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Don't LOVE me (Die Don't Love Me-Reihe 1) (German Edition)

Page 1

by Kiefer, Lena




  Autorin

  Lena Kiefer wurde 1984 geboren und war schon als Kind eine begeisterte Leserin und Geschichtenerfinderin. Einen Beruf daraus zu machen, kam ihr jedoch nicht in den Sinn. Nach der Schule verirrte sie sich in die Welt der Paragraphen, fand dann aber gerade noch rechtzeitig den Weg zurück zur Literatur und studierte Germanistik. Bald darauf reichte es ihr nicht mehr, die Geschichten anderer zu lesen – da wurde ihr klar, dass sie Autorin werden will. Heute lebt Lena Kiefer mit ihrem Mann in der Nähe von Bremen und schreibt in jeder freien und nicht freien Minute. Mit »Don’t Love Me« startet sie nach dem Erfolg ihrer »Ophelia Scale«-Trilogie nun ihre erste New-Adult-Reihe.

  Von Lena Kiefer sind bei cbj erschienen:

  Ophelia Scale – Die Welt wird brennen (Band 1)

  Ophelia Scale – Der Himmel wird beben (Band 2)

  Ophelia Scale – Die Sterne werden fallen (Band 3)

  Ophelia Scale – Wie alles begann (E-Short)

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  © 2020 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

  in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

  Neumarkter Straße 28, 81673 München

  Alle Rechte vorbehalten

  Umschlagkonzeption: Kathrin Schüler, Berlin

  unter Verwendung eines Fotos von © Gettyimages (oxygen; Moment)

  MP · Herstellung: AJ

  Satz und E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck

  ISBN: 978-3-641-26272-3

  V002

  www.cbj-verlag.de

  Für Kira,

  weil ... ach, das wird zu lang, ich

  schicke dir eine Sprachnachricht.

  »In vain have I struggled. It will not do.

  My feelings will not be repressed.

  You must allow me to tell you how ardently

  I admire and love you.«

  Mister Darcy

  Stolz und Vorurteil (Jane Austen)

  Prolog

  Du hast keine Ahnung, wer er ist. Wozu er fähig ist.

  Diese beiden Sätze drehten Runde um Runde in meinem Kopf, aber ich bewegte mich keinen Zentimeter. Ich war erstarrt. Nicht wie erstarrt, nein. Ich war tatsächlich erstarrt. Vollkommen reglos vor Schock und Schmerz. Mein Körper fühlte sich taub an. Mein Telefon rutschte mir fast aus der Hand, so sehr zitterten meine Finger. Ich musste mich zwingen, zu atmen, und hatte trotzdem das Gefühl, zu ersticken. Das konnte nicht wahr sein. Das konnte alles nicht wahr sein. Ich hatte ein Gespür für Menschen, für ihre Stärken genauso wie für ihre Abgründe. Ich war gut in so etwas, verdammt noch mal. Wieso hatte ich diesmal versagt?

  Ich starrte ins Leere, sah aber nur die Mauer aus Lügen und Halbwahrheiten, die man vor mir errichtet hatte. Die er vor mir errichtet hatte, damit ich nicht sehen konnte, was dahinter lauerte: Wie dunkel, wie düster das war, was er mit sich herumtrug.

  Du musst hier weg. Das war der Gedanke, der plötzlich meinen Kopf beherrschte. Weg. Sofort.

  Endlich, als hätte mein Körper verstanden, was mein Hirn wollte, riss er sich aus der Schockstarre und setzte sich in Bewegung, erst langsam, dann schneller. Meine Sachen waren überall im Van verteilt – Klamotten, Kochutensilien, Schuhe. Hastig stopfte ich einiges davon in irgendwelche Klappen und Schubladen, aber es dauerte zu lange, also ließ ich alles andere liegen. Dann öffnete ich die Schiebetür und sprang hinaus, bevor ich sie wieder zuschob. Es knallte laut, als sie mit zu viel Wucht einrastete.

  Ich riss das Stromkabel heraus, warf es zu Boden, griff nach dem Sichtschutz und zerrte ihn von der Windschutzscheibe. Beides landete im Fußraum neben dem Beifahrersitz. Ich wollte mir keine Zeit nehmen, das alles zu verstauen. Ich wollte nur aus dieser Stadt raus. Am liebsten hätte ich meinen Van stehen lassen, denn alles, wirklich alles darin erinnerte mich an ihn . Aber anders kam ich hier nicht weg. Und das hatte oberste Priorität.

