Ich presste die Lippen aufeinander, unfähig, irgendetwas zu sagen, außer: »Es tut mir leid, Stella.«
Sie nickte und versuchte sich an einem Lächeln, das ihr misslang. Dann sah sie zu Keith, der noch immer mit dem Rücken zu ihr stand und keine Anstalten machte, etwas daran zu ändern. Was auch immer er dachte, er behielt es für sich. Stella seufzte, dann ließ sie mich los und verließ die Wohnung genauso schnell, wie sie hier aufgetaucht war.
Das Klicken der Tür klang wie ein Donner in der Stille um uns herum. Ich wagte es nicht, mich zu bewegen oder etwas zu sagen. Ich wagte es ja kaum, zu atmen. Mein Kopf schwirrte, mein Magen rebellierte und die Faust um mein Herz hatte kein bisschen lockergelassen, sondern quetschte immer weiter.
Irgendwann drehte Keith sich zu mir um. Er war erschreckend blass und seine Hände zitterten, als er sie in seine Hosentaschen schob. »So war dieser Morgen nicht geplant gewesen«, murmelte er.
Nein, das war er wirklich nicht.
Ich atmete tief durch, dann sagte ich das einzig Richtige. »Du weißt, dass sie recht hat, oder?«
Keith runzelte die Stirn, erwiderte aber nichts darauf.
»Wir hätten es nie so weit kommen lassen dürfen.« Ich biss mir fest auf die Unterlippe, um mit diesem neuen Schmerz den zu übertönen, der sich bereits in meiner Brust ausbreitete. Es hätte nur eine Nacht sein sollen. Mit den daraus entstehenden Konsequenzen hätte ich leben können. Aber mit dem Wissen, welche Folgen unser Handeln nach sich zog? Dass wir ausgerechnet die beiden Menschen damit verletzten, die uns am wichtigsten waren? »Das darf nicht noch mal passieren. Sie hat recht, Keith. Mit allem, was sie gesagt hat. Mir war nie klar, wie sehr sie darum kämpfen musste, dass die Leute hier sie akzeptieren. Dass sie sie als Ärztin sehen und nicht als …« Ich brachte die Worte nicht mal heraus.
»Worauf willst du hinaus?« Keith klang ruhig, als er mir diese Frage stellte. Zu ruhig.
Ich bohrte meine Fingernägel in meine Handflächen, um mich davon abzuhalten, zu ihm zu gehen, mich in seine Arme zu schmiegen und zu vergessen, was eben passiert war. Um mich davon abzuhalten, jedes Wort zurückzunehmen, das ich gleich aussprechen würde.
»Wir beenden das hier. Du hast gesehen, wie Holly und deine Mom reagiert haben. Willst du ihnen wirklich noch mehr wehtun?«
Denn ich wollte das nicht. Ich konnte es nicht. Lieber tat ich mir selbst weh, indem ich aufhörte, mich heimlich mit Keith zu treffen, als diese beiden Menschen zu verletzen. Allein beim Gedanken an Stellas entsetzten Gesichtsausdruck oder daran, wie Holly getobt und gewütet hatte, nachdem sie uns im Bad erwischt hatte, zog sich alles in mir zusammen. Wir hatten nie wirklich darüber gesprochen, was das zwischen uns war und wie es nach diesem Sommer weitergehen würde. Vielleicht hatten wir insgeheim beide gewusst, dass es enden würde. Jetzt passierte es nur früher als erwartet.
»Keine heimlichen Treffen mehr. Keine Küsse. Keine Textnachrichten. Keine verbotenen Berührungen unterm Tisch. Kein … kein Sex. Was auch immer das zwischen uns war, es ist vorbei.«
Keith reagierte nicht. Er starrte mich nur an, als hätte ich ihn genau dort getroffen, wo es am meisten schmerzte. Bei unserem ersten Wiedersehen, nachdem ich ihn endlich erkannt hatte, hätte ich alles darum gegeben, Keith so zu verletzen, wie er mich damals verletzt hatte, als er ohne ein Wort aus meinem Leben verschwunden war. Jetzt tat es mir selbst weh, ihn so zu sehen. Mehr als ich je für möglich gehalten hätte. Meine zu Fäusten geballten Hände zitterten, mein Atem kam nur stoßweise und meine Knie fühlten sich an, als würden sie jeden Moment einknicken. Aber ich knickte nicht ein.
