Hannah (Malibus Gentlemen 1) (German Edition)

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Hannah (Malibus Gentlemen 1) (German Edition) Page 23

by Emily Key

Adam ließ den Motor an, und nachdem Kelly sich weggedreht hatte und die Auffahrt bis zur Haustüre entlangging, stieg ich wieder ein.

  Obwohl es falsch war, fühlte ich mich in Adams Wagen automatisch wie in meinem eigenen. Ich schlüpfte aus den High Heels, welche mich fast umbrachten, und bewegte genießerisch meine Zehen.

  Wir sagten kein Wort, als er rückwärts auf die Straße fuhr und die Musik leise anstellte.

  »Kelly hasst eigentlich Musik, deshalb lasse ich sie im Wagen aus, wenn sie mitfährt.«

  Ich hob eine Braue, signalisierte ihm somit, dass ich das lächerlich fand, und hielt mich aber ansonsten zurück. Zumindest jetzt gerade.

  Schweigend lenkte er den Wagen durch die ausgestorbenen Straßen Malibus, während wir beide unseren Gedanken nachhingen.

  »Du wirkst nicht glücklich, Hannah.«

  Ernsthaft? Sofort gab ich meine entspannte Haltung auf und verschränkte wieder die Arme vor der Brust. Mich leise räuspernd, überlegte ich ihn zu fragen, ob er wirklich so doof oder ob das jetzt ein Männer-Ding-Showdown-Einleitungsgespräch war und er es einfach nicht besser wusste.

  »Was ist los, Hannah?«, setzte er noch hinzu, als ich nicht antwortete.

  »Ist das eine ernst gemeinte Frage?«

  »Ich würde niemals mutwillig etwas tun, das dich unglücklich macht, und sei es nur mit einer Frage«, murmelte er, und die ruhigen Töne des Albums ›Californication‹ von den Red Hot Chili Peppers schnurrten durch das Auto.

  Tief seufzend lehnte ich meinen Ellbogen auf die Verkleidung der Tür und stützte mit den Fingern meinen Kopf.

  »Doch«, wisperte ich und schloss gequält die Augen.

  »Hannah ... ich ...« Er ließ den Ausgang des Satzes offen.

  »Lass es gut sein, Adam, es war nur etwas viel heute.« In dem verzweifelten Versuch, das Gesicht zu wahren, setzte ich mich wieder gerade hin. An uns zog gerade Joe’s Diner vorbei, in dem gerade die Lichter ausgeschaltet wurden. »Ich meine, es ist immer beschissen, seit ... jenem Abend, aber wenn ihr solche Dinge tut, wie ein Lied aussuchen, dann ist es halt so richtig abgefuckt!«

  Er seufzte tief und hielt vor meiner Einfahrt an. Ich war zu Hause. Langsam stellte er den Motor aus, ließ aber die Zündung an, damit die Stille uns nicht erdrückte. Adam rutschte in seinem Sitz nach unten, legte den Kopf an die Stütze und krallte sich mit den Fingern am Lenkrad fest.

  »Es tut mir leid!«, sagte er, und diese schlichten Worte stürzten mich in den Abgrund. Ich wusste, dass es ihm leidtat. Natürlich war mir das klar. Ich wusste, dass er nicht von mir lassen konnte, genauso wenig, wie ich von ihm, aber ich war mir auch sicher, dass es falsch war.

  Ich schnallte mich ab, bereitete mich darauf vor, möglicherweise die aufkommenden Tränen nicht mehr unterdrücken zu können. Als ich meine Schuhe und die Tasche in der einen Hand hielt und die Türe mit der anderen aufmachte, drehte ich mich nochmals leicht in seine Richtung und betrachtete sein Profil. Das kantige, unrasierte Kinn, die gebräunte Haut, mit den langen geschwungenen, pechschwarzen Wimpern.

  Als ich spürte, dass ich die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte, stieg ich aus. Alles, was ich zum Abschied murmelte, war ein »Ich weiß!«, ehe ich die Türe hinter mir zuschlug und mit zittrigen Beinen zu meinem Haus lief.

  Diese Nacht war die Erste, in der ich mich in den erlösenden Schlaf weinte.

