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Der letzte erste Song (Firsts-Reihe 4) (German Edition)

Page 21

by Bianca Iosivoni


  »Komm her«, murmelte ich.

  Sie versank in meiner Umarmung, grub die Finger in mein Shirt und drückte ihr Gesicht gegen meinen Hals. Ihr warmer, stockender Atem streifte meine Haut, und ich erschauerte. Mein Herz begann zu hämmern, aber das musste an meiner eigenen Nervosität liegen. Etwas, das ich ihr unter keinen Umständen zeigen durfte, um sie nicht noch zusätzlich zu verunsichern.

  »Tut mir leid, dass ich gesagt habe, wir wären keine Freunde.« Sie seufzte tief. »Wir sind Freunde. Und du hast dich beim Training wie ein Arsch verhalten.«

  »Ich weiß. Und es tut mir leid.« Ich wusste selbst nicht, was da über mich gekommen war. Oder vielmehr weigerte ich mich, genauer darüber nachzudenken. Denn dann müsste ich mich damit auseinandersetzen, warum mich allein die Vorstellung, sie könnte dieses ganze brutale Workout nur für einen Typen durchziehen, so wütend machte. »Wir kriegen das hin«, wisperte ich in ihr Haar und drückte einen raschen Kuss auf ihren Kopf. »Scheiße, wir werden das rocken!«

  Sie lachte erstickt an meinem Hals und ich reagierte mit einer kribbelnden Gänsehaut darauf. »Wie kannst du da so sicher sein?«

  Sachte schob ich sie auf Armlänge von mir und sah ihr geradewegs in die Augen. »Wie gesagt: Ich glaube an dich. An uns alle. Und ich weiß, was ich draufhabe.«

  »Du … bist unmöglich.« Wieder ein kleines Lachen. Sie schüttelte den Kopf und eine Strähne löste sich aus ihrem kunstvoll hochgesteckten Haar.

  Ich gab dem Impuls nach und schob sie ihr hinters Ohr. Einen Moment lang hielt sie meinen Blick genauso fest wie ich ihren, dann löste ich mich hastig von ihr und trat einen halben Schritt zurück.

  Ich räusperte mich. Zwang mich zu einem unbekümmerten Grinsen. »Hey, wenn ich kein Vertrauen in meine Fähigkeiten habe, wer soll es dann haben?«

  Diesmal wirkte ihr Lächeln irgendwie traurig. Fast schon wehmütig. »Ich schätze, da hast du recht.«

  »Also …«, begann ich. »Wie sieht’s aus? Sagen wir den Auftritt ab, fahren nach Hause und decken uns mit Chips und Eiscreme ein? Oder kommst du mit mir und wir rocken die Bühne?«

  Ein paar Sekunden lang ließ sie mich noch zappeln, dann nickte sie entschieden. »Wir rocken die Bühne.«

  Kapitel 14

  Grace

  Moms Stimme hallte noch immer in meinen Gedanken wider, genau wie die von Mason, aber als ich auf die Bühne trat, war alles davon wie ausgelöscht. Ich spürte meinen rasenden Herzschlag. Meine Hände wurden feucht, und ich begann zu schwitzen. Es war völlig surreal, vor all diesen Leuten ans Mikro zu treten. Ich hatte keine Ahnung, wie viele Menschen zu dem Open-Air-Konzert gekommen waren, aber von meiner Position mitten auf der Bühne konnte ich kein Ende sehen. Bei dem Anblick zog sich mein Magen vor Furcht zusammen und mein Hals fühlte sich ganz trocken an. Mein Blick irrte über die Menge und blieb dann an der ersten Reihe hängen.

  Dort standen Emery und Myung-hee und jubelten beide, Luke pfiff lautstark, Tate hielt beide Daumen hoch, und sogar Trevor und Dylan klatschten eifrig. Genau wie Elle, die mir ein ermutigendes Lächeln zuwarf, als wüsste sie genau, wie nervös ich war. Sie waren alle da, waren extra hergekommen, um uns spielen zu sehen. Ganz egal, was gleich passieren würde, diese Geste würde ich niemals vergessen.

  Ich atmete tief durch, sah zu Mason, der das Publikum begrüßte und mir dann zunickte, anschließend zu Pax am Schlagzeug. Er zählte an und mir blieb keine Zeit für weitere Gedanken. Wir begannen mit Drag Me Down, und obwohl meine Stimme am Anfang in meinen eigenen Ohren noch etwas dünn und zögerlich klang, gewann sie mit jeder Zeile, die ich abwechselnd mit Mason sang, an Kraft. Als der Refrain begann, legte auch der Rest der Band richtig los.

