Love is Bold – Du gibst mir Mut: Roman (Love-is-Reihe 2) (German Edition)
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Ich nähere mich zögerlich der Bühne, wo mein Kontrabass darauf wartet, eingepackt zu werden. Mikey braucht hinten sicher nicht ewig, und wenn wir dann nicht fertig sind, wird er sauer.
»Ist das alles?«, fragt Jasper.
Nein, das ist nicht alles. Ich liebe dich über alles, und es macht mich kaputt, wäre die Wahrheit.
Jasper sieht mich unverwandt an. In seinem Blick hat sich etwas verändert. Er sieht mich anders an. Durchdringender. Es ist so schwer erträglich, dass eine Unterhaltung übers Kinderkriegen mit den Kirchenfreundinnen meiner Mom dagegen richtig erstrebenswert scheint.
Er fährt sich durch die Haare, und meine dummen Finger sehnen sich danach, es ihm gleichzutun. Ihn zu berühren. Aber ich stecke sie tief in meine Hosentasche und mache einen Schritt an ihm vorbei auf die Bühne.
»Weißt du, ich habe nachgedacht. Über das, was Curtis gesagt hat …«
»Man sollte nicht zu viel über Dinge nachdenken, die Curtis sagt«, erwidere ich, um einen Witz zu machen.
»Es ist alles ein Lernprozess«, fährt er unverwandt fort. »Erst musste ich Verlust lernen, dann das Alleinsein. Und vielleicht hat Phoenix recht, vielleicht muss man auch irgendwann das Zusammensein wieder lernen.«
Ich stoße mit voller Wucht gegen den Mikrofonständer, woraufhin er krachend gegen das Keyboard fällt. Was wird das hier?
»Hoppla«, sagt Jasper und ist mit einem Satz da, um ihn in letzter Sekunde aufzufangen.
»Und? Hast du schon jemanden im Blick?«, frage ich und zerre hektisch an der Kontrabasshülle. Die Luft habe ich angehalten.
»Haha«, macht er und sieht mich wieder auf diese Weise an – und ich stoße etwas zu laut die Luft aus. »Ich bin nicht auf der Suche, oder so. Es sind nur die Sachen, die Curtis und Phoenix gesagt haben.« Er lacht. Lacht dieses Jasper-Lachen. Leicht, fröhlich. Ein bisschen wehmütig, so, wie es immer war. »Und du?«, fragt er dann.
Jetzt ist es an mir zu lachen. Doch leicht und fröhlich klingt es nicht. Eher bitter. »Definitiv nicht.« Das war zu entschieden. Ich weiß es sofort.
»Okay …«, sagt Jasper, aber es klingt wie eine Frage.
»Ich habe einfach anderes im Kopf«, beeile ich mich hinterherzuschieben.
»Hast du eigentlich mal wieder etwas von Joe gehört?«
Joe … Mein Ex-Freund. Der eine Ex-Freund. Wir waren zwei Jahre zusammen. Zwei Jahre, in denen ich ihn und mich – und meine beste Freundin – belogen habe. Bis ich es nicht mehr aushielt und mich von ihm trennte, weil das alles so unfair war.
»Schon länger nicht mehr. Er ist nach Memphis gegangen.«
»Ihr wart ein tolles Paar. So einen solltest du mal wieder kennenlernen«, sagt Jasper und beugt sich zu mir herab, um mir mit der Hülle zu helfen, die heute aufgrund meiner fahrigen Bewegungen störrisch ist. Mit zwei gekonnten Handgriffen hat er sie über den Körper des Basses gezogen und schließt nun den Reißverschluss.
Wir waren ein schreckliches Paar. Er hat alles für mich getan, während ich immer nur an dich gedacht habe, würde ich niemals sagen, auch wenn es stimmt. Stattdessen: »Danke, den Rest schaffe ich allein.« Doch er macht keine Anstalten, sich zu entfernen.
»Na, immerhin bin ich nicht der Einzige, für den diese ganze Sache kompliziert ist«, sagt Jasper und lächelt mich an. Lächelt mich an, sodass mir kurz die Luft wegbleibt.
Ich pruste und schlage mir im nächsten Moment die Hand vor den Mund. Das war eine absolut ungefilterte Reaktion auf seine Worte. Das passiert mir inzwischen so gut wie gar nicht mehr. Ungefiltert. Immer bin ich darauf bedacht, das Richtige zu sagen oder zu tun. Und das Richtige beinhaltet, dass ich meine Klappe halte. Oder unverfängliches Zeug rede. Dopamin, Oxytocin, Adrenalin, denke ich, aber es hilft nicht.