  »Hey, Puppe! Alles klar?«, fragte mich meine Schwester, nachdem ich das Telefon endlich abgenommen hatte. Sie rief bereits zum dritten Mal an, nur war ich nicht in Stimmung gewesen, mich zu unterhalten. Nach dieser Höllennacht wollte ich nicht mehr so tun, als wäre alles in bester Ordnung. Als wäre die Affäre mit Adam Moore gut für mich. Denn das war sie nicht. In keiner Weise. Nicht einmal ein bisschen. Stück für Stück hatte er dafür gesorgt, dass ich mich in ihn verliebte, und nun, wo er mein Herz besaß, kümmerte er sich akribisch darum, jedes noch so kleine Fitzelchen davon zwischen seinen Fingern nach und nach zu zerbröseln. Er brach mein Herz nicht nur, nein, er zermalmte es so geschickt und in Perfektion, dass ich ihn fast dafür bewundert hätte, wäre nicht ich es gewesen, die den Schmerz aushalten musste.

  »Hannah?«, fragte meine Schwester und ich merkte, dass ich ihr nicht geantwortet hatte.

  »Entschuldige. Hi.«

  »Du gehst ans Telefon und sagst nichts, ist was nicht in Ordnung?« Nun, das hätte vermutlich jeder gemerkt.

  »Ich war abgelenkt.« Schwerfällig schluckte ich. Wieso sagte ich ihr nicht einfach, was das Problem war?

  »Hannah, ich kenne dich. Was ist los?« Im Hintergrund hörte ich ihre Kaffeemaschine husten. »Wo bist du?«

  »Zu Hause.«

  »Zu Hause? Musst du nicht arbeiten?«

  »Kann ich nicht auch einmal blau machen?«

  »Natürlich, nur bist du nicht der Typ dafür«, murmelte sie und ich hörte sie in etwas hineinbeißen. Offenbar frühstückte sie gerade. »Also was ist los?«

  »Adam Moore ist los«, knurrte ich ergeben und ließ mich auf den Stuhl in meiner Küche fallen. Fast schwappte der Kaffee über.

  »Was war?«

  »Ich glaube, ich habe mich in ihn verliebt!«

  »Das haben wir doch letztes Mal schon festgestellt«, antwortete sie und wieder hörte ich sie kauen.

  »Melissa, du weißt, dass es unhöflich ist, zu essen und zu kauen, während man telefoniert?«

  »Du weißt, dass es unhöflich ist, mit einem verlobten Mann ins Bett zu gehen?«, setzte sie lachend dagegen.

  »Autsch!«

  »Tut mir leid, war nicht nett.« Sie nahm einen Schluck Kaffee. »Ich ess meinen zweiten Toast mit Schokoladenaufstrich, und du sagst mir, was passiert ist, Deal?«

  Ich seufzte schwer. Zum einen würde ich ohnehin nicht darum herumkommen, und zum anderen musste ich irgendwo Dampf ablassen.

  »Gestern Abend war dieses Hochzeitstanzding«, erklärte ich leise und kniff mir mit Daumen und Zeigefinger in den Nasenrücken. »Er hat bestimmt hundertmal mit Kelly getanzt, die sich – natürlich –- nicht entscheiden konnte, welchen Scheißsong sie haben möchte«, fuhr ich sarkastisch fort und warf die Hände in die Luft, auch wenn meine Schwester das gar nicht sehen konnte. »Kelly – langsam nervt die Kuh mich wirklich – entscheidet nämlich nichts, ohne vorher nicht genau erfahren zu haben, was Adam will, denn sie könnte ihn ja vor den Kopf stoßen oder anderer Meinung sein.«

  »Hast du sie gerade Kuh genannt?«, fragte Melissa dazwischen und ich hörte das Lächeln aus ihrer Stimme.

  »Ja. Ich pack das nicht mehr!«

  »Gott, tut das gut!«, sagte sie kichernd. »Das muss ich Mom und Dad erzählen. Sie predigen mir ständig, ich soll meine Arbeit auch so professionell sehen, wie du es tust. Das wird sie auf der Stelle um zehn Jahre altern lassen!«

  »Können wir zurück zum Thema kommen?«

  »Aye aye, Sir!«,

  »Im Grunde ist es doch so«, sagte ich, ihren Einwand ignorierend und sprang auf, um durch meine Küche zu tigern. »Sie will ihn nicht verärgern, damit es ja keinen Streit gibt, und er macht das alles schön und brav mit.«

  »Hannah?«, unterbrach mich Melissa erneut, plötzlich ernst. »Vielleicht will er das so?«

  In meiner Bewegung innehaltend, riss ich die Augen auf, als sie schon fortfuhr: »Vielleicht will er eine Freundin oder Frau, die nur das tut, was er mag!«

  Konnte das sein? Schätzte ich ihn so ein? Nein, nein das tat ich nicht.

