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Charisma

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by Michael G. Coney


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  Michael G. Coney – Charisma

  einfach nicht. Ich war müde, zu durchfroren, zu besorgt um Susanna.

  »Nicht jetzt, tut mir leid, Darling«, sagte ich. »Dies ist nicht der richtige Ort dafür, und du brauchst trockene Sachen. Aber später, das verspreche ich dir.«

  Ich stemmte mich auf die Füße und begann das Ankerseil einzuziehen, langsam, Stück für Stück. Wir schoben uns gegen Wind und Flut an der letzten Hausyacht entlang. Jetzt wußte ich, warum das Dinghi hier verankert worden war. Wer immer die Hausyachten abtreiben ließ, wollte von der letzten in das Dinghi klettern und das letzte Ankertau von diesem Boot aus durch-schneiden. Das ersparte ihm die Panik, von einem abtreibenden Boot in ein zweites abtreibendes Boot zu klettern und ein ganzes Stück gegen Wind und Strömung rudern zu müssen.

  Während ich zu dieser Erkenntnis kam, hörte ich einen leisen Ruf.

  »He, Sie! Was machen Sie da?«

  Ich holte das Seil ein und ließ die tropfnassen Schlingen ins Boot fallen.

  Ich hörte eine leise Diskussion an Bord der Hausyacht und wurde nervös. Es waren zumindest zwei Männer. Ich holte das Seil rascher ein. Eine bekannte Stimme sagte drängend:

  »Werfen Sie den Bastard über Bord.«

  »In Ordnung.« Ich hörte einen dumpfen Aufprall, und das Dinghi geriet ins Schwanken. Ich fuhr herum, um dem Angreifer entgegenzutreten und erkannte Carter, den Portier. Er riß die Augen auf. »O mein Gott«, murmelte er. »Es ist Mr. Maine.«

  Hinter ihm stieg ein zweiter Mann von der Hausyacht; er tastete mit dem Fuß nach dem Dollbord des Dinghi, das von der Strömung fast an die Bordwand der Hausyacht getrieben worden war. Ich riß am Ankerseil, als er sprang, und er stürzte ins Boot und riß Carter mit sich auf die Bodenbretter. Ich stand über ihnen, einen Riemen des Dinghis über den Kopf geschwungen, und wartete auf die Gelegenheit, es einem der beiden auf den

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  Schädel zu schlagen. All meine Frustration, all der Horror, den ich durchgemacht hatte, all meine Angst um Susanna konzentrierte sich in einem furchtbaren Akt der Zerstörung.

  Der zweite Mann war als erster auf den Beinen, und ich schlug ihm den Riemen mit solcher Wucht gegen den Kopf, daß mir das schwere Holz aus den Händen gerissen wurde. Der Mann gab keinen Ton von sich, als er seitwärts über Bord kippte und versank.

  Sofort war mein Blutdurst gestillt, und ich starrte fasziniert in das dunkle Wasser. Ich war ziemlich sicher, daß ich eben einen Menschen getötet hatte – und, was noch schlimmer war, ich hatte die Absicht gehabt, ihn zu töten. Carter kauerte auf den Bodenbrettern des Bootes, wagte nicht, sich zu erheben, und starrte mit entsetztem Respekt zu mir empor.

  »Sie haben Mr. Mellors getötet«, flüsterte er. »Jesus, Sie haben Mr. Mellors getötet.«

  Ich kehrte ihm den Rücken zu, zog den Anker hoch, setzte mich auf die Ruderbank und ruderte zum Ponton. Dann half ich Susanna beim Aussteigen; wenig später standen wir auf dem Rasen, im Licht, das aus den Fenstern der Bar fiel, und in dem Regen, der in diagonalen, goldenen Streifen niederging.

  Ich mußte Susanna fast tragen; ihre Augen waren geschlossen, und immer wieder liefen krampfartige Schauer durch ihren Körper; ich glaube, sie hatte nicht einmal registriert, was mit Mellors geschehen war. Und ich bin nicht sicher, ob es mir bewußt geworden war. Susanna war wirklich und solide, und ich spürte ihr Zittern an meinem Körper, doch Mellors war in der Vergangenheit, in einer anderen Zeit, an einem anderen Ort, ein Mythos. Wenn nicht Carter bei uns gewesen wäre, hätte ich mich vielleicht dazu überreden können, daß Mellors nie wirklich war.

