Exodus

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Exodus Page 67

by Leon Uris


  Bei den Juden bestand nach wie vor empfindlicher Mangel an Waffen. Die Engländer blockierten auch weiterhin die Küste von Palästina und lehnten es ab, Juden aus dem Internierungslager in Zypern, wo sie von Abgesandten der Aliyah Bet in aller Eile militärisch ausgebildet wurden, nach Palästina hereinzulassen. Abgesandte des Jischuw bereisten die ganze Welt und suchten verzweifelt Waffen zu kaufen.

  In diesem Augenblick kam ein harter Schlag: als »Bannstrahl« nach beiden Richtungen verhängten die Vereinigten Staaten ein Embargo für Waffenlieferungen nach dem Nahen Osten. Dieses Embargo, das an den gegen Spanien während des Kampfes gegen Hitler und Mussolini verhängten Boykott erinnerte, wirkte sich in der Praxis ausschließlich zugunsten der Araber aus, die so viel Waffen herbeischaffen konnten, wie sie nur wollten.

  Nachdem die Fronten klar waren, sah sich der Jischuw-Zentralrat der harten Tatsache gegenüber, daß den Juden nur der Palmach zur Verfügung stand, der über rund viertausend voll ausgebildete und bewaffnete Soldaten verfügte. Die Makkabäer vermochten nur tausend Mann auf die Beine zu stellen, und mit ihrer Mitarbeit war nur begrenzt zu rechnen.

  Ein paar Dinge gab es, die sich günstig für Avidan, den Führer der Hagana, auswirkten. In der Hagana gab es mehrere tausend Mann, die als Angehörige des britischen Heeres im zweiten Weltkrieg Fronterfahrung gesammelt hatten. Außerdem besaß er die Verteidigungsstellungen der Siedlungen, die seit zwanzig Jahren ausgebaut worden waren, und er verfügte auch über einen guten Geheimdienst. Dem stand gegenüber, daß die Araber zahlenmäßig und, was ihre Ausrüstung anbelangte, sogar haushoch überlegen waren. Diese Überlegenheit nahm täglich durch das beständige Einsickern der blutgierigen Truppen Kawukys zu. Schließlich besaßen die Araber in Abdul Kader, einem Neffen des Mufti, einen hervorragenden militärischen Führer.

  Zu alldem kam als weiterer erschwerender Faktor noch die Haltung der Engländer hinzu. Whitehall hoffte, daß der Jischuw um Hilfe rufen, die Idee der Teilung Palästinas fallen lassen und die Engländer bitten würde, im Lande zu bleiben. Doch die Juden waren nicht gewillt, um Hilfe zu bitten.

  Theoretisch waren die Engländer verpflichtet, bei der allmählichen Räumung des Landes die Teggart-Forts derjenigen der beiden Seiten zu übergeben, die in dem jeweiligen Gebiet die Bevölkerungsmehrheit besaß. Doch die britischen Kommandeure übergaben diese Schlüsselstellungen häufig den Arabern, auch wenn sie sie rechtmäßig den Juden hätten übergeben sollen.

  In den Reihen der Yarmuk-Truppen und anderer »Freikorps« tauchten ehemalige Soldaten der Nazis auf. Zum erstenmal seit ihrer Gründung trat die Hagana aus ihrer Tarnung und Zurückhaltung heraus, als die Juden zur allgemeinen Mobilmachung aufriefen.

  Es dauerte nicht lange, bis die ersten Schüsse fielen. Im Hule-Tal eröffneten Einwohner arabischer Dörfer, zusammen mit Angehörigen der irregulären Truppen, das Feuer auf die Genossenschafts-Siedlungen Ejn Zeitim, Biriya und Ami Ad. Doch diese Angriffe waren nicht viel mehr als Schüsse aus dem Hinterhalt und wurden abgewiesen.

  Die kriegerische Aktivität nahm von Tag zu Tag zu. Auf den Straßen kam es beständig zu Überfällen auf jüdische Transportfahrzeuge, so daß der Güterverkehr, der für den Jischuw von so vitaler Bedeutung war, in Gefahr geriet.

  Innerhalb der Städte war die feindliche Aktivität noch intensiver. In Jerusalem flogen beständig Sprengstücke detonierender Bomben durch die Luft. Die Araber schossen von den heiligen Mauern der Altstadt; das Stadtgebiet war in einzelne Gefechtszonen aufgeteilt, und die Verbindung zwischen den verschiedenen Stadtteilen konnte nur unter Lebensgefahr aufrechterhalten werden. Auf den Straßen zwischen Tel Aviv und Jaffa wurden Barrikaden errichtet.

