Love is Bold – Du gibst mir Mut: Roman (Love-is-Reihe 2) (German Edition)

Home > Other > Love is Bold – Du gibst mir Mut: Roman (Love-is-Reihe 2) (German Edition) > Page 13
Love is Bold – Du gibst mir Mut: Roman (Love-is-Reihe 2) (German Edition) Page 13

by Engel, Kathinka


  Meine Hand wandert unter den Stoff der Shorts. Streicht vorsichtig an meinem Penis entlang. Und er reagiert. Natürlich reagiert er, denn er hat keinen Kopf. Er hat eine Funktion, der er bereitwillig nachkommt, wenn man ihn lässt.

  Ich frage mich, was Aurora unter ihrem Kleid anhatte. Was für eine Art Unterwäsche sie wohl trägt. Ich konzentriere mich auf das Gefühl, das ihre Nähe in mir ausgelöst hat. Die flüchtigen Berührungen. Ich stelle mir vor, wie sie das Kleid von ihren Schultern streift, es auf den Boden fällt. In meiner Vorstellung ist ihre Unterwäsche sportlich, jedoch nicht unsexy. Schwarz. Das ist das Einfachste. Das bedarf keiner blühenden Fantasie. Sie berührt sich. Berührt mich. Ich berühre mich. Berühre sie in meiner Vorstellung. Lasse meine Finger über ihr Dekolleté streichen. Über ihre glatte Haut. Ihre dunkle Haut.

  Stopp. Aurora hat keine dunkle Haut. Ich schüttle den Gedanken ab, konzentriere mich erneut. Ihre Haut ist warm. Warm wie meine Hand um meinen Schaft. Ihre Haare sind weich und fallen ihr über die Schultern, weil sie den Dutt gelöst hat. Ihre langen Box Braids –

  Was, zur Hölle? Ihre dunkelblonden Haare, ermahne ich mich. Dunkelblond, du Trottel. Ihre dunkelblonden Haare fallen ihr über die Schultern. Sie beißt sich in die Oberlippe. Ich trete auf sie zu. Ich reibe mich. Verfalle in einen guten Rhythmus. Sie ist kleiner als ich, einen halben Kopf vielleicht. Doch als ich mir vorstelle, meine Arme um sie zu schließen, ist sie plötzlich viel kleiner. Schmächtiger.

  Ich stoße ein frustriertes Stöhnen aus und nehme die Hand aus meiner Hose. Ich bin verwirrt von unserem Gespräch vorhin. So viel steht fest. Aber ich werde mit Sicherheit nicht hier liegen und mir zu meinen Gedanken an Bonnie einen runterholen. Das überschreitet nun wirklich Grenzen. Auf vielen verschiedenen Ebenen. Und jede Einzelne davon ist ein Grund, schleunigst damit aufzuhören.

  Mein Penis pocht noch eine Weile, aber ich ignoriere ihn. Er und mein Verstand kommen heute Nacht offensichtlich nicht zusammen.

  21 – Bonnie

  Vor dreizehn Jahren

  Er ist der schönste Junge, den ich je gesehen habe. Und ich wusste nicht einmal, dass Menschen wirklich schön sein können. Bislang habe ich sie in Jung und Alt, Schwarz und Weiß, Mädchen und Jungen unterteilt. Jetzt unterteile ich sie in alle anderen und – Jasper.

  Vor fünf Minuten ist er in den Probenraum gekommen. Keine Ahnung, wieso. Keine Ahnung, woher. Alles, was ich weiß, ist, dass er anders wirkt als wir. Verschlossener, stiller. Ich habe das Gefühl, er ist das, was meine Mutter mit »wohlerzogen« meint, wenn sie Lula und mich schimpft.

  »Jasper spielt Klavier und würde gerne bei uns mitmachen«, sagt Meredith, unsere Musiklehrerin, die mit uns, den Jazz Kids, heute wieder übt, zu improvisieren.

  Ich klammere mich unnötig fest an meinen Bassetto, den kleinen Kontrabass für Kinder. Die Saiten schneiden in meine Finger ein, trotz der Hornhaut, die sich inzwischen gebildet hat. Ich habe sie mit Links Fingern verglichen. Meine sind härter.

  »Wenn es ihm gefällt, kommt er ab jetzt vielleicht öfter her.« Meredith legt Jasper die Hand auf die Schulter, und ich ertappe mich dabei, wie ich mich frage, ob sein T-Shirt sich weich anfühlt.

  Jasper ist ein schlaksiger Teenager. Und ich bin mir sicher, dass er sich in den Augen von all den anderen nicht sonderlich von den älteren Kids unterscheidet. Für mich ist es ein himmelweiter Unterschied.

