Exodus
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Es klopfte an der Tür, Harriet Salzmann sagte: »Herein«, und David ben Ami trat ein.
»Schalom, Harriet. Schalom, Kitty. Ich hörte von Ari, daß ich Sie hier finden würde. Störe ich auch nicht?«
»Nein«, sagte Harriet. »Wir haben schon alles besprochen, was wir zu besprechen hatten. Katherine geht nach Gan Dafna.«
»Na großartig. Ich hatte gedacht, es wäre nicht schlecht, mit Kitty durch Me'a Schäarim zu gehen, wenn der Sabbat beginnt.«
»Das ist eine sehr gute Idee, David«, sagte Harriet.
»Dann gehen wir am besten gleich. Kommen Sie mit, Harriet?« »Diese alten Knochen wollt ihr durch die Stadt schleppen? Das laßt mal schön bleiben. In zwei Stunden liefern Sie Katherine bei mir zum Essen ab.«
Kitty stand auf, gab Harriet Salzmann die Hand, dankte ihr und drehte sich dann zu David um. David stand da und starrte sie an.
»Ist irgend etwas nicht in Ordnung, David?« fragte Kitty.
»Ich habe Sie noch nie so angezogen gesehen. Sie sehen wunderbar aus.« Er sah verlegen an sich herunter. »Ich weiß gar nicht, ob ich gut genug angezogen bin, um mit Ihnen durch die Stadt zu gehen.« »Aber Unsinn. Ich habe mich nur schick gemacht, weil ich bei meiner neuen Chefin Eindruck schinden wollte.«
»Schalom, Kinder«, sagte Harriet. »Bis nachher.«
Kitty war sehr froh, daß David sie abgeholt hatte. In seiner Gesellschaft fühlte sie sich wohler als mit irgendeinem der anderen Juden. Sie verließen das Gebäude der Zionistischen Siedlungsgesellschaft und überquerten die Straße der Propheten. Kitty nahm seinen Arm. Es schien, als sei David derjenige, der die Stadt besichtigte. Alles, was es in Jerusalem zu sehen gab, entdeckte er ganz neu und freute sich wie ein Kind. »Es ist so schön, wieder hier zu sein«, sagte er. »Wie finden Sie meine Heimatstadt?«
»Gibt es dafür überhaupt Worte? Ich finde, alles ist überwältigend und ein bißchen unheimlich.«
»Ja, genauso ist mir Jerusalem auch immer vorgekommen, schon seit ich ein kleiner Junge war. Diese Stadt ist für mich jedesmal wieder faszinierend und verwirrend.«
»Ich finde es reizend von Ihnen, daß Sie Zeit für mich haben, nachdem Sie so lange nicht zu Hause waren.«
»Wir sind noch nicht alle versammelt«, sagte David. »Ich habe sechs Brüder, müssen Sie wissen. Die meisten von ihnen sind beim Palmach. Ich bin das Nesthäkchen, und deshalb versammelt sich jetzt natürlich die ganze Familie — bis auf einen meiner Brüder. Den werde ich später allein besuchen müssen.«
»Ist er krank?«
»Nein, er ist bei den Makkabäern. Mein Vater erlaubt nicht, daß er unser Haus betritt. Er ist bei Ben Mosche, einem der führenden Männer der Makkabäer. Früher war Ben Mosche mein Professor an der Hebräischen Universität.« David blieb stehen und zeigte hinüber zum Skopusberg, der sich jenseits des Kidron-Tales erhob. »Da, das ist die Universität.«
»Sie fehlt Ihnen sehr, Ihre Universität, nicht wahr?«
»Ja, natürlich. Doch eines Tages wird es mir möglich sein, wieder dort zu arbeiten.«
Es wurde dunkel, ein heiseres Horn ertönte, und durch die Straßen tönte der Ruf: »Sabbat! Sabbat!«
In ganz Jerusalem war der Klang des jahrtausendealten Horns zu hören. David setzte eine kleine Kappe auf und führte Kitty zur Me'a Schäarim — der Straße der hundert Tore, in der die orthodoxen Juden wohnten.
