Exodus

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Exodus Page 25

by Leon Uris


  Karen faßte allmählich Zutrauen zu ihm und erzählte ihm, wie es wäre, wenn sie ihren Vater in Palästina wiedersähe. In der ganzen Zeit, seit Karen von den Hansens weggegangen war, hatte sie immer soviel Arbeit mit den Kleinen gehabt, daß sie nie die Zeit gefunden hatte, sich mit einem Menschen wirklich anzufreunden. Dov schien stolz zu sein, daß sie gern mit ihm über all diese Dinge redete, und sie — ja, das war sonderbar, aber sie fand es auch sehr schön, sie ihm erzählen zu können.

  Eines Tages geschah etwas sehr Bedeutsames: Dov Landau lächelte, zum erstenmal, nach langer, langer Zeit.

  XXIX.

  Es waren nur noch vierundzwanzig Stunden bis zu der letzten, der entscheidenden Phase des Unternehmens Gideon. Ari ben Kanaan versammelte seine Leute im Haus von Mandria.

  David ben Ami übergab Ari die Listen und die Papiere für die Verlegung, die Dov Landau soeben fertiggestellt hatte. Ari prüfte sie und meinte, der Junge sei ein wahrer Künstler. Niemand konnte die Echtheit dieser Dokumente bezweifeln. David erstattete Meldung über den Umbau und die Ausrüstung der Exodus, wobei man an alles gedacht hatte, angefangen von allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen bis zu koscherem Konservenfleisch für die strenggläubigen Kinder. Joab Yarkoni, der Marokkaner, meldete, daß alle Lastwagen fahrbereit seien und innerhalb von zwanzig Minuten vom Lager der 23. Transportkompanie aus in Caraolos sein könnten. Er gab ferner die genauen Zeiten für die Fahrt von Caraolos nach Kyrenia auf den einzelnen Strecken an.

  Seew Gilboa sagte, daß die dreihundertundzwei Kinder innerhalb von Minuten auf den Wagen verladen sein könnten, und daß er den Kindern erst unmittelbar vor der Abfahrt bekanntgeben werde, wohin die Reise gehe.

  Hank Schlosberg, der amerikanische Skipper der Exodus, sagte, er werde bei Morgengrauen in Larnaca abfahren und Kurs auf Kyrenia nehmen, um mindestens ein bis zwei Stunden vor der voraussichtlichen Ankunft der Wagenkolonne im Hafen einzutreffen. Mandria meldete, daß er längs der ganzen Fluchtstrecke Späher postiert habe, die die Wagenkolonne auf jede auffällige Aktivität der Engländer aufmerksam machen könne. Desgleichen habe er Späher auf einem halben Dutzend Ausweichstrecken postiert. Mandria sagte, er werde, wie befohlen, hier in seinem Haus in Famagusta warten. Wenn die Wagenkolonne vorbeigekommen sei, werde er augenblicklich Mark Parker in Kyrenia anrufen.

  Ari stand auf und sah seine Leute an. Sie waren nervös, alle miteinander. Sogar Yarkoni, der sonst die Ruhe selbst war, starrte auf den Fußboden. Ari lobte seine Mitarbeiter nicht, und er wünschte ihnen auch nicht Hals- und Beinbruch. Für anerkennende Worte war im Augenblick keine Zeit, und daß alles gut ging, dafür würden sie schon selber sorgen.

  »Ich hatte ursprünglich die Absicht, die Kinder erst in drei Tagen nach Kyrenia zu bringen«, sagte er. »Ich wollte warten, bis die Engländer selbst angefangen hätten, Kinder aus dem Lager von Caraolos in das neue Lager zu überführen. Inzwischen haben wir jedoch erfahren, daß Major Alistair Verdacht geschöpft hat. Es besteht sogar Grund zu der Annahme, daß er sich über Brigadier Sutherlands Kopf hinweg mit London in Verbindung gesetzt und um Anweisungen gebeten hat. Deshalb müssen wir sofort handeln. Unsere Lastwagen sind morgen früh neun Uhr in Caraolos. Ich hoffe, Herr Mandria, daß wir bis gegen zehn Uhr die Kinder verladen haben und mit unserer Wagenkolonne hier an Ihrem Haus vorbeikommen werden. Von dem Augenblick an, da wir von der Straße nach Larnaca abbiegen, haben wir zwei kritische Stunden vor uns. Wir haben absolut keinen Grund anzunehmen, daß man unsere Kolonne anhalten wird. Die Wagen der 23. Transportkolonne sind in ganz Zypern bekannt. Dennoch, wir müssen damit rechnen, daß wir verdächtigt werden könnten. Gibt es noch irgendwelche Fragen?« Keine Fragen.

