Love is Bold – Du gibst mir Mut: Roman (Love-is-Reihe 2) (German Edition)

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Love is Bold – Du gibst mir Mut: Roman (Love-is-Reihe 2) (German Edition) Page 23

by Engel, Kathinka


  »Weil …« Ich kann es ihm nicht sagen.

  »Warum können wir nicht noch einen Moment hier zusammen sein?«

  Weil es mir das Herz zerfetzen würde, müsste ich sonst zugeben. Stattdessen murmle ich: »Es tut mir leid.« Dann drehe ich den Türknauf und trete nach draußen.

  Ich lehne mich an die kühle Wand. Auf dem Gang ist es dunkel. Von drinnen dringen leise Geräusche zu mir. Jasper, der seine Klamotten zusammensucht. Der sich ans Klavier setzt und ein paar Töne spielt. Jasper.

  »Danke«, sage ich erstickt in die Finsternis hinein. Und dann: »Es tut mir leid.« Obwohl ich weiß, dass niemand da ist. Obwohl ich weiß, dass es unverzeihlich ist. Es tut mir so leid, Blythe.

  34 – Jasper

  Heute

  Der Tag nach meinem ersten Sex seit über vier Jahren könnte kaum unspektakulärer sein. Äußerlich. Wir spielen Memory. Weston, Maya und ich. Doch innerlich ist alles anders. Alles neu. Alles intensiver. Auf einmal ist da dieser Drang, mutig zu sein. Dinge zu riskieren. Mein Herz für Bonnie zu riskieren.

  Weston und ich haben ein Gentlemen’s Agreement getroffen: Die einfachen Paare, die, die Maya auf jeden Fall findet, überlassen wir ihr. Gerade hat sie zwei Esel aufgedeckt und klatscht begeistert in die Hände.

  »Du bist viel zu gut in Memory«, sagt Weston. »Eine ganz andere Liga als Dad und ich.«

  Sie nickt begeistert und quietscht vor Vergnügen.

  Als Nächstes bin ich an der Reihe. Ich decke zwei Karten auf, die nicht zusammenpassen, dann decke ich sie wieder zu.

  »Dad!«, sagt Weston mit tadelnder Stimme. »Du hast zum dritten Mal die gleichen Karten aufgedeckt.«

  »Was?«, frage ich, weil ich nur mit halbem Ohr hingehört habe.

  »Die Erdbeeren und den Wald. Die haben beim letzten und beim vorletzten Mal schon nicht zusammengepasst.« Er lacht.

  »Ups«, sage ich. Ich bin wirklich nicht bei der Sache. Die ganze Zeit entsperre ich mein Handy und sperre es dann wieder, um zu kontrollieren, ob Bonnie meine Nachricht endlich gelesen hat.

  Ich hoffe, dir geht es gut. Allgemein und mit letzter Nacht. Es war unerwartet, aber schön.

  Die Nachricht wurde zugestellt, doch sie scheint nicht auf ihr Handy zu blicken. Seit wir miteinander geschlafen haben, befinde ich mich konstant zwischen Glückstaumel und Zweifel. Ersteres, weil ich mit Bonnie geschlafen habe, es wunderschön war – auch wenn ich weiß, dass meine Fähigkeiten (und vor allem meine Ausdauer) nach über vier Jahren deutlich ausbaufähig sind – und ich nicht erwarten kann, es noch mal zu machen. Zweiteres aufgrund ihres Verhaltens danach. Der beinahe panische Ausdruck in ihren Augen, obwohl bis zu diesem Moment nichts als Lust und Zärtlichkeit darin lagen. Ein paarmal habe ich mich gefragt, ob ich sie zu etwas gedrängt habe. Doch ich bin mir sicher, sie wollte es. Ich weiß es. Denn es mag zwar kurz gewesen sein, aber es war leidenschaftlich. Und richtige, echte Leidenschaft kann keine Einbahnstraße sein.