  In Haifa kam es zu den bisher schwersten Unruhen. Als Antwort auf einen von den Makkabäern inszenierten Überfall stürmten Araber die Ölraffinerie, in der Juden und Araber arbeiteten, und töteten mehr als fünfzig Juden.

  Abdul Kader organisierte seine Araber in anderem Stil als Kawuky. Er arbeitete in der Umgebung von Jerusalem und begriff sehr schnell, daß weder die palästinischen Araber noch die Irregulären hinreichend organisiert und militärisch ausgebildet waren, um verlustreiche Angriffe ausführen zu können, während die Juden an ihren Siedlungen festhielten und sie, selbst unter empfindlichsten Blutopfern, nicht preisgeben würden. Er mußte daher versuchen, schnelle Siege zu erringen, um seine Leute zu ermutigen. Er entschied sich für eine doppelte Taktik: Isolierung und Aushungerung jüdischer Siedlungen, und Überfälle auf jüdische Transporte.

  Kaders Strategie erwies sich als richtig. Die Araber hatten Bewegungsfreiheit, während die Juden gezwungen waren, ihre engbegrenzten Stellungen zu halten. Tag für Tag wuchs die Zahl der jüdischen Siedlungen, die von den Arabern belagert wurden.

  Abdul Kader konzentrierte seine kriegerischen Bemühungen auf die Stadt Jerusalem. Die Straße von Tel Aviv nach Jerusalem führte über die gefährlichen Hügel von Judäa und war mit arabischen Dörfern bespickt, die mehrere entscheidende Höhenstellungen beherrschten. Kader wollte gern die hunderttausend Juden der Neustadt von Jerusalem abschneiden und aushungern. Damit konnte er dem Jischuw einen lebensgefährlichen Schlag versetzen.

  Die Juden setzten sich dagegen zur Wehr, indem sie behelfsmäßige Panzerwagen zur Sicherung größerer Wagenkolonnen einsetzten. Doch diese Geleitzüge waren verwundbar, und mit der Zeit war die Straße nach Jerusalem voll von zusammengeschossenen Fahrzeugen. In Jerusalem wurden die Lebensmittel knapp, die Menschen mußten in gepanzerten Autobussen durch die Stadt fahren, und die Kinder spielten auf der Straße in Reichweite der Gewehre der Heckenschützen.

  Abdul Kader konnte in Ruhe den Winter abwarten. Während seine Stärke fast täglich durch das Einsickern von Irregulären und anhaltende Waffenlieferungen zunahm, war für die in Jerusalem belagerten Juden kein Anzeichen einer Hilfe von außen in Sicht. Kader wollte dann im Frühjahr ohne große Verluste die ausgehungerten und durch die Blockade von der Umwelt abgeschnittenen Siedlungen nacheinander erobern.

  Die im Namen der Menschlichkeit an die Engländer gerichteten Appelle, durch Patrouillentätigkeit auf der Straße von Jerusalem nach Tel Aviv die Aushungerung der Zivilbevölkerung zu verhindern, verhallten ungehört.

  Durch die rasche Aktion der Araber unter der Führung eines fähigen Militärs geriet der Jischuw gleich zu Beginn des Krieges in einen schweren Nachteil. Die Hagana ordnete an, aus jedem Kibbuz und jedem Moschaw ein Miniatur-Tobruk zu machen. Die Juden hatten ihr Land mit Blut erkauft; wenn die Araber es ihnen nehmen wollten, so sollten sie auch mit Blut dafür zu zahlen haben.

  Die Straßenkämpfe eröffneten die erste Phase des Krieges. Die Entscheidung, ob die Juden einen unabhängigen Staat ausrufen würden oder nicht, hing noch immer in der Schwebe.

  Ari ben Kanaan erholte sich nur langsam von seiner Verwundung. Für Avidan, der Ari gern als Kommandeur einer der drei Palmach-Brigaden eingesetzt hätte, bedeutete das ein schwieriges Problem. Diese Brigaden waren die Chanita-Brigade — »die Lanzenspitze« — in Galiläa, die zweite Brigade in den Hügeln von Judäa, und die dritte — »die Wüstenratten« — im Süden.