  David ben Ami, sentimental wie er nun einmal war, konnte die Gelegenheit ohne einen Trinkspruch nicht vorbeigehen lassen. Diesmal hatte auch Ari nichts gegen die Unbekümmertheit seines Freundes einzuwenden.

  »Le Chajim«, sagte David, indem er sein Glas hob.

  »Le Chajim«, fielen die anderen ein.

  »Ich habe dieses ,Le Chajim' von euch schon so oft gehört«, sagte Mandria. »Was bedeutet es?«

  »Es heißt ,Zum Leben'!« antwortete David, »und für Juden ist das wahrhaftig keine geringe Forderung.«

  »Zum Leben!« wiederholte Mandria. »Ein gutes Wort!«

  Ari ging zu Mandria und umarmte ihn, so wie es beim Palmach üblich war. »Sie waren uns ein guter Freund«, sagte er. »So, und jetzt muß ich zu Parker.«

  Mandria strahlte, und die Tränen liefen ihm über das Gesicht. Daß Ari ihn umarmt hatte, wie sich sonst nur die Männer des Palmach untereinander umarmten, bedeutete, daß man ihn als einen der ihren anerkannt hatte.

  Eine halbe Stunde später traf sich Ari, nunmehr als Captain Caleb Moore, mit Mark auf der Terrasse des King George. Mark war ein Nervenbündel. Ari nahm Platz.

  »Nun?« fragte Mark ungeduldig.

  »Morgen. Um neun sind wir in Caraolos.«

  »Ich dachte, Sie wollten warten, bis die Engländer angefangen hätten, die Kinder zu verlegen?«

  »Ja, das wäre auch besser gewesen, aber wir können nicht länger warten. Einer unserer Vertrauensleute bei der CID hat uns mitgeteilt, daß Alistair Lunte gerochen hat.« Mark machte ein besorgtes Gesicht. »Kein Grund zur Aufregung«, sagte Ari, »die Sache ist schon so gut wie vorbei. Die Engländer haben zwar Verdacht geschöpft, aber sie wissen noch nicht, auf was. Also, jetzt sind Sie im Bilde.«

  Mark nickte. Er werde ein Telegramm nach London schicken, mit der Bitte, seinen Urlaub zu verlängern. Durch die Unterschrift »Mark« wisse Bradbury, daß das Unternehmen Gideon geglückt sei, und könne Parkers Bericht an die Presse weitergeben.

  »Und was, wenn ich bis zehn keinen Anruf von Mandria habe?«

  Ari lächelte. »Dann würde ich Ihnen vorschlagen, schleunigst aus Zypern abzuhauen; es sei denn, Sie wollen als Berichterstatter meiner Hinrichtung beiwohnen.«

  »Könnte eine nette Story ergeben«, antwortete Mark.

  »Übrigens«, sagte Ari und sah beiläufig auf das Meer hinaus, »Kitty ist gar nicht mehr im Lager gewesen, seit wir Karen auf die Liste für die Exodus setzen mußten.«

  »Stimmt. Sie ist bei mir, im Dom-Hotel.«

  »Und wie geht es ihr?«

  »Wie soll es ihr gehen? Natürlich miserabel. Sie möchte nicht, daß Karen auf die Exodus mitgeht. Können Sie ihr das verübeln?«

  »Ich mache ihr keinen Vorwurf. Sie tut mir leid.«

  »Nett von Ihnen. Ich wußte gar nicht, daß Ihnen jemand leid tun kann.«

  »Ich bedauere es, daß sie ihrem Gefühl erlaubt hat, mit ihr durchzugehen.«

  »Ach, richtig, für Sie existieren doch keine menschlichen Gefühle. Das hatte ich ganz vergessen.«

  »Sie sind nervös, Mark.«

  Aris kühle Gelassenheit machte Mark wütend. Er mußte daran denken, wie verzweifelt Kitty gewesen war, als sie ihm erzählt hatte, Karen würde auf das Schiff mitgehen. »Was wollen Sie eigentlich? Kitty hat in ihrem Leben mehr gelitten, als ein Mensch überhaupt leiden darf.«

  »Gelitten?« sagte Ari. »Ich bezweifle, daß Kitty Fremont überhaupt weiß, was dieses Wort bedeutet.«

  »Zum Teufel mit Ihnen, Ben Kanaan, hol Sie der Teufel! Glauben Sie, daß die Juden das Recht zu leiden gepachtet haben?«