»Hier in Me'a Schäarim können Sie in den Synagogen Männer sehen, die auf die verschiedenste Art und Weise beten. Von den Yemeniten beten einige mit einer schwingenden Bewegung des Oberkörpers, als ob sie auf einem Kamel ritten. Auf diese Weise rächen sich die Juden dafür, daß es ihnen früher verboten war, auf Kamelen zu reiten, weil es nicht anging, daß der Kopf eines Juden den eines Muselmanns überragte.«
»Das ist mir neu.«
»Oder die Nachkommen der spanischen Juden. In der Zeit der Inquisition waren die spanischen Juden, wenn sie nicht den Tod erleiden wollten, gezwungen, den katholischen Glauben anzunehmen. Sie sagten die lateinischen Gebete mit lauter Stimme, doch am Ende eines jeden Satzes beteten sie unhörbar Worte eines hebräischen Gebetes. Deshalb beten sie noch heute am Ende eines jeden Satzes einige Worte schweigend.«
Kitty war sprachlos, als sie in die Straße der hundert Tore einbogen. An beiden Seiten zogen sich zweistöckige Häuser entlang, die alle reich verzierte schmiedeeiserne Gitter vor ihren Balkonen hatten.
Die Männer trugen Bärte und lange Locken, pelzverbrämte Hüte und lange Kaftane aus schwarzem Satin. Man sah Yemeniten in arabischer Kleidung, Kurden, Leute aus Buchara und Perser in bunten Seidengewändern. Alle kamen aus dem rituellen Bad und gingen mit raschen, schwingenden Schritten.
Die Straße leerte sich bald, und alle begaben sich in die Synagogen. Die Synagogen waren meist klein und lagen dicht nebeneinander. Kitty warf durch die vergitterten Fenster einen Blick ins Innere.
Was für seltsame Räume — und was für eigenartige Leute. Kitty sah Männer, die sich klagend und seufzend um das Sefer Thora drängten. Sie sah die milden, verklärten Gesichter der Yemeniten, die mit untergeschlagenen Beinen auf Kissen hockten und mit leiser Stimme beteten. Sie sah alte Männer, die mit dem Oberkörper hin und her schwangen, während sie aus alten, vergilbten Büchern pausenlos und monoton hebräische Gebete zitierten. Wie anders war das alles als in Tel Aviv, und wie weit waren die Menschen hier von den gutaussehenden männlichen und weiblichen Bewohnern dieser neuen jüdischen Stadt entfernt.
»Es gibt bei uns alle möglichen Arten von Juden«, sagte David ben Ami. »Ich wollte Ihnen das hier zeigen, weil ich wußte, daß es Ari nicht tun würde. Er und viele von denen, die im Lande geboren sind, verachten diese alten strenggläubigen Juden. Sie bearbeiten den Boden nicht und lehnen es ab, Waffen zu tragen. Sie sind reaktionär und verhalten sich ablehnend gegen das, was wir aufzubauen versuchen. Und doch, wenn man wie ich längere Zeit hier in Jerusalem gelebt hat, dann lernt man, auch ihnen gegenüber tolerant zu sein, und man begreift, wie schrecklich die Zustände gewesen sein müssen, die Menschen in einen derartigen religiösen Fanatismus treiben konnten.«
Ari ben Kanaan stand im Russischen Viertel in der Nähe der Griechischen Kirche und wartete. Es wurde dunkel. Plötzlich tauchte Bar Israel auf. Ari folgte ihm in eine Nebenstraße, wo ein Taxi hielt. Sie stiegen ein, und Bar Israel brachte ein großes schwarzes Taschentuch zum Vorschein.
»Muß ich das über mich ergehen lassen?«
»Ich habe Vertrauen zu Ihnen, Ari, aber Befehl ist Befehl.«
Ari wurden die Augen verbunden. Dann mußte er sich auf den Boden des Wagens legen. Er wurde mit einer Decke zugedeckt. Länger als eine Viertelstunde fuhr das Taxi kreuz und quer, um Ari zu verwirren. Schließlich hielt es an. Ari wurde rasch in ein Haus und in einen Raum geführt; dann durfte er die Binde vor den Augen wieder abnehmen.
Der Raum war leer bis auf einen Tisch und einen Stuhl. Auf dem Tisch stand eine brennende Kerze, außerdem eine Flasche Brandy und zwei Gläser. Es dauerte eine Weile, bis sich Aris Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Vor ihm an der anderen Seite des Tisches stand sein Onkel Akiba. Sein Bart und sein Haar waren schneeweiß geworden. Er stand gebeugt, und sein Gesicht war voller Falten. Ari ging langsam zu ihm hin und blieb vor ihm stehen. »Onkel Akiba«, sagte er.
