Scandal Love

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Scandal Love Page 32

by L.J. Shen


  »Hallo, Trent.« Sie klimperte mit den Wimpern, diese sirenenhafte falsche Schlange. »Lange nicht gesehen.«

  Ich ging schnurstracks an ihr vorbei und rammte den Schlüssel ins Schloss. »Von mir wirst du deswegen keine Beschwerde hören.« Mein Kiefermuskel zuckte. »Welchem Umstand verdanke ich das Vergnügen?«

  Sie stemmte sich gegen die Mauer, schien auf meine unterkühlte Reaktion nicht gefasst gewesen zu sein. Falls sie mit Freudentränen, Jubelrufen oder Wir-haben-dich-vermisst-Beteuerungen rechnete, hatte sie sich geschnitten. Luna war mein. Mir oblag es, sie zu lieben, sie großzuziehen, sie gesund zu machen. Val stellte für mich nur eine Komplikation dar, die ich schon im Ansatz ersticken und in null Komma nichts aus dem Weg räumen würde.

  »Ich bin wegen meiner Tochter hier, was sonst!«, schnaubte sie, bevor sie näher rückte und versuchte, durch die Tür zu schlüpfen, die ich soeben geöffnet hatte.

  »Was zur Hölle fällt dir ein?« Ich stellte mich ihr in den Weg und winkelte die Arme an, damit sie nicht an mir vorbeigelangen konnte.

  Der stählerne Ton meiner Stimme bewirkte, dass sie schockiert blinzelte. Als Valenciana erfahren hatte, dass sie schwanger war, hatte sie fünfhundert Riesen von mir für eine Abtreibung verlangt. Es war fast schon niedlich gewesen, dass sie glaubte, mich erpressen zu können. Meine Antwort darauf hatte gelautet: Nur zu, Schätzchen. Bring mein Kind zur Welt. Es war keine Frage des Geldes gewesen – ich hätte ihr die Summe geben können, ohne dass es sich spürbar auf meinen Lebensstil ausgewirkt hätte. Aber für einen Schwangerschaftsabbruch zu blechen stand für mich nicht zur Debatte. Es hätte durchaus einen Unterschied gemacht, wäre es ihr eigener Wunsch gewesen. Aber da sie die Entscheidung mir übertragen hatte, ließ ich den Dingen schlicht freien Lauf.

  Also war Luna geboren worden. Dann hatte Val uns sitzen lassen.

  Und jetzt war sie zurück.

  Wenn sie annahm, ich würde das ohne eine Erklärung oder Angabe von Gründen hinnehmen, hatte sie sich geschnitten.

  »Ich will in deine Wohnung, um mit dir zu reden.« Sie stampfte mit dem Fuß auf.

  »Luna wird jede Minute vom Ballettunterricht zurück sein. Sie darf dich nicht sehen.« Jedes meiner Worte klirrte vor Kälte, kein Wunder, dass sie erschauderte.

  »Wer hat sie dorthin gebracht?«

  Tanzt sie gern? Wie ist sie so? Hat sie noch andere Hobbys? Es gab so viele Fragen, die sie hätte stellen können. Aber natürlich hätte sie sich dafür zumindest ein klein wenig für Luna interessieren müssen.

  »Das geht dich nichts an. Wenn du über meine Tochter sprechen möchtest, werden wir das woanders tun. In meinem Büro. In einem Café. In einem anderen Bundesstaat. Unabhängig davon, wo es stattfinden wird, erlaube ich dir keinen Kontakt zu ihr, solange ich nicht dein Motiv kenne. Und jetzt verschwinde.«

  »Trent …« Val tänzelte mit verführerischem Hüftschwung auf mich zu und legte die Hand auf meine Brust. Mit verachtungsvollem Blick stieß ich sie weg. Sie schluckte und blinzelte mit den Wimpern. »Ich bin den ganzen weiten Weg von Georgia hergeflogen«, säuselte sie.

