by Leon Uris
»Ich bin wahrscheinlich sehr egoistisch gewesen«, sagte Karen. »Ich habe nie daran gedacht, daß du Heimweh bekommen oder irgend etwas für dich selbst wünschen könntest.«
»Das ist das netteste Kompliment, das mir jemals irgendein Mensch gemacht hat.«
Karen schenkte Tee ein und versuchte nachzudenken. Kitty bedeutete alles für sie — aber fortgehen, Palästina verlassen?
»Ich weiß nicht, Kitty, wie ich das erklären soll — aber die ganze Zeit, seit ich alt genug bin, Bücher zu lesen, schon in Dänemark, hat mich die Frage beschäftigt, was es eigentlich bedeutet, daß ich Jüdin bin. Ich weiß die Antwort auf diese Frage bis heute nicht. Ich weiß nur, daß ich hier irgend etwas habe, was mir gehört — etwas, was mir nie jemand nehmen kann. Ich weiß nicht genau, was das ist, aber es ist das Wichtigste, was es für mich überhaupt auf der Welt gibt. Vielleicht kann ich es eines Tages in Worte fassen — aber jedenfalls kann ich nicht aus Palästina fortgehen.« »Was immer dir gehört, wirst du auch in Amerika haben. Die Juden in Amerika — und, wie ich glaube, auch die Juden in allen anderen Ländern — haben das gleiche Gefühl der Zusammengehörigkeit, wie du es hast. Dadurch, daß du aus Palästina fortgehst, ändert sich daran nichts.«
»Aber diese anderen Juden leben im Exil.«
»Nein, Kind — begreifst du denn gar nicht, daß die Juden in Amerika dieses Land als ihre Heimat lieben?«
»Die Juden in Deutschland haben auch ihre deutsche Heimat geliebt.«
»Hör auf damit!« schrie Kitty plötzlich. »Wir Amerikaner sind nicht so, und ich mag von diesen Lügen nichts hören, mit denen man euch füttert!« Sie beherrschte sich rasch wieder. »In Amerika gibt es Juden, die ihre amerikanische Heimat so sehr lieben, daß sie lieber sterben würden, falls jemals das, was in Deutschland geschah, auch in Amerika geschehen sollte.« Sie trat hinter den Stuhl, auf dem Karen saß, und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Meinst du vielleicht, ich wüßte nicht, wie schwierig das für dich ist? Und glaubst du, ich wäre fähig, irgend etwas zu tun, das dir weh tut?« »Nein«, flüsterte Karen.
Kitty kniete sich vor Karens Stuhl auf den Boden und sah das Mädchen an. »Ach, Karen — du weißt ja überhaupt gar nicht, was Frieden ist. Du hast in deinem ganzen Leben noch nie die Möglichkeit gehabt, wirklich frei und ohne Furcht zu leben. Glaubst du, daß es hier besser wird? Daß es hier jemals besser werden könnte? Karen, ich wünsche mir, daß du nicht aufhörst, eine Jüdin zu sein und dieses Land hier zu lieben — doch es gibt noch andere Dinge, die ich mir auch für dich wünsche.«
Karen sah beiseite.
»Wenn du hierbleibst«, sagte Kitty, »wirst du dein ganzes Leben lang ein Gewehr tragen. Du wirst hart und zynisch werden, genau wie Ari und Jordana.«
»Wahrscheinlich war es falsch von mir, zu hoffen, du würdest immer hierbleiben.«
»Komm mit, Karen, komm mit mir nach Amerika. Gib uns beiden eine Chance. Wir brauchen einander. Wir haben beide genug gelitten.«
»Ich weiß nicht, ob ich aus diesem Land fortgehen kann«, sagte Karen mit bebender Stimme. »Ich weiß es nicht — ich weiß es einfach nicht.« »Ach, Karen — ich wünsche mir so sehr, dich in Reitstiefeln zu sehen und in Faltenröcken und mit dir in einem schnittigen Ford zu einem Fußballspiel zu fahren. Ich möchte hören, wie das Telefon klingelt und du dich kichernd mit einem deiner Verehrer unterhältst. Ich möchte, daß du all die reizenden und unwichtigen Dinge im Kopf hast, mit denen sich ein Mädchen in deinem Alter beschäftigt, anstatt ein Gewehr zu tragen oder Munition zu schmuggeln. Es gibt so vieles, was dir hier entgeht. Du sollst wenigstens einmal erleben, daß es all diese Dinge gibt, ehe du dich endgültig entscheidest. Bitte, Karen — bitte.«
Karens Gesicht war bleich. Sie stand auf und entfernte sich von Kitty. »Und was ist mit Dov?«
Kitty nahm Dovs Brief aus ihrer Tasche und gab ihn Karen. »Das da habe ich heute auf meinem Schreibtisch gefunden. Wie es dorthin gekommen ist, weiß ich nicht.«