Irgendwie schaffte ich es, das Schweigen zwischen uns zu ertragen, ohne dabei zusammenzubrechen. Es war ja nicht so, als wären wir ein Paar gewesen oder dergleichen. Wir waren nur … Stiefgeschwister, die sich niemals aufeinander hätten einlassen dürfen. Nicht mehr, nicht weniger.
Langsam drehte ich mich um und klammerte mich am Riemen meiner Handtasche fest, während ich mich dazu zwang, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Mein Blick war auf den Holzboden gerichtet. Ein Schritt nach dem anderen. Ich musste es nur hier raus und irgendwie bis nach Hause schaffen, dann konnte ich immer noch zusammenbrechen. Aber nicht hier, nicht jetzt. Nicht solange Keith mich so sehen konnte.
»Ich liebe dich.«
Ich erstarrte mitten in der Bewegung. Es war, als hätte jemand die Nervenbahnen zwischen meinem Gehirn und meinen Gliedmaßen durchgeschnitten, denn ich konnte mich keinen Millimeter mehr bewegen. Dafür verdreifachte mein Herz seine Arbeit und trommelte in einem schnellen, beinahe schmerzhaften Rhythmus gegen meine Rippen.
Sekunden tickten vorbei, in denen keiner von uns ein Wort sagte und niemand sich bewegte. Irgendwie brachte ich die Willenskraft auf, den Kopf zu heben und mich wieder zu ihm umzudrehen. Langsam. Zögernd. Weil ich nicht sicher war, ob ich meinen Ohren trauen konnte. Oder ob ich es ertragen würde, den Beweis für seine Worte in seinem Gesicht zu lesen.
»Was …?«, wisperte ich.
»Du hast mich schon verstanden.« Keith ließ mich nicht aus den Augen. »Ich liebe dich. Tu nicht so, als wäre das eine Überraschung für dich.«
Aber das war es. Eine riesige, überdimensionale und unbegreifliche Überraschung. Wir hatten nie von Liebe oder von Gefühlen geredet. Wir hatten Spaß miteinander, wir lachten, verbrachten Zeit zusammen und hatten fantastischen Sex. Liebe war nie Teil des Plans gewesen.
Das Chaos in meinem Inneren war mehr, als ich ertragen konnte. Es türmte sich zusammen, wuchs zu einem Wirbelsturm heran, der jeden Moment aus mir auszubrechen drohte, wenn ich ihm nicht Einhalt gebot.
Schweigen breitete sich zwischen uns aus. Ich wollte wegrennen, konnte mich aber nicht rühren. Nicht zu ihm hin und nicht von ihm weg. Jedes Mal, wenn sich meine Brust hob, fühlte es sich an, als würde ich Glassplitter einatmen, die sich in meinem ganzen Körper festsetzten. Eine einzige falsche Bewegung und sie würden mich entzweischneiden.
»Ich …«
Erinnerungen stürzten auf mich ein. Daran, wie Holly reagiert hatte, als sie uns zusammen erwischt hatte. Daran, wie fassungslos und enttäuscht Stella gewesen war. Daran, wie ich mich im Bett an ihn schmiegte, wenn ich sicher war, dass er schon schlief und nichts davon bemerkte.
Hastig blinzelte ich die aufsteigenden Tränen weg. Ich würde jetzt nicht weinen. Auf keinen Fall würde ich jetzt anfangen zu weinen.