  »Das kannst du unmöglich ernst meinen!«

  »Es wäre logisch, oder?«, entgegnete sie. »Denn, wenn es ihn nerven würde, wieso heiratet er sie dann?«

  »Melissa«, flüsterte ich und eine Welle des Schmerzes schlug über mir zusammen. »Das kannst du doch nicht wirklich glauben!«

  Nach einem tiefen Durchatmen entgegnete sie: »Überlege mal Hannah, es wäre logisch.«

  »Aber«, begann ich unsicher und spürte, wie erneut Tränen in meine Augen stiegen.

  »Wieso fragst du ihn nicht einfach, Hübsche? Wenn du in ihn verliebt bist, wieso stellst du ihm nicht einfach die Frage, weshalb er sich nicht von ihr trennt?«

  Die Tränen liefen über und rannen stum
m meine Wangen hinab. ›Ja, wieso tust du das nicht?‹, höhnte der Teufel und mein Engel hob seine Harfe und zog sie ihm über den Kopf. Zumindest in meinen Gedanken.

  »Weil ich Angst vor der Antwort habe«, wisperte ich.

  Adam Moore hatte mich das zweite Mal innerhalb von zwölf Stunden zum Weinen gebracht.

  Kapitel 23

  Adam

  Mittlerweile hasste ich Scott, den Wichser. Nicht nur, dass er mit meiner Frau – und damit meinte ich Hannah – getanzt hatte, nein, er machte sich auch noch über mich lustig, weil ich ... mich beschissen benahm.

  Im Zuge eines offiziellen Meetings der Sportclubs von Malibu hatten wir uns erneut getroffen. Zwei Tage nach dem Debakel mit meiner Hochzeitsplanerin. Scott wollte einfach nicht einsehen, dass Hannah für ihn tabu war, auch wenn ich mit Kelly verlobt war. Ob er mich reizen wollte – wovon ich anfangs ausging – oder ob er es wirklich ernst meinte, mit seinem ›Sie fühlt sich gut in meinen Händen an‹ bis hin zu ›Verdammt, diese Kurven rufen Fantasien hervor‹ wusste ich nicht. Nur eines war mir klar: Hielte er nicht bald die Fresse, würde ich sie ihm so lange polieren, bis er nie wieder auch nur ein Wort sprechen könnte oder eine Frau ihn überhaupt ansehen würde. Was dachte er eigentlich, wer er war? Der große Scott Morrison? Der Motorradfahrer, welcher dafür bekannt war, ständig mit irgendwelchen Boxenludern und Models gesehen zu werden?

  Wenn ich ehrlich war, lebte Scott nicht viel anders als ich damals. Nur dass ich jetzt gefestigt war ... mit Kelly. Ich gottverdammter Hundesohn hatte diese fabelhafte – wem wollte ich hier etwas vormachen? – Frau zu Hause, die mich vergötterte und mir jeden Wunsch von den Augen ablas, und schob nebenbei – weil man sich ja sonst nichts gönnte! – meinen selbstdenkenden Schwanz in meine Hochzeitsplanerin.

  Gut, das Wort Hundesohn genügte also nicht völlig, um zu beschreiben, was ich für ein ... Bastard war.

  Scott genoss es sichtlich mich in einer Tour daran zu erinnern, was ich für ein Spiel trieb. Er verarschte mich. Irgendwann zog ich ihn wie eine kleine verdammte Pussy auf die Herrentoilette und fragte ihn, ob er sicher sei, dass er von mir eine kassieren wollte. Scott lachte, klopfte mir auf die Schulter und sagte nur: »Ich höre erst auf, wenn du selbst erkennst, was du für eine Scheißshow abziehst!« Seitdem kreiste dieser Satz in meinem Kopf.

  Natürlich wusste ich, dass er damit nicht meinte – auch wenn es richtig gewesen wäre –, dass ich Kelly betrog. Nein, er wollte mir damit sagen, dass ich diese Farce mit meiner Verlobten beenden und mir Hannah schnappen sollte.

  Aber ich konnte nicht. Das mit Kelly war richtig. Geplant. Beständig.

  Hannah widersprach mir zu oft und ... hatte ihren eigenen Kopf.

  Als ich den mittlerweile in den Stand-by-Modus gegangenen Bildschirm wieder zum Leben erweckte, betrachtete ich das Bild, welches erschien. Es war eine Aufnahme von mir, wie ich die Siegerwelle ritt, als ich das erste Mal den Weltmeistertitel geholt hatte. Lange vorbei und heute surfte ich gar nicht mehr, aber ... das ließ sich gut auf die momentane Situation übertragen.

