Feel Again

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Feel Again Page 13

by Mona Kasten


  »Nicht wirklich, sie war ohnehin fast jeden Tag auf dem Hof. Ich habe ihr damals Reitstunden gegeben.«

  »Dann bleibt uns nichts anderes übrig, Isaac«, sagte ich. »Wir müssen üben.«

  Ich hatte es halb im Scherz gemeint, aber überraschenderweise protestierte er nicht, sondern sagte schlicht: »Okay.«

  Ich schob meinen Laptop von meinen Beinen und setzte mich im Schneidersitz aufs Bett. »Ich bin ein Mädchen, dessen Nummer du gerade bekommen hast, und du rufst mich jetzt zum ersten Mal an«, erklärte ich.

  »Geht klar.«

  Ich wartete einen Moment, dann räusperte ich mich.

  »Hallo?«, fragte ich mit verstellter Stimme.

  »Ähm … hi. Hier ist Isaac.« Er klang tatsächlich nervös.

  Ich spielte mit. »Hallo, Isaac! Wie geht’s?«

  »Gut.«

  Eine Pause entstand, in der er schwieg.

  »Small Talk, Isaac«, sagte ich in meiner normalen Stimme.

  Ich hörte es rascheln und stellte mir vor, wie er auf dem Pokémon saß und konzentriert gegen die Decke starrte. »Ich bin echt schlecht im Small Talk.«

  »Das stimmt doch gar nicht.«

  Er brummte bloß. »Doch. Ich kann mit fremden Menschen einfach nicht so gut umgehen.«

  »Damals im Hillhouse hat es doch auch geklappt. Und da kannten wir uns so gut wie gar nicht.«

  »Bei dir ist das irgendwie was anderes. Du hast mir ja gar keine andere Wahl gelassen, als mich mit dir zu unterhalten.«

  Ich runzelte die Stirn.

  Anscheinend merkte Isaac, dass das nicht besonders nett geklungen hatte, denn sofort setzte er hinterher: »Oh Gott, so war das nicht gemeint. Ich meinte, dass es leicht war, sich mit dir zu unterhalten, weil du die Initiative ergriffen hast. Und außerdem hast du mir das Gefühl gegeben, dass du wirklich interessiert bist an dem, was ich zu sagen habe. Das Gefühl habe ich immer, wenn ich mit dir spreche.«

  Für einen Moment war ich sprachlos. Das war das Netteste, was seit Langem jemand zu mir gesagt hatte.

  Isaac räusperte sich. »Egal. Wahrscheinlich bin ich einfach ein hoffnungsloser Fall.« Ich wollte etwas erwidern, aber er sprach sofort weiter. »Wo warst du eigentlich am Wochenende? Dawn hat erzählt, dass sie die ganze Zeit in Ruhe schreiben konnte.«

  Seine Frage traf mich völlig unvorbereitet. »Ich …«, begann ich zögerlich. »Ich war bei meiner Schwester in Renton.«

  »Ah. War es schön?«

  Es überraschte mich, wie gern ich ihm in diesem Moment die Wahrheit gesagt hätte.

  Dass es furchtbar gewesen war, nicht nur wegen Dads Todestag, sondern weil ich mich mit Riley gestritten hatte und furchtbare Angst vor dem hatte, was nach der Hochzeit mit uns passieren würde. Dass ich es sogar schaffte, die einzige Person, die mich bedingungslos liebte, mit meiner emotionalen Unfähigkeit von mir zu stoßen, und ich mich dafür hasste.

  Ich sagte nichts davon.

  Stattdessen antwortete ich betont locker: »Es war okay. Sie und ihr Verlobter sind widerlich verliebt.«

  »So verliebt, dass sie vor einem knutschen und man sich wie das dritte Rad am Wagen fühlt?«, fragte Isaac.