Mrs. Fremont,
aus Gründen, die Ihnen bekannt sein dürften, gelangt dieser Brief auf einem besonderen Wege zu Ihnen. Ich habe zur Zeit sehr viel zu tun. Ich befinde mich bei guten Freunden. Es ist das erstemal seit langer Zeit, daß ich bei Freunden bin, und es sind wirklich gute Freunde. Nachdem ich hier jetzt eine feste Bleibe habe, möchte ich Ihnen gerne schreiben, um Ihnen zu sagen, wie froh ich bin, nicht mehr in Gan Dafna zu sein, wo mir alle Leute auf die Nerven gingen, auch Sie und Karen Clement! Ich schreibe diesen Brief, um Ihnen mitzuteilen, daß ich Karen Clement nicht mehr wiedersehen werde, da ich dazu viel zu beschäftigt bin, und weil ich mit Menschen zusammen bin, die wirklich meine Freunde sind. Ich möchte nicht, daß Karen Clement denkt, ich käme zurück, um mich um sie zu kümmern. Sie ist ja nichts als ein Kind. Ich habe hier eine richtige Frau, die so alt ist wie ich, und wir beide leben zusammen. Warum fahren Sie eigentlich nicht mit Karen Clement nach Amerika, denn hierher gehört sie ja doch nicht?
Dov Landau
Kitty nahm Karen den Brief aus der Hand und riß ihn in kleine Stücke. »Ich werde Dr. Liebermann sagen, daß ich von meinem Posten zurücktrete. Sobald wir hier alles geordnet haben, bestellen wir Schiffsplätze für die Überfahrt nach Amerika.«
»Ja, Kitty«, sagte Karen. »Ich komme mit.«
XIV.
Der Führungsstab der Makkabäer wechselte alle paar Wochen sein Hauptquartier. Nach der Ermordung Haven-Hursts hielten es Ben Mosche und Akiba für besser, für eine Weile aus Jerusalem zu verschwinden.
Da das Hauptquartier beständig verlegt werden mußte, bestand der Stab nur aus einem halben Dutzend Männer. Jetzt war die Situation so bedrohlich geworden, daß sich auch diese kleine Führungsgruppe aufteilte und nur vier davon nach Tel Aviv gingen. Diese vier waren Akiba und Ben Mosche, außerdem Nachum ben Ami, der Bruder von David ben Ami, und Dov Landau, der inzwischen als Kleiner Giora bekannt und berühmt geworden war. Durch seinen ungewöhnlichen Mut und die wertvollen Dienste, die er als hochqualifizierter Fachmann für Fälschungen leistete, war er in den obersten und innersten Führungskreis der Makkabäer aufgestiegen und der besondere Günstling von Akiba geworden.
Diese vier Leute schlugen ihr Hauptquartier in einer SouterrainWohnung auf, die einem Mitglied der Makkabäer gehörte. Das Haus lag an der B'nej-B'rak-Straße, in der Nähe der AutobusZentralstation und des Alten Marktes, in einer sehr verkehrsreichen Gegend. Rund um das Haus wurden Wachtposten aufgestellt, und für den Notfall wurde ein Fluchtweg ausgearbeitet. Es schien ideal — und hätte nicht schlimmer sein können.
Fast fünfzehn Jahre lang hatte Akiba alle Bemühungen der CID und des Britischen Intelligence Service vereitelt, seiner habhaft zu werden. Jetzt fügte es sich zufällig, daß der CID ein anderes Haus auf der B'nej-B'rak-Straße beobachten ließ, das nur drei Häuser von dem neuen Hauptquartier der Makkabäer entfernt war. Bei den Bewohnern dieses anderen Hauses handelte es sich um eine Schmugglerbande, die im Hafen von Jaffa ein Lager von unverzollten Waren unterhielt. Den Männern der CID, die von einem Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite aus die Wohnung der Schmuggler überwachten, fielen dabei die verdächtigen Posten auf, die Tag und Nacht in der Nähe der Souterrain-Wohnung standen. Sie fotografierten sie mit einem Teleobjektiv und identifizierten zwei der Wachtposten als bekannte Mitglieder der Makkabäer. Während sie Jagd auf Schmuggler machten, waren sie rein zufällig auf ein Versteck der Makkabäer gestoßen. Auf Grund ihrer langjährigen Erfahrung mit den Makkabäern schien es ihnen geraten, das Nest sofort auszuheben. Sie organisierten die Sache in aller Eile und griffen völlig überraschend zu. Dabei hatten sie noch gar keine Ahnung, daß es sich bei dem verdächtigen Unternehmen sogar um das Hauptquartier der Makkabäer handelte.