  Die Offiziere des Palmach, vom Brigadekommandeur abwärts, waren junge Männer. Viele unter ihnen waren halsstarrige Bursehen, die sich als Angehörige einer Elitetruppe betrachteten. Der Palmach rekrutierte sich im wesentlichen aus jungen Männern und Frauen aus den Kibbuzim. Diese jungen Leute waren auch als Soldaten Pioniersiedler geblieben, befanden sich politisch häufig im Gegensatz zum Jischuw-Zentralrat und respektierten auch keineswegs immer die Autorität der Hagana.

  Ari ben Kanaan besaß eine für sein Alter große Reife. Er begriff, daß es notwendig war, sich einer einheitlichen Strategie unterzuordnen und Befehle auszuführen, statt einen Privatkrieg zu führen. Deshalb hätte ihn Avidan gern als Palmach-Kommandeur verwendet, doch Ari war dazu einfach noch nicht wieder kräftig genug.

  Avidan setzte Ari daher als Gebietskommandeur der Hagana an einem der wichtigsten Punkte von Palästina, im Hule-Tal, ein. Sein Kommandobereich, zu dem auch Safed gehörte, begann am nördlichen Rande des Tiberias-Sees und endete im Hule-Tal in einem schmalen Landstreifen, der
sich wie ein Finger zwischen die libanesische und die syrische Grenze schob. Etwas weiter südlich, am Yarmukfluß, grenzte er an einen dritten arabischen Staat, an Transjordanien.

  Aris Gebiet war eine der Hauptstellen für die Einsickerung der irregulären Truppen Kawukys. Wenn es zum Krieg kam und die regulären arabischen Armeen eine Invasion in Palästina unternehmen sollten, war das Hule-Tal zweifellos eines ihrer ersten Angriffsziele. Die Araber würden versuchen, ihre aus mehreren Richtungen vorstoßenden Streitkräfte hier zu vereinigen, und wenn es ihnen gelingen sollte, das Hule-Gebiet zu erobern, so würden sie es als Ausgangsbasis benutzen, um von hier aus ganz Galiläa zu erobern und den jüdischen Gegner in zwei getrennte Hälften zu zerteilen, indem sie zwischen Haifa und Tel Aviv einen Keil bis zum Meer vortrieben.

  Es gab in Aris Gebiet ein Dutzend oder mehr alter Kibbuzim und einige Moschawim, darunter seinen Heimatort Yad El. In allen diesen Siedlungen waren die zähen Pioniere und Farmer durchaus in der Lage, mit den Palästina-Arabern und den eingesickerten Irregulären fertigzuwerden. Unten im Tal lagen die Siedlungen so nahe wie Maulwurfshügel beieinander, so daß es für die Araber schwierig war, sich ihrer gewohnten Taktik der Isolierung und Belagerung hier zu bedienen.

  Ein weiteres Problem waren die Berge an der libanesischen Grenze. Hier bildete Fort Esther die Schlüsselstellung. Entsprechend einer Vereinbarung mit den Engländern sollte Fort Esther beim Abzug der britischen Truppen an Ari übergeben werden, da das Hule-Gebiet vorwiegend von Juden bewohnt war. Wenn sich Fort Esther in der Hand der Hagana befand, hatte Ari eine ausgezeichnete Möglichkeit, die Grenze zu kontrollieren.

  Aris Hauptquartier befand sich in dem zentral gelegenen Kibbuz Ein Or — »Quelle des Lichts« — an dessen Gründung sein Onkel Akiba beteiligt gewesen war. Ari unterstanden ein paar hundert Mann von der Palmach-Brigade Chanita; David, Seew Gilboa und Joab Yarkoni waren seine Adjutanten. Die Stärke der Hagana war in allen Siedlungen seines Gebietes beachtlich; die Beteiligung war vollständig, und die Leute waren gut ausgebildet.

  Aber genau wie allen übrigen Juden in Palästina machte ihm der Mangel an Waffen zu schaffen. Tag für Tag lagen ihm die Hagana-Führer der Siedlungen in den Ohren und wollten Gewehre haben. Er hatte keine und Avidan hatte auch keine.

  Es gab zwei ausgesprochen schwache Stellen in Aris Gebiet: Gan Dafna und Safed. Gan Dafna glaubte Ari schützen zu können, wenn erst einmal Fort Esther in seiner Hand war. Solange die Straße nach Gan Dafna durch Abu Yesha offenblieb, bestand für das Jugenddorf keine Gefahr.