  Und die Leute gingen total mit! Ich sah unzählige Arme in der Luft, gut gelaunte Gesichter, tanzende und hüpfende Menschen, die den Text kannten, ihn mitsangen und dazu klatschten. Mein Herz hämmerte noch immer wie verrückt, meine Hand am Mikro zitterte, und ich war mir sicher, dass das ganze Make-up, das ich nach meinem kleinen Zusammenbruch in aller Eile aufgefrischt hatte, sofort wieder verlaufen würde, weil mir so warm war, dass meine Wangen glühten. Aber ich hatte keine Panik mehr. Was ich empfand, war eine wilde Mischung aus Aufregung, Entschlossenheit, Furcht, Konzentration und Freude. Meine verkrampfte Haltung lockerte sich, und ich erinnerte mich an die Dinge, die wir besprochen hatten. Weil es hier nicht nur um den Gesang ging wie während meiner Miss-Wahl – das hier war eine Performance. Also riss ich den Arm hoch, feuerte die Leute an und ließ mich ganz in der Musik gehen.

  Bei Masons Solo schallte seine Stimme über das Publikum hinweg, während ich den Begleitgesang übernahm. Dass er sich dabei ungeplant auf die Knie warf und wirklich alles von sich in diesen Song legte, brachte mich zum Lachen – und auch das war in Ordnung. Grinsend hielt ich ihm die Hand hin, half ihm wieder hoch, und wir beendeten das Lied Seite an Seite.

  Der nächste Track war langsamer, sinnlicher, und wir blieben in dieser Position auf der Bühne. Anschließend lieferte Mason eine großartige Performance zu Fuckin’ Perfect, bei dem so lautes Gekreische zu hören war, dass ich mich unauffällig nach der Security und den Rettungssanitätern umsah und beinahe meinen Einsatz als Begleitstimme beim Refrain verpasst hätte. Aber das schien nur Mason aufzufallen, denn er zwinkerte mir gut gelaunt zu.

  Wärme breitete sich in meinem Bauch und meinen Wangen aus, aber statt die Empfindung zu verdrängen oder zu unterdrücken, nutzte ich sie für die Performance. Denn jetzt kam der letzte und schwierigste Song, für den wir am wenigsten Zeit zum Üben gehabt hatten: Despacito. Alle hatten einstimmig beschlossen, ihn in die Setlist für unseren ersten gemeinsamen Auftritt aufzunehmen, auch wenn wir wussten, dass es ein Risiko war. Und jetzt durfte ich gleich vor Hunderten oder sogar Tausenden von Leuten auf Spanisch singen – und das hatte ich mir ganz allein eingebrockt.

  Dankbarer als jemals zuvor, dass Mason mit den ersten Zeilen begann, nutzte ich die Zeit, um tief durchzuatmen und mich innerlich zu sammeln. Seine Stimme war wie eine warme Sommerbrise, die über die Menge hinwegbrandete. Müsste ich nicht auf meinen Einsatz achten, hätte ich die Augen geschlossen, um mich ausschließlich auf diesen Klang zu konzentrieren. Die meisten Frauen standen auf schöne Augen, sinnliche Lippen, wohlgeformte Hände oder ein durchtrainiertes Sixpack. Absolut nichts sprach gegen diese Aspekte, aber das, was mir wirklich den Verstand rauben konnte, war eine tolle Stimme. Eine sinnliche, einzigartige Stimme, die mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte.

  Mason sah zu mir herüber. Lächelnd begann ich mit meinem Part. Gleichzeitig legten Kane, Jesse und Pax ebenfalls los, genau wie Mason an seiner Gitarre. Er hatte sein Mikro wieder in den Ständer gesteckt, um die Hände für seine E-Gitarre frei zu haben, die für diesen Song zwingend nötig war. Aber als es Zeit für seinen Rap-Teil in der zweiten Hälfte war, ließ er das umgehängte Instrument los und packte das Mikro mit beiden Händen. Zur gleichen Zeit löste ich meins aus der Halterung und begann mich zu bewegen. Meine Knie zitterten, aber es tat gut, nicht mehr in die Menge zu starren, sondern zu Kane am Bass hinüberzugehen und mich kurz an ihn zu lehnen, bevor ich zu Jesse schlenderte, der mir eine Kusshand zuwarf. Grinsend kehrte ich zu Mason zurück, und wir brachten das Lied gemeinsam zu Ende.