  »Du bist dran«, sagt Weston und sieht mich genervt an.

  Ich bemühe mich, diesmal zwei andere Karten aufzudecken. Und wie es der Zufall so will, passen Eichhörnchen und Eichhörnchen tatsächlich zusammen. Maya schlägt sich die Hände vor den Mund. Das Eichhörnchen ist ihr Lieblingsmotiv.

  »Wollen wir tauschen?«, frage ich.

  Sie sieht mich mit ihren großen dunklen Augen an und nickt.

  »Was bietest du mir an?«

  Sie durchsucht ihre Paare, legt sie säuberlich nebeneinander, um einen besseren Überblick zu haben.

  »Das Auto?«

  Mir geht das Herz auf, als ich ihre Stimme höre. Ich lächle. »Das Auto nehme ich gern.«

  Ich reiche ihr das Eichhörnchen und entsperre das Handy erneut. Und siehe da, die beiden grauen Häkchen haben sich tatsächlich blau gefärbt. Mein Herz setzt einen Schlag aus. Bonnie ist online. Sie schreibt. Sie hört auf zu schreiben. Sie schreibt wieder. Sie ist offline. Was?

  Weston findet zwei Paare hintereinander. Maya findet die zweite Erdbeere. Ich kriege kaum mit, was ich aufdecke, blicke wieder auf mein Handy. Und tatsächlich, Bonnie hat mir geantwortet.

  Lass uns die Band nicht gefährden, schreibt sie. In letzter Zeit war zu viel Unruhe.

  Ich kann kaum glauben, was ich da lese. Auf einmal fällt mir das Atmen schwer. Auch als Weston am Ende knapp vor Maya gewinnt, muss ich mich zu einem Lächeln zwingen. Ich verliere haushoch. Und das nicht nur bei Memory.

  Lass uns reden, schreibe ich ihr am Abend und verzehre mich mit meinem gesamten Körper nach ihrer Nähe.

  Die Antwort erhalte ich erst am nächsten Morgen, nachdem ich mich die ganze Nacht herumgewälzt und an Bonnie gedacht habe.

  Es kann nicht funktionieren.

  Ich würde ihr so gerne sagen, dass ich ebenfalls überrumpelt bin. Dass ich damit nicht gerechnet habe, sie aber nun nicht mehr aus meinem Kopf kriege. Wie schön es war. Wie einsam ich mich jetzt fühle. Einsamer als vorher.

  Es kann funktionieren, schreibe ich ihr am Abend. Und am nächsten Morgen. Und am darauffolgenden Abend. Und direkt nach dem Aufwachen.

  Wir sehen uns bei Bandproben, bei den Gigs im Cat’s Cradle. Nach außen wirkt alles normal. Aber für mich ist es das nicht. Und wann immer ich Bonnie ansehe, meine ich zu erkennen, dass auch sie nicht so cool ist, wie sie tut.

  »Hast du noch Lust auf ein Bier?«, frage ich sie leise eine Woche später nach einem unserer Auftritte.

  Sie lächelt freundlich. Beinahe höflich. »Ich glaube, das wäre keine gute Idee«, erwidert sie. Es ist ihre Antwort auf alles, was ich vorschlage. Es ist frustrierend. Es ist vertrackt.