  Plötzlich hörte ich Carter etwas murmeln und sah, daß er mich anblickte.

  Ich packte seinen Ellenbogen. »Carter, wenn ich höre, daß Sie gequatscht haben, werde ich alles abstreiten, und Miss Lincoln wird meine Worte bestätigen. Ich bin sicher, daß weder Sie noch

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  Mellors jemand von Ihrem kleinen, nächtlichen Ausflug erzählt haben, also weiß niemand, daß er auch nur in der Nähe der Boote war. Ich glaube, es ist in Ihrem eigenen Interesse, es dabei zu belassen. Sie haben bestimmt keine Lust, eine Menge Erklärungen abgeben zu müssen, oder?«

  Er wich meinem Blick aus und biß sich auf die Lippe, woraus ich schloß, daß er kapiert hatte. Gemeinsam schleppten wir Susanna zum Hotel.

  Später, als ich in sauberen, trockenen Sachen neben dem Bett stand, begann ich mir Sorgen über die Zeit zu machen. Es war schon nach acht, und mein halbformulierter Plan war nicht mehr durchführbar. Falls ich wirklich entschlossen gewesen sein sollte, Susanna in meine Welt mitzunehmen, mußte ich das jetzt streichen. Der Arzt richtete sich auf und sah mich an, als ob ich für ihren Zustand verantwortlich wäre; und dann sagte er mir, was sie nicht tun dürfe, zum Beispiel während der nächsten vierundzwanzig Stunden das Bett verlassen. Ich hatte den Eindruck, ihm im Weg zu sein, also ging ich hinunter und überlegte, ob ich Susanna einen Scotch bringen sollte –

  nachdem der Arzt gegangen war. Mein Instinkt sagte mir, daß er gegen Scotch etwas einzuwenden haben würde. Ich erkannte den hochgewachsenen Mann nicht, der seitlich vom Haupteingang im Schatten stand, und ging an der Rezeption vorbei in Richtung Bar.

  »Mr. Maine! Inspektor Bascus möchte mit Ihnen sprechen.«

  Ich verlangsamte meine Schritte, blieb stehen, wandte mich mit einer Geste der Resignation um, und sah, daß der Polizist von meiner kleinen Vorstellung unbeeindruckt blieb. Ich wollte etwas zu ihm sagen, konnte mich jedoch im letzten Moment zurückhalten. Vielleicht durfte ich diesen Mann gar nicht kennen… Doch das alles berührte mich nicht sonderlich. Das einzig Reale in dieser Welt war Susanna, so weit es mich betraf.

  »Hallo, Mr. Maine«, sagte er jovial und streckte mir die Hand entgegen. Ich drückte sie. Ich hatte nur selten Gelegenheit,

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  Bascus von gleich zu gleich gegenüberzustehen, in irgendeiner Welt. »Freut mich, Sie zu sehen«, sagte er.

  »Das ist sehr schmeichelhaft, Inspektor«, sagte ich vorsichtig.

  »Können wir irgendwo ein paar Minuten reden?«

  »Selbstverständlich. Kommen Sie.« Zu dieser relativ frühen Stunde waren nur wenige Gäste in der Bar; wir bestellten Drinks und setzten uns an einen Tisch beim Fenster. Ich fühlte mich völlig ausgepumpt. Hinter dem Rasen strömte der Fluß, dunkel und unter einem dichten Regenschleier. Mir fiel ein, daß ich eigentlich erschrocken zusammenfahren und fragen sollte, wo denn die Hausyachten seien, doch ich war zu müde dazu. Es war kaum glaublich, daß noch niemand ihr Verschwinden bemerkt hatte.

  Bascus blickte mich über sein Coke hinweg nachdenklich an.

  »Haben Sie Ihren Wagen in letzter Zeit benutzt?« fragte er mit dem Tonfall eines Menschen, der sofort zur Sache kommt.

