by Leon Uris
Der Portier sah auf das Formular und sagte: »Es wird in ein paar Stunden in London sein.«
Mark und Kitty verließen das Hotel und gingen zum Hafen.
»Was war das für ein Telegramm?« fragte Kitty.
»Das war das verabredete Signal, daß mein Bericht heute abend an die Presse gehen soll.«
Am Kai blieben sie eine Weile stehen und sahen zu, wie der gebrechliche Kahn im Hafen festmachte. Dann nahm Mark Kittys Arm. Sie gingen hinüber auf die andere Seite des Hafens und stiegen auf den Turm des Kastells. Von hier oben konnten sie sowohl den Hafen sehen als auch weit die Küstenstraße hinunter, auf der die Wagenkolonne ankommen mußte.
Gegen elf Uhr fünfzehn richtete Mark seinen Feldstecher auf diese Straße, die sich am Meer entlangzog, in Windungen hinter den Hügeln verschwand und wieder hervorkam. Der Paß über das Gebirge war zu weit entfernt, um ihn von hier aus sehen zu können. Plötzlich erstarrte er: er hatte einen Staubschleier gesichtet und jetzt erkannte er eine Reihe von Lastwagen, klein wie Ameisen. Er stieß Kitty an und gab ihr das Glas. Sie hielt es auf die Wagen gerichtet, die auf der sich schlängelnden Straße auftauchten, verschwanden, von neuem sichtbar wurden und sich langsam auf Kyrenia zu bewegten.
»Sie sind ungefähr noch eine halbe Stunde entfernt.«
Sie stiegen von dem Turm wieder herunter, gingen wieder auf die andere Seite des Hafens und blieben am Ende des Kais stehen. Von hier waren es nur fünf Minuten zum Dom-Hotel. Als die Wagenkolonne das Krankenhaus am Stadtrand passierte, nahm Mark Kitty bei der Hand und ging mit ihr zum Hotel zurück.
Dort begab sich Mark in eine Telefonzelle und ließ sich dringend mit dem Britischen Intelligence Service in Famagusta verbinden.
»Ich hätte gern Major Alistair gesprochen«, sagte Mark. Er hielt ein Taschentuch über die Sprechöffnung und sprach mit englischem Akzent.
»Verzeihung, wer spricht dort, und um was handelt es sich, bitte?« »Hören Sie mal«, sagte Mark, »dreihundert Juden sind aus Caraolos entflohen. Also stellen Sie jetzt gefälligst keine dummen Fragen, sondern verbinden Sie mich mit Alistair.«
Der Apparat auf Major Alistairs Schreibtisch läutete.
»Hier Alistair«, sagte er mit seiner leisen Stimme.
»Hier ist ein guter Freund«, sagte Mark. »Ich wollte Ihnen nur melden, daß mehrere hundert Juden aus Caraolos ausgebrochen sind und sich in diesem Augenblick im Hafen von Kyrenia an Bord eines Schiffes begeben.«
Dann legte er auf.
Alistair drückte mehrfach rasch auf die Gabel. »Hallo, wer spricht denn da? Hallo — hallo!« Er legte den Hörer hin und nahm ihn sofort wieder ab. »Hier Alistair. Ich habe soeben eine Meldung über die Flucht von dreihundert Juden bekommen. Sie sollen sich in Kyrenia an Bord eines Schiffes begeben. Geben Sie Alarmstufe blau. Sagen Sie dem Ortskommandanten von Kyrenia, er solle sofort feststellen, was los ist. Falls die Meldung stimmt, müssen sofort einige Einheiten unserer Flotte dorthin dirigiert werden.«
Alistair legte den Hörer hin und machte sich eiligst auf den Weg zu Sutherlands Büro.
Die Wagenkolonne kam in den Hafen gerollt und hielt auf dem Kai. Ari ben Kanaan entstieg dem Jeep an der Spitze der Kolonne, und der Fahrer fuhr mit dem Jeep davon. Die Lastwagen kamen herangefahren und hielten bei der Exodus. Jungens und Mädchen stiegen aus und begaben sich rasch und ohne jeden Lärm an Bord. Alles vollzog sich, dank der Ausbildung durch Seew Gilboa, in mustergültiger Disziplin. An Bord schleusten Joab, David und Hank Schlosberg, der Kapitän, die Jugendlichen an ihre Plätze im Raum und an Deck.
