Feel Again

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Feel Again Page 9

by Mona Kasten


  Der schwarze Samtvorhang der Umkleidekabinen hörte einen halben Meter über dem Boden auf, und ich konnte sehen, wie Isaac sich aus seiner Hose schälte und sie dann ordentlich zusammengefaltet auf dem Boden ablegte, seine Schuhe stellte er direkt daneben. Er begann, mit einem Bein in die erste Jeans zu schlüpfen, und hielt kurz inne. Bestimmt hatte er die Risse an den Knien entdeckt. Ich biss mir auf die Lippe, um ein Kichern zu unterdrücken.

  Schließlich zog er die Hose ganz an und hüpfte auf der Stelle, wahrscheinlich, um sie über seine Hüften zu bekommen. Ich konnte es nicht erwarten, ihn darin zu sehen.

  »Zieh die schwarzen Boots dazu an«, rief ich ihm über die Rockmusik hinweg zu, die im Laden spielte.

  Er murmelte irgendetwas, das nach »Was tue ich hier bloß?« klang. Nach zwei weiteren geschlagenen Minuten schien er sich endlich fertig angezogen zu haben, doch er kam nicht aus der Umkleide.

  »Ich sehe aus wie ein Clown, Sawyer.«

  Ich stöhnte genervt. »Komm raus und lass mich das beurteilen.«

  Er zögerte noch einen Moment. Dann zog er den Vorhang auf.

  Langsam ließ ich meinen Blick über ihn wandern – von den schweren dunklen Boots an seinen Füßen über die dunkelblaue Jeans im Used-Look, den Gürtel und das graue Nirvana-Shirt, über dem er die dunkelbraune Lederjacke trug. Er hatte die Brille abgenommen, und seine Frisur war ein welliges Durcheinander, weil er sich aus- und wieder angezogen hatte.

  »Du siehst gut aus«, sagte ich.

  Seine Augen weiteten sich, und er blickte an sich hinab. Dann sah er mich skeptisch an, als würde er abwägen, ob ich mich über ihn lustig machte.

  Ich hob währenddessen meine Kamera an.

  »Dreh dich für mich«, sagte ich und beobachtete durch die Linse, wie er meiner Aufforderung nachkam.

  Hatte ich es doch gewusst. Sein Hintern sah in der Jeans phänomenal aus. Ich drehte am manuellen Fokus und drückte den Auslöser. Als es klickte, wandte Isaac sich wieder zu mir um.

  »Hast du gerade ein Bild von meinem Hintern gemacht?«, fragte er und sah dabei noch skeptischer aus als zuvor.

  »Ja. Der ist nämlich erste Sahne.«

  Isaacs Mund klappte auf. Er lief rot an.

  Noch immer durch die Linse blickend, stand ich auf. Klick.

  Er wandte den Blick ab, um nicht in die Kamera zu gucken, und deutete auf die Risse in der Jeans über seinem Knie. »Die ist kaputt.«

  »Das gehört so«, erwiderte ich.

  Klick.

  »Wieso sollte ich zwanzig Dollar für eine Jeans ausgeben, die kaputt ist?« Er wirkte ehrlich verwundert.

  Ich ließ die Kamera wieder an meinem Hals herunterhängen. »Die kostet nur zwanzig Dollar? Dann musst du sie auf jeden Fall mitnehmen.«

  Isaac betrachtete mich eingehend. »Du meinst das wirklich ernst.«

  Ich nickte. »Du nimmst alles davon mit. Die Boots und Lederjacke sind gute Basics. Die kannst du mit allem kombinieren.«

  Er sagte nichts, sondern starrte nur weiter skeptisch an sich herunter.

  Ich klatschte in die Hände. »Nächstes Outfit!«

  Kopfschüttelnd drehte er sich um und schloss den Vorhang hinter sich.

  Während er sich umzog, betrachtete ich die Bilder, die ich eben geschossen hatte. Isaac sah darauf vollkommen verwandelt aus. Kein Mensch würde darauf kommen, ihn als Nerd zu bezeichnen, wenn er ihm so auf der Straße begegnen würde. Ich konnte es kaum erwarten, ihn in diesen Outfits zu fotografieren – richtig zu fotografieren, mit gutem Licht und vor einer geeigneten Kulisse. Und in der Zwischenzeit würde ich das Bild von seinem Hintern zu meinem Desktophintergrund machen, nur um Dawn zu ärgern. Beim Gedanken an ihr entsetztes Gesicht musste ich grinsen.

