«, frage ich, weil mich das Geräusch seines Kugelschreibers ermutigt.

  »Hier gibt es kein Falsch«, sagt Jacob.

  »Was? Echt?« Ich muss lachen. »Ich kann nur gewinnen?«

  »Es gibt auch kein Gewinnen. Darum geht es nicht.«

  »Okay.« So richtig begreife ich nicht, was er meint.

  »Es geht darum, Muster zu erkennen, die dir immer wieder auf die Füße fallen. Zu verstehen, was genau in diesen Situationen passiert. Was du fühlst.«

  »Und dann?«

  »Im zweiten Schritt wollen wir einen Umgang mit diesen Gefühlen finden, Spannung abbauen. Dann suchen wir nach passenden Lösungsansätzen.«

  »Also dann, wie machen wir das?«, frage ich, denn das ist genau das, was ich brauche.

  »Nicht so schnell«, sagt Jacob lachend. »Ich brauche noch ein bisschen mehr.«

  »Noch mehr? Reicht das nicht? Kannst du mir nicht irgendwelche Pillen geben oder so?«

  »Nein.« Wieder lacht er. »Pillen kriegst du von mir nicht. Lass uns mal sehen, ob wir herausfinden können, wann das alles angefangen hat. Erzähl mir von dir. Von deinen Eltern.«

  »Da gibt’s nicht viel zu erzählen«, sage ich. Denn ich habe keinen Bock, über meine Eltern zu reden. Hier geht es um mich.

  Jacob sagt nichts, schreibt nur.

  »Also, sie sind tot.«

  Er blickt auf und nickt verständnisvoll.

  »Im Nach-Katrina-Chaos gestorben.«

  Ich wünschte, er würde etwas sagen. Diese Einseitigkeit macht mich nervös. Außerdem ist es, wie ich gesagt habe: Dieses Labern ist nicht meins. Das Geschwür in meinem Hals weiß das und schwillt an.

  »Wir waren zu meiner Großmutter gefahren. Nach Metairie. Weil es hieß, dort sei man sicher. Aber meine Eltern sind losgezogen, Leute retten oder so. Sie waren Sozialarbeiter. Jedenfalls ist das Haus, in dem sie waren, eingestürzt, und sie wurden von den Trümmern erschlagen.« Ich zucke mit den Schultern, wie um mir selbst zu zeigen, dass es keine Rolle mehr für mich spielt.

  »Das tut mir leid«, sagt Jacob leise.

  »Ach, ist schon okay. Ich erinnere mich kaum noch an sie. Also wie es vorher war.«

  »Was meinst du?«, fragt er, nachdem ich aufgehört habe zu sprechen.

  »Wenn ich an das Davor denke, keine Ahnung. Ich sehe sie irgendwie, a
ber ich sehe mich nicht mit ihnen. Weißt du, was ich meine? Da ist diese Vorstellung von Eltern, ein Paar. Allerdings ist es mehr ein Konzept mit ihren Gesichtern als eine konkrete Erinnerung oder ein Gefühl.«

  Jacob schreibt, schweigt.

  »Meine Eltern sind jedenfalls weg, die können mich also nicht verbockt haben.« Ich versuche mich an einem Grinsen, doch es misslingt. Stattdessen trinke ich einen Schluck Wasser, um meine Kehle zu befeuchten und den Kloß im Hals zu kühlen.

  »Was ist danach passiert?«, fragt Jacob.

  »Nach Katrina? Warst du nicht hier?«

  »Doch, aber ich weiß nicht, was in deinem Leben passiert ist.«

  »Ach so. Hm. Nicht viel. Ich bin bei meiner Großmutter geblieben, bis ich achtzehn war.«

  Jacob blickt mich auffordernd an, aber ich habe keine Ahnung, was er von mir will. Also tue ich genau das, was ich eigentlich nicht möchte. Ich labere.

  »Sie hat mich rausgeworfen. Hatte wohl keinen Bock mehr auf mich. Wir hatten nicht das beste Verhältnis. Schätze, sie wollte ihre Ruhe und keinen Ziehsohn, der so … hm … anders war. Hab nie ihren Vorstellungen entsprochen. Nicht wie die Nachbarskinder.« Ich lache bei der Erinnerung. Es ist ein bitteres Lachen. »Die waren toll. Gut in der Schule, brav zu Hause. Ihr feuchter Traum.«

  »Der feuchte Traum deiner Großmutter?« Jacob grinst.

  »Vermutlich sollte ich es anders formulieren, oder?«

  »Wie du willst«, sagt Jacob.

  »Also, ich war eben nicht so. Als Teenager hab ich mich auf dem Schulhof oft geprügelt, wurde beim Klauen erwischt. Ich hab Hausarrest bekommen, bin abgehauen. All so ein Kram. Schätze, sie hat es gehasst, dass ich so war. Vielleicht hat sie mich gehasst.«

  »Hast du sie mal gefragt?«

  »Ich hab sie seit sieben Jahren nicht mehr gesehen.«

  Ich warte darauf, dass Jacob etwas sagt, doch er sieht mich lediglich an.