Am Kai blieben ein paar Neugierige stehen und staunten. Einige englische Soldaten zuckten die Achseln und kratzten sich am Kopf. Sobald einer der Lastwagen leer war, fuhr der Fahrer damit in die Berge davon und ließ ihn in der Nähe der Ruinen von St. Hilarion stehen. Die 23. Transportkompanie, die in diesem Augenblick ihre Aufgabe erfüllt hatte, hörte zu existieren auf. Joab hinterließ in seinem Lastwagen einen Zettel, auf dem er sich bei den Engländern für die Überlassung des Fahrzeuges bedankte. Ari ging an Bord und begab sich in das Ruderhaus. Nach zwanzig Minuten war der letzte Lastwagen entladen und alle an Bord. Ari übergab Hank das Kommando.
Der Kapitän lichtete den Anker und ließ die Maschinen auf Touren laufen.
»Geht zu den Kindern«, sagte Ari zu Seew, David und Joab, »und erklärt ihnen genau, was wir vorhaben und was wir von ihnen erwarten. Jedes Kind, das meint, es könne die Sache nicht durchstehen, soll hierher ins Ruderhaus kommen, mir Bescheid sagen; dann wird es nach Caraolos zurückgebracht werden. Macht den Kindern klar, daß ihr Leben in Gefahr ist, wenn sie bleiben. Weder von euch noch von den Kindern soll auf diejenigen, die lieber von Bord gehen wollen, irgendein Druck ausgeübt werden, um sie zum Bleiben zu veranlassen.«
Während die Palmach-Angehörigen von der Brücke nach unten gingen, um die Kinder zu unterweisen, begab sich die Exodus in die Mitte des Hafens und ging dort vor Anker.
Im nächsten Augenblick tönte ganz Kyrenia wider vom Schrillen der Sirenen. Ari richtete sein Fernglas auf die Hügel und die Küstenstraße und sah Dutzende englischer Lastwagen und Jeeps, die sich Kyrenia näherten. Er mußte laut lachen, als er sah, wie die Lastwagen der einstmaligen 23. Transportkompanie, die von Kyrenia aus in die Berge gebracht wurden, den Wagenkolonnen mit englischen Soldaten begegneten, die in entgegengesetzter Richtung herangebraust kamen.
Dann sah Ari nach unten. Die Kinder an Deck waren ruhig.
Die Engländer kamen heran und strömten in den Hafen! Ein Wagen nach dem andern hielt auf dem Kai und entlud Soldaten. Offiziere zeigten aufgeregt zu der Exodus hin und brüllten Befehle. Soldaten rannten im Galopp auf beiden Seiten die Mole entlang und brachten bei der engen Hafeneinfahrt Maschinengewehre und Granatwerfer in Stellung, um die Exodus am Auslaufen zu hindern.
Immer mehr Wagen kamen heran. Der Kai wurde abgesperrt, neugierige Zuschauer wurden zurückgedrängt. Innerhalb einer Stunde wimmelte es im Hafen von fünfhundert schwerbewaffneten Soldaten. Vor der Hafeneinfahrt nahmen zwei Torpedoboote Aufstellung. Am Horizont sah Ari drei Zerstörer, die eilig herankamen. Das Sirenengeheul nahm kein Ende! Der kleine verschlafene Ort verwandelte sich in ein Aufmarschgebiet! Dann kamen Tanks herangerollt, und die Maschinengewehre und Granatwerfer wurden durch Artillerie ersetzt.
Unter erneutem Sirenengeheul erschien am Kai ein Wagen, dem Brigadier Sutherland, Caldwell und Alistair entstiegen. Major Cooke, der Ortskommandant von Kyrenia, begab sich zu Sutherland und erstattete Meldung.
»Das Schiff da draußen, Sir, das ist es. Und es ist tatsächlich vollgeladen mit Juden. Aber es kann unter gar keinen Umständen entkommen.«
Sutherland sah sich im Hafen um. »Was ihr hier aufgebaut habt, genügt, um eine Panzerdivision zu bekämpfen«, sagte er. »Die auf dem Schiff da müssen wahnsinnig geworden sein. Lassen Sie sofort eine Lautsprecheranlage installieren.«
»Jawohl, Sir.«
»Also, wenn Sie mich fragen«, sagte Caldwell, »wir sollten den Kahn in die Luft jagen.«
»Ich habe Sie aber nicht gefragt«, sagte Sutherland scharf. »Cooke! Lassen Sie das ganze Hafengebiet absperren. Organisieren Sie ein Prisenkommando — Tränengas, leichte Waffen, für den Fall, daß sie nicht freiwillig zurückkommen wollen. Freddy, laufen Sie doch eben mal 'rüber zum Dom-Hotel und sagen Sie auf der Kommandantur Bescheid, daß ich eine allgemeine Nachrichtensperre wünsche.« Alistair musterte schweigend die Exodus.