»Was ist so witzig?«, fragt er, und sein Lächeln wird breiter, sodass ich den Blick abwenden muss, weil ich sonst hier und auf der Stelle zerschmelzen würde.
Dass du die Komplikation bist, ist die ungefilterte Variante. »Dass wir beide kompliziert sind«, sage ich, obwohl das mehr Information ist, als gut für mich ist.
»Komm, lass mich den nehmen«, sagt Jasper, da ich Anstalten mache, meinen Bass zu schultern.
»Geht schon«, erwidere ich, aber er nimmt ihn mir trotzdem ab.
»Nein, Jasper, bitte!« Ich klinge flehend und muss mich dringend wieder fangen.
»Okay, okay.« Er hebt abwehrend die Hände und überlässt mir mein Instrument.
»Sorry«, murmle ich.
»Ich würde mir ein Uber bestellen, falls du Interesse hast …« Er lächelt, doch an seinem Tonfall höre ich, dass er davon ausgeht, ich hätte kein Interesse. Und so ist es auch. Hätte es diesen unseligen Moment vor ungefähr vier Jahren nicht gegeben, würde ich sein Angebot annehmen. Aber ich kann es nicht.
Ich lächle zurück, auch wenn es sich ein bisschen gequält anfühlt. Es ist, als unterlägen meine Mundwinkel heute Abend einer ganz besonderen Schwerkraft. Doch es gelingt. Und das muss es auch. Denn das labile Gleichgewicht, das seit Kurzem wieder zwischen uns allen herrscht, darf nicht gestört werden. Nicht von mir, nicht von meinem Problem. Nicht, nachdem wir uns gerade erst wieder zusammengerauft haben. Ein Streit zwischen Link und Jasper war der Auslöser dafür, dass wir uns beinahe aufgelöst hätten. Wir erholen uns, ehrlich gesagt, immer noch davon.
»Danke für das Angebot. Aber ich … wollte noch bei Lula vorbei.«
»Alles klar, Bonnie«, sagt er und nimmt seine Tasche. »War schön, mit dir zu reden.«
Er hat keine Ahnung, was diese Worte in mir anrichten. Deswegen beeile ich mich, Abstand zwischen uns zu bringen. Ich steige von der Bühne und gehe zur Tür.
»Sag Mikey liebe Grüße, wenn du ihn noch siehst.«
Ich habe ein Gefühl in meinem Körper, als hätte ich mich innerlich selbst entzündet.
Draußen schlage ich alibimäßig den Weg Richtung Zentrum und Bourbon Street ein, orientiere mich aber an der nächsten Kreuzung nach rechts Richtung Tremé. Von der Frenchmen Street ist es ein ungefähr dreißigminütiger Fußmarsch zu mir nach Hause, und es gefällt mir, nachts allein durch die Straßen meiner Stadt zu laufen. Besonders jetzt, da der Winter langsam vom Frühling abgelöst wird, es nicht mehr kalt ist, allerdings auch noch nicht so drückend heiß wie während der Sommermonate.
Der Kontrabass ist schwer, aber sein Gewicht, das mich weit nach vorne gebeugt laufen lässt, fühlt sich gesund an. Gerechtfertigt. Als hätte ich die Last verdient. Doch ich komme dennoch rasch voran. Meine Beine sind zwar kurz, aber ich bin eine schnelle Geherin.
Ich umlaufe den Louis Armstrong Park, der nachts geschlossen ist, gehe unter der Interstate 10 hindurch. Ein paar Teenager lungern vor einem heruntergekommenen Shotgun-Haus herum. Es riecht nach Gras, nach jugendlichem Leichtsinn und vertanen Chancen. Der Geruch meines Viertels.
Das hier ist meine Hood. Die Gehwege sind rissig, Mülltonnen quellen über. Im schummrigen Schein der Straßenlaternen werfen Stromkabel geschwungene Schatten auf den Asphalt. In der Ferne heult eine Polizeisirene auf – ein Geräusch, das ich gelernt habe, zu ignorieren.
Einige der Grundstücke, an denen ich vorbeilaufe, liegen seit Katrina brach. Die Häuser waren oft nicht mehr zu retten, viele Besitzer kehrten nie wieder in ihre Heimat zurück. Dunkle Schatten huschen durch die verwilderten Gärten. Katzen oder Waschbären. Vielleicht auch ein streunender Hund.