  Ich wusste, dass ich mich laut dem Plan, den wir einstudiert hatten, dem Publikum zuwenden sollte, konnte mich aber nicht von Masons Blick lösen. Wir standen direkt voreinander, so nahe, dass ich glaubte, seinen warmen Atem in meinem Gesicht zu spüren. So nahe, dass wir keine zwei Mikrofone mehr benötigten, sondern nur noch eins. Und dann spürte ich seine warme Hand plötzlich an meiner Taille. Mason lächelte – und brachte mich damit völlig aus dem Konzept. Wenigstens hatte er damit gewartet, bis mein Solo vorbei war und wir den Refrain ein letztes Mal zusammen schmetterten. Frech wie er war, ließ er mich jetzt los, aber ich sah das Funkeln in seinen Augen.

  Mein Puls schien geradezu zu explodieren, und meine Hände zitterten mehr als zuvor, doch als die letzten Töne verklangen, brandeten tosender Beifall und Jubelrufe über uns hinweg, und ich vergaß meine ganze Aufregung
. Wir hatten eine gute Show abgeliefert … Nein, wir waren fantastisch gewesen! Ich konnte es in den Mienen unserer Freunde ablesen, die am lautesten von allen schrien und pfiffen.

  Mein Gesicht glühte. Erleichterung, Stolz und Freude spülten alle anderen Emotionen weg. Und als ich zu Mason hinüberschaute, strahlte er mich an. Mehr noch – er umarmte mich so fest, dass mir kurz die Luft weg und das Herz stehen blieb. Sofort hatte ich wieder seinen frischen Duft in der Nase, vermischt mit Schweiß und allen anderen Gerüchen hier draußen, aber dennoch ganz Mason. Den Arm noch immer fest um meine Schultern geschlungen, schlug er in Jesses ausgestreckte Hand ein und wir verließen die Bühne Seite an Seite.

  »Mann, das war unglaublich!« Hinter der Bühne sprang Jesse förmlich auf und ab. »Ich bin fix und fertig, aber wir waren so gut!«

  Kane nickte schmunzelnd, und auch Pax schien mehr als zufrieden zu sein. Und noch voller Energie, so wie er seine Sticks zwischen den Fingern hin und her drehte.

  »Mit so einer Performance gewinnen wir den Wettbewerb ohne Probleme!«, kam es von Jesse.

  Mason versteifte sich neben mir.

  Irritiert sah ich von einem zum anderen. »Den Wettbewerb?«, wiederholte ich, als hätte ich ihn nicht richtig verstanden. Dabei hatte ich es. Dieses eine Wort hallte noch immer in meinen Ohren nach, während vor meinem inneren Auge unzählige Bilder auftauchten. Von Bühnen und Blitzlichtgewittern, von zynischen Kommentaren der Jury, Anfeindungen der Mädchen untereinander, Gekreische, verschwundenem Schminkzeug, Magenknurren und diesem einen Moment, als ich singen sollte – und es nicht gekonnt hatte.

  Keiner sagte ein Wort. Pax war der Einzige, der sich überhaupt rührte, indem er einem der herumwuselnden Techniker Platz machte, aber auch er wirkte verwirrt, genau wie Kane. Die Band, die der Hauptact an diesem Abend war, stand bereit und würde gleich mit ihrem Auftritt loslegen. Dann würde man hier hinten kaum noch sein eigenes Wort verstehen können. Vorher musste ich dringend diese eine Sache klären.

  »Was für ein Wettbewerb?«, wollte Pax wissen.

  Jesse fand seine Chucks plötzlich höchst interessant. Ich löste mich von Mason und sah fragend zu ihm hoch. Die fehlende Wärme auf meinen Schultern ignorierte ich dabei ebenso wie das unangenehme Ziehen in meiner Magengrube.

  »Maze?« Ich starrte ihn an. Wartete, während die Band auf die Bühne stürmte. Gleich darauf war der Leadsänger zu hören, der mit dem Publikum sprach, und die Musik begann.

  Schlagartig wurde es so laut, dass man kaum noch seine eigenen Gedanken hören konnte. Aber ich erkannte an Masons Körpersprache, dass er seufzte. Er nickte Jesse zu, dann deutete er mir an, mit ihm nach draußen zu gehen. Nach einem letzten Blick zu den anderen folgte ich ihm.