  »Wieso machst du das?«, frage ich, denn dieses ständige Schweigen hilft nicht. Es kostet nur Zeit.

  »Was meinst du?«

  »Wieso sitzt du manchmal einfach so da und sagst nichts?«

  »Stört dich das?«

  »Es nervt.«

  »Das ist völlig in Ordnung.«

  »Was?« Sein Verhalten irritiert mich.

  »Dass dich das nervt. Das ist in Ordnung.«

  Ich bin perplex. Mein Mund klappt auf und wieder zu.

  »Du kannst hier empfinden, was du magst, Curtis. Du kannst hassen und wüten. Genervt sein, traurig sein. Eine Therapie ist ein Prozess.«

  Seine Worte erstaunen mich. Nehmen mir den Wind aus den Segeln. Die Frustration bleibt, aber sie ist viel diffuser, verschwimmt irgendwie. Ich knete meine Unterlippe, weil ich nicht weiß, was ich sagen soll. Was will er nun hören?

  »Wo waren wir?«, frage ich verwirrt.

  »Du hast deine Großmutter seit sieben Jahren nicht gesehen. Erzähl mir von ihr.«

  »Sie war eine Großmutter. Ängstlich, streng. Ich glaube, es hat ihr nicht gepasst, dass ich ihre Ruhe gestört habe. Aber die hat sie ja jetzt wieder.«

  Jacob nickt. Doch es wirkt nicht wie eine Zustimmung zu meinem Gesagten, eher wie ein Zur-Kenntnis-Nehmen.

  »Wie fühlte es sich für dich an, als sie dich bat, zu gehen?«, fragt Jacob.

  »Normal.«

  »Normal?«

  »Es war keine große Überraschung, wenn du das meinst.«

  »Hattest du es erwartet?«

  »Na ja, erwartet vielleicht nicht direkt. Aber meistens ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Leute genug von mir haben.«

  »Ist dir das häufiger passiert?«

  »Hörst du mir nicht zu?«, frage ich und merke, dass der Wutklumpen in mir Aufmerksamkeit will. Meine Hände krallen sich in die Armlehnen des Stuhls, meine Beine stemmen sich in den Boden.

  »Ich höre dir zu«, sagt Jacob.

  »Meine Eltern?« Dann zähle ich an den Fingern ab: »Freunde in der Schule, mein Schlagzeuglehrer, meine Großmutter, Amory … Aber es kann mir auch egal sein. Ich brauche sie nicht. Ich komme allein klar. Bin ich immer.«

  »Aber Amory ist anders?«

  »Mhm«, mache ich und schäme mich, dass ich sie in die Aufzählung mit aufgenommen habe.

  »Unsere Sitzung ist fast vorbei«, sagt Jacob mit einem Blick auf die Uhr über der Tür.

  »Oh.« Ich runzle die Stirn. Wozu soll das gut gewesen sein?

  »Ich würde dir gern ein paar Aufgaben für die nächste Woche mitgeben.«

  Endlich. »Okay.«

  »Ich möchte, dass du deine Wutmomente sammelst. Wann und warum bist du wütend geworden? Schreib es auf. Notier dir, was passiert ist, wie du dich dabei gefühlt hast, wie groß die Wut ist. Und versuch mal, deine Wut einzuschätzen. Wenn du dich so fühlst, wie du es vorhin beschrieben hast, geh einen Schritt zurück. Wut kann eine angemessene Reaktion sein, aber sie sollte nicht überschäumen. Klingt das plausibel?« Als ich nicht antworte, präzisiert er: »Ein Fresskorb kann sowohl Einmischung als auch nette Geste sein. Solange du das nicht weißt, wäre Wut übertrieben. Denn das, was die Wut auslöst, ist erst einmal nur eine Annahme in deinem Kopf. Und ich möchte, dass du versuchst, zu erkennen, ob die Wut in dem Moment gerechtfertigt ist.«

  »Okay«, sage ich. »Was, wenn ich das nicht kann?«

  »Kehr die körperlichen Empfindungen um. Du hast vorhin den Wutklumpen beschrieben, Enge in der Brust. Dass dein Körper verkrampft, du die Hände zu Fäusten ballst. Probier in einem solchen Fall, die Hände locker zu machen. Schüttle sie. Hol tief und bewusst Luft, um gegen die Enge in der Brust anzuatmen. Leg die Hand auf deine Brust. So.« Er steht auf und fordert mich mit einer Geste auf, es ihm gleichzutun. »Hand aufs Herz.« Ich spiegle seine Bewegung. »Die andere hier unten, unterhalb der Rippen.« Die zweite Hand folgt. »Einatmen.« Er zieht geräuschvoll die Luft ein. »Und ausatmen. In die Hand hinein, unter die Hand drunter.«

  »Und das soll was bringen?« Ich bin mehr als skeptisch.

  »Es könnte helfen, die hohe Anspannung abzubauen. Damit du wieder klar denken kannst. Wenn das nicht reicht, probier es mit kaltem Wasser. Mit einer scharfen Chilischote. Mit körperlicher Betätigung. Setz dich an dein Schlagzeug und lass alles raus. Willst du es versuchen?«

  Ich nicke. Nicht ganz überzeugt, aber wenn Jacob sagt, dass es mir helfen kann …

  »Dann sehen wir uns nächste Woche zur gleichen Zeit?«, fragt er.