»Ich … kann das nicht. Tut mir leid.«
»Kannst du nicht oder willst du nicht?« Keith machte einen Schritt auf mich zu. Einen einzigen Schritt, der eine Welle an Panik in mir auslöste. Und Hoffnung. Aber worauf, verdammt? »Wovor hast du Angst, Callie?«
Vor allem davor, die Menschen zu enttäuschen, die mir am wichtigsten waren. Davor, Keith noch mehr zu verfallen, bis es kein Zurück mehr für mich gab. Vielleicht gab es das schon seit dem Moment nicht mehr, in dem er mich das erste Mal geküsst hatte. Tatsache war jedoch, dass ich Keith schon einmal verloren hatte. Und ich würde es nicht ertragen, ihn noch einmal zu verlieren, ob es nun wegen des Geredes der Leute war oder weil unser Verhalten unserer Familie wehtat. Ich hatte schon Mom und Dad verloren, bald würde ich meine kleine Schwester für ein ganzes Jahr nicht mehr sehen. Ich konnte nicht noch jemanden verlieren.
Nicht Keith. Nicht schon wieder.
Deshalb musste ich es beenden. Hier und jetzt, solange ich es noch konnte und bevor wir noch mehr Menschen verletzten, die uns beiden so viel bedeuteten.
Diesmal hörten meine Gliedmaßen auf die Befehle meines Verstandes. Ich machte auf dem Absatz kehrt und ging auf die Tür zu. Meine Schritte waren schnell und abgehetzt, dennoch hatte ich das Gefühl, den Boden nicht einmal zu berühren. Es war, als würde ich irgendwo außerhalb meines Körpers schweben und diese Szene aus der Vogelperspektive betrachten. Vielleicht, weil ich wusste, dass mein Herz zersplittern würde, wenn ich es mir jetzt erlaubte, etwas zu empfinden.
»Callie!«
Ich blieb an der Tür stehen, die Hand bereits um den Knauf gelegt. Ich konnte nicht hierbleiben. Es war ja sowieso nur eine F
rage der Zeit gewesen, oder nicht? Das war uns beiden von Anfang an klar gewesen.
Ich holte tief Luft und hatte im selben Moment das Gefühl, daran zu ersticken. Als weigerte sich meine Lunge, den Sauerstoff aufzunehmen. Langsam wandte ich mich wieder zu Keith um. Er stand nur ein paar Meter von mir entfernt, doch es schienen Meilen zwischen uns zu liegen. Ich konnte Panik in seiner Miene lesen. Enttäuschung. Wut. Und Hoffnung. Einen kleinen Funken Hoffnung, den ich ein für alle Mal zerstören würde.
Ich sah ihm geradewegs in die Augen, als ich die nächsten Worte aussprach.
»Ich liebe dich nicht, Keith.«
19
»Du hast gelogen.« Faye genügte ein Blick auf mich, nachdem ich ihr die ganze Geschichte erzählt hatte, um ihre eigenen Schlüsse zu ziehen.
»Ich habe nicht gelogen«, widersprach ich und setzte mich so abrupt auf, dass die Matratze unter mir auf und ab wippte.
Wir saßen in Fayes Wohnung auf ihrem Bett. Auf dem Nachttisch standen ein paar Bücher und unsere vergessenen Gläser. Kein Eisbecher in Sicht. Keine schnulzigen Liebesfilme. Keine Schokolade und auch keine Taschentücher. Ich war nicht zwei Tage, nachdem ich das mit Keith beendet hatte, zu meiner besten Freundin gefahren, um mich bei ihr auszuheulen. Ich war hier, weil Holly in den letzten achtundvierzig Stunden vergeblich herauszufinden versucht hatte, warum ich mich in meinem Zimmer einigelte. Also hatte sie Faye zurate gezogen und jetzt saß ich hier, obwohl ich mich lieber wieder in meine Nische am Fenster verkrochen und widerlich emotionale Songtexte geschrieben hätte. Ich wusste nicht, ob ich sie mir je wieder ansehen würde, aber all meine Gedanken und Gefühle auf Papier zu bannen, schien das Einzige zu sein, zu dem ich in letzter Zeit in der Lage war. Es war das Einzige, was half.
Ich liebe dich.