Dov saß in einem der drei Zimmer der Souterrain-Wohnung, damit beschäftigt, einen Paß des Staates Salvador zu fälschen. Außer ihm war nur Akiba anwesend. Nachum ben Ami und Ben Mosche waren fortgegangen, um sich mit Seew Gilboa, dem Verbindungsmann zwischen der Hagana und den Makkabäern, zu treffen. Akiba kam in das Zimmer, in dem Dov arbeitete.
»Nun verrat mir doch mal, Kleiner Giora«, sagte Akiba, »wie hast du es
bloß fertiggebracht, Ben Mosche einzureden, dich heute mitzunehmen?«
»Ich muß diesen Paß fertig machen«, brummte Dov.
Akiba sah auf seine Uhr und streckte sich dann auf dem Feldbett aus, das hinter Dov stand. »Sie müßten bald wieder da sein«, sagte er.
»Ich traue den Leuten von der Hagana nicht«, sagte Dov.
»Es bleibt uns im Augenblick nichts anderes übrig, als ihnen zu trauen«, sagte der alte Mann.
Dov hielt den Paß gegen die Lampe, um zu prüfen, ob man anhand des Wasserzeichens und des Stempels erkennen konnte, wo er radiert hatte. Es war eine gute Arbeit. Nicht einmal ein Fachmann konnte feststellen, wo er den Namen und die Beschreibung des früheren Paßinhabers verändert hatte. Dov beugte sich dicht über den Paß und ahmte die Unterschrift eines Paßbeamten des Staates Salvador nach. Dann legte er die Feder hin, stand auf und ging unruhig in dem engen Raum hin und her, sah immer wieder einmal nach, ob die Tinte schon getrocknet war, und nahm danach seine ruhelose Wanderung wieder auf, hin und her, hin und her.
»Sei nicht so ungeduldig, Kleiner Giora. Du wirst noch lernen, daß Warten das Schlimmste ist, wenn man illegal leben muß. Das Warten — worauf eigentlich, frage ich mich oft?«
»Ich kenne diese Art zu leben schon von früher«, sagte Dov. »Richtig, richtig«, sagte Akiba. Er richtete sich auf und reckte sich. »Warten, warten, warten. Du bist noch sehr jung, Dov. Du solltest lernen, nicht ganz so ernst und nicht ganz so verbissen zu sein. Das war immer mein Fehler. Ich war immer viel zu intensiv. Habe nie an mich gedacht, sondern Tag und Nacht nur für die Sache gearbeitet.« »Das klingt seltsam aus dem Munde von Akiba«, sagte Dov.
»Wenn man alt wird, dann wird einem vieles klar. Wir warten — warten auf eine Möglichkeit, weiter zu warten. Wenn sie uns erwischen, können wir bestenfalls damit rechnen, daß man uns des Landes verweist oder für lebenslänglich ins Gefängnis steckt. Doch heutzutage ist das Übliche, daß man jeden, den man erwischt, aufhängt. Das ist es ja, weshalb ich dir den guten Rat gebe: sei nicht so tierisch ernst. Unter den Makkabäern gibt es viele hübsche Mädchen, die es wunderbar fänden, wenn sie unseren Kleinen Giora kennenlernen könnten. Genieße dein Leben, solange dazu noch Gelegenheit ist.«
»Interessiert mich nicht«, sagte Dov mit Entschiedenheit.