»Ari, mein Junge.«
Die beiden umarmten sich, und nur mit Gewalt erwehrte sich der alte Mann seiner Rührung. Akiba nahm die Kerze hoch, hielt sie nahe an Aris Gesicht und lächelte. »Gut siehst du aus, Ari. Du hast deine Sache in Zypern großartig gemacht.«
»Danke, Onkel Akiba.«
»Wie ich höre, bist du mit einem Mädchen hergekommen.«
»Ja, mit einer Amerikanerin, die uns geholfen hat. Sie ist eigentlich kein Freund unserer Sache. Und wie geht es dir, Onkel Akiba?« Akiba zog die Schultern hoch. »So gut, wie man das von einem alten Mann erwarten kann, der sich verborgen halten muß. Es ist lange her, seit ich dich das letztemal gesehen habe, Ari — allzulange. Über zwei Jahre. Es war schön, damals, als Jordana an der Universität studierte. Sie war jede Woche einmal bei mir. Sie muß inzwischen fast Zwanzig sein. Und wie geht e
s ihr? Ist sie immer noch in diesen Jungen verliebt?«
»Du meinst David ben Ami? Ja, die beiden lieben sich sehr. David war mit mir in Zypern. Er ist eine der größten Hoffnungen unter unseren jungen Leuten.«
»Sein Bruder ist Makkabäer, wie du vielleicht weißt. Und Ben Mosche war sein Lehrer auf der Universität. Vielleicht kann ich ihn einmal kennenlernen.«
»Selbstverständlich.«
»Wie ich höre, ist Jordana beim Palmach.«
»Ja, sie hat die Leitung des Kinderheimes in Gan Dafna, und sie arbeitet bei dem fahrbaren Geheimsender, wenn er von unserer Gegend aus Aufrufe an die arabische Bevölkerung richtet.«
»Dann muß sie oft nach Ejn Or kommen.«
»Ja.« »Hat sie — hat sie jemals erzählt, wie es dort jetzt aussieht?«
»Ejn Or ist so schön, wie es immer war.«
»Vielleicht kann ich es eines Tages einmal wiedersehen.« Akiba setzte sich an den Tisch und schenkte mit unsicherer Hand für sich und Ari ein. Ari nahm ein Glas, und sie stießen miteinander an.
»Le Chajim«, sagte Ari.
»Le Chajim.«
»Ich war gestern bei Avidan, Onkel Akiba. Er zeigte mir die Liste der in Palästina stationierten britischen Streitkräfte. Haben eure Leute diese Liste gesehen?«
»Wir haben gute Freunde beim Britischen Intelligence Service«, sagte Akiba.
Dann stand er auf und fing an, langsam im Raum auf und ab zu gehen. »Haven-Hurst möchte meine Organisation am liebsten ausradieren. Die Engländer lassen es sich etwas kosten, die Makkabäer zu vernichten. Sie foltern unsere Gefangenen, sie hängen sie auf; alle unsere führenden Leute haben sie des Landes verwiesen. Als ob es nicht schon schlimm genug wäre, daß die Makkabäer die einzigen sind, die den Mut haben, den Engländern den Kampf anzusagen — nein, wir müssen außerdem auch noch gegen Verräter unter unseren eigenen Leuten kämpfen. O ja, Ari! Wir wissen sehr genau, daß uns die Hagana verraten und verkauft hat.«
»Das ist nicht wahr, Onkel Akiba!«
»Es ist wahr!«
»Nein! Erst heute war Haven-Hurst beim Jiwusch-Zentralrat und hat verlangt, daß die Hagana gegen die Makkabäer vorgehen soll, doch der Zentralrat hat dieses Ansinnen erneut abgelehnt.«
Akiba ging rascher auf und ab, und sein Zorn stieg. »Was glaubst du wohl, woher die Engländer ihre Informationen bekommen, wenn nicht von der Hagana? Diese Feiglinge beim Zentralrat überlassen es den Makkabäern, zu bluten und zu sterben. Diese Memmen verraten und verkaufen uns!«
»Ich bin nicht bereit, Onkel, mir das länger anzuhören. Die meisten von uns in der Hagana und im Palmach brennen darauf, zu kämpfen. Immer wieder verlangt man von uns, Zurückhaltung zu üben, bis wir nahe daran sind, zu platzen, aber wir können schließlich nicht alles, was wir mühsam aufgebaut haben, gefährden und zerstören.«