  »Willst du uns vielleicht etwas vorspielen?«, fragt Meredith.

  Jasper nickt. Er setzt sich ans Klavier. Sein Rücken ist kerzengerade. Er schließt die Augen, atmet einmal tief ein. Dann beginnt er. Was er spielt, ist definitiv kein Jazz. Im Musikunterricht haben wir ähnliche Musik schon einmal gehört. Klassische Musik. Er spielt sanfte Akkorde. Mit viel Gefühl. So viel Gefühl, dass ich sehe, wie ich eine Gänsehaut auf dem Arm bekomme. Die Melodie ist einfach, verspielt. Aber unter Jaspers Fingern klingt es wie die göttlichste Medizin. Er wiegt seinen Oberkörper leicht hin und her, als könne er jeden Ton in sich spüren. Als würde jeder Ton etwas in ihm auslösen. Eine Sehnsucht, vielleicht. In mir löst dieses Stück ebenfalls etwas aus. Den Drang, auf der Stelle loszuheulen, weil ich nicht verstehe, was passiert. Es fühlt sich an, als würde mich jemand innen berühren. In mir drin.

  Die anderen Kinder um mich herum beginnen zu tuscheln. Ein paar Jungs kichern. Und ich wünschte, sie wären still. Einem von ihnen werfe ich einen wütenden Blick zu, aber er ignoriert mich. Jasper spielt unbeirrt weiter. Doch das Flüstern wird lauter. Bis zu dem Moment, als ein Junge ruft: »Was bist du denn für ein Lauch?«

  Kurz stelle ich mir vor, wie ich ihm den Stachel meines Basses in die Kehle ramme. Oder ihm wenigstens in die Eier trete. Von Link weiß ich, dass das so ungefähr das Schlimmste ist, was man tun kann.

  Jasper unterbricht das Stück, und ich will am liebsten laut rufen, dass er weitermachen soll. Immer weiter. Für immer und ewig. Er dreht sich zu uns um und ist ganz rot im Gesicht. Meine Wut auf den bescheuerten Jungen, der das mit dem Lauch gerufen hat, wächst ins Unermessliche. Er ist zwei Klassen über mir, ich kenne ihn aus der Schule. Irgendetwas werde ich mir ausdenken müssen, um ihn für den blöden Spruch zu bestrafen. Etwas Grauenhaftes. Eine tote Ratte in seinem Spind, vielleicht. Aber so, dass sie übers Wochenende drinbleibt und alles so richtig vollstinkt. Lula kann Spinde im Schlaf aufbrechen.

  »Wow«, sagt Meredith gerade. »Du bist wirklich gut, Jasper.«

  »Ein Lauch ist er«, ruft jetzt der dumme Kerl von gerade eben. »Was soll das überhaupt für Musik sein?«

  »Okay, Curtis, ich glaube, wir haben alle verstanden, dass du gerne über Gemüse redest. Aber wenn du nicht die Klappe hältst ab jetzt, fliegst du wieder raus. Das ist dann das dritte Mal in diesem Monat. Und dann müssten wir vielleicht noch mal darüber reden, ob du hier richtig bist.«

  Der Gedanke daran, dass Curtis – nun weiß ich auch wieder, wie er heißt – rausfliegen könnte, gefällt mir. Spielen wir eben ohne Schlagzeug. Mein Rhythmusgefühl ist mindestens genauso gut.

  »Ähm«, macht Jasper, und ich halte die Luft an. Seine Stimme! Er ist bereits im Stimmbruch und klingt wie eine Mischung aus Reibeisen und Junge. Und beinahe finde ich es noch schöner als sein Klavierspiel. Seine dunklen Haare sind kurz geschnitten. Und er fährt sich nun unsicher darüber. Ich will das auch. Über seine Haare fahren. »Also … ich würde gerne Jazz lernen. Aber meine Eltern erlauben es mir nicht.«

  Curtis prustet laut. »Laucheltern.«

  Ich weiß, dass Curtis seine Eltern vor zwei Jahren durch Hurrikan Katrina verloren hat. Bislang hat er mir immer leidgetan deswegen. Aber gerade tut mir nur Jasper leid.

  »Ich finde es toll, dass du ganz allein hierhergekommen bist«, sagt Meredith. »Und ich bin mir sicher, bei deinem Talent hast du jede Menge Gefühl für Jazz. Wenn du willst, kannst du heute erst mal zuhören, was wir hier so machen.«

  Jasper nickt. »Vielen Dank.«

  Er ist höflich, und das gefällt mir. Gerade glaube ich, er könnte auf den Boden spucken und es würde mir noch gefallen, obwohl ich das bei den Jungs in der Schule immer ekelhaft finde.