  »Gestern, glaube ich. Warum?«

  »Wir haben ihn heute am späten Nachmittag gefunden. Er ist in der Nähe der Starfish Bay über eine Klippe gestürzt.«

  »Aus welchem Grund sollte irgend jemand zur Starfish Bay fahren?«

  Er blickte mich aufmerksam an. »Ich sagte, in der Nähe der Starfish Bay, Mr. Maine. Um genau zu sein, der Wagen ist die alte Straße zu dem zerfallenen Gebäude der Küstenwache entlanggefahren und dort über die Klippen gestürzt.«

  »Vielleicht hat sich jemand gestern Nacht den Wagen für eine Spritztour ausgeliehen«, meinte ich. »Wahrscheinlich ein junges Paar, das irgendwo allein sein wollte.«

  »Wir haben nur eine Leiche in dem Wagen gefunden, Mr.

  Maine.«

  Ich mimte Entsetzen. »Oh, Gott. Jemand ist in meinem Wagen getötet worden?«

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  »Ich bin überrascht, daß Sie ihn nicht gesehen haben. Wie ich hörte, sind Sie und Miss Lincoln am frühen Abend im Clipper Ship bei Prospect Cove gesehen worden – und auch bei einem Fußmarsch über den Klippenpfad. Sie haben dort einen Wagen gemietet. Sagen Sie mir, Mr. Maine, warum haben Sie das getan? Was war Ihrer Meinung nach mit Ihrem eigenen
Wagen geschehen?«

  Ich dachte sehr schnell; es sah so aus, als ob Bascus mich in die Ecke gedrängt hatte – eine vertraute Situation. Und ich hatte den Wagen natürlich gesehen; jetzt erinnerte ich mich wieder daran. Als ich hinter Susanna die steile Treppe zur Station der Küstenwache hinaufgestiegen war, hatte ich ihn tief unten zwischen den Felsen entdeckt.

  Ungehalten über mein Schweigen, fuhr Bascus fort: »Wer war in dem Wagen, Mr. Maine?«

  »Woher, zum Teufel, soll ich das wissen? Können Sie die Leiche nicht identifizieren?«

  »Der Wagen ist mit der Frontpartie voran auf einen spitzen Felsen gestürzt. Von dem Fahrer ist nicht viel übriggeblieben, aber wir tun unser Möglichstes. Ich denke, daß wir im Lauf der Nacht eine Identifizierung haben.«

  »Ich wünschte, ich könnte Ihnen in irgendeiner Weise helfen, Inspektor.«

  »Ich möchte, daß Sie mit mir in mein Büro kommen.«

  »Warum denn das, um Gottes willen?«

  Er wirkte überrascht. »Um Ihre Aussage zu Protokoll zu geben, natürlich. Irgend jemand ist in Ihrem Wagen getötet worden.

  Man hat Sie gesehen, als Sie die Unfallstelle verließen. Selbst Sie müssen zugeben, daß die Zusammenhänge merkwürdig sind.«

  »Ich protestiere gegen Ihre Formulierung, daß ich an der Unfallstelle gesehen wurde«, sagte ich energisch. »Ich bin in Prospect Cove gesehen worden, und Sie wissen nicht, wann der Unfall stattgefunden hat.«

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  »Mr. Maine, ich habe lediglich gesagt, Sie wurden gesehen, als Sie die Unfallstelle verließen, und das ist Tatsache. Ich habe nicht gesagt, in welcher Entfernung von der Unfallstelle Sie gesehen worden sind, und ich habe nicht gesagt, wann der Unfall geschehen ist. Das wird die Autopsie ergeben. Würden Sie jetzt bitte mitkommen?«

  Ich stand auf. »Warten Sie bitte einen Moment«, sagte ich unbeteiligt. »Ich habe noch ein paar Anordnungen für den Abend zu treffen. Schließlich leite ich dieses Hotel.«

  »Natürlich«, sagte er, und ich ging eilig aus der Bar.

  Ich ging an der Rezeption vorbei und stieg die Treppe hinauf.

  Dann stand ich am Bett, blickte auf Susanna hinab und genoß ihren Anblick ein paar Sekunden lang, bevor ich sie wecken mußte.

  »Darling…«

  Ihre Lider flatterten, als ich sie sanft an der Schulter rüttelte, dann sah sie mich und lächelte. »Mein Gott, ein Einbrecher«, sagte sie.

  »Hör zu«, sagte ich hastig. »Ich muß jetzt gehen; die Polizei ist hinter mir her. Es ist am besten, wenn ich erst einmal in meine Welt zurückkehre. Ich habe auch dort Ärger, aber Stratton kann mir ein Alibi geben. Ich werde dir jetzt sagen, was du tun sollst.