  Mark stand auf und wollte gehen. Ari ergriff ihn am Arm und hielt ihn fest. Zum erstenmal erlebte Mark bei Ben Kanaan, daß ihn seine ruhige Gelassenheit verließ. Es blitzte zornig in Aris Augen. »Verdammt noch mal — begreifen Sie denn gar nicht, um was es hier geht? Denken Sie vielleicht, das wäre eine Landpartie? Wir nehmen es morgen mit dem britischen Empire auf, und es geht hart auf hart!«

  Er ließ Marks Arm los und beherrschte sich sofort wieder. Fast tat er Mark im Augenblick ein kleines bißchen leid. Ari verstand sich vielleicht besser zu beherrschen, doch auch bei ihm machte sich die Spannung allmählich bemerkbar.

  Einige Stunden später war Mark wieder im Dom-Hotel in Kyrenia. Er klopfte an Kittys Tür. Sie zwang sich zu einem matten Lächeln, doch Mark sah ihren Augen an, daß sie geweint hatte.

  »Morgen geht es los«, sagte er.

  Kitty er
starrte. »Schon so bald?«

  »Ja, sie fürchten, die Engländer könnten irgendwas gemerkt haben.« Kitty ging ans Fenster und sah hinaus. Es war ein strahlend klarer Abend. Sogar der schwache Streifen der türkischen Küste war zu sehen. »Ich habe versucht, meinen ganzen Mut zusammenzunehmen, wollte meine Koffer packen und abreisen«, sagte sie. »Aber ich kann nicht.«

  »Hör zu«, sagte Mark. »Sobald die Sache hier vorbei ist, fahren wir beide zusammen für ein paar Wochen an die Riviera.«

  »Ich dachte, du müßtest nach Palästina?«

  »Ich weiß nicht, ob die Engländer mich nach dieser Geschichte dort noch hineinlassen. Kitty, ich habe ein scheußlich schlechtes Gewissen, daß ich dich in die ganze Sache mit hineingezogen habe.« »Es ist nicht deine Schuld, Mark.«

  »Das hast du schön gesagt, aber es stimmt nicht. Wirst du damit fertigwerden?«

  »Doch, ich glaube schon. Ich hätte es wissen müssen. Du hattest mich gewarnt. Und mir war von Anfang an klar, daß ich mich auf sehr schwankendem Boden bewegte. Weißt du, Mark — es ist sonderbar, wir haben noch darüber gestritten, an dem Abend, an dem ich Ben Kanaan kennenlernte. Ich hatte damals zu dir gesagt, mit den Juden sei irgend etwas eigenartig. Sie sind eben doch anders als wir.«

  »Jedenfalls haben sie eine unwahrscheinliche Fähigkeit, in Schwierigkeiten zu geraten«, sagte Mark. »Das scheint geradezu ihr Hobby zu sein.« Mark stand auf und rieb sich die Stirn. »Also — es mag sein, wie es will, essen könnten wir eigentlich trotzdem. Ich bin hungrig.«

  Kitty lehnte in der Tür, während Mark das Gesicht in kaltes Wasser tauchte. Er suchte nach dem Handtuch, und sie reichte es ihm.

  »Mark — es wird sehr gefährlich sein auf der Exodus, nicht wahr?« Er zögerte einen Augenblick. Es hat keinen Sinn, ihr jetzt noch etwas vorzumachen. »Die Exodus ist eine schwimmende Bombe«, sagte er.

  »Sag mir die Wahrheit, Mark. Kann diese Sache überhaupt gutgehen?«

  »Da dieses gefühllose Monstrum, dieser Ari ben Kanaan, das Unternehmen leitet, besteht immerhin eine gewisse Chance.«

  Die Sonne ging unter, und es war Nacht. Mark saß in Kittys Zimmer, und beide schwiegen.

  »Es hat keinen Sinn, die ganze Nacht aufzubleiben«, sagte er schließlich.

  »Bitte bleib da«, sagte Kitty. »Ich lege mich nur aufs Bett.« Sie griff in den Nachttischkasten und holte zwei Schlaftabletten heraus. Dann machte sie das Licht aus, wandte sich um und versuchte Schlaf zu finden.

  Mark setzte sich ans Fenster und sah der Brandung zu, die an den Strand schlug. So vergingen zwanzig Minuten. Mark drehte sich um und sah zu Kitty hinüber. Sie schien eingeschlafen zu sein, wälzte sich aber unruhig hin und her. Er ging an ihr Bett, blieb eine Weile bei ihr stehen und sah sie an. Dann deckte er sie mit einer Decke zu und ging wieder zu seinem Stuhl zurück.