  »Das kann nicht dein Ernst sein«, sagte Isaac plötzlich.

  »Was?«, fragte ich.

  »Du kannst mich nicht zwingen, das anzuziehen.«

  Ich rollte mit den Augen. »Hör auf, dich so anzustellen, und zieh es einfach an.«

  »Es ist ein Muskelshirt, Sawyer. Hast du mich mal angeguckt?«

  Eine Minute verging. Dann noch eine.

  Ich seufzte. Dann würde ich ihn eben zu seinem Glück zwingen. Kurzerhand trat ich zur Umkleide und riss den Vorhang auf.

  »Hey!«, rief Isaac und fuhr zu mir rum.

  Mein Mund klappte auf.

  Isaac starrte mich an. Und ich starrte Isaac an.

  Denn Isaac sah nicht nur gut aus.

  Isaac war heiß.

  Die enge schwarze Jeans saß tief auf seinen Hüften. Seine nackte Brust war glatt und hart. Muskeln zeichneten sich auf seinem Bauch ab, definiert und wohlgeformt, und verschwanden V-förmig unter dem Bund seiner Hose.

  Einen Moment lang fehlten mir die Worte.

  »Ich …«, begann ich schließlich, und meine Stimme versagte für einen Moment. Ich schüttelte fassungslos den Kopf. »Shit, Isaac. Wie ist das denn passiert?«

  Ich machte einen Schritt auf ihn zu und berührte leicht seinen Bauch, als ob ich mich vergewissern wollte, dass die Muskeln nicht aufgemalt waren.

  Waren sie nicht. Sie zuckten unter meiner Berührung.

  Isaacs Haut fühlte sich samtig und warm an.

  Er räusperte sich. Sein Körper war stocksteif, sein Blick auf meine Hand fixiert, und ich hätte schwören können, dass er sogar den Atem anhielt. »Ich habe dir gesagt, dass ich auf einer Farm groß geworden bin.«

  Ich hob meine Kamera. Erst nach ein paar missglückten Versuchen fanden meine Finger den Auslöser. »Unglaublich«, murmelte ich. »Du trägst immer zwanzig Schichten Kleidung, kann doch keiner ahnen …«

  Isaacs Mundwinkel verzogen sich grimmig, und ich machte noch ein Foto.

  »Ich hab nichts an, Sawyer«, sagte er und griff nach oben, um den Vorhang wieder zuzuziehen.

  Blitzschnell sprang ich nach vorne und in die kleine Umkleide.

  Isaac starrte mich an. »Was machst du denn da?«, krächzte er.

  »Nur gucken«, antwortete ich. »Für mein Projekt haben sich gerade ganz neue Möglichkeiten eröffnet.«

  Erneut ließ ich meinen Blick über Isaacs Oberkörper wandern. Ich hatte schon viele durchtrainierte Körper gesehen, aber deren Muskeln waren meistens durch zu viel Gewichtheben und Proteinshakes entstanden und nicht wirklich ästhetisch. Isaac hingegen war auf eine unaufdringliche, authentische Weise heiß, die ich noch nie gesehen hatte – die mir aber überraschend gut gefiel.

  Isaac hingegen schien die Situation unendlich unangenehm zu sein. Er trat vom einen aufs andere Bein, und mittlerweile hatten sich rote Flecken auf seinem Hals gebildet.

  Ich verdrehte die Augen. »Du musst dringend lernen, Komplimente anzunehmen.«

  Er schluckte hart. »Ist nicht so leicht.«

  »Warum nicht? Ich bin doch sicherlich nicht die Erste, die dir das sagt.«

  Er rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Sawyer …«

  »Hattest du wirklich noch nie eine Freundin?«

  Isaac sah mich nicht an, sondern zog sich einen grauen Strickpullover aus dem Klamottenstapel, der neben ihm auf einem Stuhl lag. Ich fotografierte, wie er ihn sich überzog.

  »Hatte ich. Nur nicht in der letzten Zeit.«

  »Wie lange schon nicht mehr?«, fragte ich und sah an Isaacs Schulter vorbei in den Spiegel, in dem er sich betrachtete. Unsere Blicke trafen sich.