Nach zehn weiteren Minuten erhebt sich zu meiner Rechten mächtig St. Peter Claver, die Kirche, die meine Mom jeden Sonntag besucht, vor dem Nachthimmel.
Wenig später öffne ich unser knarzendes Gartentor. Ich gebe mir Mühe, so leise wie möglich zu sein, als ich durch unseren ungepflegten Vorgarten schleiche, um meine Mom nicht zu wecken. Im Zwielicht sieht unser Cottage mit der ehemals gelben Holzverkleidung und den türkisfarbenen Fensterläden etwas gespenstisch aus.
Beinahe lautlos schließe ich die Haustür auf. Drinnen riecht es nach Holz, Wärme und kaltem Zigarettenrauch. Nach meinem Zuhause. Ich lasse den Kontrabass von meinen Schultern auf den Boden gleiten und lehne ihn gegen die Wand. Dann streife ich mir meine Sneakers von den Füßen. Mein Magen knurrt, weil ich seit
einem kleinen Snack heute Nachmittag nichts mehr gegessen habe, und ich schleiche auf Zehenspitzen in die Küche. Meine Mom hat keinen sonderlich tiefen Schlaf, und ich bin mir sicher, dass Lula weniger Rücksicht nehmen wird, wenn sie später nach Hause kommt. Wenigstens ich will sie nicht wecken.
Da es zu spät ist, um mir etwas Richtiges zu essen zu machen, öffne ich den Kühlschrank und hole den Plastikkanister mit Milch heraus, öffne den Verschluss, setze ihn an meine Lippen und nehme drei kräftige Schlucke im Schein der Kühlschranklampe. Das muss reichen.
Dann schleiche ich mich in den ersten Stock. Die Stufen knarzen unter meinen Schritten, und ich bin froh, als ich endlich meine Zimmertür hinter mir mit einem leisen Klicken schließe. Erschöpft lasse ich mich auf mein Bett sinken. Meine Kraft reicht gerade noch, um mir die Jeans von den Beinen zu streifen.
Die Augen fallen mir schon fast zu, aber ich weiß, was ich sehe, wenn sich meine Lider schließen. Ich weiß, wessen Gesicht sich in der Dunkelheit in meine Gedanken schleicht. Jede verdammte Nacht. Und ich kann nichts dagegen tun. Ich kann es lediglich ignorieren. Doch besonders nach unserer Unterhaltung heute Abend wird es mir kaum gelingen. Nach diesem dummen Zufall.
Wie konnte ich nur so leichtsinnig sein? So nachlässig?
Hitze breitet sich aus meinem Magen überallhin aus. Eine unangenehme Hitze, eine Hitze, die ein Eigenleben hat. Die Wünsche und Sehnsüchte hat und nicht zulässt, dass sie ungehört bleiben. Eine Hitze, der ich nie wieder die Kontrolle überlassen kann.
Ich werfe einen Blick auf das Regal an der gegenüberliegenden Wand. Das Regal, das meine Erinnerungen beherbergt, als wäre ich ein gestörter Freak. Sauber aufgereiht stehen fest verschlossene Einweckgläser mit kleinen Etiketten nebeneinander. Nur die Hitze in mir lässt sich leider nicht in ein Glas sperren. Hitze lässt sich überhaupt nicht wegsperren. Hitze steckt an, verbreitet sich.
Die meisten der Gläser enthalten Notizen oder kleine Gegenstände, mit denen ich etwas verbinde. Die mich in einen besonderen Moment zurückversetzen. Lediglich eines von ihnen ist leer. Es steht ganz oben am äußersten Rand. Es ist die Erinnerung an diesen unseligen Abend vor über vier Jahren.
8 – Jasper
Vor sechs Jahren
»Na, Mr Hughes? Bist du bereit?« Link streckt seinen Kopf ins Auto.
»Noch heiße ich Reed«, sage ich. Aber nicht mehr lange. Das hier sind die letzten Minuten mit meinem alten Familiennamen, von dem ich mich leichten Herzens verabschiede.
»Alter, dann sind wir so was wie Brüder!« Er grinst.
»Und als so was wie dein Bruder sage ich dir, dass du dein Hemd falsch zugeknöpft hast.« Ich deute auf seine Brust, wo ein Knopf ins Leere blickt.
»Ups.« Er wird rot. Für seine sechzehn Jahre lässt er wirklich nichts anbrennen. Denn sowohl er als auch ich wissen, dass das Hemd vor einer halben Stunde noch perfekt geknöpft war. »Kann den Besten passieren«, murmelt er.