  Ich zog die Tür auf, sprang auf den Fahrersitz, rammte den Schlüssel ins Zündschloss und drehte ihn. Mit lautem Röhren sprang der Van an und ich trat aufs Gas. Viel zu schnell fuhr ich über die geschotterten Wege des Campingplatzes, der Vollbart von Parzelle 14 musste aus dem Weg springen, es tat mir nicht leid. Kurz sah ich das Gesicht von Drew, der aus der Rezeption schaute, aber ich rauschte einfach an ihm vorbei zur Ausfahrt. Die Schranke ging gerade noch rechtzeitig hoch, sonst wäre ich einfach hindurchgefahren.

  Die Straße war leer, es regnete, genau wie bei meiner Ankunft. Ich beschleunigte, warf mein Handy auf das Armaturenbrett. Wie schnell konnte ich zu Hause sein? Sieben Stunden? Acht? Es waren 500 Meilen, wir hatten Samstag, wahrscheinlich war viel los. Egal. Je weiter ich Kilmore hinter mir ließ, desto weniger würde es wehtun. Bestimmt. Ganz sicher.

  Hinter mir tauchte ein anderes Auto auf. Mein Magen krampfte sich zusammen, als ich sah, welcher Wagen es war: ein Aston Martin, schwarz. Ich wusste, wem er gehörte, aber garantiert saß jemand anders darin. Er war mir nachgekommen. Was bedeutete das? Er konnte doch gar nicht wissen, dass ich es wusste. Warum also kam er mir nach?

  Ich fuhr rechts ran, ohne eine Ahnung, warum ich das tat. Vielleicht, weil ich Gewissheit wollte, obwohl es keinen Zweifel geben konnte. Aber mein verdammtes Herz interessierte das nicht. Es drängte mich dazu, aus dem Auto zu steigen und ihn zur Rede zu stellen. Und genau das tat ich: Ich packte mein Telefon und stieg aus, ging hinaus in den Regen.

  Er hielt hinter mir am Straßenrand und verließ den Aston, kam auf mich zu, sah mich an, mit diesen verflucht dunklen Augen. Sie hatten mich von der ersten Sekunde an in ihren Bann gezogen, aber jetzt erinnerten sie mich nur daran, was man mir vor Wochen gesagt hatte: Er ist der Teufel. Nimm dich vor ihm in Acht.

  Hätte ich doch nur darauf gehört.

  Zwei Monate zuvor

  1

  Kenzie

  »Wie wäre es denn hiermit?« Ich zog einen hübschen türkisblauen Stoff aus dem Regal und legte ihn vor mir auf den Tisch. »Die Farbe würde perfekt zu den Schrankfronten in Ihrem Wohnmobil passen. Wenn wir dann noch mit den hellen Kissen einige Akzente setzen, wirkt das Ganze absolut harmonisch.«

  Mister und Mrs Colby musterten den Ballen, als wäre er ein Wesen von einem fremden Planeten. Ich ahnte nichts Gutes.

  »Ja … also …« Mister Colby rieb sich seine Glatze. »Ich glaube, das ist nicht ganz das Richtige für uns.«

  Seine Frau befühlte den beigefarbenen Stoff, der direkt neben meiner Empfehlung lag. »Der hier gefällt mir sehr gut. Den sollten wir nehmen.«

  Ich konnte gerade noch verhindern, das Gesicht zu verziehen. »Für die Sitzgruppe oder auch für die seitliche Bank?«

  »Für alles. Auch die Kissen.« Mrs Colby strahlte. »Dann ist es einheitlich.«

  »Ja, einheitlich todlangweilig«, murmelte ich.

  »Was haben Sie gesagt?«, fragte Mister Colby nach.

  Jetzt war die Frage – sollte ich den Mund halten oder nicht? Was soll’s. »Ich habe nur überlegt, ob Sie tatsächlich ein so einheitliches Design möchten«, sagte ich ehrlich. »Beige, das ist nun wirklich nicht gerade originell.«

  Die beiden wechselten einen irritierten Blick. »Wir wussten nic
ht, dass ein Wohnmobil originell sein sollte«, antwortete Mrs Colby etwas spitz.