  »Schlimmer. Sie schauen einander ständig so tief in die Augen, dass man meinen könnte, sie wären hypnotisiert worden oder so.«

  »Geben sie sich auch schnulzige Spitznamen?«

  Gegen meinen Willen musste ich grinsen. Das taten sie tatsächlich. »Du wirst nie draufkommen, wie meine Schwester ihren Verlobten nennt.«

  »Das klingt wie eine Herausforderung.«

  »Ist es vielleicht auch.«

  Es raschelte im Hintergrund. Anschließend hörte ich wieder das Klicken von Tasten. »Sie nennt ihn Honey Bun.«

  Meine Mundwinkel zuckten. »Nein.«

  »Pancake.«

  »Nein.«

  »Snoochie Boochie.«

  Ich lachte. Es kam einfach aus mir raus, so plötzlich, dass ich mich selbst erschreckte. Sofort drückte ich mir die Hand auf den Mund. »Himmel, Isaac, wo gräbst du diesen Quatsch aus?«

  »Ich habe doch gesagt, dass ich die Herausforderung annehme. Momentan lese ich mir den Artikel ›Zweihundert niedliche Namen für deinen Freund‹ auf der Glammag-Seite durch.«

  Ich schüttelte den Kopf. »Nerd«, sagte ich mit einem Schmunzeln in der Stimme.

  »Mh. Komisch, der steht gar nicht auf der Liste.«

  »Schick mir sofort den Link«, forderte ich.

  Kurz darauf bekam ich eine Mail mit dem Link zu der Website. Die nächsten Minuten verbrachten wir damit, uns total bescheuerte Spitznamen vorzulesen, wovon mich mehr an Riley und Morgan erinnerten, als mir lieb gewesen wäre. Und obwohl wir Flirt-Lektion Nummer 274 nicht abgeschlossen hatten, stellte ich nach dem Auflegen fest, dass ich eine ganze Menge Spaß gehabt hatte.

  KAPITEL 12

  Isaacs Gesichtsausdruck war göttlich, als er zwei Tage später die Tür zu seiner Wohnung öffnete und mich mit der Schere in der Hand und einem irren Grinsen auf dem Gesicht erblickte.

  »Du genießt es richtig, mir Angst einzujagen, oder?«, fragte er und trat beiseite, um mich reinzulassen.

  Während ich an ihm vorbeiging, schnitt ich ein paarmal zum Spaß mit der Schere in die Luft, genau vor seiner Nase. »Ein bisschen«, gab ich zu. Ich sah mich im Wohnzimmer um. »Wo ist Gian?«

  »In seinem Zimmer«, meinte Isaac und deutete auf die Tür, die sich gegenüber von seinem eigenen Zimmer und neben dem Bad befand.

  »Will er sich das wirklich entgehen lassen?«

  Isaac antwortete nicht, sondern betrachtete nachdenklich Gians verschlossene Zimmertür.

  »Isaac?«

  »Regina ist bei ihm«, murmelte er.

  »Seine Ex?«, fragte ich. »Ich dachte, das wäre vorbei.« Gian hatte mir damals von Regina erzählt, als wir zusammen in der Wohnung auf Isaac gewartet und Lasagne gegessen hatten. Er hatte nicht den Eindruck gemacht, dass er Hoffnung hatte, sie zurückzugewinnen.

  »Ja.« Isaac räusperte sich und sagte dann leise: »Sie ist … merkwürdig.«

  »Inwiefern?« Ich warf einen Blick ins Bad und ging dann zum Esstisch, um einen der Stühle zu holen. Bevor ich ihn ganz hervorziehen konnte, war Isaac neben mir und nahm ihn mir ab.

  Er trug den Stuhl ins Badezimmer und stellte ihn vor dem Waschbecken ab. Dann drehte er sich zu mir. »Sie wollte eine offene Beziehung. Und weil er das nicht wollte, hat sie ihn abserviert.«

  »Wenigstens war sie ehrlich zu ihm«, sagte ich und legte meinen Rucksack auf dem geschlossenen Toilettendeckel ab.

  Isaac sah mich ungläubig an. »Aber sie waren zusammen.«

  »Schon. Aber ich finde das besser, als ihn zu betrügen.«

  »Für mich hat es eine Bedeutung, wenn man sich auf eine Beziehung einlässt«, sagte Isaac mit zusammengezogenen Brauen. »Da kann man dann nicht einfach sagen: ›Oh, im Moment läuft es nicht so toll, ich habe spontan Lust, mich mit anderen Männern zu treffen!‹ Das ist … das ist doch einfach scheiße.« Er klang ernsthaft aufgebracht.

  Hui. Da hatte ich anscheinend einen wunden Punkt getroffen. »Okay.«

  Er seufzte und ließ sich auf den Stuhl fallen. »Tut mir leid. Es ist nur …«

  »Ja?«, fragte ich und setzte mich auf den Wannenrand.