  Während der restlichen Stunde bin ich unkonzentriert. Ich spiele nicht so gut, wie ich es eigentlich kann, weil ich nicht in der Lage bin, meine Augen oder meine Gedanken von Jasper abzuwenden. Glücklicherweise bin ich heute nicht die einzige Bassistin, sodass es nicht auffällt.

  »Jasper, wenn du willst, zeige ich dir noch ein paar Sachen, die du üben kannst«, sagt Meredith, als wir anderen zusammenpacken.

  »Das wäre großartig, danke«, sagt er und räuspert sich, weil sich seine Stimme überschlägt.

  Nach und nach verlassen die anderen Kinder den Raum.

  »Kommst du, Bonnie?«, fragt Link. Normalerweise begleitet er mich noch nach Hause, ehe er zu sich radelt.

  »Habnochwasvor«, nuschle ich.

  »Oh, okay, dann bis morgen.« Er winkt mir, geht zu Jasper und sagt: »Ich fand’s übrigens cool.« Deswegen ist Link mein bester Freund. Deswegen habe ich ihm verziehen, dass er mir an unserem ersten Tag hier die Gitarre weggeschnappt hat. Obwohl ich ihn eigentlich verprügeln wollte. Doch dann fand ich he
raus, dass Nico Minoru, meine Lieblingsfigur aus den Runaways, meiner liebsten Comicserie, Bass spielen will. Das war Links großes Glück.

  Als alle gegangen sind, wuchte ich den Bass auf meinen Rücken und gehe zur Tür.

  »Tschüss, Meredith. Tschüss, Jasper.« Letzteres sage ich ein bisschen leise.

  »Tschüss, Bonnie«, antwortet Meredith, und Jasper hebt die Hand.

  Er hat mich angesehen, schießt es mir durch den Kopf, während ich den Raum verlasse. Ich tue so, als würde ich die Tür zuziehen, lasse sie aber einen Spalt offen. Dann lehne ich den Bass an die Wand und setze mich daneben auf den Boden. In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken. Es herrscht absolutes Chaos. Wie bei Nico Minoru, denke ich. Das Gehirn rast in alle möglichen Richtungen.

  »Also, dann wollen wir mal«, höre ich Merediths Stimme. Sie sitzt sicher neben ihm auf einem Klavierhocker. Das Leben ist ungerecht. »Ich schätze, du kannst Tonleitern spielen?«

  Ich sehe zwar nichts, aber ich bin mir sicher, dass Jasper nickt. Wer so Klavier spielen kann, beherrscht alberne Tonleitern im Schlaf.

  »Was ist mit Septakkorden?« Meredith demonstriert, was sie meint, spielt einen Dur- und einen Moll-Septakkord. Und Jasper tut es ihr nach. In verschiedenen Tonarten. Ich kann seinen und Merediths Anschlag auseinanderhalten. Seiner ist ganz weich und sanft. Merediths kraftvoll.

  »Ich habe hier ein Songbook, das du haben kannst«, sagt Meredith. »Cole Porter. Du kannst sicher vom Blatt spielen, oder?«

  Ich höre das Rascheln von Papier, und gleich darauf spielt Jasper eine Melodie.

  »Sehr gut«, sagt Meredith. »Das hier, was über den Noten steht, sind die Akkorde. Siehst du? Die könntest du mit der linken Hand dazu spielen, wenn du weißt, was sie bedeuten.«

  »So?«, fragt Jasper, und ich schließe beim Klang seiner Stimme die Augen.

  Er spielt nun eine Melodie und begleitet sie mit der linken Hand. Beinahe klingt es schon wie Jazz. Wie vorsichtiger Jazz.

  »Also, ganz ehrlich, Jasper, dein Klavierlehrer hat ganze Arbeit geleistet. In ein paar Wochen bist du so weit, würde ich sagen.«

  »Meinst du wirklich?«, fragt er, und ich höre ein Lächeln in seiner Stimme. »Darf ich also wiederkommen?«

  »Bei uns ist jeder willkommen, der Lust auf Musik hat«, sagt Meredith. »Und wenn du willst, kannst du das Songbook mitnehmen zum Üben.«

  »Besser nicht«, erwidert er. »Wenn meine Eltern das finden, nehmen sie es mir nur weg. Aber ich könnte …«

  »Hm?«

  »Ich könnte vielleicht nach der Schule herkommen und hier üben?«, fragt er hoffnungsvoll.