Wie sollte ich diese Worte jemals vergessen? Schlimmer war nur meine eigene Reaktion darauf gewesen. Der Tumult, der in meinem Inneren losgebrochen war. Die vielen kleinen Risse in meinem Herzen, die es endgültig auseinanderzureißen drohten. Ich konnte mein Herz nicht an Keith verlieren. Unmöglich. Dennoch hatte ich das Gefühl, wenn schon nicht mein Herz, dann zumindest einen wichtigen Teil von mir an jenem Morgen in Keiths Wohnung zurückgelassen zu haben. Und ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie ich ihn wieder zurückbekommen sollte.
»Wirklich nicht?« Faye runzelte die Stirn. »Ich kenne dich schon mein halbes Leben lang, Callie. Ich weiß, wie du früher für ihn geschwärmt hast und ich habe gesehen, was sich jetzt zwischen euch entwickelt hat. Ihm kannst du vielleicht etwas vormachen, aber nicht mir.« Sie griff nach meinen Händen und drückte sie sachte.
Ich schluckte hart, brachte aber irgendwie ein Lächeln zustande. »Was willst du denn von mir hören? Dass ich es bereue, wie es gekommen ist? Dass ich mich nie darauf hätte einlassen sollen?«
»Wie wär’s mit der Wahrheit?«, schlug sie leise vor.
Ich schüttelte den Kopf. Die Wahrheit war zu komplex, um sie auszusprechen, genau wie meine Gefühle. Aber vielleicht war das auch nur das, was ich mir selbst einzureden versuchte. Nicht über die Dinge zu reden, die mich belasteten, war schließlich etwas, das ich in den letzten sieben Jahren perfektioniert hatte. Allerdings flüsterte eine kleine Stimme in meinen Gedanken, dass ich das diesmal nicht schaffen würde. Damals war ich dazu in der Lage gewesen, Keith völlig aus meinem Gedächtnis zu verbannen. Ein zweites Mal würde mir das nicht gelingen.
Faye seufzte. »Rede darüber. Das muss nicht mit mir sein, aber ich glaube wirklich, dass es dir helfen würde, mal über alles zu reden. Keith. Den Unfall. Deine Familie.«
Vage erinnerte ich mich daran, dass auch Parker etwas Ähnliches in der Nacht nach meinem Geburtstag zu mir gesagt hatte. Dennoch sträubte sich ein Teil von mir dagegen. Ja, reden könnte helfen, aber es würde nichts ungeschehen machen. Nichts von dem, was vor sieben Jahren passiert war und nichts von dem, was vor zwei Tagen geschehen war. Reden würde nicht diese Woche aus meinem Leben auslöschen können, die ich mit Keith verbracht hatte. Genauso wenig wie den Schmerz, der sich immer tiefer in mich hineinfraß.
Ich blieb noch eine Weile bei Faye, aber wir schnitten das Thema kein zweites Mal an. Trotzdem spürte ich ihre besorgten Blicke und war froh, als Thomas auftauchte und ich das als Vorwand nutzen konnte, um zurück nach Hause zu fahren.
Es war bereits dunkel geworden und ein kurzer Blick aufs Armaturenbrett verriet mir, dass es schon nach elf Uhr war. Ich parkte Hollys Wagen in unserer Einfahrt, überrascht darüber, ein fremdes Auto hier vorzufinden. Als ich ausstieg, ging die Haustür auf und Braden kam heraus. Er wirkte genauso überrascht wie ich, als er mich bemerkte.
»Oh, hey«, sagte er beim Näherkommen, runzelte dann jedoch die Stirn. »Versteh das jetzt bitte nicht falsch, aber du siehst furchtbar aus. Ist alles in Ordnung?«
Ich stieß ein heiseres Lachen aus, das nichts mit Humor zu tun hatte, dafür aber sehr viel mit Verzweiflung. Braden wirkte so geschockt und verwirrt, dass ich den Kopf schüttelte.
»Nicht wirklich, aber das wird schon wieder.«
Irgendwie. Irgendwann. Bestimmt.