Er klopft aufs Autodach, um mir zu bedeuten, dass es Zeit wird hineinzugehen. Das Marriage Office befindet sich in einem schmucklosen grauen Ziegelkasten in der Tulane Avenue. Aber uns geht es nicht um Pomp und Eleganz an diesem Tag. Uns geht es um uns, um unsere Freunde. Mir geht es vor allem darum, offiziell Teil dieser Familie zu sein. Und gleichzeitig meine hinter mir zu lassen.
Es ist heiß draußen, heiß und feucht, wie es typisch ist für den Mai in Louisiana. Definitiv kein Klima für einen Anzug, und ich merke, dass ich beginne zu schwitzen. Die Eingangstür quietscht, aber drinnen ist es immerhin klimatisiert.
Vor dem Raum, in dem wir gleich heiraten werden, haben sich schon die Gäste versammelt. Charlie und Con, Blythes Eltern, die Weston im Schlepptau haben, Curtis, Bonnies Zwillingsschwester und ihre Mom. Bonnies Freund Joe. Mein Klavierlehrer Simon und ein paar Freunde aus der Musikschule. Die Stimmung ist fröhlich gespannt, und hier und da klopft mir jemand auf den Rücken.
Es fühlt sich unwirklich an, hier zu sein, in diesem seltsam fremden Gebäude, in dem es gleichermaßen nach Putzmittel und miefigem Teppichboden riecht.
Ich nehme meine Umgebung kaum wahr, bin viel zu beschäftigt, meine Gedanken zu sortieren. Wie leicht mir die Entscheidung fiel, alles hinter mir zu lassen – meinen giftigen Vater, der nach nichts als Geld strebt, meine von sich selbst besessene Mutter –, weil es die einzig richtige war. Ich habe sie bereits vor über zwei Jahren getroffen, als ich wusste, dass ich Vater werden würde.
Sobald wir in den Raum gelassen werden, der für die Eheschließung vorgesehen ist, legt Link mir eine Hand auf die Schulter, ganz so, als würde er spüren, dass ich an meine Eltern denke.
Die Gäste nehmen Platz, ich stehe ein bisschen bedröppelt neben einem Pult und bin unendlich froh, dass Link als mein Trauzeuge bei mir ist.
»Nervös?«, fragt er in meinem Rücken.
»Nein.«
»Einsam?«
Ich lache leise. Er ist ein Teenager, der wenig anderes als Sex und Musik im Kopf hat, und trotzdem ist er einer der schlausten Menschen, die ich kenne.
»Nur noch heute«, sagt er. »Dann bist du offiziell einer von uns.«
Ich drehe mich zu ihm um und nicke. »Ich weiß.«
»Zeit wurde es«, flüstert er noch, dann hört man von draußen Schritte.
Ein Raunen geht durch die Menge der Gäste, als Blythe und Bonnie in den Raum treten. Blythe lächelt und senkt den Blick. Ich sehe sie an und weiß, dass ich nie jemand anderen gebraucht habe. Nicht meine Eltern, nicht meine Nannys.
»Hi«, flüstert sie und platziert sich mir gegenüber. Bonnie steht schräg hinter ihr.
»Hi«, sage ich, dann beginnt die kurze Zeremonie.
Während die Beamtin das Prozedere erklärt, schaue ich Blythe an. Dann fällt mein Blick auf Bonnie, die zwei Jahre jünger ist als ihre beste Freundin. Doch davon hat man nie etwas gemerkt. Sie sieht mir direkt in die Augen, und ich lächle. Sie erwidert es. Nickt mir zu. Ich nicke zurück.
Es ist das Richtige, sagt sie mit den Augen. Und das weißt du.
Ja, erwidere ich mit einem erneuten Lächeln.
Sie wendet sich ab und sucht die Gäste nach Joe ab, und ich widme mich wieder meiner zukünftigen Frau.
Ich erinnere mich noch an das »Ja, ich will«, das erst ich, dann Blythe sprachen. An den alles entscheidenden Satz: »Hiermit erkläre ich Sie zu Mann und Frau.« An den Jubel, die Glückwünsche. Und dennoch geht all das unter in einem Nebel aus Glückseligkeit und dem Gefühl, angekommen zu sein. Als Jasper Reed habe ich das Gebäude betreten, und als Jasper Hughes verlasse ich es wieder, mit meiner Frau an der Hand, meinem Sohn auf dem Arm. Mit unseren Freunden hinter uns, die, sobald wir nach draußen treten, Reis und Konfetti in die Luft werfen.