  Ich fing an zu lachen und wollte ihr schon die Meinung geigen, als der Fahrstuhl aufging und meine Tochter und Camila heraustraten. Camila trug Lunas Rucksack, während diese mit hüpfenden Schritten – das hatte sie sich angewöhnt, seit Edie in unser Leben getreten war – auf mich zukam, auf ihrem Gesicht ein Lächeln, das abrupt erstarb, als sie sah, dass jemand bei mir war.

  »Oh, mein Gott, Luna! Sieh einer an! Was für ein hübsches Mädchen du bist! Weißt du, wer ich bin?«

  Nein. Scheiße, nein. Ich ging Luna entgegen, um sie hochzunehmen, aber Vals große Klappe war schneller. »Ich bin deine Mama!«, verkündete sie und warf theatralisch die Arme in die Luft. »Ich bin gekommen, um dich zu besuchen. Wie ich mich freue, dich endlich kennenzulernen, Herzchen!«

  Luna riss ungläubig die Augen auf, dann drehte sie den Kopf und suchte meinen Blick. Ich hielt den Mund, weil ich mir nicht sicher war, welche Worte er ausspucken würde, wenn ich darauf reagierte. Mir war noch nie in den Sinn gekommen, einer Frau gegenüber handgreiflich zu werden, aber Val schaffte es mit Leichtigkeit, dass ich ihr den Garaus machen wollte.

  »Lasst uns doch alle nach drinnen gehen und eine Tasse Tee trinken.« Camila war die Erste, die sich vom Fleck rührte, dabei huschte ihr Blick zwischen Val und mir unablässig hin und her. Der scharfe Unterton in ihrer Stimme warnte mich davor, Val zum Teufel zu jagen, wie ich es unter anderen Umständen getan hätte. Nachdem sie diese Bombe hatte platzen lassen, konnte ich nicht einfach zu meiner Tochter sagen: »Das war mal ein Auftritt, hm? Aber jetzt habe ich deine Mutter in die Wüste geschickt, darum lass uns nachsehen, was heute im Fernsehen kommt …«

  Also begaben wir uns in meine Wohnung. Val saugte alles mit den Augen auf, mit Sicherheit machte sie eine Bestandsaufnahme und kalkulierte, um wie viel Geld sie mich in Anbetracht der Situation schröpfen konnte.

  Plötzlich drehte sie sich um und zog ein Plüschseepferdchen aus ihrer Designertasche und streckte es Luna hin. »Ich habe gehört, du magst Seepferdchen, darum wollte ich dir das hier schenken.«

  Mein Herz setzte einen Schlag aus, die Zeit stand still, ich nahm nur noch wahr, wie Niedertracht durch jede Ritze in den Wänden sickerte und uns gleich einem unsichtbaren Gas vergiftete.

  Klick, klick, klick, fügten sich die Puzzleteile ineinander.

  Val hatte keinerlei Kontakt zu irgendjemandem, den Luna und ich kannten. Ihre Mutter, die in Chicago lebte, hatte nie eine Beziehung zu ihrer Enkelin geknüpft. Sie wurde zu sehr von ihrem ehemaligen Freund und heutigen Mitbewohner auf Trab gehalten, um mit Luna zu skypen. Folglich musste Val einen Spitzel in meinem inneren Kreis haben. Jetzt galt es herauszufinden, wer die Person war.

  Lunas Augen leuchteten vor Freude und Überraschung, als sie nach dem Seepferdchen griff und es an ihre Brust drückte. Sie lächelte Val an, und falls es tatsächlich so etwas wie eine Seele gibt, wurde meine in diesem Moment pulverisiert und im ganzen Zimmer verstreut. Weil alles gerade eine Million Mal komplizierter geworden war. Ich hasste Val für ihre Rücksichtslosigkeit. Dafür, dass sie Luna ihre Identität enthüllt hatte. Ich hasste sie, gleichzeitig wusste ich, dass sie ein konkretes Ziel verfolgte. Sie wollte etwas von mir, und es war nicht dieses hoffnungsvolle, ehrfürchtig dreinblickende kleine Mädchen in dem schwarzen Gymnastikanzug, das da vor ihr stand.