  Nachts liege ich wach, denke an Bonnie. Ich starre auf das Display meines Handys in der Hoffnung, eine Nachricht von ihr zu bekommen. Ich scrolle durch meine Bilder, betrachte sie auf Bandfotos, auf Schnappschüssen von der Hochzeit. Bleibe hängen an einem abfotografierten Polaroid, das Charlie mir geschickt hat. Es zeigt Blythe und Bonnie, als sie noch zur Schule gingen. Meine große Liebe, meine Vergangenheit, neben der Frau, die urplötzlich mehr für mich ist als eine Freundin. Die macht, dass mein Herz flattert. Es ist nicht das Herzflattern eines Teenagers. Es ist nicht die Aufregung der ersten Verliebtheit. Aber es ist da, und es wird so schnell nicht mehr weggehen. So funktioniere ich nicht. Ein paarmal frage ich mich, was Blythe zu dieser Entwicklung sagen würde. Ich weiß, dass ich meiner verstorbenen Frau keine Treue bis ans Ende meiner Tage schulde. Im Gegenteil: Sie nahm mir das Versprechen ab, mich nicht vor einer neuen Liebe zu verschließen. Obwohl ich an ihrem Sterbebett nichts sehnlicher wollte, als ihr die ewige Treue zu schwören. Doch sie wollte davon nichts hören. »Du sollst glücklich sein. Das sollt ihr alle«, sagte sie. »Was immer du dafür brauchst, ist in Ordnung.« Bis vor ein paar Monaten war der Gedanke an die lebendige Blythe das, wessen es dazu bedurfte. Doch gleichzeitig war es das, was mich davon abhielt. Und nun … bin ich zum ersten Mal seit über vier Jahren wieder verliebt. Der alleinerziehende, hoch verschuldete Witwer. Es fühlt sich an, als würde ich ein neues Kapitel in meinem Leben aufschlagen, und gleichzeitig ist mir noch deutlicher als vorher bewusst, dass bei mir alles stagniert.

  Die beißende Ironie der Geschichte ist, dass Blythe wüsste, wie man zu Bonnie durchdringt. Blythe wüsste, was das Problem ist. Blythe wusste immer alles. Jetzt muss ich meine Probleme ohne ihre Hilfe lösen.

  An einem der folgenden Wochenenden sitze ich mit Weston und Maya erneut im Wohnzimmer auf dem Fußboden. Die Memory-Karten sind verteilt.

  »Können wir mitspielen?« Link kommt frisch geduscht ins Wohnzimmer, Franzi im Schlepptau. Sie hat bei ihm übernachtet.

  »Natürlich«, sagt Weston und rutscht ein Stück zur Seite.

  »Aber ich muss euch warnen«, sagt Franzi. »Ich bin die Memory-Königin!«

  »In Deutschland vielleicht«, erwidert Link. »Hier regiere ich!«

  »Denkt ihr, ihr könntet auf mich verzichten?«, frage ich, denn auf einmal habe ich das dringende Bedürfnis, mein Problem tatsächlich in die Hand zu nehmen. »Ich müsste mal kurz weg.«

  »Klar«, sagt Weston grinsend. »Du bist eh keine Konkurrenz.«

  Draußen ist es
heiß und feucht. Sobald man klimatisierte Innenräume verlässt, fängt man an zu schwitzen. Aber daran sind wir hier im Süden gewöhnt. Meine Schritte sind federnd, als ich die Straße überquere. Ich fühle mich lebendig, bereit. Spüre das kleine Schmuckstück in meiner Hosentasche, das ich ihr geben will. Als Beweis für meine Ernsthaftigkeit. In Gedanken bin ich bei Bonnies und meiner gemeinsamen Nacht. Beziehungsweise bei dem Fragment. Bei Bonnies weichem Gesicht, meinen Fingern auf ihrer schönen Haut. Ich sehe sie vor mir, wie sie es nicht erwarten kann, mich zu spüren. Schmecke ihre Küsse. Was ist nur mit mir passiert?

  Ich laufe die Straße hinauf, von Schatten zu Schatten. Vorbei an den kleinen bunten Häusern. Aus einigen dringt Musik. Noch zweimal abbiegen, dann bin ich in Bonnies Straße. Schon von ferne sehe ich das Haus, in dem sie lebt. Es strahlt am hellsten in seinem frischen Farbgewand.

  Das Gartentor quietscht. Mit wenigen großen Schritten habe ich den kleinen Vorgarten durchquert, bin die paar Stufen zur Veranda hochgesprungen. Ich bin leicht außer Atem, als ich an die Tür klopfe.