»Aber wir, wir zerstören, nicht wahr? Nun sag es schon!«
Ari biß die Zähne zusammen und schwieg. Der alte Mann sprach noch eine Weile zornig weiter, dann brach er plötzlich ab, blieb stehen und ließ die Arme sinken. »Ich bin ein Meister darin, einen Streit anzufangen, wenn ich es gar nicht möchte.«
»Schon gut, Onkel.«
»Es tut mir leid, Ari. Da, trink noch einen Schluck, bitte.«
»Danke, ich möchte nicht mehr.«
Akiba wandte sich ab und fragte leise: »Wie geht es meinem Bruder?«
»Als ich ihn das letztemal sah, ging es ihm gut«, sagte Ari. »Er wird nach London fahren, um an den neuen Verhandlungen teilzunehmen.«
»Ja, der gute Barak. Reden wird er. Er wird reden bis zum Ende.« Akiba fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und fragte dann zögernd: »Weiß er eigentlich, daß du mich mit Jordana und Sara gelegentlich besuchst?«
»Doch, ich denke schon.«
Akiba sah seinen Neffen an. Seinem Gesicht war der Kummer anzusehen, der ihn bewegte. »Hat Barak — hat mein Bruder jemals danach gefragt, wie es mir geht?«
»Nein.«
Akiba lachte kurz und bitter, ließ sich auf den Stuhl fallen und schenkte sich noch einen Brandy ein. »Wie sonderbar ist das alles«, sagte er. »Ich war immer derjenige, der böse war, und Barak war immer der, der sich wieder vertrug. Höre, Ari — ich werde alt, sehr alt und sehr müde. Ich weiß nicht, wie lange ich es noch machen werde, ein Jahr vielleicht, oder vielleicht auch noch zwei. Was wir einander angetan haben, ist durch nichts wiedergutzumachen. Aber — er muß es über sich gewinnen, dieses feindliche Schweigen zu beenden. Er muß mir verzeihen, Ari, um unseres Vaters willen.«
III.
Am nächsten Morgen fuhren Ari und Kitty von Jerusalem aus nach Norden weiter, in das Land Galiläa. Sie fuhren durch arabische Ortschaften, die außerhalb der Zeit zu liegen schienen, und kamen in das fruchtbare Jesreel-Tal, aus dessen sumpfigen Böden die Juden das beste Ackerland im ganzen Nahen Osten gemacht hatten. Als die Straße aus dem Jesreel-Tal dann in Windungen wieder aufwärts nach Nazareth führte, war es, als ob sie sich aus der Gegenwart in die Vergangenheit bewegt hätten. Auf der einen Seite des Berges lagen die grünen Felder des Jesreel-Gebietes, und auf der anderen die kahlen, trockenen und unfruchtbaren Böden der Araber. Nazareth war nicht viel anders, als es Jesus vorgefunden haben mußte.
Ari parkte im Zentrum der Stadt. Er schlug einen Schwarm arabischer Bettler in die Flucht, doch ein kleiner Junge war nicht zu vertreiben.
»Brauchen Sie einen Führer?«
»Nein.«
»Möchten Sie Andenken kaufen? Ich habe Holz vom heiligen Kreuz, Stoff vom Leichentuch.«
»Hau ab.«
»Aktfotos?«
Ari versuchte, den Jungen loszuwerden, doch der ließ nicht locker und hielt Ari am Hosenbein fest. »Oder vielleicht wollen Sie meine Schwester haben? Sie ist noch Jungfrau.«
Ari warf dem Jungen ein Geldstück zu. »Paß auf unseren Wagen auf.«
Nazareth stank. Die Straßen lagen voller Mist. Man begegnete blinden Bettlern und barfüßigen, zerlumpten und verdreckten Kindern. Überall wimmelte es von Fliegen. Kitty hielt sich ängstlich an Aris Arm fest, während sie sich mühsam einen Weg durch die Bazare bahnten und zu der Stelle gingen, von der behauptet wurde, daß dort die Küche der Maria und die Werkstatt des Zimmermannes Joseph gewesen sei.