  »Hör mal, Luna. Ich muss kurz mit einem Freund telefonieren.« Ich zeigte mit dem Finger zu meinem Schlafzimmer. »Du bleibst so lange hier bei Camila und Val, okay?« Ich benutzte bewusst Vals Vornamen, weil sie sich den Anspruch, »Mom« genannt zu werden, durch nichts verdient hatte. Dann stellte ich Augenkontakt zu Camila her, um sie zu warnen, dass Val zu keinem Zeitpunkt mit Luna allein bleiben dürfe. Sie deutete ein Nicken an. Ich verzog mich ins Schlafzimmer und telefonierte mit Vicious, der versprach, auf der Stelle Deans Vater Eli Cole, einen Familienanwalt, zu kontaktieren und so schnell wie möglich mit ihm zu mir zu kommen. Als ich das Zimmer verließ, fiel gerade die Wohnungstür ins Schloss.

  »Wer war das?«, fragte ich stirnrunzelnd.

  »Niemand Wichtiges.« Val lächelte zuckersüß und tätschelte Lunas Kopf, während sie ihr etwas vollständig Falsches und Unwahres über Seepferdchen erzählte. Camila, deren Gesicht vor Ärger verzogen war, bedeutete mir mit einer Kopfbewegung, ihr in die Küche zu folgen. Mein Blick glitt von Val zu Luna und wieder zurück. Ich durfte sie nicht miteinander allein lassen, selbst wenn ich mich nur wenige Meter entfernte. Val löste das Problem.

  »Ich muss kurz ins Bad und mich frisch machen.« Sie richtete sich auf und stolzierte den Flur hinunter, als wäre sie hier zu Hause.

  Ich rang mir ein kleines Lächeln für meine Tochter ab. »Bazillchen, würdest du mir einen Gefallen tun und für ein paar Minuten in dein Zimmer gehen? Camila und ich müssen etwas bereden, was nur uns Erwachsene betrifft.«

  Bazillchen. Ich hatte sie Bazillchen genannt.

  Sobald die Luft rein war, drehte Camila sich mit wütend blitzende
n Augen zu mir um. »Edie war eben an der Tür.« Seufzend stützte sie eine Hand in die Hüfte und rieb sich mit der anderen die Stirn.

  »Ich kann Ihnen nicht folgen«, sagte ich, hauptsächlich um Zeit zu schinden. Was hatte das zu bedeuten?

  »Sie schien die Fassung zu verlieren, als sie Val sah. Warum war sie hier? Was ist los?«

  Ich schaute sie an und gab ihr die Antwort, die sie nicht hören wollte. Es machte absolut keinen Unterschied, ob Camila Bescheid wusste oder nicht. Sie hatte weder Kontakt zu Jordan, noch würde sie es ihm jemals verraten.

  »Grundgütiger, sie ist doch noch ein Kind, Trent!«

  Ich schüttelte den Kopf, hatte es satt, immer wieder diese alte Leier zu hören. »Sie ist erwachsener als diese Hexe, die vor ein paar Minuten in diesem Haus aufgetaucht ist und meiner Tochter gesagt hat, dass sie ihre Mutter ist.«

  »Ihre vermeintlich Erwachsene ist in Tränen aufgelöst davongerannt, dabei sah sie genau aus wie der Teenager, der sie ist.«

  Noch ein Schlag unter die Gürtellinie. Heute kamen sie geradezu im Minutentakt. Es drängte mich, mir meine Schlüssel zu schnappen und Edie zu folgen, aber das konnte ich natürlich nicht. Nicht so lange Val hier war. Noch nicht einmal der verfluchte USB-Stick interessierte mich mehr. Es ging mir nur noch darum, Edie und Luna zu schützen. Wenn ich dabei selbst unbeschadet bliebe, wäre das nur eine nette Dreingabe.