  Er starrte auf die weißen Fliesen. »Gian ist ein guter Kerl. Er hat es nicht verdient, von ihr so behandelt zu werden. Aber Regina braucht nur das Zauberwort zu sagen, und er lässt sich wieder auf sie ein. Da bin ich mir sicher. Und ich weiß nicht, ob er es verkraftet, ein weiteres Mal von ihr abserviert zu werden.«

  Eine Weile lang sah ich Isaac dabei zu, wie er sorgenvoll auf seiner Unterlippe herumkaute. »Du bist ein guter Freund. Solange er dich hat, schafft er es schon wieder auf die Beine.« Plötzlich dämmerte mir noch ein weiterer Gedanke. »Und ich glaube auch nicht, dass Gian dich hier rauswirft, sollten er und Regina wieder zusammenkommen.«

  Isaac hob den Blick und sah mich an. Ich ha
tte keine Ahnung, was er dachte, als er lächelnd den Kopf schüttelte. »Wie machst du das?«

  »Wie mache ich was?«

  »Immer die richtigen Sachen zu sagen, meine ich.«

  Ich schnaubte.

  »Nein, wirklich. Du sagst immer genau die Dinge, die dafür sorgen, dass ich mich besser fühle. Du bist wie mein persönlicher Yoda.«

  »Dieses merkwürdige grüne Tier aus Star Trek?«, fragte ich verwirrt.

  Isaac schnappte empört nach Luft. »Star Wars, Sawyer.«

  »Das Ding ist klein, schrumpelig und redet komisch. Ich bin kein bisschen so. Denk dir was anderes aus.«

  »Gut. Gandalf?«

  Dafür boxte ich ihn gegen den Arm.

  »Auch nicht, okay.« Er überlegte einen Moment lang übertrieben fieberhaft. »Professor X aus X-Men.«

  »Wenn das der Glatzkopf im Rollstuhl ist, landet mein nächster Schlag in deinem Gesicht.«

  Isaac grinste breit. »Dann sage ich jetzt besser nichts mehr.«

  »Gut so. Schließlich bin ich im Begriff, mit einer Schere auf deine Haare loszugehen.« Augenblicklich verschwand das Grinsen aus Isaacs Gesicht. Stattdessen beobachtete er besorgt, wie ich mich vom Badewannenrand erhob.

  Ich beugte mich über ihn und nahm vorsichtig die Brille von seiner Nase. Ich legte sie auf der Ablage über dem Waschbecken ab und drehte anschließend den Wasserhahn auf. »Wieso hast du mich nur mit männlichen Figuren verglichen?«, fragte ich.

  Isaac zuckte mit den Schultern. »Wenn du bessere Vorschläge hast, dann her damit. Die merke ich mir fürs nächste Mal.«

  Ich entdeckte eine Flasche Shampoo auf dem Regal neben der Badewanne und schnappte sie mir. »Katherine Ann Watson.«

  »Wer ist das?«

  »Die Dozentin in Mona Lisas Lächeln. Sie kommt nicht mit der konservativen Mentalität klar, die in den Fünfzigern verbreitet war, und animiert ihre Studentinnen dazu, den Kopf einzuschalten.«

  Isaac nickte. Sein Blick folgte mir, als ich ein graues Handtuch aus einem der Regale zog. »Alles klar. Hast du noch andere Vorschläge?«

  Ich holte Luft. »Mary Poppins, Elizabeth Bennett, diese Orakel-Elfe aus Herr der Ringe – die, die in der einen Szene so gruselig aussieht, meine ich –, Professor McGonagall, irgendwie auch Hermine Granger, Tante May, Fräulein Honig, Scarlett O’Hara, Minny Walker …«

  »Okay!«, sagte Isaac laut. »Okay.« Sein Mund ging auf, nur für einen kurzen Moment, dann lächelte er. »Gut. Nie wieder Yoda.«

  »Fabelhaft.« Ich deutete auf das Waschbecken. »Und jetzt wasch dir die Haare, Curlyfry, damit ich loslegen kann.«

  Lachend beugte Isaac sich übers Waschbecken. Als er fertig war, reichte ich ihm das Handtuch. Er drückte das Wasser aus seinen Haaren und ließ sich dann auf den Stuhl fallen.

  »Tob dich aus«, sagte er resigniert.