  In Caraolos saß Karen mit Dov in einer Koje. Beide waren zu aufgeregt, um schlafen zu können. Sie sprachen leise miteinander. Von allen Kindern wußten nur sie allein, was der morgige Tag bringen würde.

  Schließlich gelang es Karen, Dov zu überreden, sich auszustrecken. Als ihm die Augen zufielen, stand sie auf. Eine seltsame Empfindung ging durch ihren Körper. Etwas, was sie nicht verstand und wovor sie fast ein wenig erschrak. Dov bedeutete ihr mehr, als ihr bisher bewußt gewesen war. Es war nicht nur Mitleid, was sie für ihn empfand. Es war noch etwas anderes, etwas Unverständliches.

  Sie wäre gern zu Kitty gegangen, um mit ihr darüber zu reden. Doch Kitty war nicht da.

  Bei der 23. Transportkompanie SMJSZ lagen drei Männer auf ihren Feldbetten, mit offenen Augen, hellwach.

  Seew Gilboa wagte zum erstenmal seit fast einem Jahr wieder an den Frühling in Galiläa zu denken, an die Felder seines Dorfes, an seine Frau und sein Kind. Joab Yarkoni dachte an Sdot Yam, das Fischerdorf, und wie schön es wäre, wieder mit seinem Trawler hinaus zum Fischen fahren zu können. Er stellte sich das Wiedersehen mit seinem Bruder und seiner Schwester vor.

  Und David ben Ami dachte an Jerusalem, das er fast ebenso heiß liebte wie Jordana, Aris Schwester.

  Die drei Männer waren sich darüber klar, daß sie vielleicht nur kurze Zeit in Palästina bleiben würden; denn sie waren Palmach- und Aliyah-Bet-Angehörige und konnten jederzeit an irgendeiner anderen Stelle gebraucht werden. Doch in dieser Nacht dachten sie alle an ihr Zuhause.

  Brigadier Bruce Sutherland erwachte wieder einmal aus einem seiner quälenden Träume. Er zog sich an, verließ das Haus und ging einsam durch das nächtliche Famagusta. Er war müde, sehr müde und erschöpft, und er fragte sich, ob es für ihn jemals wieder eine Nacht geben würde, in der er ruhig schlafen konnte.

  Mandria lief unruhig hin und her in dem Raum, in dem sich die Männer von Mossad Aliyah Bet so oft versammelt hatten. Mandria und andere Griechen auf Zypern, die gleich ihm mit den Juden zusammenarbeiteten, begannen allmählich an die Möglichkeit einer Widerstandsbewegung der Griechen gegen die Herrschaft der Engländer auf Zypern zu denken.

  Ein Mann aber schlief fest und tief. Ari ben Kanaan schlief wie ein satter Säugling, so als ob auf der ganzen Welt Frieden herrschte. Zwanzig Minuten vor neun Uhr morgens bestieg Ari ben Kanaan, in seiner Verkleidung als Captain Calep Moore, den Jeep an der Spitze der Kolonne von zwölf Lastwagen der 23. Transportkompanie. Am Steuer eines jeden Wagens saß ein Palmach-Mitglied in englischer Uniform. Die Kolonne setzte sich in Bewegung und hielt zwanzig Minuten später vor dem Verwaltungsgebäude des Lagers Caraolos. Ari ging hinein und klopfte bei dem Lagerkommandanten an, dessen Bekanntschaft er in den letzten drei Wochen gemacht und sorgsam gepflegt hatte.

  »Guten Morgen, Sir«, sagte Ari.

  »Guten Morgen, Captain Moore. Was führt Sie zu mir?«

  »Wir haben von der Kommandantur einen eiligen Sonderauftrag bekommen, Sir. Das Lager in Larnaca scheint schneller fertigzuwerden, als man erwartet hatte. Ich soll schon heute einen Teil der Kinder hinüberbringen.« Ari legte die gefälschten Papiere auf den Schreibtisch des Lagerkommandanten.

  Der CO blätterte die Listen durch. »Davon steht nichts auf unserem Verlegungsplan«, sagte er. »Die Verlegung der Kinder sollte erst in drei Tagen beginnen.«

  »Kommt aber von der Kommandantur, Sir«, sagte Ari.