  Ich hörte, wie die Badezimmertür geöffnet wurde, und drehte mich mit der Absicht um, ins Wohnzimmer zurückzukehren und diese jämmerliche Scharade zu beenden, als es klingelte.

  Edie.

  Ich wollte gerade öffnen, aber Val kam mir zuvor – wieder tat sie, als wohnte sie hier – und riss sie auf. Da fügte sich das letzte Puzzlestück ein.

  Jordan Van Der Zee.

  Camila und Luna machten sich genau zur richtigen Zeit auf zu McDonald’s (wenn man sein Kind an einem Wochentag um halb acht Uhr abends dort essen lässt, weiß man, dass die Apokalypse angebrochen ist), während ich mich mit dem Riesendurcheinander herumschlug, das am selben Nachmittag über mich hereingebrochen war, an dem ein achtzehnjähriges Mädchen beschlossen hatte, mein Herz in mikroskopisch kleine Partikel zu zertrümmern. Granatenarschloch Van Der Zee ging auf Val zu, zog sie an sich, indem er ihre Taille umfasste, und drückte ihr einen besitzergreifenden Kuss auf die Schläfe. »Du hast mir gefehlt, meine Schöne.«

  »Es war doch nur eine Woche.« Sie verzog ihre roten vollen Lippen zu einem selbstbewussten Lächeln, das mir verriet, dass sie, was immer Jordan für mich in petto hatte, Teil seines Plans war. Ich schaute von einem zum anderen, zählte eins und eins zusammen und fügte die letzten Fragmente dieses Rätsels zum kompletten Ganzen zusammen.

  »Ihre Reisen gingen nicht nach Zürich.« Ich warf den Kopf zurück und lachte verbittert auf. »Es besteht kein Grund, dass Sie SwissTech regelmäßige Besuche abstatten. VHH hat den Vertrag vor Wochen verlängert. Wir dachten, dass Sie eine Mätresse in Europa haben und die Ausgaben absetzen.«

  »Falsch gedacht.« Jordan pflanzte sich selbstzufrieden grinsend auf meine Couch. »Georgia ist näher und zudem wesentlich reizvoller – mit dieser Lady an meiner Seite.« Er zog Val auf seinen Schoß, und sie kicherte atemlos wie ein New Yorker Showgirl aus den Fünfzigern. »Jetzt seien Sie ein braver Junge und bringen uns etwas zu trinken, damit wir uns alle mal unterhalten können.« Jordan zwinkerte mir zu, dabei wirkte er zugänglicher und sympathischer, als ich ihn je gesehen hatte. Mit zusammengekniffenen Augen und bereit zum Angriff lehnte ich mich mit einer Schulter gegen die Wand, die das Wohnzimmer von der Küche trennte.

  »Ich rate Ihnen, diese Art von Scherzen zu unterlassen. Andernfalls könnte es passieren, dass Sie sich künftig nur noch von Flüssigem ernähren, weil ich Ihnen jeden Zahn in Ihrem Schandmaul einzeln ausschlagen werde.«

  »Sieh mal einer an. Endlich zeigt der Raufbold sein wahres Gesicht.«

  »Ganz im Gegenteil. Ich erkenne jetzt, dass meine Hautfarbe nie das Problem war. Sondern Val.«

  »Luna und Sie sind mein Problem«, korrigierte er und funkelte mich hasserfüllt an. »Sie sind in mein Leben eingedrungen und haben alles durcheinandergebracht, ohne sich dessen auch nur bewusst zu sein, Rexroth. Was glauben Sie, warum ich mich in Ihre beschissene, von einem Haufen verwöhnter kleiner Wichtigtuer geleitete Firma eingekauft habe?«

  »Weil Sie nichts anderes können, als sich in erfolgreiche Unternehmen zu drängen? Jedes einzelne von denen, die Sie selbst gegründet haben, ging in weniger als fünf Jahren pleite. Ich habe zwischen den Zeilen Ihres unerfreulichen Forbes-Interviews gelesen«, gab ich – ohne mit der Wimper zu zucken – zurück.