  Himmel, wieso hatte ich diese Diskussion überhaupt angefangen? Warum hatte ich nicht gelächelt, genickt und die Bestellnummer des beigefarbenen Stoffs in das Formular eingetragen, so wie jeder Mitarbeiter meines Vaters es getan hätte? Ach ja, richtig. Weil ich seine Tochter war. Und er auch versucht hätte, diese eigentlich sehr netten Leute von dem Look Fahrendes Seniorenheim abzubringen.

  »Wissen Sie«, startete ich mein Plädoyer für kräftige Farben, »ein Wohnmobil ist ja mehr als nur ein rollendes Haus. Es ist ein Lebensgefühl. Und –«

  »Kenzie?« David, einer von Dads Leuten, streckte den Kopf in unseren Showroom. »Telefon für dich.«

  »Kannst du die Nummer aufschreiben und ich rufe zurück?« Unauffällig deutete ich auf die Colbys. Wenn ich jetzt ging, hatten die Gebrüder Langweilig & Beige gewonnen, das stand fest.

  »Es scheint dringend zu sein«, meinte David. »Ich kann hier für dich übernehmen.«

  Sofort schnellte mein Puls in die Höhe, ohne dass ich ihn mit Vernunft daran hindern konnte. Kalter Schweiß kroch mir in den Nacken, meine Hände verkrampften sich. So war es immer: Wenn jemand davon sprach, dass ein Anruf dringend war, machte mein Körper eine grauenhafte Zeitreise – zu dem Tag, als ein solcher Anruf unserer Familie einen schweren Schlag versetzt hatte. Einen Schlag, von dem wir uns niemals erholen würden.

  David schien mir anzusehen, woran ich dachte. »Oh Gott, nein«, sagte er schnell und berührte mich an der Schulter. »Es ist nur jemand von dieser Agentur … Olsen oder so. Nichts Schlimmes.«

  Die Erleichterung schwemmte meine Panik weg, aber ihr Echo blieb. Tief atmete ich ein und nickte tapfer, brachte sogar ein Lächeln zustande. »Danke«, murmelte ich, dann entschuldigte ich mich bei den Colbys und verließ den Raum.

  Quer durch die Halle waren es nur dreißig Meter bis zum Büro, sie reichten jedoch aus, um mich zu beruhigen. Olsen, das war die Londoner Agentur, in der ich den Sommer über arbeiten würde – eine wichtige Referenz, wenn ich nächstes Jahr die Chance haben wollte, einen Platz für Interior Design an der University of the Arts in London zu bekommen. Wahrscheinlich gab es noch irgendwelche Details zu klären.

  In der Halle war es laut, aber die Mischung aus Radiomusik, dem Klang eines Trennschleifers und dem Kreischen der Tischkreissäge war für mich wie das Zusammenspiel eines Orchesters, dessen Schönheit nur wenige zu schätzen wussten – so wie ich. Das lag vermutlich daran, dass ich hier quasi aufgewachsen war.

  Links von mir wurde gerade ein Van von Ford ausgebaut, rechts stand ein Pick-up und daneben ein US-amerikanischer Schulbus – das aktuelle Premiumprojekt meines Vaters. Ich lächelte, als ich sah, wie Dad mit seinem ältesten Mitarbeiter George über den Ausbau sprach und dabei wild gestikulierte. Als er mich entdeckte, verschwanden die Falten auf seiner Stirn und er grinste breit. Dann winkte er mich mit der Hand zu sich, aber ich gab ihm ein Zeichen, dass ein Anruf auf mich wartete, und eilte ins Büro.

  Ich nahm den Hörer. »Hallo?«

  »Ist dort Kenzie Stayton?«, fragte eine fremde, weibliche Stimme.

  »Ja, genau, ich bin dran. Brauchen Sie noch irgendwelche Daten von mir wegen des Jobs?«

  Stille am anderen Ende. Uh-oh.

