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Exodus

Page 15

by Leon Uris


  Keine Fragen.

  »Irgendwelche Beanstandungen?« Keine Beanstandungen.

  »Mist, verdammter; also: Hals- und Beinbruch — und Gott mit euch.«

  XVII.

  Der Wind trieb den Nebel in Schwaden durch die alte, verfallene Hafenstadt Cäsarea mit ihren Ruinen, ihren geborstenen Mauern und dem zerfallenen Hafen, der schon seit vierhundert Jahren vor der Zeitenwende nicht mehr in Gebrauch war.

  Fünf Jahrhunderte lang war Cäsarea, von Herodes zu Ehren Cäsars erbaut, die Hauptstadt der römischen Provinz Palästina gewesen. Von dieser einstigen Hauptstadt waren nur noch Ruinen übrig. Der Wind fuhr über das Wasser, wühlte es auf und warf es schäumend gegen die Felsen, die sich bis weit vor der Küste aus dem Meer erhoben.

  Hier hatte der Aufstand gegen die Römer geendet, mit dem Blutbad, bei dem zwanzigtausend Hebräer niedergemetzelt wurden, und hier hatte der weise Rabbi Akiba, der sein Volk aufgerufen hatte, mit Bar Kochba für die Freiheit zu kämpfen, sein Martyrium erlitten. Noch immer mündete hier der Krokodilfluß ins Meer, an dessen Ufer man Akiba bei lebendigem Leibe die Haut heruntergezogen hatte.

  Einige Meter südlich der Ruinen erhoben sich die ersten Gebäude eines jüdischen Fischerkollektivs namens Sdot Yam — Meeresacker. Keiner in dieser Siedlung schlief diese Nacht, alle Fischer und ihre Frauen waren wach.

  Sie alle saßen geduckt in den Ruinen und spähten schweigend und in atemloser Spannung hinaus auf das Meer. Es waren zweihundert Männer und Frauen, und bei ihnen waren weitere zweihundert Männer des Palmach.

  Von dem alten Drususturm, der sich aus der Brandung erhob, kam ein Blinkzeichen, und alle machten sich sprungbereit.

  Draußen, an Bord des Stern Davids, biß Bill Fry auf seinen Zigarrenstummel und umklammerte mit den Händen das Steuerruder des alten Schiffes. Langsam und vorsichtig steuerte er es näher an den Strand, vorbei an heimtückischen Riffen und Untiefen. An Deck standen die Flüchtlinge dicht beieinander und preßten sich an die Reling. Die Stern Davids zitterte und ächzte, als ihr hölzerner Rumpf krachend auf eine zerklüftete Klippe aufsetzte. Eine einzelne Leuchtrakete stieg in die Luft. Es ging los!

  Alle sprangen über Bord, versanken bis zum Hals im Wasser und kämpften sich schrittweise durch die Brandung auf die Küste zu.

  Als die Rakete aufleuchtete, sprangen die Fischer und PalmachTruppen aus ihrer Deckung und wateten hinaus, den Flüchtlingen entgegen. Dabei glitten viele aus und versanken in tiefen Löchern, oder sie wurden von einer plötzlichen Welle erfaßt und gegen die Felsen geworfen, doch nichts vermochte sie aufzuhalten. Die beiden Menschenströme, der vom Land und der von draußen, trafen aufeinander. Kräftige Arme ergriffen die Flüchtlinge und schleppten sie an Land.

  »Rasch, rasch!« rief man den Flüchtlingen zu. »Zieht euer Zeug aus, schnell, und zieht diese Sachen hier an!«

  »Sämtliche Ausweispapiere wegwerfen!«

  »Alle, die umgezogen sind, mitkommen — los, los — macht zu!« »Leise! Keinen Lärm machen!«

  »Kein Licht machen!«

  Die Flüchtlinge rissen sich ihre nassen Sachen vom Leibe und zogen die blaue Fischerkleidung an.

  »Nicht zusammenbleiben — verteilt euch!«

  Karen stand an der Reling und reichte die Kinder eins nach dem anderen den Palmach-Helfern hinunter, die sie an Land brachten und dann so rasch wie möglich wieder zum Schiff zurück wateten. Es waren kräftige, standfeste Männer dazu nötig, die Kinder durch die Brandung zu tragen.

  »Beeilt euch — schneller, schneller!«

  Einzelne Flüchtlinge fielen ergriffen auf die Knie, um den heiligen Boden zu küssen.