  Hörst du mir zu?«

  »Ja«, nickte sie unglücklich.

  »Morgen Nachmittag gehst du zur Starfish Bay und wartest dort auf mich. Ich komme gegen vier Uhr und nehme dich mit in meine Welt. Wirst du mitkommen?«

  »Ich will nicht, daß du fortgehst. Warum kannst du nicht hierbleiben, bei mir?«

  »Darling, man hat einen Toten in meinem Wagen gefunden, und wir sind in der Nähe gesehen worden. Und dann ist da noch die Sache mit Mellors. Ich traue Carter nicht. Wir können nicht

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  den Rest unseres Lebens hier verbringen, wo das über uns schwebt. In meiner Welt kann uns nichts passieren.«

  Sie versuchte, sich aufzurichten. »Ich komme mit dir, John. Ich will nicht von dir getrennt werden.«

  »Du schaffst es nicht, Darling.« Ich drückte sie sanft auf das Kissen zurück und fühlte, daß ein Kloß in meine Kehle stieg; in ihrem Gesicht lag ein Ausdruck hilfloser Verzweiflung. »Es wird alles gut. Ich hole dich morgen ab. Jetzt muß ich gehen, sonst komme ich nie wieder von hier fort, wenn Stratton die Matrize losläßt. Und Bascus sitzt unten.«

  »Bascus?«

  »Laß nur. Das ist eine verdammt lange Geschichte. Schlafe jetzt weiter. Morgen früh bist du wieder in Ordnung. Sehe ich dich um vier Uhr an der Starfish Bay?«

  »Ja«, sagte sie ergeben. Sie starrte mich an, mit hungrigen Augen, als ob sie sich jede Linie meines Gesichts einprägen wollte, als ob sie wüßte, daß sie mich nie wiedersehen würde.

  Hastig, bevor Liebe und böse Vorahnungen mich überwältigten, beugte ich mich über sie und küßte sie. Ich riß das Fenster auf und trat auf die Feuerleiter. Als ich mich umwandte, um das Fenster zu schließen, hatte sie sich aufgerichtet und blickte mir nach, und ihre Wangen waren naß von Tränen.

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  ICH STAND EINE WEILE außerhalb des Kreises; Regen pladderte auf meinen Rücken, und hinter mir rauschte die See der Starfish Bay. Ich blickte auf den Kreis und die vagen Umrisse des stehenden und des umgestürzten Baums und die fahl schimmernden Trümmer der Einsiedlerhütte und dachte an all das, was hier geschehen war. Natürlich fragte ich mich, ob es nicht ein Fehler war, Susanna zu verlassen, und sei es auch nur für ein paar Stunden, nachdem ich sie endlich gefunden hatte. Ich sagte mir, daß es kein Leben für uns sein würde, wenn wir in ihrer Welt bleiben und ständig den Schatten des Gesetzes über uns spüren würden, ständig darauf wartend, daß Bascus wegen des Mannes im Wagen zu falschen Schlüssen gelangte, ständig darauf wartend, daß Carter sich betrinken und dem Barmann erzählen würde – streng vertraulich natürlich –, daß Maine ein Killer sei…

  Schließlich löschte ich alles Denken aus meinem Gehirn, trat in den Kreis und bemerkte fast in der gleichen Sekunde die winzige Verschiebung, die mir sagte, daß ich wieder in meiner Welt war.

  Ich hatte einen langen Weg vor mir, doch es war eine milde, klare Nacht. Der Mond hing tief über der See, und seine silbernen Reflexe auf dem Wasser begleiteten mich, als ich zu den Klippen hinaufstieg und den Weg nach Falcombe einschlug, und hielten Schritt mit mir, als ich durch die tiefe Stille ging.

  Schließlich drückte ich auf den Knopf einer Türglocke und zuckte zusammen, als ihr Schrillen aus dem Haus drang, da es nach Mitternacht war und jedes anständige Mädchen um diese Zeit im Bett lag. Die Tür wurde sofort geöffnet, was vielleicht gewisse Schlüsse zuließe, die ich jedoch nicht zog – es bewies höchstens, daß sie auf mich gewartet hatte.