  Hannah war wie ein Wettkampf. Die unvorhersehbaren Wellen, die sie mir zulaufen ließ, konnte ich nicht berechnen. Es war das Friss-oder-stirb-Motto. Nichts dazwischen. Entweder, ich schaffte es die verfluchte Welle zu reiten, und mochte sie noch so tosend sein, oder ich fiel von meinem Board und ging unter. Das damit einhergehende Adrenalin, war ebenfalls Teil der etwas unkonventionellen Beziehung, die ich zu Hannah pflegte. Es war stürmisch, leidenschaftlich und unvorhersehbar. Es war aufregend und abenteuerlich. Im Grunde genau so, wie ich es wollte. Ständig im Wandel und doch in seinem Kern beständig.

  Zum Surfen gehörten immer Wasser, Wind, das Brett und der Mensch, egal ob man die Welle stand oder nicht.

  Mit der Bindung zu Hannah war es ähnlich. Definitive Bestandteile waren immer sie und ich. Leidenschaft, Gefühle und Verbundenheit.

  Gott, ich war so was von am Arsch. Es blieben mir genau 38 Minuten und 26 Sekunden, ehe ich das Büro verlassen und mich mit Hannah treffen durfte.

  Erschrocken riss ich die Augen auf. Ich war ein erbärmlicher Scheißer. Ein Kinderkrippenkind, das sich freute, wenn es Gummibärchen bekam. Und Hannah war mein Gummibärchen. Ungefähr alle zehn Minuten dachte ich daran, dass wir uns heute sehen würden.

  Wenn auch ... platonisch. Es ging nämlich darum einen Anzug für mich auszusuchen, welchen ich auf der Hochzeit tragen würde.

  ***

  Das Gefühl von Vertrauen und Liebe durchströmte mich, als ich das Atelier des Maßkonfektionärs für Herren betrat. Es war ganz anders als Geschäfte in Malibu normalerweise.

  Ein relativ kleiner und maskulin eingerichteter Raum traf auf moderne dunkle Regale, die mit Details wie einer Krawatte oder Fliege, Musterstücken von Stoffen und Maßbändern noch und nöcher dekoriert waren. Alte Schneiderbüsten waren vor den hohen Fensterfronten platziert, die Tageslicht in das Atelier ließen. Der Schneider lachte gerade laut auf, und ich folgte dem Geräusch um eine der Ecken. Laut ein ›Hallo‹ zu rufen war auch irgendwie nicht richtig. Es fühlte sich nicht so an, als wären aus vollem Hals gesprochene Worte oder schlechte Laune hier wohlplatziert. Der Konfektionär – er war klein und rundlich mit lichtem Haar – stellte gerade eine Tasse Kaffee vor Hannah ab. Da in dem Bereich, in welchem sie sich aufhielten, jede Wand ein Spiegel säumte, strahlte sie mir unzählige Male entgegen. Und egal aus welchem Winkel ich sie betrachtete, sie war wunderschön.

  Der hohe graue Bleistiftrock mit der weißen Kurzarmbluse, von welcher sie den Bund in den Rock geschoben hatte, die hohen Schuhe in einer dunklen Farbe, die ihr Bein so vorteilhaft streckten, dass ihre zierlichen Fesseln und die schlanken Waden betont wurden. Ihr Haar trug sie offen und leicht gewellt. Es glänzte in den funkelnden Lichtern, und die auf Hochglanz polierten Spiegel brachen ihr Bild zusätzlich in verlockender Fülle. Der Moment, in welchem sie meine Anwesenheit bemerkte, auch wenn sie mich nicht sah, denn ihr Rücken war mir zugewandt, fuhr mir durch Mark und Bein. Die Reaktion, die sie immer hervorrief, nämlich die, dass mein Schwanz hart wurde, blieb nicht aus, als sie sich umdrehte, um zu sehen, ob ich wirklich da war.

  Es klang durchaus strange, aber selbst ich, der Esoterikmist mit Scheiße gleichsetzte, war mir sicher, dass wir irgendeine Art von Verbindung hatten, denn ansonsten ... wie hätte sie mich spüren sollen? Wie?

  »Adam«, murmelte Hannah und der Schmerz in ihren Augen übertrug sich auf mich wie eine Spur mit Benzin, an welche man ein Feuerzeug hob.