  »Dazu werdet ihr später noch Zeit genug haben, nicht jetzt!« »Weiter, Leute, macht weiter!«

  Bill Fry stand auf der Brücke und brüllte Befehle durch ein Sprachrohr. Innerhalb einer Stunde waren fast alle von Bord, bis auf einige Dutzend Kinder und die Gruppenleiter.

  Dreißig Kilometer weiter nördlich inszenierte ein Palmach-Kommando einen Überfall auf britische Nachschublager bei Haifa, um die Aufmerksamkeit der britischen Truppen von dem Landungsmanöver bei Cäsarea abzulenken.

  An Land waren die Fischer und der Palmach fieberhaft tätig. Die Flüchtlinge wurden teils in die Siedlung gebracht, teils auf Lastwagen verladen, die eilig mit ihnen davonfuhren.

  Als das letzte Kind über die Reling gehoben wurde, kam Bill Fry die Treppe zum Deck herunter und befahl den Gruppenleitern, von Bord zu gehen.

  Karen fühlte, wie das eiskalte Wasser über ihrem Kopf zusammenschlug. Sie ruderte und paddelte mit den Füßen, orientierte sich, und schwamm auf die Küste zu, bis sie Grund unter den Füßen hatte. Vom Land her hörte sie erschreckte Ausrufe auf Hebräisch und Deutsch. Sie kam an einen großen Felsblock und kroch auf allen vieren darüber. Eine Woge spülte sie herunter ins Meer. Sie hatte jedoch Boden unter den Füßen und arbeitete sich Schritt für Schritt gegen die zurückflutende Brandung ans Land. Ein zweitesmal wurde sie umgerissen und kroch auf allen vieren näher an die Küste heran.

  Plötzlich heulten Sirenen! Schüsse krachten! An Land stürmte alles auseinander!

  Karen erhob sich aus dem Wasser, das ihr jetzt nur noch bis an die Knie ging, und schnappte nach Luft. Unmittelbar vor ihr standen ein halbes Dutzend englische Soldaten in Khaki Uniformen und mit Gummiknüppeln in den Händen.

  »Nein!« schrie sie. »Nein, nein, nein!«

  Sie warf sich in die Postenkette, schreiend, kratzend und wütend mit den Füßen um sich stoßend. Ein Arm ergriff sie von hinten und drückte sie in die Brandung. Ihre Zähne gruben sich in die Hand des Soldaten, der vor Schmerz aufschrie und sie losließ. Karen griff von neuem an und schlug wie rasend um sich. Einer der Soldaten hob seinen Gummiknüppel und ließ ihn auf ihren Kopf heruntersausen. Karen brach stöhnend zusammen und fiel bewußtlos ins Wasser.

  Sie machte die Augen auf. In ihrem Kopf spürte sie einen heftigen, klopfenden Schmerz. Doch sie lächelte, als sie den Blick hob und vor sich das stoppelbärtige Gesicht und die milden Augen von Bill Fry sah.

  »Die Kinder!« rief sie im nächsten Augenblick und kam mit einem Ruck hoch von der Koje, auf der sie lag. Bill hielt sie an den Schultern fest.

  »Reg dich nicht auf«, sagte er. »Die meisten Kinder haben es geschafft. Und ein paar, die man geschnappt hat, sind hier.«

  Karen schloß seufzend die Augen und ließ sich wieder auf die Koje sinken. »Wo sind wir denn?«

  »In Atlit — einem englischen Internierungslager. Es hat wunder= bar geklappt. Über die Hälfte der Leute sind durch die Lappen gegangen. Die Engländer hatten eine solche Wut, daß sie jeden, den sie zu fassen kriegten, kurzerhand mitgeschleppt haben. Meine Crew, Fischer, Flüchtlinge, alles wild durcheinander. Wie fühlst du dich denn?«

  »Ganz scheußlich. Was ist eigentlich passiert?« »Du hast im Alleingang versucht, die britische Armee in die Flucht zu schlagen.«

  Karen schob die Decke beiseite, kam mit dem Oberkörper hoch und befühlte die Schwellung an ihrem Kopf. Ihre Sachen waren noch feucht. Sie stand auf und ging, ein bißchen unsicher, an den Zelteingang. Sie sah Hunderte von Zelten und eine hohe Wand aus Stacheldraht. Draußen vor dem Stacheldraht standen englische Wachtposten.