  Es dauert nicht lange, und sie wird geöffnet. Von Bonnie. In ihren weiten Jeans mit Rissen an den Knien. Ihre Braids trägt sie heute offen. Sofort sind die Gedanken an ihren Körper noch präsenter. Am liebsten würde ich sie an mich ziehen, sie küssen. Sie in ihr Zimmer hinauftragen und es noch mal tun. Länger, besser.

  »Hi«, sage ich, versuche mich an einem Lächeln. Jetzt oder nie.

  35 – Bonnie

  Heute

  Ich sehe ihn perplex an, doch dann fange ich mich wieder. »Was machst du denn hier?«, frage ich, ziehe die Tür hinter mir zu und bedeute ihm, sich auf die Bank auf der Veranda zu setzen. Ich weiß genau, warum er gekommen ist. Und es zerreißt mich beinahe, ihn hier zu sehen. Als wären die letzten beiden Wochen nicht schon schlimm genug gewesen. Ihn ein ums andere Mal abzuweisen, so zu tun, als hätte mir die schönste Nacht meines Lebens nichts bedeutet … Warum kann er mich nicht in Ruhe lassen?

  »Sorry, dass ich unangekündigt komme«, sagt er. »Die Kinder spielen Memory mit Link und Franzi, die Chance wollte ich nutzen.« Er fährt sich mit der Hand über den Nacken, ganz so, als wäre ihm das hier unangenehm. Vermutlich ist es das auch. Doch mit Sicherheit nicht halb so unangenehm wie mir.

  »Welche Chance?«, erwidere ich in einem erbärmlichen Versuch, Zeit zu gewinnen, um mich zu sammeln. Ich setze mich in den Schneidersitz, will den Abstand zwischen uns vergrößern. In Jaspers Gegenwart kann ich mir selbst nicht mehr trauen. »Was gibt es?« Ich hasse mich dafür, dass ich so sein muss. Dass ich meine große Liebe wieder und wieder vor den Kopf stoßen muss. Hasse alles an dieser Situation. Hasse es so sehr, dass ich merke, wie ich richtig wütend werde. Auf mich, auf ihn. Auf die Welt. Aber es geht nicht anders. Die Sache mit uns beiden wäre auf einer zu großen Schuld gebaut.

  »Ich … ähm … ich möchte mit dir sprechen«, beginnt er.

  »Worüber?« Ich bin freundlich, aber distanziert. Jedes Wort, das ich an ihn richte, macht mich noch wütender. Und jedes Wort, das er erwidert, wird von meinem blöden Herzen aufgesogen.

  »Neulich Nacht …«

  Mir entfährt ein leises Seufzen. Neulich Nacht. Die Erfüllung all meiner Träume. Und gleichzeitig eine unaussprechliche Sünde. Ich erschrecke bei dem Wort. Es gehört eigentlich nicht zu meinem Vokabular. Meine Mom und ihre Kirchenfreundinnen benutzen es. Was macht es in meinem Kopf?

  »Bist du vor mir abgehauen?«, fragt Jasper, und ich merke, wie sich mein Herz zu einem festen Klumpen verkrampft.

  »Ach was«, sage ich mit einem Kloß im Hals und mache eine wegwerfende Handbewegung, »wir sind doch Freunde.« Freunde, die miteinander geschlafen haben, obwohl sie es nie gedurft hätten.