Dieser Moment gehört uns allen. Das hier sind nicht nur Blythe und ich, das hier ist die ganze Nachbarschaft. Die Gemeinschaft, zu der wir gehören. Eine große, bunte, verrückte Familie. Und mittendrin stehe ich und besinne mich für einen Augenblick darauf, was für ein Glückspilz ich bin. Wie weit ich gekommen bin – nicht in dem Sinne, den mein Vater für den einzig wahren, gültigen hält. Denn Materielles habe ich nicht vorzuweisen. Wir sind arm wie die Kirchenmäuse – besonders, seit wir uns entschlossen haben, ein renovierungsbedürftiges Haus in Tremé zu kaufen – und doch reicher als alle, die ich zurückgelassen habe. Reicher an Glück, reicher an Leben. Reicher an Liebe, reicher an uns.
9 – Bonnie
Vor sechs Jahren
Blythe und ich wiegen uns im Takt zu Links Gitarrenklängen im Garten. Die Feier ist beinahe vorbei. Ein rauschendes Fest ohne unnötigen Schnickschnack. Denn dafür hat hier niemand Geld. Es gab jede Menge Livemusik, jeder der Nachbarn brachte etwas zu essen und zu trinken mit. Das Haus ist eigentlich noch kaum bewohnbar, aber trotzdem bestanden Blythe und Jasper darauf, hier zu feiern. »Immerhin kann nichts kaputtgehen«, sagte Blythe, als ich Bedenken äußerte.
Das ist es nun. Ihr Haus. Ihr Leben. Ich freue mich unglaublich für sie und Jasper. Sie sind füreinander geschaffen. Beide sind sie auf gewisse Weise edel. Auf Tremé-Weise. Beide sind sie wunderschöne, gute Menschen. Und ich könnte kaum glücklicher sein, dass sie sich gefunden
haben und ihr Leben nun miteinander teilen.
Ich blicke zu Joe, der am Tisch sitzt und sich mit Curtis und Jasper unterhält. Joe ist ebenfalls gut. Als er bemerkt, dass ich ihn ansehe, lächelt er mich an, und mich durchzuckt es. Die Ungerechtigkeit dessen, was ich ihm antue. Die Unehrlichkeit, mit der ich uns beide belaste. Denn das, was wir haben, ist nicht echt. Nur von seiner Seite. Zumindest glaube ich das. Ach was, ich weiß es. Natürlich weiß ich es. Ich sehe es in jedem seiner Blicke. Es sind die gleichen Blicke, die Blythe und Jasper einander schenken. Die gleichen Blicke, die ich Jasper schenke, wenn ich sicher sein kann, dass es niemand bemerkt.
Ich schließe die Augen und lasse mich von Blythe im Takt der Gitarre drehen. Grillen zirpen. Der Schein der Lampions dringt durch meine geschlossenen Lider. Es ist so friedlich, so zauberhaft, hier zu sein, inmitten all des Glücks. Es hat mir in den letzten Jahren alles abverlangt, ihnen dieses Glück zu gönnen. Nie war ich missgünstig. Kein einziges Mal. Aber anfangs war es schwerer. Inzwischen habe ich meinen Frieden damit gemacht. Mit der Tatsache, dass ich dieses Glück nie selbst haben werde. Doch ich bin zufrieden, wenn ich sehe, wie Blythe und Jasper dieses Glück teilen. Sie haben so viel davon, dass sicherlich etwas auf mich abfärbt.
Ich ziehe Blythe in eine Umarmung. »Ich freue mich irrsinnig für dich«, flüstere ich.
»Und ich bin dir so dankbar«, sagt sie und legt ihre Arme um meinen Hals. Sie sieht mich mit ihren blauen Augen an. »Ernsthaft, Bonnie. Ich bin dir so dankbar für alles.«
Ich weiß nicht genau, was sie meint, und lächle einfach.
Auf einmal wird unsere Aufmerksamkeit auf eine Bewegung im Garten gelenkt. Link und Curtis führen irgendetwas im Schilde. Sie tuscheln, hantieren mit Feuerzeugen.
»Ich habe noch eine Überraschung für dich«, sagt Jasper und legt die Arme von hinten um seine Frau.
Joe stellt sich neben mich. Seine Finger suchen nach meiner Hand. Mit einem pfeifenden, zischenden Geräusch rast die erste Rakete in den Himmel und explodiert in einem Farbenmeer aus goldenen Lichtern. Gleich darauf fliegt die nächste hinauf. Ihre Lichterperlen sind grün.