  »Ich verstehe gar nicht, was mit mir los war«, sagte Karen. »Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie jemanden geschlagen. Ich sah diese Soldaten, die dastanden — und mich nicht vorbeilassen wollten. Wie es kam, weiß ich auch nicht, aber auf einmal war es für mich ungeheuer wichtig — ich mußte meinen Fuß auf die Erde Palästinas setzen. Ich meinte, ich müßte sterben, wenn es mir nicht gelang. Ich begreife selbst nicht, wie das über mich kam.« Sie setzte sich neben ihn auf die Koje. »Möchtest du etwas essen, Kleine?«

  »Ich habe keinen Hunger. Was werden sie jetzt mit uns machen?«

  Bill zog die Schultern hoch. »In ein paar Stunden wird es hell sein. Dann werden sie uns einzeln vernehmen und einen Haufen blöder Fragen an uns richten, aber du weißt ja genau, was du zu antworten hast.«

  »Ja — ich bleibe dabei, daß dies hier meine Heimat ist, ganz gleich, was man mich fragt.«

  »Trotzdem wird ma
n dich zwei oder drei Monate dabehalten, aber dann werden sie dich laufen lassen. Jedenfalls bist du in Palästina.«

  »Und was wird mit Ihnen?«

  »Mit mir? Man wird mich aus Palästina hinauswerfen, genau wie letztes Mal. Ich werde ein neues Mossad Schiff bekommen — und erneut versuchen, die Blockade zu durchbrechen.«

  Ihr Schädel begann zu brummen. Karen streckte sich auf der Koje aus, doch sie machte kein Auge zu. Lange studierte sie Bills Gesicht, das vor Müdigkeit grau war.

  »Sagen Sie, Bill — weshalb sind Sie eigentlich hier?«

  »Was meinst du denn damit?«

  »Sie sind Amerikaner. Mit den Juden in Amerika ist es doch etwas anderes.«

  »Alle denken immer, sie müßten irgendwas Großartiges aus mir machen.« Er wühlte in seinen Taschen und brachte ein paar Zigarren zum Vorschein. Sie waren naß und unbrauchbar. »Die Leute von Aliyah Bet kamen eines Tages zu mir. Sie sagten, sie brauchten Seeleute. Und ich bin Seemann — bin mein ganzes Leben lang einer gewesen. Habe mich heraufgearbeitet, vom Schiffsjungen bis zum Ersten Offizier. Das ist alles. Ich werde für meine Arbeit bezahlt.« »Bill!«

  »Hm?«

  »Ich glaube Ihnen nicht ganz.«

  Bill Fry schien selbst nicht sonderlich überzeugt von dem, was er gesagt hatte. Er stand auf. »Das ist schwer zu erklären, Karen. Ich liebe Amerika. Ich würde für fünfzig Palästina nicht das eintauschen, was ich dort drüben habe.«

  Karen stützte den Kopf in die Hand. Bill ging im Zelt auf und ab und versuchte, nachzudenken. »Sicher, wir sind Amerikaner, aber wir sind eine besondere Art von Amerikanern. Wir sind ein bißchen anders. Vielleicht liegt das an uns selbst — vielleicht aber auch an den andern; ich bin nicht schlau genug, um herauszubekommen, wie es eigentlich ist. Mein ganzes Leben lang habe ich zu hören bekommen, daß man mich für einen Feigling hält, weil ich Jude bin. Ich will dir mal was sagen, Kleine: jedesmal, wenn die Palmach-Leute ein britisches Depot in die Luft sprengen oder irgendwelche Araber zum Teufel jagen, dann verschaffen sie mir damit Respekt. Sie stempeln jeden, der mir erzählen will, die Juden seien feige, zum Lügner. Die Jungens hier kämpfen meinen Kampf, den Kampf um Anerkennung und Respekt — verstehst du das?«

  »Ich glaube, ja.«

  »Also, der Teufel soll mich holen, wenn ich es selber verstehe.«

  Er setzte sich zu Karen und besah sich die Schwellung an ihrem Kopf. »Es sieht nicht allzu schlimm aus. Ich habe diesen verdammten Tommys gesagt, sie sollten dich ins Lazarett bringen.« »Das heilt schon wieder«, sagte sie.

  Im Lauf der Nacht unternahm der Palmach einen Überfall auf das Lager und sprengte ein großes Loch in den Stacheldrahtzaun, durch das weitere zweihundert Flüchtlinge entkamen. Karen und Bill Fry gehörten nicht dazu.