»Ach, wirklich«, sagte der Alte mit freundlichem Spott. »Vielleicht hast du schon eine Freundin, die du uns verschwiegen hast.«
»Ich war früher mal mit einem Mädchen befreundet«, sagte Dov, »aber jetzt nicht mehr.«
»Ich muß Ben Mosche sagen, daß er ein Mädchen für dich ausfindig macht; dann sollst du mit ihr ausgehen und dich amüsieren.«
»Ich will kein Mädchen haben, ich will hier im Hauptquartier bleiben. Das ist wichtiger als alles andere.«
Der alte Mann streckte sich wieder auf das Feldbett aus und versank in Gedanken. Schließlich fing er an zu sprechen. »Du irrst dich, Kleiner Giora. Du irrst dich sehr. Das Wichtigste, was es gibt, das ist, morgens aufzuwachen und aus dem Fenster auf dein Land zu sehen, und dann hinauszugehen, dieses Land zu bearbeiten — und am Abend nach Haus zu kommen zu einem Menschen, den du liebst und der dich liebt.«
Der Alte wird wieder einmal sentimental, dachte Dov. Er untersuchte den Paß und stellte fest, daß die Tinte getrocknet war. Er klebte das Paßfoto ein. Während Akiba auf dem Feldbett ein Nickerchen machte, nahm Dov seine ruhelose Wanderung wieder auf. Seitdem er diesen Brief an Mrs. Fremont abgeschickt hatte, war es noch schlimmer geworden. Früher oder später würden ihn die Engländer schnappen und aufhängen, und dann war alles vorbei. Die Leute wußten nicht, daß der Grund für seine sagenhaft gewordene Furchtlosigkeit die Tatsache war, daß ihm nichts daran lag, am Leben zu bleiben. Er betete geradezu darum, von einer feindlichen Kugel getroffen zu werden. In letzter Zeit war es mit seinen Angstträumen wieder sehr schlimm geworden, und Karen war nicht da, um schützend zwischen ihm und der Tür der Gaskammer zu stehen. Mrs. Fremont würde sie jetzt nach Amerika mitnehmen. Das war richtig so! Und er würde mit den Makkabäern weiter zu Terroraktionen hinausgehen, bis es ihn eines Tages erwischte — weil es sinnlos war, ohne Karen zu leben.
Draußen vor dem Haus mischten sich fünfzig britische Polizisten in ziviler Kleidung unter die Menge, die bei der Haltestelle der Autobusse stand. Sie schnappten sich rasch die Makkabäer, die rings um das Haus Wache hielten, und schafften sie fort, ehe sie ein Warnsignal geben konnten. Dann sperrten sie den ganzen Häuserblock ab.
Fünfzehn Polizisten gingen, mit Maschinenpistolen, Tränengas, Äxten und Vorschlaghämmern ausgerüstet, leise die Treppe zu der Souterrain-Wohnung hinunter und bauten sich vor der Tür auf.
Es klopfte an der Tür. Akiba, der eingeschlafen war, öffnete halb die Augen. »Das können nur Ben Mosche und Nachum ben Ami sein. Laß sie herein, Dov.«
Dov legte die Sperrkette vor und machte die Tür einen Spalt breit auf. Ein Vorschlaghammer fiel krachend herunter, und die Tür sprang auf.
»Engländer!« schrie Dov.
Akiba und der Kleine Giora verhaftet! Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht durch ganz Palästina. Der sagenumwobene Akiba, der die Engländer länger als ein Jahrzehnt zum Narren gehalten hatte, war jetzt ihr Gefangener!
Der englische Hohe Kommissar für Palästina entschloß sich, die beiden Gefangenen sofort vor Gericht zu stellen und ein Urteil über sie zu fällen, das die Makkabäer noch mehr demoralisieren würde. Er war der Meinung, daß eine rasche Verurteilung Akibas die Autorität der britischen Obrigkeit wieder herstellen und die Aktivität der Makkabäer eindämmen würde, da der alte Mann lange Zeit die treibende Kraft hinter den Aktionen der Terroristen gewesen war.
Der Hohe Kommissar veranlaßte eine gerichtliche Verhandlung unter strenger Geheimhaltung. Auch der Name des Richters wurde nicht bekanntgegeben, um seine persönliche Sicherheit nicht zu gefährden. Akiba und der Kleine Giora wurden zum Tode durch den Strang verurteilt, und das Urteil war spätestens zwei Wochen nach der Festnahme zu vollstrecken. Die beiden Verurteilten wurden in die uneinnehmbare Festung des Gefängnisses von Akko eingeliefert.