  »Mr. Moore!«, sagte der Besitzer des Ateliers und kam hektisch auf mich zu, um mir die Hand zu schütteln. »Wie schön, dass Sie hier sind. Es ist mir eine Ehre, Ihren Anzug zu schneidern.« Der magische Moment zwischen Hannah, mir und den Spiegeln – und wenn er auch nur wenige Sekunden gedauert hatte – war vorbei.

  »Haben Sie ein Stück von dem Stoff des Brautkleides dabei?«, fragte er, und die Angesprochene nickte. Sie griff in ihre Handtasche und reichte es dem älteren Herrn.

  »So wird es sein.«

  Verstehend nickte er. »Ahh ... okay!« Vor sich hin murmelnd stieg er auf eine der Staffeleien und kramte nach einem Stoffmusterbuch. »Wo ist es denn?«, sprach er zu sich selbst, und ich nahm mir – wieder einmal – einen Augenblick, um Hannah eindringlich zu betrachten.

  »Ist alles in Ordnung?«, wisperte ich und sie nickte lediglich. Auch wenn sie versuchte, mich auf irgendeine Art und Weise ermutigend anzulächeln, erreichte es ihre schönen Augen nicht, die heute stark betont waren. Es verlieh ihr etwas Geheimnisvolles.

  »Kommen Sie, kommen Sie!«, sagte der Besitzer und winkte uns an einen hohen Tisch, auf dem er Stoffmuster vor uns ausbreitete. Hannah ging deutlich auf Abstand. Irgendetwas war passiert, das ich offenbar nicht mitbekommen hatte, aber sie so dermaßen beschäftigte, dass es für mich fraglich war, ob ich heute überhaupt noch an sie herankommen würde. Keine zufälligen Berührungen. Kein unvergleichlicher Duft. Keine Blicke, mit denen sie mich fast streichelte. Keine lieben Worte und was am Schlimmsten war, nicht ein einziges Mal ein ehrliches Hannah-Lächeln. Eines von denen, die sie mir immer in unserer Bucht schenkte. Mich über die Stoffe beugen
d, seufzte ich tief. Der Schneider erzählte mir einiges über die Stoffe, woher sie stammten, dass sie auf spezielle Art gewebt worden waren oder wirkliche Handarbeit dahinter stand, und ich konnte nicht folgen. Betrachtete ich doch immer wieder verstohlen, wie meine Hochzeitsplanerin sich kurz auf die Lippe biss und interessiert den Ausführungen folgte.

  »Adam?«, fragte sie mich. Es war einer der wenigen Momente, in welchen sie mich direkt ansah. »Was sagst du?«

  Wie war die Frage noch mal? Scheiße. Meine Tagträume und die Gedanken, was zur verfluchten Hölle mit ihr los war, hatten mich so in Beschlag genommen, dass ich nicht zugehört hatte.

  »Nun also ...«, begann ich, und die beiden sahen mich erwartungsvoll an. Irgendwann, nach gefühlten Stunden erschien meine echte Hannah auf der Bildfläche und deutete ein Lächeln an.

  »Was hältst du von Nachtblau?«, wiederholte sie auf den Stoff zeigend. »Nicht so beerdigungsmäßig wie schwarz, aber auch nicht so sportlich wie Marineblau.« Ah, jetzt verstand ich, um was es hier ging.

  Sie sah mich so aufmunternd an und ich – da war es wieder das Kinderkrippenkind – wollte ihr so sehr gefallen, dass ich auf das nachtblaue Stückchen zeigte. »Ist cool!« Der Schneider klatschte in die Hände.

  »Ausgezeichnet. Sie werden unglaublich aussehen!«

  Das leichte Kopfschütteln gepaart mit dem kurzen – aber für meine Lendengegend effektiven – Schmunzeln, welches ihr auf den Lippen lag, war für mich Bestätigung genug. Es war mir scheißegal, was ich Kellys Meinung nach anziehen sollte. Oder was ihr gefiel oder wie sie aussehen würde. Im Grunde, so erbärmlich das war, wollte ich einfach nur Hannah Stone gefallen.

  »Die Optik wird fabelhaft sein«, murmelte der Konfektionär zwei Stunden später immer wieder. »Und hier, hier machen wir Ihnen eine französische Innentasche.« Er zeigte uns wieder verschiedene Modelle und Möglichkeiten, wie man einen maßgeschneiderten Anzug zu einem Unikat machen konnte. Im Grunde, das hatte ich schon kapiert, war alles möglich, wenn man nur bereit war, genügend Geld auszugeben.

 

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