  Der CO biß sich nachdenklich auf die Lippe, sah Ari an, prüfte nochmals die Papiere und hob dann den Hörer ab. »Hallo — hier Potter. Captain Moore hat Anweisung, dreihundert Kinder aus Sektion 50 in das neue Lager zu bringen. Weisen Sie ein ArbeitsKommando an, den Transport schleunigst zusammenzustellen.« Der CO nahm seinen Füller und zeichnete die Verlegungspapiere ab. »Mhm, was ich noch sagen wollte, Moore — besten Dank für den Whisky, den Sie uns geschickt haben.«

  »War mir ein Vergnügen, Sir.«

  Ari nahm die Papiere wieder an sich. Der CO seufzte. »Juden kommen und Juden gehen«, sagte er.

  »Ja, Sir«, sagte Ari. »Sie kommen — und sie gehen.«

  Im Zimmer von Mark war der Frühstückstisch am Fenster gedeckt. Kitty und Mark hatten kaum etwas gegessen, und in Marks Aschenbecher häuften sich die Kippen.

  »Wie spät ist es?« fragte Kitty zum fünfzehntenmal.

  »Gleich halb zehn«, sagte Mark. Dann zeigte er aufs Meer hinaus und sagte: »Da, sieh doch mal.«

  Draußen erschien die altehrwürdige Aphrodite/Exodus und näherte sich langsam dem Hafeneingang.

  »Großer Gott!« sagte Kitty. »Ist das die Exodus?«

  »Ja, das ist sie.«

  »Mein Gott, Mark — das Schiff sieht aus, als würde es im nächsten Augenblick auseinanderfallen.«

  »Allerdings.«

  »Aber wie um alles in der Welt wollen sie denn auf diesem Schiff dreihundert Kinder unterbringen?«

  Mark brannte sich eine neue Zigarette an. Er wäre gern aufgestanden und im Zimmer umhergegangen, doch er wollte Kitty nicht merken lassen, wie unruhig er war.

  Neun Uhr dreißig.

  Neun Uhr vierzig.

  Die Exodus passierte den Leuchtturm und gelangte durch die schmale Einfahrt in den Hafen von Kyrenia.

  Neun Uhr fünfzig.

  »Mark, bitte setz dich hin. Du machst mi
ch ganz nervös.«

  »Wir müßten eigentlich bald einen Anruf von Mandria haben. Es kann jetzt jede Minute soweit sein.«

  Zehn Uhr.

  Zehn Uhr fünf.

  Sechs Minuten nach zehn. Sieben Minuten nach zehn.

  »Verdammt! Wo bleibt denn der Kaffee, den ich bestellt hatte? Kitty, geh doch mal in dein Zimmer und ruf unten an, ja? Sag ihnen, sie sollen endlich den Kaffee herauf bringen.«

  Zehn Uhr fünfzehn.

  Der Kaffee wurde gebracht.

  Zehn Uhr siebzehn. Marks Nervosität ließ nach. Er wußte: wenn er in den nächsten zehn Minuten nichts von Mandria hörte, dann war irgendwas schiefgegangen.

  Zehn Uhr zwanzig. Das Telefon klingelte!

  Mark und Kitty sahen sich einen Augenblick an. Mark wischte sich den Schweiß von der Handfläche, holte tief Luft und nahm den Hörer ab.

  »Hallo.«

  »Mr. Parker.«

  »Am Apparat.«

  »Einen Augenblick bitte, Sie werden aus Famagusta verlangt.« »Hallo — hallo — hallo.«

  »Parker?«

  »Am Apparat.«

  »Hier ist Mandria.«

  »Ja?«

  »Sie sind soeben hier durchgekommen.«

  Mark legte langsam den Hörer auf. »Er hat sie also tatsächlich aus dem Lager herausbekommen. Sie fahren jetzt auf der Straße nach Larnaca. In rund fünfzehn Minuten werden sie abbiegen und in nördlicher Richtung davonbrausen. Es ist eine Strecke von rund fünfzig Meilen, größtenteils durch flaches Land. Nur einmal müssen sie über einen Paß, falls sie nicht einen Umweg machen müssen. Sie müßten also kurz nach zwölf hier sein, wenn alles klargeht. Komm,

  Kitty, jetzt brauchen wir ja nicht mehr hier zu warten.«

  Er nahm seinen Feldstecher, ging mit Kitty nach unten zum Empfang und verlangte ein Telegrammformular.

  KENNETH BRADBURY AMERICAN NEWS SYNDICATE LONDON

  NETTE BEKANNTSCHAFT GEMACHT STOP ERBITTE ZWEI WOCHEN URLAUBSVERLÄNGERUNG. MARK »Geben Sie das bitte auf, als dringendes Telegramm. Wie lange wird das dauern?«

 

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