  »Jetzt guck nicht so deprimiert. Ich mache es besser, nicht schlechter. Vertrau mir.«

  »Sawyer«, sagte Isaac und ließ zu, dass ich das Handtuch über seine Schultern legte. »Wenn ich dir nicht – aus welchem Grund auch immer – vertrauen würde, wären du, ich und diese Schere nicht in einem Raum zusammen.«

  »Du wirst es nicht bereuen«, murmelte ich und fischte den Kamm, den ich von zu Hause mitgebracht hatte, aus meiner hinteren Hosentasche. »Kannst du mit dem Stuhl ein Stück nach vorne rutschen, damit ich auch hinten rankomme?«

  Er rückte den Stuhl nach vorne. Ich stellte mich vor ihn und fuhr mit den Fingern probehalber durch sein Haar.

  Jeder Muskel in Isaacs Körper spannte sich an.

  Vorsichtig begann ich, seine Locken zu kämmen.

  Er ballte die Hände zu Fäusten.

  Großer Gott. Ich würde das nicht machen können, wenn Isaac aussah, als würde er kurz vor seiner Hinrichtung stehen. Fieberhaft suchte ich nach einem Thema, mit dem ich ihn ablenken konnte.

  »Wer ist dein Lieblingsmusiker?«, fragte ich schließlich.

  Wenn Isaac wusste, was ich mit der Frage bezweckte, ließ er es sich nicht anmerken. »Schwierige Frage.«

  Ich nickte. »Das stimmt. Schließ die Augen.« Er zögerte nur einen kurzen Moment, dann kam er meiner Aufforderung nach. Ich kämmte weiter durch seine Haare. »Dann anders gefragt: Welcher Künstler hat dich in deinem Leben am meisten beeinflusst?«

  »Arturo Benedetti Michelangeli«, kam es wie aus der Pistole geschossen.

  »Den Namen höre ich gerade zum ersten Mal«, gab ich zu.

  »Er war Pianist. Eine richtige Legende. Wenn er ein Lied nicht perfekt spielen konnte, hat er es bleiben lassen. Er hat sogar Konzerte abgesagt, wenn er mit sich nicht zufrieden war. Zwar war sein Repertoire im Gegensatz zu anderen Pianisten nicht besonders groß, aber dafür konnte er spielen wie kein Zweiter. Er war …« Er unterbrach sich und sah zu mir hoch. Ich hatte es gar nicht gemerkt, aber meine Hände waren an seinem Kopf zum Stillstand gekommen.

  »Er war?«, hakte ich nach.

  Isaac wandte seinen Blick wieder ab »Er war mein Vorbild, als ich noch gespielt habe«, sagte er, und seine Wangen färbten sich dabei rosa.

  Ich trennte eine Partie Haare ab und klemmte die erste Strähne zwischen zwei Finger. »Ich wusste gar nicht, dass du Klavier spielst.«

  Er hob eine Schulter. »Ich habe mit fünf angefangen, Unterricht von unserer Nachbarin zu bekommen. Sie hat dafür bei uns reiten dürfen, wann sie wollte. Gespielt habe ich dann, bis ich achtzehn war. Inzwischen bin ich aus der Übung.«

  Ich schnitt die erste Strähne ab. Es waren nur zwei Daumen breit, aber Isaac zuckte dennoch zusammen. »Das denkst du bestimmt nur, weil du ein genauso großer Perfektionist bist wie Arturo Bene … Irgendwas.«

  Isaacs Augen verfolgten jedes einzelne Haar, das neben ihm auf den Boden fiel. Aber er beschwerte sich nicht, sondern sagte lediglich: »Arturo Benedetti Michelangeli. Jetzt will ich dir eines seiner alten Konzerte zeigen.«

  »Wir gucken es, wenn wir deine Haare in Form gebracht haben. Als Belohnung, wenn du weiter schön stillhältst.« Ich wackelte mit den Augenbrauen, und Isaac lachte.

  »Abgemacht.«

  Ich schlug ihn sanft gegen die Schulter. »Nur jemand wie du hat einen toten Pianisten als Lieblingsmusiker.«

  »Ich bin eben merkwürdig.«

  »Ist ja auch in Ordnung. Man kommt sich nur ein bisschen blöd vor, wenn man auf dieselbe Frage mit My Chemical Romance antwortet.«

  »My Chemical Romance ist auch cool.«

  Ich grinste und trat um den Stuhl herum, um an seinen Hinterkopf zu gelangen. »Viele Mädchen, die ich kenne, finden es übrigens ziemlich heiß, wenn Kerle musikalisch sind.«

  Offensichtlich wusste Isaac nicht, was er darauf antworten sollte, denn er machte nur: »Mh.«

  Er schien wirklich noch nicht viele Frauen kennengelernt zu haben, die ihm gesagt – oder gezeigt – hatten, dass sie ihn attraktiv fanden. Unwillkürlich fragte ich mich, was seine Ex getan haben musste, um sein Selbstbewusstsein in solchen Trümmern zurückzulassen.