  Safed dagegen machte ihm ernstlich Kopfschmerzen. Kein anderer Gebietskommandeur in Palästina hatte ein so schwieriges Problem zu lösen. Als sich die Juden entschlossen, um jeden Preis alle Siedlungen zu halten, nahm man dabei einige Orte aus, die man als »unhaltbar« betrachtete. Eine dieser Ausnahmen war Safed. Die Stadt war eine Insel in einem Meer von vierzigtausend Arabern, die in den Dörfern rings um Safed wohnten. In der Stadt selbst lebten zwölfmal mehr Araber als Juden. Die meisten Juden von Safed waren Kabbalisten, aus denen man beim besten Willen keine Soldaten machen konnte. Alles in allem verfügte die Hagana in Safed über zweihundert einigermaßen brauchbare Leute, denen mehr als zweitausend Araber und Irreguläre gegenüber standen.

  Der Mufti hatte Safed als eines seiner ersten Angriffsziele gewählt. Mehrere hundert schwerbewaffnete Angehörige der irregulären arabischen Streitkräfte warteten nur auf den Abzug der Engländer. Es schien so offensichtlich, daß Safed nicht zu verteidigen war, daß die Engländer Ari sogar gebeten hatten, ihnen zu erlauben, die Juden zu evakuieren.

  Remez, Hotelbesitzer und Führer der Hagana in Safed, ging vor dem Schreibtisch auf und ab. Sutherland saß ruhig in einer Ecke und rauchte eine Zigarre. »Nun?« fragte Ari schließlich. Remez blieb stehen und stützte sich mit den Händen auf den Schreibtisch. »Wir haben uns entschlossen, in Safed zu bleiben. Wir wollen es bis zum letzten Mann verteidigen.«

  »Freut mich.«

  »Nur, Ari, gebt uns mehr Waffen.«

  Ari sprang wütend auf. Zwanzigmal an jedem Tag hörte er dieses »Gebt uns mehr Waffen«.

  »Sutherland, beten Sie zu Christus, Sie, Remez, beten zu Konfuzius, und ich werde zu Allah beten. Vielleicht regnet es dann Gewehre, wie es einst Manna vom Himmel geregnet hat.«

  »Haben Sie eigentlich Vertrauen zu Major Hawks?« fragte Sutherland. Hawks war der britische Gebietskommandeur.

  »Er hat sich immer als ein guter Freund erwiesen«, sagte Ari.

  »Na schön«, sagte Sutherland, »dann sollten Sie vielleicht doch lieber auf ihn hören. Er garantiert Ihnen den Schutz der Engländer, wenn Sie Safed evakuieren. Wenn nicht, garantiert er, daß es nach dem Abzug seiner Truppen ein Massaker geben wird.«

  Ari stieß hörbar die Luft aus. »Hat Hawks gesagt, wann er weggeht?«

  »Nein, er weiß es noch nicht.«

  »Solange Hawks in Safed bleibt, sind wir relativ sicher. Die Araber werden nicht allzuviel riskieren, wenn er noch da ist. Vielleicht ergibt sich eine Wendung zum Besseren, bevor er mit seinen Truppen abzieht.«

  »Es mag sein, daß Hawks das Herz am richtigen Fleck hat, aber er kann auch nicht immer, wie er will«, sagte Sutherland.

  »Die Araber haben schon damit angefangen, aus dem Hinterhalt auf uns zu schießen und unsere Transportkolonnen anzugreifen«, sagte Remez.

  »Na und? Ihr werdet doch nicht gleich beim ersten Schuß davonlaufen?«

  »Ari«, entrüstete sich Remez, »ich bin in Safed geboren. Dort habe ich mein ganzes Leben verbracht. Noch heute erinnere ich mich an den Gesang, der 1929 aus den arabischen Vierteln zu uns herübertönte. Niemand wußte, was er zu bedeuten hatte, bis der aufgeputschte Mob auf einmal in unsere Häuser eindrang. Sie waren unsere Freunde gewesen, aber sie waren verrückt geworden. Ich sehe noch die armseligen Kabbalisten vor mir, die man auf die Straße zerrte und ihnen den Kopf abschnitt. Damals war ich noch ein Kind. Und dann haben wir sie 1936 wieder singen gehört, aber damals wußten wir schon, was dieser Gesang zu bedeuten hatte. Jahrelang sind wir in die alte türkische Festung gelaufen, um uns zu verkriechen, wenn wir aus dem arabischen Sektor nur ein verdächtiges Geräusch hörten. Aber diesmal bleiben wir, wo wir sind. Diesmal werden wir nicht davonlaufen, sondern kämpfen. Diesmal werden es die Araber nicht leicht haben, das kannst du mir glauben, Ari. Aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Zu viel dürft ihr von uns auch nicht verlangen.«

  Ari bedauerte, so scharf zu Remez gesprochen zu haben. Der Entschluß, in Safed zu bleiben, erforderte wirklich ungeheuren Mut.