»Was halten Sie von der Sache, Alistair?«
»Gefällt mir nicht, Sir«, sagte er. »Die würden so etwas nicht am hellichten Tage inszenieren, wenn sie nicht irgend etwas anderes im Schilde führten.«
»Nun beruhigen Sie sich schon, Alistair. Sie vermuten hinter allem irgendeinen finsteren Anschlag.«
Mark Parker drängte sich durch die Absperrung und näherte sich den beiden Offizieren.
»Was bedeutet die ganze Aufregung eigentlich?« fragte er Alistair. Als Alistair Mark sah, wußte er sofort, daß sein Verdacht richtig gewesen war. »Nun seien Sie mal nett, Parker«, sagte er, »und sagen Sie uns, was los ist. Wirklich, alter Junge, wenn Sie das nächstemal mit mir
telefonieren, sollten Sie vorher Ihren britischen Akzent auffrischen.«
»Ich verstehe nicht, wovon Sie reden, Major Alistair.«
Sutherland ging allmählich ein Licht auf. Er sah von der Exodus zu Parker und Alistair, und ihm wurde klar, daß Mossad Aliyah Bet ihn überrumpelt hatte.
Die Röte stieg ihm ins Gesicht.
Major Cooke, der Ortskommandant von Kyrenia, kam und meldete: »Das Prisenkommando wird in zehn Minuten bereitstehen, Sir. Zweihundert Mann, die auf Fischerbooten zu dem Schiff hinausfahren.«
Sutherland hatte kaum hingehört. »Wo bleibt denn der Lautsprecher, verdammt noch mal!«
Zehn Minuten später hob Sutherland das Mikrophon an den Mund. Im Hafen wurde es still. Das Prisenkommando stand bereit, um an Bord der Exodus zu gehen, die in der Mitte des Hafenbeckens vor Anker lag.
»Hallo, da draußen! Hier spricht Brigadier Bruce Sutherland, der Inselkommandant von Zypern«, hallte es mit vielfältigem Echo durch den Hafen. »Können Sie mich hören?«
Im Ruderhaus der Exodus schaltete Ari ben Kanaan seine Lautsprecher-Anlage ein. »Hallo, Sutherland!« rief er. »Hier spricht Capain Caleb Moore von der 23. Transportkompanie Seiner Majestät Jüdischer Streitkräfte auf Zypern. Wenn Sie Ihre Lastwagen suchen, sie stehen oben bei St. Hilarion.«
Sutherland wurde blaß. Alistair fiel der Unterkiefer herunter.
»Hallo, da draußen!« rief Sutherland zurück. »Wir geben Ihnen zehn Minuten Zeit, an den Kai zurückzukommen. Wenn Sie nicht freiwillig kommen, sind wir gezwungen, Ihnen ein schwerbewaffnetes Prisenkommando zu schicken, das Sie mit Gewalt zurückbringt.«
»Hallo, Sutherland! Hier spricht die Exodus. Wir haben dreihundertundzwei Kinder an Bord. Unser Maschinenraum ist mit Dynamit gefüllt. Wenn einer Ihrer Männer bei uns an Bord kommen sollte, oder wenn auch nur ein Schuß auf uns abgegeben wird, dann sprengen wir uns in die Luft!«
In diesem Augenblick ging Mark Parkers Bericht von London aus über Fernschreiber in alle Welt.
Sutherland, Alistair und die fünfhundert englischen Soldaten auf dem Kai waren sprachlos, als jetzt am Mast der Exodus eine Flagge gehißt wurde. Es war der Britische Union Jack, mit einem riesigen Hakenkreuz in der Mitte.
Der Kampf der Exodus hatte begonnen!
XXX.
ANS-SONDERBERICHT
DAVID GEGEN GOLIATH, MODELL 1946
VON UNSEREM SONDERBERICHTERSTATTER
MARK PARKER
KYRENIA, ZYPERN
Ich schreibe diesen Bericht in Kyrenia, einer kleinen, zauberhaft schönen Hafenstadt an der Nordküste der Britischen Kronkolonie Zypern.