  »Drei Jahre. Und das damals ging auch nur über ein paar Monate und war … keine ernste Sache oder so.« Einen Moment lang blieb er still. Dann deutete er auf das Strickteil, das er angezogen hatte. »Wie findest du den?«

  Niemand konnte besser von einem Thema ablenken als ich, von daher wusste ich genau, was er da tat. Ich ließ es ihm durchgehen. Auch wenn ich so neugierig war, dass ich fast platzte. »Gekauft. Nächstes.«

  Er zögerte einen Moment. »Du wirst nicht wieder rausgehen, oder?«

  »Nein«, sagte ich schlicht und hob einen Stapel Klamotten von einem der Hocker und legte ihn
auf dem Boden ab. Dann stellte ich mich mit der Kamera in der Hand auf den Hocker und deutete Isaac an, fortzufahren.

  »Voyeurin«, murmelte er und zog den Pullover über seinen Kopf.

  Ich drehte mich so, dass ich sein Spiegelbild von oben fotografieren konnte.

  Klick.

  »Nerd.«

  Das nächste Shirt war langärmlig und schwarz. Es spannte um seine Schultern und betonte seinen Oberkörper perfekt. »Spannerin.«

  Klick.

  »Dreh dich ein Stück zur Seite, genau so.« Wieder drückte ich auf den Auslöser. »Jeder andere Typ wäre froh, wenn ein Mädchen ihm freiwillig mit in die Umkleide folgt.«

  Ich lehnte mich zur Seite.

  Mein rechter Fuß rutschte vom Hocker, und ich quietschte, als ich das Gleichgewicht verlor.

  Isaac reagierte blitzschnell und schlang einen Arm um meine Taille. Er fing mich auf und riss mich herum, sodass ich nicht auf den Boden prallte. Wir taumelten gegen den großen Spiegel, ich mit dem Rücken zuerst, so fest, dass mir für einen Moment die Luft wegblieb.

  Isaac war der Länge nach gegen mich gepresst.

  Ich fühlte seinen harten Bauch und seine Brust, die gegen meine stieß, als er ausatmete. Seine Hüfte, die fest gegen meine drückte. Und die Beule in seiner Hose.

  Ein Ziehen machte sich in meinem Unterleib bemerkbar. Wie von selbst schob ich mich ihm entgegen. Isaac holte zischend Luft.

  Sein dunkler Blick war unergründlich.

  »Ich bin aber nicht jeder andere Typ«, sagte er mit rauer Stimme. Ich konnte spüren, wie angespannt er war.

  Jeder andere Kerl würde die Situation ausnutzen. Jeder andere würde mich gegen den Spiegel drücken und sich alles von mir nehmen. Ohne Zögern. Ohne Fragen.

  Aber Isaac tat nichts dergleichen. Stattdessen machte er einen Schritt zurück und half mir dabei, wieder auf den Hocker zu klettern. Dann zog er das T-Shirt über den Kopf, als wäre nichts gewesen.

  KAPITEL 9

  Es war der erste September, und das bedeutete, dass mir der schlimmste Monat des Jahres bevorstand. In drei Tagen, am Todestag meines Vaters, würde ich nach Renton zu Riley fahren und mit ihr zusammen zum Grab unserer Eltern gehen.

  Ich hasste den September. Jede einzelne Sekunde davon.

  An diesem Morgen war ich mit einem mulmigen Gefühl im Magen und einem pochenden Schädel aufgewacht – so wie jedes Jahr, wenn der Monat begann. Es war, als hätte mein Körper eine innere Uhr und schaltete pünktlich um Mitternacht auf »Schmerz und Trauer« um.

  Dawn merkte sofort, dass etwas mit mir nicht stimmte, und lud mich ein, abends mit ihr zu Spencer zu gehen und dort abzuhängen. Aber das Letzte, was ich heute brauchte, war die Gegenwart anderer. Außerdem hatte Al mich ohnehin für eine Schicht im Steakhouse eingeteilt.