  »Gehen Sie jetzt wieder zurück, Remez, versuchen Sie, Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten. Sie können sich darauf verlassen, daß Major Hawks dafür sorgen wird, daß die Araber es nicht allzu arg treiben. Inzwischen werde ich Sie bevorzugt mit allem beliefern, was ich bekomme.«

  Als Remez und Sutherland gegangen waren, setzte sich Ari an seinen Schreibtisch und biß die Zähne aufeinander. Was konnte er schon tun? Vielleicht konnte er fünfzig Mann vom Palmach nach Safed schicken, wenn die Engländer abzogen. Das war wenig, aber besser als nichts. Was konnte man überhaupt tun? Es gab an die zweihundert Safeds in Palästina. Fünfzig Mann hier, zehn Mann da. Wenn es Kawuky, Safwat und Kader klar wurde, wie verzweifelt die jüdische Situation war, dann würden sie überall in Palästina frontal angreifen. Die Juden hatten einfach nicht genügend Munition, um anhaltende und entschlossene Angriffe abzuwehren. Ari machte sich heftige Sorgen, was geschehen werde, wenn die Araber erst einmal festgestellt hatten, wie mager die Ausrüstung der Juden war.

  David ben Ami, der eine Inspektionsreise durch die nördlichsten Siedlungen gemacht hatte, kam herein.

  »Schalom, Ari«, sagte David. »Ich traf Remez und Sutherland auf der Straße. Remez sah ein bißchen grün um die Nase aus.«

  »Er hat auch allen Grund dazu. Nun, hast du irgend etwas Interessantes festgestellt?«

  »Die Araber haben begonnen, aus dem Hinterhalt auf Kfar Gileadi und Metulla zu schießen. Kfar Szold befürchtet, daß die Syrer irgend etwas im Schilde führen könnten. Alle haben sie sich eingegraben und sind in Stellung gegangen, überall sind die Ve
rteidigungsanlagen rings um die Kinderheime ausgebaut. Und alle wollen Waffen haben.«

  »Waffen! Hast du sonst nichts Neues zu berichten? Wo sitzen diese Helden, die aus weiter Entfernung auf unsere Siedlungen schießen?« »In Ata.«

  »Ach, das liebe alte Ata«, sagte Ari. »Wenn die Engländer hier abziehen, wird das mein erstes Angriffsziel sein. Als ich ein Junge war, haben sie versucht, mich zu verprügeln, wenn ich hinkam, um in der Mühle unser Korn mahlen zu lassen. Seitdem haben sie dauernd nach einer Gelegenheit gesucht, sich mit mir anzulegen. Ich vermute, daß die Hälfte der Leute von Kawuky bei Ata herüberkommt.«

  »Oder bei Abu Yesha«, sagte David.

  Ari machte ein böses Gesicht. David wußte, daß er einen wunden Punkt berührt hatte.

  »Ich habe zuverlässige Freunde in Abu Yesha«, sagte Ari.

  »Dann werden sie dir ja sicher erzählt haben, daß die Irregulären dort einsickern.«

  Ari sagte nichts.

  »Ich weiß, Ari, wie nahe dir diese Leute stehen. Aber du mußt hingehen und dem Muktar den Standpunkt klarmachen.«

  Ari stand auf und ging ans Fenster. »Ich werde mit Taha reden.« David nahm die letzten Meldungen, die auf Aris Schreibtisch lagen, überflog sie rasch und legte sie wieder hin. Er kam zu Ari heran, blieb neben ihm stehen und sah zum Fenster hinaus gen Jerusalem. Sein Gesicht zeigte den Ausdruck tiefer Trauer.

  Ari schlug ihm auf die Schulter. »Es wird schon werden.«

  David schüttelte langsam den Kopf. »Die Lage in Jerusalem wird allmählich verzweifelt«, sagte er mit tonloser Stimme. »Die Transportkolonnen haben es immer schwerer, durchzukommen. Wenn es so bleibt, dann haben wir in einigen Wochen eine Hungersnot.«

  Ari wußte, wie sehr David die Belagerung seiner geliebten Stadt ans Herz ging. »Du möchtest gern nach Jerusalem, nicht wahr?«

  »Ja«, sagte David, »aber ich möchte dich nicht im Stich lassen.« »Wenn dein Wunsch so stark ist, werde ich dich selbstverständlich nach Jerusalem abkommandieren.«

 

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