  Die klare Nacht war angenehm, ohne zu warm zu sein. Wenigstens hatten wir die schwülen Sommertage hinter uns gelassen. Tief sog ich die Luft ein und sah nach oben. Sterne funkelten am Himmel. Nicht so viele, wie ich es von zu Hause in Montana gewohnt war, aber trotzdem wunderschön. Genau wie der fast volle Mond, der unseren Weg an den Autos vorbei erhellte. Zuerst dachte ich, Mason würde mich zu der Stelle führen, an der er mich vor dem Auftritt gefunden hatte, dann bemerkte ich seinen Wagen und atmete erleichtert auf. Ich brauchte keine Erinnerung an diesen Tiefpunkt.

  Als wir den Jeep erreicht hatten, legte ich die Hand auf Masons Schulter. Er erstarrte, dann drehte er sich langsam zu mir um.

  Ich ließ ihn sofort los und verschränkte Arme vor der Brust. »Was ist das für ein Wettbewerb? Wann ist er? Wo? Wieso haben wir nichts davon gewusst? Und wie soll das Ganze überhaupt ablaufen?«

  Er rieb sich mit der Hand über den Hinterkopf, wich mir diesmal aber nicht aus. »Ende Oktober in Charleston. Ich wollte euch nichts sagen, weil ich keine falschen Hoffnungen wecken wollte, vor allem bei Pax. Jesse ist der Einzige, der Bescheid weiß, weil er letzte Woche dabei war, als mich der Typ vom Plattenlabel angerufen hat. Sie haben die Band, die draußen gerade die Menge zum Kochen bringt, unter Vertrag und veranstalten den Contest. Sie sind auf der Suche nach neuen, jungen Talenten. Man kann sich dafür bewerben, aber das Label entscheidet, wer dabei ist. Heute Abend war jemand da und hat sich unseren Auftritt angeschaut«, ratterte er herunter. »Die Entscheidung fällt an einem einzigen Abend, an dem drei Bands mit je drei Songs gegeneinander antreten. Mindestens einer davon muss ein Originalsong sein. Die Gewinner erhalten einen Plattenvertrag, einige Gigs als Vorband und genug Geld, um die gesamte Collegeausbildung für uns alle zu bezahlen.«

  »Warum?«

  Mason blinzelte verwirrt. »Weil es eine einmalige Chance ist und wir …«

  »Nein«, unterbrach ich ihn schneidend. »Warum habt ihr mir nichts davon gesagt?«

  Warum hast du mir nichts gesagt?

  Nach allem, was wir in den letzten Wochen miteinander erlebt hatten? Nach all den verhassten morgendlichen Workouts, den Proben mit der Band, den gemeinsamen Seminaren und Vorlesungen, den Abenden mit unseren Freunden, dem Arbeiten an Masons Songs, dem Tanz … Gott, dieser Tanz war das Letzte, woran ich denken sollte, ganz besonders hier und jetzt. Trotzdem tauchten ausgerechnet diese Bilder in meinem Kopf auf – und mit ihnen die Erinnerung daran, wie es gewesen war, Mason wieder so nahe zu kommen. Erst damals beim Tanzen und heute auf der Bühne …

  Etwas veränderte sich in Masons Blick, wurde intensiver. Drängender. Als würde er diese plötzliche Veränderung ebenso spüren wie ich.

  »Du wolltest zuerst nicht mal in der Band singen«, erinnerte er mich, doch seine Stimme klang rau, und seine Augen verließen mein Gesicht keine Sekunde lang. »Ich war mir sicher, dass ich dich damit erst recht abschrecken würde. Und ich hab auch den anderen nichts davon gesagt. Jesse hat es zufällig mitgekriegt, als ich mit jemandem vom Plattenlabel telefoniert habe. Ich wollte es euch heute nach dem Gig erzählen, falls wir es in die Auswahl für die Endrunde schaffen. Aber jetzt, wo du mir von den Misswahlen und deinen Erfahrungen auf der Bühne erzählt hast …« Er schluckte. »Ich wusste nicht, dass das so eine große Sache für dich ist. Es tut mir leid.«

  Das sollte es auch. Er hatte mir etwas so Wichtiges vorenthalten. Wäre ich temperamentvoller, hätte ich ihm vielleicht irgendetwas an den Kopf geworfen und ihn einfach stehen gelassen, aber so war ich nicht. Ich wollte es verstehen, musste begreifen, wieso er es mir nicht einfach hatte sagen können. Warum das Ganze so wichtig für ihn war.