Als sie von Nazareth weiterfuhren, sagte Kitty: »Welch gräßlicher Ort.«
»Immerhin sind uns dort die Araber freundlich gesinnt«, sagte Ari. »Sie sind Christen.«
»Das mag sein«, sagte Kitty, »aber es sind Christen, die allzu lange nicht gebadet haben.«
Kitty versuchte, die Fülle der neuen Eindrücke zu verarbeiten, die die letzten paar Tage gebracht hatten. Es war ein so kleines Land, doch jeder Fußbreit des Bodens war getränkt mit dem Blut oder dem Ruhm der Vergangenheit. Bald war man von der Heiligkeit des Ortes ergriffen, und bald wieder schlug die Ergriffenheit in Entsetzen und Befremden um. Einige der heiligen Stätten ließen sie ehrfürchtig verstummen, und andere ließen sie so unberührt, als sähen sie einem Mummenschanz zu. Die wehklagenden, inbrünstig betenden Juden von Me'a Schäarim — und die brennende Raffinerie von Haifa. Die provozierend selbstsicheren »Sabres« von Tel Aviv — und die bäuerliche Bevölkerung des Jesreel-Gebietes. Das Alte und das Neue auf engem Raum zusammengedrängt. Wohin man sah, überall Widersprüche und Gegensätze.
Es war schon fast Abend, als sie Yad El erreichten. Ari hielt vor einem kleinen, mit vielen Blumen geschmückten Haus. Die Haustür öffnete sich, und Sara ben Kanaan kam eilig herangelaufen. »Ari! Ari!« rief sie und umarmte ihren Sohn.
»Schalom, Ima.«
»Ari, Ari, Ari —«
»Nun, weine doch nicht, Ima — nicht weinen.«
Jetzt erschien die mächtige Gestalt Barak ben Kanaans, der eilig herankam und Ari in seine Arme schloß.
»Schalom, Aba, Schalom!«
Der alte Riese schlug seinem Sohn auf den Rücken und sagte immer wieder: »Gut siehst du aus, Ari, gut siehst du aus.«
Sara musterte das Gesicht ihres Sohnes. »Müde ist er. Siehst du denn gar nicht, Barak, wie abgespannt und erschöpft er ist?«
»Nein, Ima«, sagte Ari, »mir
geht es prima. Übrigens, ich habe jemanden mitgebracht. Darf ich vorstellen — Mrs. Katherine Fremont. Sie wird ab morgen in Gan Dafna arbeiten.«
»Sie also sind Katherine Fremont«, sagte Barak und nahm ihre Hand in seine beiden mächtigen Pranken. »Willkommen in Yad El.«
»Nein, Ari, was bist du für ein dummer Kerl«, sagte seine Mutter. »Warum hast du nicht angerufen und uns gesagt, daß du Mrs. Fremont mitbringst? Aber kommen Sie, kommen Sie herein — machen Sie es sich bequem, ziehen Sie sich um, inzwischen werde ich ein bißchen was zu essen machen, und Sie werden sich wohler fühlen. Du bist so ein dummer Kerl, Ari.« Sara legte den Arm um Kitty und führte sie zum Haus. »Barak! Bring den Koffer von Mrs. Fremont herein.«
Jordana bat Kanaan stand in dem Freilichttheater vor der Schar der neu angekommenen Kinder von der Exodus. Sie war groß und stand fest und aufrecht auf langen, gutgeformten Beinen. Mit ihrem roten Haar, das ihr offen auf den Rücken herabhing, war sie von auffallender Schönheit. Sie war neunzehn Jahre alt und seit ihrem Abgang von der Universität beim Palmach. Man hatte sie nach Gan Dafna abkommandiert, damit sie dort die Leitung der Gruppe übernehme, in der alle Angehörigen des Jugenddorfes über Vierzehn militärisch ausgebildet wurden. Gan Dafna war außerdem eines der wichtigsten heimlichen Waffenlager. Von hier aus wurden die Waffen in die Siedlungen des Hule-Gebietes geschmuggelt. Jordana arbeitete auch bei dem Geheimsender, wenn er im Hule-Gebiet stationiert war. Sie wohnte in Gan Dafna und schlief in ihrem Büro.