  Ich hatte ein Nachmittagsseminar und machte mich direkt danach auf den Weg. Das milde Wetter besserte meine Laune ein kleines bisschen, vor allem, weil es mir gelang, vor meiner Schicht noch ein paar Bilder von der schönen Landschaft zu machen. Ein leichter Nebel lag im Tal, und die Bergspitzen des Mount Wilson verschwanden in tief liegenden Wolken, durch die sich die letzten Strahlen der Abendsonne schoben. Die Szene hatte eine beruhigende, friedliche Wirkung auf mich, und das konnte ich wirklich gut gebrauchen.

  Doch als ich beim Steakhouse ankam, erstarrte ich mitten im Gehen. Isaac stand davor und lächelte, als er mich entdeckte.

  »Was machst du denn hier?«, fragte ich harsch, bereute es aber sofort. Isaac hatte mir nichts getan, und er konnte nichts dafür, dass ich mich gerade nicht im Griff hatte. Während ich normalerweise eine Meisterin im Verdrängen war und mir Tag für Tag einreden konnte, dass ich nichts fühlte und dass es mir gut ging, funktionierte das heute einfach nicht. Stattdessen fühlte ich so viel, dass es mich zu überfluten drohte und mir die Luft abschnürte. Und ich hasste, dass ich es nicht abstellen konnte.

  Gefühle waren scheiße.

  »Du hattest gesagt, ich soll zu deiner nächsten Schicht mitkommen«, antwortete er und stieg mit mir die Stufen zum Eingang hinab.

  Er trug seine neuen Sachen. Die dunkelblaue abgewetzte Jeans, dazu ein schlichtes schwarzes Shirt und gemütliche Sneakers. Selbst seine Brille war in dieser Kombination weniger nerdig als sonst. Er sah gut aus, stellte ich fest, was mich merkwürdigerweise noch mürrischer machte.

  »Hab ich vergessen«, murmelte ich. Ich holte tief Luft. Darauf war ich heute nicht vorbereitet gewesen. Es würde die Hölle werden, jemanden einzulernen, ihm alles zu zeigen und die Geduld dafür aufzubringen. Auch wenn dieser jemand Isaac war.

  »Ist alles okay?«, fragte er und kam vor mir zum Stillstand, beide Hände in den Taschen seiner Jeans vergraben.

  Am liebsten hätte ich mich umgedreht und wäre gegangen. Ich wollte heute niemanden um mich haben und schon gar nicht jemanden, der mir eine solche Frage stellte und mich ansah, als würde er mich kennen, obwohl er nichts über mich wusste. Aber ich hatte Isaac den Job angeboten und Al bereits gesagt, dass er kommen würde. Ich würde mich wohl oder übel zusammenreißen müssen.

  »Klar«, sagte ich lahm und nickte in Richtung Eingang. »Komm. Dann wollen wir dich Al mal vorstellen.«

  Es vergingen ein paar Sekunden, in denen Isaac mich einfach nur ansah, so, als könnte er direkt in meine Seele blicken und meinen Bluff erkennen. Doch dann nickte er nur und folgte mir schweigend ins Restaurant.

  Ich führte ihn direkt nach hinten in Als Büro. Mein Chef saß auf seinem Schreibtischstuhl und sah darauf – wie auf jedem anderen Stuhl auch – überdimensional groß aus. Vor ihm auf dem Schreibtisch lagen mehrere dicke Ordner, in denen er Papierkram zu erledigen schien. Als wir reinkamen, hob er den Kopf und sah zwischen Isaac und mir hin und her.

  »Hey, Al. Das ist der Bewerber für Willas Stelle«, sagte ich.

  Al erhob sich, und ich merkte, wie Isaac sich neben mir versteifte. Inzwischen hatte ich mich daran gewöhnt, wie furchterregend und gefährlich Al mit dem rasierten Schädel, den riesigen Armen und der bulligen Statur aussah – aber für Isaac, der ihm zum ersten Mal gegenüberstand, wirkte er sicher überwältigend.

  Al musterte Isaac einmal von oben bis unten. »Das ist also der freundliche, engagierte und zuverlässige junge Mann, von dem du erzählt hast?«

  »Genau.«

  Er trat um den Schreibtisch zu uns und verschränkte die Arme vor der Brust. »Kannst du kellnern?«

  Isaac wirkte etwas blass um die Nase, als er den Kopf schüttelte. »Bis vor Kurzem habe ich noch in einem Technikfachhandel gearbeitet. Dort habe ich neben der Werkstatt auch in der Kundenbetreuung ausgeholfen, aber …«

  »Ich habe gefragt, ob du kellnern kannst«, unterbrach Al ihn.