  »Nein. Sondern um sicherzustellen, dass Sie niemals mit Valenciana zusammenkommen werden.«

  »Erklären Sie mir bitte die Logik dahinter, Van Der Zecke. Sie wissen schon, kleineres Gehirn und so.« Ich tippte mir spöttisch an die Schläfe.

  Jordan feixte und hangelte nach seiner Aktentasche. Val rutschte von seinem Schoß auf die Couch, fischte eine Packung Marlboro Reds aus ihrer Handtasche, steckte sich eine Zigarette an und blies eine Qualmwolke zur Decke. Ich ging zu ihr, schnappte mir den Glimmstängel und brach ihn entzwei.

  »Erst lässt du deine Tochter im Stich, und jetzt bist du auch noch skrupellos genug, sie zur Passivraucherin zu machen?«

  Sie zog eine Schnute und sah mich mit großen Lolita-Augen an, als hätte das irgendeine Wirkung auf mich. Als könnten sie dadurch den Teil von mir berühren, den Edie auf eine Weise mit Beschlag belegte, dass es mir vorkam, als wären meine inneren Organe nicht mehr mein Eigen.

  »Spielverderber«, sagte sie mürrisch.

  »Du hast ja keine Ahnung. Ich werde dir dein Leben zur Hölle machen, Zuckerpuppe. Und jetzt zu dem Seepferdchen. Woher wusstest du davon?« Val stellte ihre langen übereinandergeschlagenen Beine nebeneinander und lehnte sich zurück, während Jordan in einem Stapel Dokumente blätterte. »Deine kleine Freundin wollte es im Internet für Luna bestellen. Jordan hat vollen Zugang zum Suchverlauf ihres Handys und checkt ihn täglich. Ich bin ihr zuvorgekommen. Sorry, Trent. Aber das ist eben der Preis, den man zahlt, wenn man sich mit jemandem einlässt, der finanziell noch von seinem Daddy abhängig ist.« Du bist diejenige, die von seinem Geld lebt.

  »Was bist du bloß für eine verkommene Hexe!« Ich lachte irre.

  »Ich hätte die Deine sein können«, gurrte sie.

  »Niemals. Man kann einen seelenlosen Menschen nicht lieben oder an sich binden.«

  Damit verschwand ich in der Küche, weil ich mich irgendwie abreagieren musste. Ich leerte eine Flasche Wasser, dann kehrte ich ins Wohnzimmer zurück, wo Jordan gerade Stapel von Unterlagen auf meinem Couchtisch verteilte. Er hatte irgendetwas vor. Etwas, was mir nicht gefallen würde.

  »Lassen Sie es uns kurz und schmerzlos machen, einverstanden?« Er rollte die Ärmel seines makellosen Button-down-Hemds hoch und befeuchtete seinen Finger mit der Zunge, bevor er hoch konzentriert durch die Seiten blätterte. »Vor fünf Jahren besaß ich eine Firma namens Silver Star Inc. Ihr Standort war in –«

  »Chicago«, ergänzte ich an seiner Stelle.

  Jordans Schultern bebten, als er auflachte. »Das ist richtig, Junge. Auf einer meiner vielen Stippvisiten dort lernte ich Valenciana kennen, und wir fingen eine Beziehung an.«

  Ich war versucht, ihn darauf hinzuweisen, dass der treffendere Ausdruck »Affäre« war, aber für Wortklauberei war nicht der richtige Zeitpunkt.

  Jordan zog ein Dokument aus einem der Stapel.