  »Ich werde da sein.« Ich gehe zur Tür.

  »Curtis?«

  Ich drehe mich noch mal um. Jacob steht hinter seinem Schreibtisch und sieht mich über seine Brillengläser hinweg an.

  »Es freut mich, dass du zu mir gekommen bist.«

  Etwas Warmes breitet sich in meiner Brust aus. »Denkst du …«, beginne ich, »denkst du, du könntest mir Bescheid sagen, wenn ich so weit bin?«

  »Wenn du wie weit bist?«

  »Wenn ich bereit bin, mich bei Amory zu melden?«

  Jacob lacht. Doch es ist kein amüsiertes Lachen, er klingt eher … bewegt. »Falls du es nicht selbst merkst, sage ich dir Bescheid.«

  »Danke.«

  »Aber, Curtis?«

  »Hm?«

  »Eine Therapie ist ein Prozess. Sieh es als einen Aufstieg auf einen Berg. Manchmal muss man rasten. Manchmal muss man ein paar Schritte zurückgehen. Es gibt keine einheitliche Vorgehensweise oder einen Zeitplan mit festem Ende.«

  »Ich verstehe«, sage ich und schlucke an dem Kloß in meinem Hals vorbei.

  43

  Amory

  Ist es wirklich in Ordnung, wenn ich noch vorbeikomme?

  Ich blicke auf mein Handydisplay, das im schummrigen Halbdunkel des Barrel wie ein Warnsignal aufleuchtet.

  »Was Wichtiges?«, fragt Bonnie.

  »Ähm …«, mache ich. »Wäre es für euch in Ordnung, wenn eine alte Freundin von mir zu uns stößt?«

  »Klar, warum nicht«, sagt Franzi, und auch Thanh, die heute Abend eine Diego-Pause braucht, nickt.

  Na klar. Eric macht hervorragende alkoholfreie Cocktails, schreibe ich zurück.

  »Kenn ich sie?«, fragt Bonnie.
r />   »Also … genau genommen … ja.«

  Bonnie zieht die Augenbrauen nach oben.

  »Es ist ein bisschen heikel«, sage ich, weil es mir widerstrebt, Bonnie und Franzi nicht wenigstens vorzuwarnen. Aber andererseits könnte es gut sein, dass sie beide nicht gerade scharf auf Esmés Gesellschaft sind. Doch als sie um eine Möglichkeit bat, sich zu entschuldigen, konnte ich es ihr schlecht abschlagen. Und so sitze ich hier, nippe an meinem blasslila Aviation und bin nervös. Immerhin lenkt mich diese ganze Situation davon ab, dass ich einen ausgewachsenen Liebeskummer habe, der eigentlich gehegt und gepflegt werden will.

  »Wie geht’s ihm?«, frage ich an Bonnie gewandt, jetzt, da meine Gedanken ohnehin wieder bei Curtis sind.

  Bonnie nimmt einen Schluck von ihrem Bier. »Hm. Da fragst du mich was. Es ist schwer zu sagen. Einerseits wirkt er ganz ruhig. Aufgeräumt. Andererseits habe ich ihn nie so schweigsam erlebt. Er zieht sich gerade ziemlich zurück.«

  Ich nicke langsam, und mein Herz sticht.

  »Würde anderen auch mal ganz guttun«, sagt Thanh, und ich bin ihr so dankbar für den Themenwechsel. »Diego scheint zu glauben, dass er bei mir wohnt. Er ist einfach immer da!«

  »O weh.« Doch ich kann nichts dagegen tun, dass sich ein Lachen aus meiner Kehle stehlen will. Mein Körper sehnt sich so sehr nach Fröhlichkeit, dass er jede Gelegenheit nutzt.

  »Wie sagt man denn einem Typen, den man eigentlich mag, dass die eigene Freiheit noch wichtiger ist als Nähe?«

  »Genau so?«, fragt Bonnie.

  »Ich glaube auch, dass er es verstehen würde. Er kennt ja deine Geschichte.«

  »Ohne Gefühle ist alles besser.« Thanh seufzt, und innerlich kann ich ihr nur beipflichten.

  Die Tür öffnet sich, und Esmé betritt die Bar. Bonnie und Franzi sitzen mit dem Rücken zu ihr, sodass sie sie noch nicht erblickt haben. Sie sieht sich unsicher um, findet uns, kommt auf uns zu. Ich hebe die Hand. Bonnie und Franzi drehen die Köpfe, und obwohl ich ihre Gesichter nicht sehen kann, weiß ich, dass sie alles andere als begeistert sind.

  »Was zur Hölle?«, flüstert Bonnie in meine Richtung.

  »Gib mir einen Moment, um es zu erklären«, bitte ich.

  Esmé steht unschlüssig zwei Meter von uns entfernt. Es wäre genug Platz neben Thanh, aber sie wagt es nicht, sich zu setzen. »Hi«, sagt sie vorsichtig.

 

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