  »Was ist denn mit deiner Ex? Die fand das doch bestimmt sexy. Oder zumindest romantisch.«

  »Kann schon sein«, murmelte Isaac.

  Es war nicht zu übersehen, dass ihm das Thema unangenehm war, und unter normalen Umständen hätte ich nicht weiter nachgehakt. Ich wusste aus eigener Erfahrung, wie ätzend es war, wenn Leute nicht merkten, wenn sie zu persönlich wurden und Sachen wissen wollten, die sie absolut nichts angingen. Bei Isaac hatte ich allerdings das Gefühl, dass das, was er mit dieser mysteriösen Ex erlebt hatte, Spuren hinterlassen hatte.

  »Wie seid ihr eigentlich zusammengekommen?«

  Isaac atmete hörbar ein und stieß die Luft dann langsam wieder aus. Er senkte den Kopf, was mir ganz gelegen kam, weil er mir so leichteren Zugang zu den Haaren an seinem Nacken verschaffte.

  »Ich habe ihr Reitstunden gegeben«, sagte er mehr zum Boden als zu mir. »Sie … ähm.«

  Ich ließ ihm Zeit und wartete.

  »Sie war die beste
Freundin meiner Mom.« Er räusperte sich. »Ist. Sie ist die beste Freundin meiner Mom.«

  Oh. Ich ließ meine Hände sinken. Die Gedanken in meinem Kopf überschlugen sich.

  »Wie … ähm.«

  Isaac schien meine Frage zu erahnen. »Sie war Anfang dreißig«, murmelte er.

  »Und du?«, fragte ich leise.

  Seine Schultern spannten sich an. »Alt genug, um zu wissen, was ich tue.«

  Das war sein wunder Punkt. Die Art, wie er reagierte, verriet mir, dass er bisher mit noch nicht vielen Leuten darüber gesprochen hatte, wenn überhaupt.

  Er schämte sich.

  Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen.

  Als wäre nichts gewesen, setzte ich wieder die Schere an und machte weiter. »Ich würde dich niemals verurteilen, Isaac«, sagte ich. »Ich hoffe, das weißt du.«

  Ein paar Minuten lang sprachen wir beide nicht. Das einzige Geräusch war das meiner Schere, wenn ich in Isaacs Haare schnitt.

  »Sie war der einzige Mensch, der mir damals auch nur annähernd das Gefühl gegeben hat, etwas wert zu sein«, sagte er irgendwann, so leise, dass ich ihn kaum verstand. »Die Schulzeit war einfach furchtbar für mich, Sawyer. Ich hatte keine Freunde. Und meine Eltern waren die meiste Zeit mit der Farm beschäftigt. Oder damit, Eliza toll zu finden. Und dann … habe ich angefangen, mehr Zeit mit Heather zu verbringen. Sie hat mich angesehen, als wäre das, was ich zu sagen hatte, wichtig. Wenn man jeden Tag zu spüren bekommt, dass andere einen für minderwertig halten, fängt man irgendwann an, das zu glauben. Heather hat dabei geholfen, dass dieses Gefühl verschwindet.«

  Es war das Natürlichste der Welt, dass Isaac sich damals nach jemandem gesehnt hatte, der ihm zuhörte und ihn ernst nahm. Auch wenn dieser jemand doppelt so alt wie er gewesen war und es eigentlich hätte besser wissen müssen.

  Ich schluckte schwer. »Hast du sie geliebt?«

  Er zuckte bloß mit den Achseln.

  »Als wir einkaufen waren, da hast du gesagt, es wäre nichts Ernstes gewesen. Deshalb frage ich«, sagte ich sanft.

  »Wir hatten ein Ablaufdatum. Uns beiden war immer klar, dass ich weggehen würde, deshalb haben wir es rechtzeitig beendet. Dass ich letztlich durch Dads Operation doch länger geblieben bin, hat daran nichts geändert.«

 

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