  Sie sagte nichts. Sie sah mich ein paar Minuten lang schweigend an, dann zog sie die Tür weiter auf, mit einer Bewegung, die eine winzige Spur von Resignation enthielt, als ob sie wüßte, daß ich gefunden hatte, was ich auf der anderen Welt, an die sie nicht ganz glaubte, gesucht hatte. Sie ging mir voraus ins

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  Wohnzimmer, deutete auf einen Stuhl und brachte mir Scotch und Dry Ginger. Sie ging mit hängenden Armen, als ob sie körperlich müde sei, oder müde, ausgenutzt zu werden. Als ich den ersten Schluck nahm, legte sie ihre Hand auf meine Schulter, vielleicht aus Zuneigung, vielleicht um zu prüfen, wie naß meine Jacke war.

  Dann ging sie hinaus, und ich hörte Wasser in eine Wanne laufen. Kurz darauf kam sie zurück, mit einem Männer-Morgenrock in dunklem Purpur. Ich lächelte, und endlich lächelte sie auch, als sie ihn neben mich legte.

  »Ich sehe Sie morgen früh, John«, sagte sie und schloß leise die Tür hinter sich. Ich begann, mich auszuziehen.

  Nachdem ich ausgiebig gebadet hatte, trocknete ich mich mit dem warmen Badetuch, das sie für mich zurechtgelegt hatte, und zog den Morgenrock an. Ich machte mir noch einen Drink und streckte mich auf dem Sofa aus. Ich fühlte etwas in der Tasche des Morgenrocks und zog es heraus. Es war der Kaufbeleg, mit dem Datum dieses Tages.

  Marianne taute während des Frühstücks rasch auf, und wenig später löste ihre gute Laune in mir Schuldgefühle aus. Sie lachte und erzählte ununterbrochen, während sie mich mit so nahrhaften Dingen wie Speck, Eiern, Pilzen, Tomaten und Mengen von Kaffee fütterte. Wir waren fast gleichzeitig mit dem Essen fertig, und als sie mir noch einmal Kaffee nachschenkte, entstand plötzlich eine bedrückende Stille.

  »Ich muß gleich gehen«, sagte sie. »Ich arbeite übers Wochen-ende.«

  »Ich bin nicht sicher, ob ich
noch hier bin, wenn Sie zurückkommen. Ich muß mit Stratton sprechen und habe anschließend sicher zu tun.«

  »Rufen Sie doch Dr. Stratton an und lassen ihn herkommen, wenn Ihnen das lieber ist, John. Ich meine, wenn…« Sie wollte sagen, wenn ich noch immer vor der Polizei fortliefe. Statt

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  dessen sagte sie: »Ich habe ihn angerufen, als Sie noch schliefen, müssen Sie wissen. Er sagte mir…« Sie zögerte.

  »Anscheinend haben Sie doch die Wahrheit gesagt. Es tut mir leid.«

  »Hat er sonst noch etwas gesagt?«

  »Nur, daß es jetzt nicht mehr drauf ankäme, wer von dem Projekt weiß.«

  Ich fragte mich, was das zu bedeuten haben könnte. »Ich habe Susanna getroffen«, sagte ich dann schließlich.

  »Ich habe es mir gedacht…« Sie stand auf. »Ich muß jetzt gehen. Machen Sie es sich bequem, und, bitte, wir bleiben in Verbindung, ja?«

  »Wissen Sie, Marianne, ich weiß nicht, wie ich Ihnen für alles danken soll…«

  »Machen Sie sich keine Gedanken darüber«, sagte sie und ging rasch zur Tür.

  Später erschien Stratton, den ich zuvor angerufen hatte. Er saß völlig reglos und blickte mich düster an, während ich ihm berichtete, was geschehen war. Als ich mich dem Ende näherte und ihm erklärte, daß ich Susanna gebeten hatte, um vier Uhr zur Starfish Bay zu kommen, wo ich sie treffen wollte, unterbrach er mich.

  »Es geschieht etwas Seltsames«, sagte er. »Selbst während ich Ihre Position zu halten versuchte, war ich mir einer Veränderung bewußt. Die Matrizen schienen zu… ich weiß nicht, ob ich es erklären kann. Wenn man sich die Welten als parallel verlaufende Linien vorstellt, wäre die beste Beschreibung, daß sie in Relation zueinander herumschwenken. Die parallelen Welten scheinen sich zu vereinigen, nicht zu einem einzigen Raum-Zeit-Fluß, sondern eher so, als wollten sie einander in einer Serie von Koinzidenzen kreuzen.«

 

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