Zypern hatte eine reichbewegte Geschichte. Die Insel ist voll von Denkmälern einer großen Vergangenheit, angefangen von den Ruinen der Stadt Salamis bis zu den Kathedralen von Famagusta und Nikosia und den zahlreichen Schlössern aus der Zeit der Kreuzritter. Doch diese bewegte Vergangenheit kann es nicht an Dramatik mit dem aufnehmen, was sich in diesem Augenblick in dieser kleinen, abgelegenen und unbekannten Stadt abspielt. Seit einigen Monaten ist Zypern ein Internierungszentrum für jüdische Flüchtlinge, die versuchen, die englische Einwanderungsblockade zu durchbrechen und nach Palästina zu gelangen.
Auf bisher noch ungeklärte Weise sind heute dreihundert Kinder im Alter zwischen zehn und siebzehn aus dem Internierungslager bei Caraolos entkommen und quer über die Insel nach Kyrenia geflohen, wo sie ein umgebautes Transportschiff von rund zweihundert Tonnen erwartete, um sie nach Palästina zu bringen. Die Flüchtlinge sind fast alle Überlebende aus deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern. Das Bergungsschiff, das man passenderweise in Exodus umbenannt hat, wurde, bevor es den Hafen verlassen konnte, vom Britischen Intelligence Service entdeckt.
Das Schiff mit den dreihundert Flüchtlingskindern an Bord liegt vor Anker in der Mitte des Hafens, der einen Durchmesser von knapp dreihundert Metern hat.
Ein Sprecher der Exodus hat mitgeteilt, daß der Raum des Schiffes mit Dynamit gefüllt ist. Die Kinder sind entschlossen, gemeinsam Selbstmord zu begehen, und man wird das Schiff in die Luft sprengen, wenn die Engländer versuchen sollten, an Bord zu gehen.
LONDON
General Sir Clarence Tevor-Browne, der an seinem Schreibtisch in London saß, legte die Zeitung mit Parkers Bericht beiseite, brannte sich eine Zigarre an und beschäftigte sich mit den inzwischen eingegangenen letzten Meldungen. Mark Parkers Bericht hatte nicht nur in Europa, sondern auch in den Vereinigten Staaten wie eine Bombe eingeschlagen. Sutherland hatte es abgelehnt, die Verantwortung für den Befehl zu übernehmen, an Bord der Exodus zu gehen, und Tevor-Browne um Anweisung gebeten, was er tun solle.
Tevor-Browne war sich darüber klar, daß er die Ereignisse zum Teil verschuldet hatte. Er selbst hatte Bruce Sutherland für den Posten in Zypern vorgeschlagen, und er hatte auf den Brief von Alistair nicht reagiert, obwohl dieser Brief die Warnung enthalten hatte, daß irgend etwas passieren würde, wenn man Sutherland nicht abberiefe. Humphrey Crawford betrat das Büro von Tevor-Browne. Crawford, ein bleichgesichtiger, ehrgeiziger Beamter der nahöstlichen Abteilung des Kolonialministeriums, diente als Verbindungsmann zwischen der Armee und den politischen Drahtziehern von Whitehall und Chatham House.
»Tag, Sir Clarence«, sagte Crawford nervös. »Es wird Zeit, daß wir zu Bradshaw gehen.«
Tevor-Browne stand auf und nahm einige Unterlagen vom Schreibtisch. »Wollen den alten Cecil Bradshaw nicht warten lassen«, sagte er.
Cecil Bradshaws Büro befand sich im Institute of International Relations im Chatham House. Bradshaw war seit dreißig Jahren einer der tonangebenden Leute in allen Fragen der nahöstlichen Politik.
Als General Sir Clarence Tevor-Browne und Humphrey Crawford das Büro von Cecil Bradshaw betraten, stand dieser beleibte Mann in den Sechzigern mit dem Rücken zu ihnen und sah die Wand an. Humphrey Crawford nahm nervös auf einer Stuhlkante Platz. Tevor-Browne machte es sich in einem Ledersessel bequem und zündete sich eine Zigarre an.