In seinem Eifer hatte der Hohe Kommissar einen verhängnisvollen Fehler begangen. Man hatte den Vertretern der Presse nicht erlaubt, an der Gerichtsverhandlung teilzunehmen, aber die Makkabäer besaßen — besonders in den Vereinigten Staaten — einflußreiche Freunde und finanzielle Hilfsquellen. Die Frage, ob Akiba und Dov Landau schuldig oder unschuldig waren, ging in der leidenschaftlichen Diskussion unter, die der Fall in der Öffentlichkeit auslöste. Ähnlich wie damals der Zwischenfall mit der Exodus führte die Verurteilung der beiden zu heftiger Kritik an der englischen Mandats-Politik. Dovs Vergangenheit im Warschauer Ghetto und in Auschwitz wurde von den Reportern aufgespürt und publiziert, was für den Verurteilten in ganz Europa eine Welle der Sympathie hervorrief. Besonders verärgert war die Öffentlichkeit auch über das geheime Gerichtsverfahren. Bilder des achtzigjährigen Akiba und des achtzehnjährigen Kleinen Giora wirkten auf die Vorstellungskraft der Leser wie die eines Propheten und seines Schülers, und die Zeitungsleute verlangten, die Gefangenen sehen und mit ihnen sprechen zu können.
Cecil Bradshaw befand sich als Mitglied der UNSCOP in Palästina. Nachdem er bei der Exodus erlebt hatte, was aus einer solchen Sache entstehen konnte, konferierte er unverzüglich mit dem Hohen Kommissar und erbat Weisungen aus London. Der Fall brachte die Weltöffentlichkeit zu dem sehr delikaten Zeitpunkt gegen England auf, als der Untersuchungsausschuß der UNO in Palästina war.
Der Hohe Kommissar und Bradshaw begaben sich in eigener Person in das Gefängnis von Akko, um Akiba und Dov die gute Nachricht zu überbringen, daß man sich, mit Rücksicht auf das hohe Alter Akibas und der Jugend Dov Landaus, entschlossen habe, ein Gnadengesuch der beiden Verurteilten wohlwollend zu akzeptieren und ihnen das Leben zu schenken. Die beiden Häftlinge wurden in das Büro des Gefängnisdirektors gebracht, wo ihnen die beiden hohen Beamten ohne alle Umschweife erklärten, was sie ihnen vorzuschlagen hatten.
»Wir sind vernünftige Leute«, sagte der Hohe Kommissar. »Wir haben diese Petitionen hier vorbereitet. Sie brauch
en nur zu unterschreiben. Der Form nach handelt es sich dabei um Gnadengesuche, doch im Grunde ist das nur eine Formalität — eine Hintertür, wenn Sie so wollen.«
»Also, unterschreiben Sie jetzt diese Petitionen«, sagte Bradshaw, »und wir machen Ihnen einen fairen Kompromißvorschlag. Wir werden Sie beide außer Landes bringen. Sie werden in irgendeiner unserer afrikanischen Kolonien eine kurze Gefängnisstrafe abbüßen, und in ein paar Jahren wird kein Hahn mehr danach krähen.«
»Ich verstehe Sie nicht ganz«, sagte Akiba. »Weshalb sollen wir in Afrika eine Gefängnisstrafe abbüßen? Wir haben kein Verbrechen begangen. Wir haben nur unser selbstverständliches historisches Recht verteidigt. Seit wann ist es ein Verbrechen, wenn ein Soldat für sein Vaterland kämpft? Wir sind Kriegsgefangene. Sie haben kein Recht, uns zu irgendeiner Strafe zu verurteilen. Wir befinden uns in einem vom Feind besetzten Land.«
Der alte Mann versteifte sich. Dem Hohen Kommissar brach der Schweiß aus. Ähnliches hatte er schon früher von fanatischen Makkabäern zu hören bekommen. »Hören Sie, Akiba. Wir diskutieren hier keine politischen Fragen. Es geht um Ihren Hals. Entweder unterschreiben Sie diese Gnadengesuche, oder wir müssen das Urteil vollstrecken.«
Akiba sah die beiden Männer an, deren Gesichtern deutlich abzulesen war, wie sehr ihnen an einer Regelung in dieser Form gelegen war. Er war sich völlig darüber klar, daß die Engländer versuchten, einen Vorteil zu gewinnen oder einen Fehler wiedergutzumachen.
»Hör mal zu, mein Junge«, sagte Bradshaw zu Dov. »Du hast doch bestimmt keine Lust, am Galgen zu baumeln, nicht wahr? Also, du unterschreibst jetzt, und Akiba wird dann auch unterschreiben.« Bradshaw schob das Gnadengesuch über den Tisch und zog seinen Füllfederhalter heraus. Dov sah einen Augenblick auf das Dokument und spuckte dann darauf.
Akiba sah die beiden Engländer an. »Dein eigener Mund hat dir das Urteil gesprochen«, sagte er mit schneidendem Hohn.