  »Wenn deine Eltern das erlauben, sicher. Hier ist immer irgendwo ein Klavier frei.«

  »Toll! Dann komme ich morgen wieder.«

  Und ich auch, denke ich. Ich werde morgen ebenfalls wiederkommen und dir zuhören. Ich werde mich mit dir anfreunden und mit dir Musik machen. Und wenn du willst, suche ich noch eine zweite tote Ratte, die kannst du dann im Schlafzimmer deiner Eltern deponieren. Denn sie klingen nicht wie Leute, die ohne tote Ratte im Schlafzimmer sein sollten, wenn du mich fragst.

  22 – Jasper

  Vor dreizehn Jahren

  Ich bin irre froh, dass ich auf Simon gehört habe und mich getraut habe, in die Musikschule zu gehen, in der er unterrichtet, wenn er nicht – wie er sagt – hoffnungslose Fälle aus gut betuchten Familien zu Für Elise zwingt. Mich hat er natürlich ausgenommen. Obwohl meine Familie gut betucht ist. Aber ich weiß, was er meint. Mein Glück, dass ich gerne Klavier spiele. Und gar nicht mal schlecht.

  »He, Lauchgesicht, bist du jetzt immer hier?«, fragt ein Junge, der sich benimmt wie ein Arsch und auch so aussieht. Sein Gesicht scheint immer wütend zu sein, seine Klamotten immer zerrissen. Ein bisschen Angst habe ich vor ihm, obwohl er kleiner ist als ich. Und ziemlich sicher auch jünger. Aber das hier ist sein Territorium.

  »Lass ihn in Frieden, Curtis«, sagt ein afroamerikanisches Mädchen. »Zieh Leine.«

  Und tatsächlich verschwindet Curtis. Nicht, ohne uns den Stinkefinger zu zeigen, aber das hat noch nie jemandem wehgetan.

  »Danke«, sage ich zu dem Mädchen.

  »Er ist ein Penner. Aber harmlos. Außer, er will sich prügeln.«

  »Will er das oft?«, frage ich. Wenn ich in eine Schlägerei geraten würde, könnte das zu unangenehmen Fragen zu Hause führen.

  »Ab und zu.« Sie zuckt mit den Schultern.

  »Hier bist du!« Der blonde Junge, der neulich mein Klavierspiel gelobt hat, kommt um die Ecke. »Ich dachte, du wartest draußen auf mich!«

  »Ich musste Curtis vertreiben«, sagt sie.

  »Ich bin Jasper«, stelle ich mich vor, so, wie man es mir beigebracht hat.

  »Bonnie«, sagt das Mädchen. Dann zeigt sie auf den Jungen. »Das ist Lincoln.«

  »Nenn mich Link«, sagt Lincoln.

  »Ihr seid auch in Merediths Gruppe, oder?«

  Bonnie nickt lächelnd. »Sie ist cool.«

  »Was spielt ihr?«, frage ich.

  »Ich spiele Kontrabass. Link Gitarre.«

  »Seid ihr in einer Band?« Ich weiß nicht, wie alt die beiden sind oder wie alt man sein muss, um eine Band zu haben.

  »In der Big Band«, sagt Link.

  »Ähm«, mache ich, weil ich nicht weiß, ob das vielleicht zu früh ist, »hättet ihr vielleicht Lust, mal Musik zu machen? Also zusammen?«

  Bonnies Augen beginnen zu leuchten. »Klar!« Sie blickt sich zu ihrem Freund um.

  »Meinetwegen«, sagt der. »Bist du denn schon so weit?«

  »Weiß nicht«, gebe ich zu.

  »Zeig einfach mal, was du draufhast, dann sag ich dir, ob das was werden kann mit uns.« Er grinst schief.

  »Du kannst echt ein Arsch sein, Lincoln«, sagt Bonnie.

  »Was denn? Um berühmt zu werden, muss ich eben mit guten Leuten spielen.«

  »Bislang spielst du mit Merediths Big Band. Damit wirst du sicher nicht berühmt.« Sie lacht.