»Gratuliere, meine Herren«, sagte Bradshaw, das Gesicht noch immer zur Wand gerichtet, ironisch und mit vor Ärger bebender Stimme. »Wie ich aus der Presse sehe, haben wir heute das Rennen an allererster Stelle gemacht.« Dann drehte er sich herum, klopfte sich auf seinen Schmerbauch und lächelte. »Sie haben vermutlich angenommen, daß ich vor Wut schäume. Aber nein, keineswegs. Ich bekam heute vormittag einen Anruf von Whitehall. Wie zu erwarten war, hat der Minister diese Exodus-Affäre mir zugeschoben.« Bradshaw setzte sich an seinen Schreibtisch, warf einen Blick auf die dort liegenden Berichte und nahm mit einer raschen Bewegung seine dicke Hornbrille ab. »Sagen Sie, Sir Clarence — waren Ihre Leute vom Intelligence Service da in Zypern eigentlich tot, oder waren sie nur gerade beim Tennisspielen? Und außerdem scheint mir, daß Sie uns einige Erklärungen über diesen Sutherland schuldig sind. Es war ja Ihre Idee, Sutherland nach Zypern zu schicken.«
Tevor-Browne ließ sich nicht einschüchtern. »Mir scheint, die Einrichtung von Internierungslagern auf Zypern war Ihre Idee. Was haben Sie dazu zu erklären?«
»Meine Herren«, sagte Crawford rasch, um einem Zusammenstoß vorzubeugen, »wir sind durch diese Exodus in eine sehr heikle Situation gekommen. Es ist das erstemal, daß die amerikanische Presse in solcher Form davon Notiz nimmt.«
Bradshaw lachte, daß sich seine Apfelbäckchen röteten. »Trotz allem Gerede von Truman haben die Amerikaner seit Kriegsende nicht mehr als zehntausend jüdische Flüchtlinge in ihr Land hineingelassen. Gewiß, Truman ist ein Förderer des Zionismus — solange Palästina nicht in Pennsylvanien liegt. Alle Leute reden große Töne, doch wir sind nach wie vor die einzigen, die eine Million Juden auf dem Hals haben, eine Million, die unsere ganze Position im Nahen Osten ruinieren könnte.« Bradshaw setzte seine Brille wieder auf. »Stern Davids, Moses, Palmach, Zinnen von Zion, Tor der Hoffnung, und jetzt die Exodus. Die Zionisten sind sehr kluge Leute. Seit fünfundzwanzig Jahren haben sie uns in Palästina den Schwarzen Peter zugeschoben. Sie lesen aus den Mandatsbestimmungen und der Balfour-Deklaration Sachen heraus, die gar nicht drinstehen. Sie sind imstande, solange auf ein Kamel einzureden, bis es überzeugt ist, e
s sei ein Muli. Bei Gott — zwei Stunden mit Chaim Weizmann, und ich bin drauf und dran, selbst Zionist zu werden.« Cecil Bradshaw nahm seine Brille wieder ab.
»Es ist bekannt, Tevor-Browne, wo Ihre Sympathien liegen.«
»Ich weiß, was Sie damit sagen wollen, Bradshaw, und ich muß Ihre Unterstellung ablehnen. Es mag sein, daß ich einer der wenigen bin, die immer wieder sagen, die einzige Möglichkeit, unsere Stellung im Nahen Osten zu halten, sei die Schaffung eines starken jüdischen Palästinas. Doch wenn ich das sage, so habe ich damit nicht das jüdische Interesse im Auge, sondern das Interesse Englands.«
»Kommen wir lieber zu dieser Exodus-Affäre«, unterbrach ihn Bradshaw. »Es ist völlig klar, worum es dabei geht. Im Falle der Gelobtes Land haben wir nachgegeben, diesmal aber werden wir nicht nachgeben. Die Exodus befindet sich in britischen und nicht in französischen Gewässern. Wir werden nicht an Bord gehen, wir werden das Schiff auch nicht nach Deutschland schicken, und wir werden es nicht versenken. Die sollen da in Kyrenia auf dem Schiff sitzen bleiben, bis sie schwarz werden. Haben Sie gehört, Tevor-Browne? Bis sie schwarz werden!« Er redete sich so in Wut, daß seine Hand zu zittern begann.
Tevor-Browne schloß die Augen und sagte: »Wir haben kein Recht, dreihundert Kinder, die in Konzentrationslagern aufgewachsen sind, daran zu hindern, nach Palästina zu gehen. Erdöl, Suez-Kanal, Araber — zum Teufel damit! Wir haben kein Recht dazu! Wir haben uns schon lächerlich genug gemacht, als wir die Flüchtlinge von der Gelobtes Land nach Deutschland geschickt haben.«
»Ihre Einstellung ist mir bekannt!«
»Meine Herren!«
Tevor-Browne stand auf und trat an Bradshaws Schreibtisch. »Es gibt für uns nur eine Möglichkeit, wie wir in dieser Sache gewinnen können. Die Juden haben den ganzen Vorfall planmäßig inszeniert, um für sich Propaganda zu machen. Machen Sie ihnen einen Strich durch die Rechnung. Geben Sie der Exodus noch in dieser Minute die Erlaubnis zum Auslaufen. Das ist genau das, was sie nicht wollen.«
»Nie und nimmer!«