  »Nun …«, begann die Frau. »Mein Name ist Kendra Lancaster, ich bin die Assistentin von Mister Harrison, dem Leiter der Abteilung für Innendesign. Und ich muss Ihnen leider sagen, dass ein Fehler passiert ist. Die Stelle wurde zweimal vergeben.«

  »Okay«, antwortete ich, obwohl das überhaupt nicht klang, als wäre es okay. »Und was bedeutet das für mich? Wenn jetzt nur ein Teilzeitjob drin ist, macht das nichts.« Schließlich brauchte ich nur ein oder zwei interessante Projekte. So wie dieses alte Schulhaus außerhalb von London, das von Olsen gerade in ein Tagungszentrum umgestaltet wurde. Oder die Kirche draußen in Harlow, aus der sie Wohnungen machen wollten. Ich hatte die aktuellen Aufträge genau studiert.

  »Nein, leider ist es kein Teilzeitjob«, sagte da Kendra Lancaster. »Eigentlich ist es gar kein Job. Die andere Bewerberin steht der Familie der Olsens sehr nahe, daher müssen wir Ihnen leider absagen.« Sie räusperte sich. »Wir können Ihnen aber für das nächste Jahr eine Stelle anbieten, wenn Sie möchten.«

  »Ist das Ihr verdammter Ernst?«, entfuhr es mir. »Dieser Job ist wichtig für mich!« Und irgendeine reiche Trulla mit Beziehungen hatte ihn mir weggeschnappt. Einen Job, den ich für meine Zukunft dringend brauchte, während dieses andere Mädchen sicher mit einem Fingerschnippen von Papi an jeder Uni unserer Welt angenommen wurde. Gott, wie ich das hasste.

  »Es tut mir wirklich leid, Miss Stayton. Ich verstehe, dass Sie verärgert sind.« Miss Lancaster klang unangenehm berührt. Kein Wunder. Sie war vermutlich auch nicht einer dieser privilegierten Menschen, die alles bekamen, was sie sich wünschten.

  »Nein, ich … mir tut es leid«, brachte ich heraus. »Sie können ja nichts dafür.« Dann kam mir eine Idee. »Könnte ich nicht einfach unbezahlt für Sie arbeiten? Oder zu ein paar Projekten mitkommen und zuhören? Mister Harrison würde mich gar nicht bemerken.« Du bettelst? Bist du so verzweifelt, Kenzie? Und wie.

  »Das geht aus versicherungstechnischen Gründen leider nicht«, antwortete die Assistentin. »Wäre denn nicht nächstes Jahr eine Idee für Sie?«

  »Nein, nächstes Jahr ist es leider zu spät für meine Bewerbung. Aber danke für das Angebot.« Ich atmete aus.

  »Mister Harrison bedauert außerordentlich, dass es diese Überschneidung gegeben hat.«

  Sicher. Ich bedankte mich für das Mitgefühl, von dem ich mir nichts kaufen konnte, murmelte eine Verabschiedung und legte auf. Dann lehnte ich mich im Stuhl zurück und sah an die Decke. Meine Augen begannen zu brennen, als mir klar wurde, dass mein Plan für den Sommer soeben zum Teufel gegangen war. Dieser Job war wie ein Sechser im Lotto gewesen, den ich nur mit sehr viel Glück und Hartnäckigkeit hatte ergattern können. Und es war Anfang Juli. Niemals würde ich innerhalb von zwei Wochen eine andere Stelle oder auch nur ein brauchbares Praktikum bekommen.

  »Kenzie, ist alles in Ordnung?« Die Stimme meines Vaters schreckte mich auf.

  »Nein, gar nicht.« Ich sah ihn an. »Mein Job für den Sommer ist geplatzt«, sagte ich und biss die Zähne aufeinander. Wut stieg mir in den Kopf. »Die haben jemand anderen vorgezogen. Irgendein reiches Gör, das bessere Beziehungen hat als ich.«

  »Oh nein.« Er sah mich bestürzt an. »Das tut mir leid, Schatz. Kann man da wirklich nichts machen? Die hatten dir doch fest zugesagt.«