  »Das Preisgeld ist nicht der Grund, warum du … warum ihr da mitmachen wollt …«, stellte ich leise fest. »Zumindest nicht der einzige. Oder?«

  Mason schüttelte den Kopf und starrte auf die vielen geparkten Autos rundherum. »Ich habe keine Ahnung, was ich später mal machen will. Anders als Dylan und Tate oder sogar Luke, die alle eine ziemlich genaue Vorstellung von ihrer Zukunft haben, weiß ich es nicht. Jenny und ich haben Pläne, aber …«

  Ich ignorierte den Stich in meiner Brust und wartete darauf, dass er weitersprach.

  »Aber wie es beruflich werden soll? Keine Ahnung. Ich bin da wie Pax. Ich sehe mich nicht in einer Bank arbeiten oder von neun bis fünf an irgendeinem Schreibtisch hocken, während mein ganzes Leben an mir vorbeizieht. Ich meine, ich studiere, aber wohin mich das führt …« Er zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nur, dass ich diesen Wettbewerb gewinnen will. Und dass wir es schaffen können. Mit dir.«

  »Wow, bloß kein Druck.«

  Er zog die Mundwinkel hoch. »Sorry.«

  Ich atmete tief durch. So viele Gedanken schwirrten in meinem Kopf herum, so viele Erinnerungen, Zweifel und mögliche Situationen, die ich mir ausmalte und die mit ziemlicher Sicherheit nie eintreffen würden. Ich könnte mich all dem jetzt hingeben und mich selbst verrückt machen – aber ich weigerte mich. Ich hatte keine Lust, mir davon den Abend verderben zu lassen. Dieser Auftritt war so gut, so wichtig für mich gewesen. Allein beim Gedanken daran breitete sich pure Euphorie in mir aus und ich fühlte mich … frei. Und genau das wollte ich heute sein. Frei.

  Aber bevor wir alle zusammen zurückfahren konnten, musste ich noch etwas sehr Wichtiges loswerden.

 
»Du hättest es mir sagen sollen.«

  »Ich weiß.« Mason wirkte zerknirscht. »Aber … ganz ehrlich, Grace? Hättest du dann überhaupt bei uns angefangen?«

  Ich zögerte – und seufzte dann. »Wahrscheinlich nicht.«

  Ein halbes Lächeln. »Siehst du.«

  »Das ist trotzdem kein Grund, mir so etwas vorzuenthalten. Schon gar nicht, wenn es mich genauso betrifft wie alle anderen in der Band.«

  »Ich weiß. Und es tut mir wirklich leid.« Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, schloss den Mund dann aber wieder.

  Einen winzigen Moment starrte ich auf den Silberring in seiner Unterlippe, dann riss ich mich davon los und sah Mason wieder in die Augen. Ich schluckte hart. »Entschuldigung angenommen. Und was diesen Wettbewerb angeht … Gib mir etwas Zeit, um darüber nachzudenken, in Ordnung?«

  Diesmal lächelte er offen. »In Ordnung.«

  »Gut. Dann lass uns jetzt zurückgehen. Da läuft nämlich noch ein Konzert, das ich mir ansehen will.«

  Mason

  Nach dem Konzert gab es nur eine einzig richtige Weise, den Abend ausklingen zu lassen: den erfolgreichen Auftritt zu feiern. Wir verteilten uns auf mehrere Autos. Jesse, Pax, Kane und die Instrumente stapelten sich in Jesses Pick-up, Grace und ich nahmen Emery, Dylan und Myung-hee mit, Tate, Trevor und Elle stiegen bei Luke ein. Ich hatte keine Ahnung, wohin es ging, aber das spielte auch keine Rolle. Wir wurden unser Equipment los, dann zogen wir weiter und landeten in einem Club, den Pax uns empfohlen hatte. Bisher war ich noch nie hier gewesen und fragte mich beim Reingehen unwillkürlich, wieso eigentlich nicht.

  Der Hauptraum bestand aus einer einzigen großen Tanzfläche, die gut gefüllt war. An der gegenüberliegenden Wand stand ein Podest, und der DJ drehte in diesem Moment ordentlich auf. Lila, blaue und weiße Lichter zuckten im Takt der Musik, und Konfetti regnete auf die Tanzenden herab. Links und rechts führten zwei Durchgänge in Nebenräume. Eine Bar und eine Lounge, wenn man eine Pause vom Tanzen brauchte. Natürlich führte unser erster Weg zur Bar.

 

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