  Als der genaue Bericht über den Zwischenfall mit der Stern Davids Whitehall erreichte, wurde den Engländern klar, daß sie ihre Einwanderungspolitik ändern mußten. Bisher hatten die Blockadebrecher jedesmal nur einige hundert Leute nach Palästina gebracht. Dieses Schiff aber hatte annähernd zweitausend Flüchtlinge an Bord gehabt, und der größere Teil davon war bei der Landung in Cäsarea und dem darauffolgenden Überfall auf das Lager bei Atlit entkommen. Die Engländer sahen sich der Tatsache gegenüber, daß die französische Regierung die Juden ganz offen unterstützte, und daß von den Juden in Palästina jeder siebente illegal eingewandert war.

  Daraus ergab sich für die Engländer eine schwierige Situation. Von einer endgültigen Lösung des Palästina-Problems waren sie nach wie vor weit entfernt, und so kam man zu dem Entschluß, die Juden nicht mehr bei Atlit zu internieren, sondern aus Palästina wegzubringen. Der Druck der illegalen Einwanderung und besonders der Erfolg der Stern Davids hatte zu Folge, daß Internierungslager auf Zypern errichtet wurden.

  Karen Hansen-Clement wurde mit einem britischen Gefangenenschiff auf die Insel Zypern gebracht und im Lager Caraolos interniert. Doch noch während die Karpathos alias Stern Davids vor der Küste von Cäsarea lag, festgeklemmt zwischen den Felsen, und die Brandung allmählich Kleinholz aus ihr machte, war Mossad Aliyah Bet mit beschleunigtem Tempo weiter am Werk und organisierte neue Schiffe, die immer größere Flüchtlingsgruppen nach Palästina bringen sollten.

  Sechs Monate lang blieb Karen im wirbelnden Staub von Caraolos und arbeitete bei den Kindern. Die lange Zeit, in der sie von einem Lager zum anderen gewandert war, hatte nicht vermocht, sie hart zu machen oder zu verbittern. Sie lebte in der Hoffnung auf den Augenblick, da sie Palästina von neuem sehen würde — Israel.

  Bis Karen die Geschichte ihres Lebens zu Ende erzählt hatte, waren viele Stunden vergangen. In diesen Stunden war zwischen Karen und Kitty Fremont ein innerer Kontakt entstanden. Beide entdeckten die Einsamkeit des anderen und sein Verlangen nach menschlicher Nähe.

  »Hast du noch irgend etwas von deinem Vater gehört?« fragte Kitty. »Nein, seit La Ciotat nicht mehr — und das ist schon sehr lange her.«

  Kitty sah auf die Uhr. »Du lieber Gott — es ist nach Mitternacht.« »Ich habe gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen ist«, sagte Karen.

  »Ich auch nicht. Gute Nacht, Karen.«

  »Gute Nacht, Kitty. Sehen wir uns wieder?«

  »Ich weiß nicht — vielleicht.«

  Kitty ging hinaus und wandte sich dem Ausgang zu. Die endlosen Zeltreihen lagen still da. Vom Wachtturm fiel der Kegel des Scheinwerfers darüber hin. Der Staub wirbelte hoch, während sie die Zeltstraße entlangging. Kitty nahm ihre Jacke fester zusammen. Ari ben Kanaan kam heran und blieb vor ihr stehen. Er gab ihr eine Zigarette, beide verließen schweigend das Kinderlager und gingen über die Brücke. Kitty blieb einen Augenblick stehen und sah zurück, dann ging sie weiter, durch die Sektion der Alten zum Hauptausgang.

  »Ich bin bereit, für Sie zu arbeiten«, sagte Kitty, »unter einer Bedingung. Dieses Mädchen geht nicht mit auf das Schiff, sondern bleibt hier bei mir im Lager.«

  »Einverstanden.«

  Kitty wandte sich um und ging mit raschen Schritten zur Wache.

  XVIII.

  Der Plan, den David romantischerweise »Unternehmen Gideon« benannt hatte, lief an. Dov Landau stellte bündelweise gefälschte Ladescheine und englische Militärpapiere her, die Kitty Fremont aus dem Lager herausbrachte und Ari ben Kanaan übergab.