  Isaac holte tief Luft. »Noch nicht. Aber ich bin bereit, zu lernen.«

  Al nickte und reichte ihm die Hand. »Das wollte ich hören. Ich bin Albert Phelps, hier nennen mich alle Al.«

  Isaac schlug sofort ein. Ich war ziemlich beeindruckt, dass er nicht zusammenzuckte, als Al seine Hand drückte, und stattdessen nur ein paarmal heftig blinzelte. »Grant, Isaac Grant.«

  Nur mit Mühe unterdrückte ich ein Schnauben.

  »Unter der Woche ist für gewöhnlich nicht viel los, da kann es sein, dass du Schichten auch mal alleine übernehmen musst. Am Wochenende sind wir eigentlich meistens zu zweit oder dritt hier. Sawyer ist für den Ausschank zuständig, dein Job wäre der Service im Innenraum, also das Aufnehmen der Bestellungen und das Bedienen. Sie wird dir alles zeigen.« Er nickte mir zu, was in Al-Sprache so viel bedeutete wie »Macht euch aus dem Staub, ich muss weiterarbeiten«.

  Ich beschloss, Isaac zuerst den Umkleideraum zu zeigen, in dem die Spinde standen. Kaum hatten wir die Tür zu Als Büro hinter uns zugezogen, schüttelte er sich die Hand aus und atmete zischend ein.

  »Ich glaube, er hat mir ein paar Knochen gebrochen«, meinte er.

  Ich verzichtete darauf, Isaac zu sagen, dass Al ihm wahrscheinlich nicht nur die Knochen seiner Hand, sondern die seines gesamten Körpers brec
hen könnte, wenn er es denn wollte. Stattdessen zog ich zwei Schürzen aus meinem Spind und machte vor, wie man sie am Rücken richtig zusammenband.

  Ich wollte gerade an Isaac vorbei in die Küche treten, da hielt er mich am Arm zurück.

  »Was?«, fragte ich irritiert.

  »Du siehst nicht sehr glücklich aus«, sagte er und ließ seine Augen forschend über mein Gesicht wandern, so als würde er etwas darin suchen. Was das war, das wusste ich nicht.

  »Ich sehe nie glücklich aus, Isaac. Das nennt man Resting Bitch Face«, sagte ich tonlos.

  »Ich kenne dein Gesicht inzwischen ganz gut. Normalerweise sieht es besser aus.«

  Ich schnaubte. »Und ich dachte, ich hätte dir beigebracht, wie man jemandem schmeichelt. Vielleicht bin ich doch nicht so gut, wie ich dachte.«

  Er sah betroffen aus. »Du weißt, wie ich das meine. Ich wollte damit nur sagen, dass du aussiehst, als …«

  »Ja? Wie sehe ich aus?«, fragte ich und machte einen herausfordernden Schritt auf ihn zu. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien, einfach nur, weil er mich nicht in Ruhe ließ.

  Isaac seufzte leise. Dann zog er mich an sich.

  »Du siehst aus, als könntest du eine Umarmung gebrauchen«, sagte er leise.

  Ich brauchte einen Moment, um zu verstehen, was er da tat.

  Der Mistkerl umarmte mich tatsächlich.

  Ich hielt die Luft an, als sich seine Arme noch ein Stück fester um mich schlossen. Er strich mit einer Hand über meine Schulter, mit der anderen über meinen unteren Rücken. Es war beinahe eine tröstende Geste. Ich ballte die Hände zu Fäusten.

  »Sawyer, du bist steif wie ein Brett. Die Kraft der Umarmung kann sich nicht entfalten, wenn du dich so verkrampfst.«

  Ich stieß hörbar die Luft aus. »Du spinnst doch.«

  Isaac löste einen Arm von mir, um nach meinem zu greifen und ihn um seinen Rücken zu legen. Dasselbe machte er bei dem anderen. Dann hielt er mich wieder fest.

  Ich spürte seinen Herzschlag und seine ruhigen Atemzüge. Er hielt mich einfach nur fest. Ohne etwas zu sagen. Und ohne seine Hände wandern zu lassen – was ich von einem Mann, dem ich körperlich so nahe war, eigentlich gewohnt gewesen wäre.

 

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