  »Ähm, Bonnie?« Er nimmt einen neuen Anlauf. Kurz zuckt seine Hand in meine Richtung, als würde er die meine greifen wollen. Doch er zieht sie im letzten Moment zurück. Enttäuschung und Erleichterung durchströmen mich. »Warum können wir nicht darüber reden?«

  Weil es zu sehr wehtut, würde ich am liebsten schreien. Weil ich nicht mit dir reden kann. Denn jedes Mal, wenn du in meiner Nähe bist, will ich nichts mehr, als in dich hineinzukriechen. Eins zu werden mit dir. Aber wir haben meine beste Freundin, deine Frau hintergangen, während sie im Sterben lag. Nach einem solchen Verrat kann es nichts mehr geben, egal, was du sagst. Stattdessen sage ich: »Gibt es denn etwas zu reden?« Ich blicke angestrengt auf die Straße, versuche, mir meine Verunsicherung, meine Verzweiflung, meine Wut auf alles nicht anmerken zu lassen.

  »Ich … also … ich würde dir gern sagen …« Ich höre, wie er schluckt. »… wie schön ich es fand.« Seine Stimme wird leiser, mein Herzschlag lauter.

  Am liebsten würde ich ihm sagen, dass es die schönste Erinnerung in meinem ganzen Leben ist. Mit ihm zu schlafen. Mich ihm hinzugeben. Dass ich vor Sehnsucht nach ihm körperliche Schmerzen habe. Dass ich nicht aufhören kann zu weinen, wenn ich mir vorstelle, dass es das gewesen ist. Und dann will ich schreien. Will einfach alles aus mir hinausschreien. Dinge kaputt schlagen, weil alles so ungerecht ist.

  »Wir sind Freunde, Jasper«, erwidere ich stattdessen überraschend ruhig, wenn man bedenkt, was in mir für ein ungeheurer Zorn wächst. »Wir spielen in einer Band.« Fast flüstere ich, weil ich das Gefühl habe, die Alternative wäre ein Brüllen.

  »Ja, das stimmt. Aber …«

  »Es ist ja nichts passiert.« Abgesehen davon, dass mein Herz fast explodiert wäre. Dass ich im Paradies war. Schon wieder so ein religiöses Konzept in meinem Kopf. Was tut es hier? Wieso können Jasper, meine Mom und ihre Konzepte und alle anderen Menschen, die denken, Ahnung von irgendwas zu haben, nicht einfach, verdammt noch mal, Ruhe geben? »Ich glaube, wir sollten es dabei belassen, meinst du nicht?« Mein ganzer Körper wird auf einmal taub. »Die Band hat in den letzten Monaten schon genug durchgemacht, auch ohne, dass wir die Dinge unnötig verkomplizieren.« Es kostet mich alles, was ich habe, diese Ausrede zu benutzen.

  »Ich möchte nichts verkomplizieren«, versichert er mir. »Ich möchte … dir nah sein. Ich kann nicht mehr aufhören, an dich zu denken.« Ich spüre, wie mir alles zu entgleiten droht. Seine Worte berühren mich so tief, dass ich meine, sie müssten sich in meinem Herzen materialisiert haben. Ich balle meine Hände zu Fäusten, presse sie in meine Oberschenkel.

  »Es würde … Es würde nicht funktionieren«, sage ich in einer seltsam hohen Tonlage und wiederhole damit die Worte aus meiner Nachricht.

  »Was macht dich da so sicher?«, fragt er. Wieso hört er nicht auf damit, verdammt? »Weißt du, Bonnie, es war eine ziemlich große Sache für mich.«

  Für den Bruchteil einer Sekunde flackert mein Blick zu ihm. Sein Gesicht zu sehen setzt mich in innerlich in Brand. Was meint er damit? »Warum?«, hauche ich so leise, dass er Mühe haben muss, mich zu verstehen, und hoffe gleichzeitig, dass ich keine Antwort auf meine Frage bekomme.

  »Warum?« Er lacht kurz auf. Ein bitteres Lachen, das mich völlig überrascht. »Du fragst mich allen Ernstes, warum? Bonnie!« Er wird lauter. Und nun nimmt er doch meine Hand. Und ich lasse es geschehen. »Ich habe mit dir geschlafen. Wir haben miteinander geschlafen. Und vielleicht ist für dich nichts passiert. Aber für mich …« Er senkt die Stimme. »… war es mehr als das. Es war mehr als Sex. Es war …« Er bricht ab.