  Wir betreten zusammen den leeren Musikraum, den Meredith mir heute zur Verfügung gestellt hat. In der letzten Zeit war ich jeden Tag hier, immer in einem anderen Raum. Aber ich habe jedes Mal Cole-Porter-Stücke geübt. Habe die Melodie mit den vorgesehenen Akkorden begleitet, angefangen zu variieren. Dass Simon mir so viel Musiktheorie beigebracht hat, hilft mir jetzt sehr. Ich habe die Songs in verschiedene Tonarten transponiert. Ich habe Akkordverschiebungen gelernt und mit chromatischen und diatonischen Harmonien experimentiert, um variabler zu werden. Dann habe ich Moll-Tonleitern geübt: äolisch, harmonisch und melodisch. Danach habe ich dorische, pentatonische und Blues-Tonleitern in jeder Tonart bis zum Erbrechen gespielt und begonnen, Töne daraus in die Melodien von Cole Porter einzufügen und Originaltöne wegzulassen. Ich bin von Tag zu Tag sicherer geworden und fühle mich gewappnet.

  Ich entscheide mich für So in Love in f-Moll, weil mir die Melodie am besten gefällt. Um meine Nervosität unter Kontrolle zu bringen, spiele ich zunächst die Noten, wie sie im Songbook stehen. Doch nach ein paar Takten fange ich an zu variieren, füge Zwischentöne ein, traue mich, verspielter zu werden. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Bonnie mich anblickt. Und wenn ich es richtig deute, scheine ich meine Sache nicht so schlecht zu machen. Davon beflügelt, traue ich mich mehr, lasse meine Intuition übernehmen. Ein kleiner Triller mit der rechten Hand, rhythmische Akkordfolgen mit der linken. Ich fühle die Musik, fühle den Groove. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl. Es ist wie Freiheit. Die Freiheit, hier zu sein, gepaart mit Freiheit in der Musik.

  »Und?«, frage ich, als ich geendet habe.

  »Gar nicht so schlecht«, sagt Link und nickt anerkennend. »Ein bisschen steif vielleicht noch.«

  »Link!« Bonnie sieht ihn genervt an.

  »Vielleicht solltest du mal unter Beweis stellen, was du so draufhast. Vielleicht bist du mir ja auch nicht gut genug«, sage ich, weil ich sein Benehmen ein bisschen albern finde. Er kann kaum älter als zehn Jahre alt sein. Von so einem Kleinkind muss ich mir nichts gefallen lassen.

  »Ja sicher«, sagt er und schnaubt.

  Ich sehe fragend zu Bonnie. »Er ist leider
echt gut. Aber dummerweise wurde ihm das auch oft genug gesagt«, flüstert sie, sodass er es hören muss.

  »Und was ist mit dir?«

  »Ich spiele mit dir«, sagt sie, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, und streckt Link die Zunge raus.

  »Bist du verknallt, oder was?«, fragt Link. Dann, nach einer kurzen Pause, in der er so tut, als würde er angestrengt nachdenken: »Ja, okay. Du hast Potenzial.«

  Bonnie verdreht die Augen, und ich muss lachen.

  »Großartig«, sage ich. »Das freut mich wirklich sehr.«

  Anscheinend war das falsch, denn nun verdreht Link die Augen. »Ich habe auch schon den perfekten Bandnamen für uns: Die coolen Kids und der Lauch.«

  23 – Bonnie

  Heute

  Während jeder Bandprobe habe ich Sorge, dass Jasper und Link den neuen Song ansprechen könnten. Seit ich zugesagt habe, ihn mit Jasper zu singen, haben wir kein Wort mehr darüber verloren, und ich selbst werde den Teufel tun und mich schon wieder in eine Situation katapultieren, die mir emotional über den Kopf wächst. Auch heute haben wir erneut vieles ausprobiert, an ein paar Songs gefeilt, die in unseren Ohren noch nicht ganz fertig klingen, und gejammed. Doch Jaspers und mein Duett scheint immer noch nicht weit genug oben auf der Prioritätenliste zu stehen.

  Als wir langsam müde werden, ist es allerdings Curtis, der noch etwas zu sagen hat.

  »Habt ihr noch zehn Minuten?«, fragt er. »Du auch, Sal?«

  Wir hören auf, einzupacken, und wenden uns Curtis zu.

  »Was gibt’s, Mann?«, fragt Link interessiert.

  »Also … ich habe eine Frage. Besser gesagt: Amory hat eine Frage.«

  »Okay?« Jasper runzelt die Stirn, sodass sich wieder die Falte zwischen seinen Augenbrauen bildet. Schnell wende ich den Blick ab, ehe ich anfange zu starren.

  »Es geht um die Hochzeit ihrer Cousine. Die soll in zwei Wochen stattfinden. Eigentlich hatte sie einen DJ gebucht …«

  Sal schnaubt.

  »Ja, ja, ich weiß«, sagt Curtis und hebt die Hand, um sich wieder Gehör zu verschaffen.

 

‹ Prev