  »Nope.« Ich schüttelte den Kopf. »Keine Chance.«

  Mein Vater kam herein und setzte sich auf den Sessel gegenüber. »Es gibt bestimmt eine Lösung dafür«, lächelte er, und sein Blick fiel auf das Foto auf seinem Schreibtisch. Sofort erstarb sein Lächeln. Die Aufnahme war uralt, sicher zehn Jahre, aufgenommen an der Küste von Cornwall in einem unserer Urlaube. Wir waren alle nebeneinander aufgereiht, meine drei jüngeren Schwestern und ich, daneben mein Vater, der meine Mutter im Arm hielt. Ihre Haare, deren rötlich-hellbraunen Farbton ich geerbt hatte, flatterten im Wind und sie lachte aus vollem Hals. »Sie hätte eine Lösung gefunden«, murmelte Dad leise. »Ganz sicher.«

  »Ist halb so wild«, sagte ich schnell. Eigentlich hätte ich gerne gejammert, die Ungerechtigkeit der Welt eine Weile verflucht und reiche Menschen und ihre guten Beziehungen noch ein bisschen mehr. Aber wenn mein Vater diesen Ausdruck im Gesicht hatte, dann war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. »Zur Not werde ich eben die Colbys doch davon überzeugen, dass ihr Camper mit türkisblauen Sitzen besser aussieht. Dann nehme ich das für mein Portfolio.«

  Dad lachte nur halbherzig, trotzdem hoffte ich, dass ich ihn aus seinem Tal herausgeholt hatte. Das war schließlich mein Job, und ich machte ihn schon seit sechs Jahren mehr oder weniger gut. »Vielleicht fällt uns noch etwas ein.«

  »Ja, vielleicht«, sagte ich. Aber so richtig daran glauben konnte ich nicht.

  Mein Vater stand auf, beugte sich vor und küsste mich auf den Scheitel, dann ging er zur Tür. »Wir überlegen gerade, wie wir die Aufteilung im Schulbus
gestalten wollen. Willst du es dir mal anschauen?«

  Ich stand auf. »Klar.« Ablenkung war nie verkehrt.

  Zusammen mit meinem Vater verließ ich das Büro und steuerte den Bus an, vor dem George mit einigen Plänen stand. An der Wand der Halle hing eine große Uhr mit dem Logo der Firma. Sie zeigte kurz vor vier.

  »Oh, Scheiße!«, rief ich. Mein Vater und George sahen mich fragend an.

  »Was ist?«

  »Ich muss Eleni von ihrer Probe abholen. Es ist Streik und der Bus fährt nicht.«

  »Nimm doch den hier«, lachte George und zeigte auf das gelbe Ungetüm, neben dem wir standen. Ich streckte ihm die Zunge heraus und er lachte noch mehr. »Man könnte meinen, du wärst zehn Jahre alt und nicht zwanzig, Kenzie.«

  Mein Vater schnaubte belustigt. »Wenn es nach mir ginge, hätte sie ewig zehn bleiben können. Und die anderen drei auch.«

  Ich hob eine Augenbraue. Weder bei mir noch bei meinen Schwestern konnte er sich ernsthaft beschweren – wenn wir Mist bauten, dann immerhin so, dass er nichts davon mitbekam. Für Dad waren wir mustergültige Töchter mit ein paar pubertären Wutausbrüchen und dem einen oder anderen Jungen, der vor der Tür stand. Dramen hielt ich von ihm fern, so gut es ging. Das war besser für uns alle.

  »Soll ich auf dem Heimweg einkaufen?«, fragte ich, ohne seine Worte zu kommentieren. »Oder machst du das?«

  »Ich habe heute noch einen Termin wegen des Unimogs.« Der deutsche Mercedes-Lkw mit Wohnaufbau stand schon seit drei Monaten zum Verkauf, aber auch wenn Dutzende Leute sich meldeten und ihn sich ansahen, hatte bisher keiner zugeschlagen. »Das könnte bis neun gehen.«

  Ich nickte. »Okay, dann erledige ich das.« Schnell schnappte ich mir im Showroom meine Tasche, verabschiedete die Colbys, die mit ihrem beigen Langweilerstoff bei David offenbar in guten Händen waren, und lief hinaus zu meinem Wagen. Wobei Wagen eigentlich ein viel zu schnöder Begriff dafür war. Liebe meines Lebens traf es eher. Oder Weihnachts- und Geburtstagsgeschenk der nächsten zehn Jahre . Je nachdem, ob man mich oder Dad fragte.

 

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