  Ich höre den wummernden Herzschlag in meinen Ohren. Das kann nicht sein. Das … »Was?«, bringe ich hervor. »Nein!« Ich springe auf. Das kann nicht wahr sein. Das ist Wahnsinn. »Das … ich …« Ich schlage mir die Hände vor den Mund. »Es tut mir so leid, Jasper!« Ich kann nicht glauben, dass ich das getan habe. Dass die Welt mir das antut. Ich schlucke. Einmal, zweimal. Muss mich irgendwie in den Griff kriegen. »Wir sind Freunde«, hauche ich. »Alles andere kann nicht funktionieren.«

  »Nein.« Seine Vehemenz erschreckt mich, und ich zucke zusammen. »Nein, Bonnie, das stimmt nicht. Und um dir das zu beweisen, will ich dir etwas schenken.«

  Aus seiner Hosentasche zieht er eine Halskette. Das darf doch nicht wahr sein. Das kann nicht wahr sein! Was passiert hier? Er legt sie in meine Hand. Der Anhänger ist ein silbernes, von Blättern umranktes Herz.
Die Kette ist wunderschön. Zu schön.

  »Du spinnst dir da etwas zusammen«, sage ich tonlos. Ich muss es schaffen, jedes Gefühl aus meiner Stimme zu verbannen. Es in mein Herz pressen und dort einschließen, damit er nie davon erfährt. Ich atme einmal tief ein, dann sage ich das Schlimmste, was ich in meinem Leben jemals von mir gegeben habe. »Ich wollte dir nicht das Gefühl geben, dass es für mich mehr war. Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht … ausnutzen.« Mir ist so schlecht, dass ich glaube, mich in den Vorgarten übergeben zu müssen. Bei jedem meiner Worte verkrampft sich mein Herz ein wenig mehr. Ich klinge nicht wie ich, sondern völlig fremd. »Ich glaube, du solltest gehen.«

  Ich will ihm die Kette zurückgeben, doch er hebt abwehrend die Hände.

  »Okay«, sagt er langsam, und ich kann hören, dass er getroffen ist. »Das Problem ist nur, ich fürchte, ich werde nicht aufhören, mich nach dir zu sehnen.«

  Ich merke, wie ich ein Würgen unterdrücken muss, so übel ist mir. Hinter meinen Augen brennen Tränen, aber ich halte sie zurück. Solange ich muss. Für Jasper. Für mich. Für Blythe.

  Ich höre, dass er aufsteht, nehme wahr, dass ich die Kette immer noch in der Hand halte. Das Geräusch seiner dumpfen Schritte auf der Veranda ist das Einzige, was noch vollständig in mein Bewusstsein dringt. Ich sehe ihm nach, wie er die Stufen hinuntergeht, das Gartentor öffnet. Beinahe hoffe ich, er würde sich noch einmal umdrehen. Doch ich weiß, es ist besser so. Wir können nun zur Normalität zurückkehren. Bandkollegen sein. Eines Tages vielleicht wieder Freunde.

  Als er fünfzig Meter von unserem Haus entfernt ist, weiß ich, dass er sich nicht mehr umdrehen wird. Ich lasse mich auf den Boden sinken, vergrabe das Gesicht in meinen Händen, und fange an, bitterlich zu weinen. Und sobald er außer Hörweite ist, schreie ich.

  36 – Jasper

  Heute

  Nach der nächsten schlaflosen Nacht beschließe ich, dass es Zeit wird, mit jemandem zu sprechen. Mit jemandem, der nicht beteiligt ist. Jemand, der einen Rat für mich hat. Da meine erste Klavierschülerin heute Morgen abgesagt hat, habe ich einen unverhofft entspannten Vormittag, nachdem ich Maya bei Phoenix abgegeben habe.

 

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