  »Val erregte auf einer meiner Reisen meine Aufmerksamkeit. Wie auch nicht? Schauen Sie sie doch nur an. Wir begannen, uns zu treffen, wann immer ich in der Stadt war. Was häufig vorkam. Ich gestehe, ich war in sie vernarrt. Allerdings beruhte das nicht auf Gegenseitigkeit, denn Val tingelte weiter durch die Betten. Ich duldete es, weil ich ihr zugegebenermaßen auch nicht treu war.«

  Er reichte mir das Schriftstück, und ich nahm es durch eine Nebelwand aus weißglühendem Zorn in Augenschein. Es war der Bericht eines Privatdetektivs namens B
arry Guilfoyle, eine Auflistung der Zeiten, in denen ich nicht bei meiner Tochter, sondern lange im Büro oder geschäftlich unterwegs war, während sich Camila oder meine Eltern um sie kümmerten.

  »Im Lauf der Zeit festigte sich die Beziehung zwischen Val und mir. Ich riet ihr zu einer Abtreibung. Es kümmerte mich nicht, wer der Erzeuger war. Ich legte ebenfalls keinen Wert darauf, dass eine Stripperin finanziell von mir abhängig war.« Jordan machte eine Pause und reichte mir weitere Dokumente. »Val behauptete, dass Sie der Vater seien und sie sich diese lukrative Gelegenheit nicht entgehen lassen wolle. Ich bot ihr kein Geld an, weil ich annahm, dass Sie das tun würden. Ich habe während meiner Ehe mit Lydia selbst ein paar Frauen geschwängert und sie mit Geld mühelos zu einer Abtreibung bewogen. Doch Sie beschlossen, nicht zu zahlen, und als ich mich endlich beruhigt hatte und wieder auf der Bildfläche erschien, war Val bereits im fünften Monat. Es war zu spät, um das Kind wegmachen zu lassen.«

  Um das Kind wegmachen zu lassen.

  Ich ballte die Fäuste, biss den Kiefer zusammen und spannte jeden Muskel bis hin zu denen in meinem Hintern an, um mich nicht dazu hinreißen zu lassen, ihm an die Kehle zu gehen. Er gab mir ein paar Ausdrucke von grobkörnigen Fotos. Auf einem war zu sehen, wie Camila Luna missbilligend anzuschauen schien. Dabei war das einfach nur eine Miene, die sie gelegentlich aufsetzte, mehr nicht. Ein anderes Bild zeigte mich, wie ich Lunas Locken zusammenband. Sie mochte es, wenn ihr Pferdeschwanz straff saß. Es hatte den Anschein, als wäre ich grob zu ihr, doch das war ich ganz und gar nicht. Sie stand in einem Coffeeshop zwischen meinen Beinen, ihre Arme auf meine Schenkel gestützt, und schaute ins Leere. Die Fotos mochten einen falschen Eindruck erwecken, aber die Situationen waren vollkommen unverfänglich gewesen. Trotzdem hieß es, kein Risiko einzugehen.

  »Passen Sie bloß auf, was Sie sagen«, warnte ich ihn. »Sonst werden Sie es bereuen, das schwöre ich.«

  Jordan quittierte das mit einem Lachen und einem verächtlichen Seufzer. »Val machte einen Test, und als sich herausstellte, dass tatsächlich Sie der Vater sind, verließ ich sie. Aber schließlich fanden wir wieder zusammen. In dem Zeitraum zwischen Lunas Geburt und ihrem ersten Geburtstag versuchte Val, Ihr Herz zu gewinnen. Sie zu verführen. Mit Ihnen zusammen zu sein. Ich hatte Verständnis dafür. Sie sind jünger als ich, ehrgeiziger, attraktiver. Aber nicht klüger. Nein, Sie sind ein verdammter Idiot, der das Glück hatte, dass seine Freunde großzügig genug waren, um ihm ein Stück vom Kuchen abzugeben. Sie hätten es jedoch nie bekommen dürfen. Weil Sie keinen Anspruch darauf haben.«

 

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