  Die Ladescheine ermöglichten es Ben Kanaan, die erste Phase seines Planes abzuwickeln. Bei seinen Erkundungsfahrten durch Zypern hatte er nicht weit von Caraolos an der Straße nach Famagusta ein großes britisches Nachschublager entdeckt. Es war von einem hohen Gitter umgeben und enthielt große Mengen von Lastwagen und anderen Transportmitteln und rund ein Dutzend riesiger Magazine. Während des Krieges hatte dieses Lager als Nachschubbasis für die Alliierten im Nahen Osten gedient, und auch jetzt noch ging ein Teil der hier lagernden Bestände auf dem Seeweg an britische Streitkräfte, die in dieser Ecke der Welt stationiert waren. Andere Lagerbestände waren als nicht mehr benötigt freigegeben und von Privathand aufgekauft worden. Daher fand ein beständiger, wenn auch nicht allzu umfangreicher Warenverkehr von diesem Depot zum Hafen von Famagusta statt.

  Mandrias Schiffahrtsgesellschaft war die Maklerfirma für die britische Armee in Zypern. In dieser Eigenschaft verfügte Mandria über eine Liste, auf der Art und Menge aller im Depot lagernden Bestände aufgeführt waren. Außerdem verfügte er über eine ausreichende Menge von Ladescheinen.

  Dienstag morgen Punkt acht Uhr fuhren Ari ben Kanaan und dreizehn Palmach-Angehörige, alle in englischer Uniform und mit englischen Dienstausweisen, in einem englischen Lastwagen vor dem Depot vor und hielten beim Haupteingang an. Das »Arbeitskommando« bestand aus Seew Gilboa, Joab Yarkoni und David ben Ami.

  Ari, dessen Papiere ihn als »Captain Caleb Moore« auswiesen, präsentierte dem Depotchef eine Anforderungsliste. Aris

  »Arbeitskommando« hatte den Auftrag, alle auf der Liste verzeichneten Gegenstände zusammenzuholen und zum Hafen von Famagusta zu bringen, wo sie auf der SS Achab verladen werden sollten.

  Die Papiere waren so hervorragend gefälscht, daß es dem Depotchef überhaupt nicht einfiel, an den Caleb der Bibel zu denken, der
als Spion für Moses gearbeitet hatte, oder daß die Achab, ein imaginäres Schiff, den Namen des Mannes trug, der in Jericho die Bundeslade gestohlen hatte.

  Als erster Posten waren zwölf Lastwagen und zwei Jeeps aufgeführt. Sie wurden vom Parkplatz herangerollt und »Captain Caleb Moore« übergeben. Danach setzte sich das »Arbeitskommando« in Bewegung, ging von Magazin zu Magazin und belud die zwölf neuen Lastwagen mit allem, was man auf der Aphrodite/Exodus brauchen würde, um mit dreihundert Kindern nach Palästina zu fahren.

  Joab Yarkoni, der für die Ausrüstung des Schiffes verantwortlich war, hatte eine Liste zusammengestellt, auf der unter anderem ein Funkgerät neuester Bauart verzeichnet war, außerdem alle möglichen Konserven, Medikamente, Blinklampen, leichte Waffen, Wasserkannen, Decken, Frischluftanlagen, eine Lautsprecheranlage, und hundert andere Posten. Joab war wütend, weil Ari darauf bestanden hatte, daß er sich seinen mächtigen schwarzen Schnurrbart abnehme. Auch Seew hatte seinen Schnurrbart opfern müssen, weil Ari befürchtete, die Schnurrbärte könnten sie zu leicht als Leute aus Palästina verraten.

  David lud außer den Sachen, die für die Exodus bestimmt waren, noch einige Tonnen anderer Dinge auf, die in Caraolos dringend benötigt wurden.

  Seew Gilboa wäre beinahe geplatzt, als er das britische Waffenarsenal sah. All die Jahre, seit er beim Palmach war, hatte es ihnen immer an Waffen gefehlt, und der Anblick dieser Massen wunderschöner Maschinengewehre, Granatwerfer und Karabiner zerriß ihm schier das Herz.

  Das »Arbeitskommando« arbeitete mit der Präzision eines Uhrwerks. Ari wußte aus Mandrias Liste genau, wo die einzelnen Dinge lagerten. Als sie am Nachmittag alles beisammen hatten, lud Joab Yarkoni zum Schluß noch einige Kisten mit Whisky, Brandy und Gin und ein paar Flaschen Wein auf — für medizinische Zwecke.

  Zwölf funkelnagelneue Lastwagen verließen das Depot, vollgepackt bis an den Rand, angeblich in Richtung Famagusta, wo die Waren und die Lastwagen auf die SS Achab verladen werden sollten. Ari bedankte sich bei dem Depotchef für die ausgezeichnete Zusammenarbeit, und das »Arbeitskommando« fuhr sechs Stunden nach seiner Ankunft wieder ab.

 

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