»Bist du sicher? Ich weiß zwar nicht, was genau los ist, aber falls du mal ein offenes Ohr brauchst …«
»Danke.« Aber was ich brauchte, war nicht jemand, der mir zuhörte und mich tröstete, sondern etwas, das tatsächlich half. Gegen den Schmerz in meiner Brust. Gegen die Albträume, die mich immer häufiger heimsuchten. Ich wollte nichts davon spüren, nichts davon sehen und wenn es einen Weg gäbe …
Moment mal. Mein Blick blieb an Braden hängen. Es gab einen Weg.
»Vor einer Weile hast du da etwas angedeutet …«, murmelte ich. »Falls ich je Einsicht in die Akten von damals haben will. War das ernst gemeint?«
Er blinzelte überrascht, nickte dann jedoch. »Voll und ganz. Ich kann sie dir bis morgen besorgen.«
»Danke.« Erleichterung durchflutete mich, so heftig, dass ich gegen die plötzlich aufsteigenden Tränen in meinen Augen anblinzeln musste. »Sorry. Ich bin nur ein bisschen neben der Spur.«
»Ist mir schon aufgefallen.« Braden betrachtete mich mitfühlend. »Komm her.«
Er zog mich in seine Arme, und ich ließ es nicht nur zu, sondern klammerte mich förmlich an ihn. Es war wie an meinem Geburtstag, als Stella mir Moms Kette gegeben hatte, die seither in einer Schatulle in meinem Nachttisch ruhte. Eine winzige und doch so bedeutende Kleinigkeit ließ die Mauern, die ich um mich herum errichtet hatte, bröckeln. Damals waren sie zersplittert und zu Staub zerfallen, heute konnte ich noch ein kleines bisschen davon festhalten.
Ja, ich ließ mich von Braden umarmen. Aber ich zerbrach nicht an allem, was geschehen war. Noch nicht.
Behutsam löste ich mich von ihm und wischte mir über die Augen. »Danke noch mal.«
Er beäugte mich in einer Mischung aus Skepsis und Sorge. »Sicher, dass alles okay ist?«
Ich nickte mehrmals und setzte ein Lächeln auf. Er wirkte nicht ganz überzeugt, bohrte aber auch nicht nach, was ich ihm hoch anrechnete.
»Okay. Dann melde ich mich morgen, sobald ich die Akte für dich habe.« In einer tröstenden Geste strich er über meinen Arm. »Gute Nacht, Callie.«
»Gute Nacht.«
Ich machte einen Schritt zur Seite, damit er ausparken konnte, und sah ihm nach, bis die Rücklichter von Bradens Wagen in der Nacht verschwanden. Erst dann setzte ich mich in Bewegung und betrat kurz darauf das Haus.
Dunkelheit empfing mich und ich war froh über die Stille um mich herum. Meine Gedanken waren ohnehin schon viel zu laut. Leise schlüpfte ich aus meinen Halbstiefeln, dann machte ich mich auf den Weg nach oben. Doch als ich am Wohnzimmer vorbeikam, beschlich mich ein seltsames Gefühl. Ein Prickeln breitete sich in meinem Nacken aus, als würde jemand jede meiner Bewegungen beobachten. Was natürlich völliger Blödsinn war. Dennoch trat ich näher und streckte die Hand nach dem Lichtschalter aus. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, in denen das flaue Gefühl in meinem Bauch immer stärker wurde, obwohl es sich nur um ein paar Sekunden handeln konnte, bis meine Finger den Schalt
er fanden.
Licht durchflutete das Wohnzimmer. Ich blinzelte gegen die plötzliche Helligkeit an und als ich wieder klar sehen konnte, zuckte ich vor Schreck zusammen. Meine Intuition hatte mich nicht getrogen. Jemand hatte mich tatsächlich beobachtet. Dieser Jemand lehnte mit der Kehrseite an der Couch, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und einen düsteren Gesichtsausdruck aufgesetzt. Allein sein Anblick und die Tatsache, dass er hier war, genügten, um das Gefühlschaos in mir erneut zum Kochen zu bringen.
»Willkommen zurück«, sagte Keith mit seiner tiefen Stimme. Er klang völlig ruhig und neutral. Geradezu gelassen.
Ich traute dem Schein keine Sekunde lang.
»Danke …?«, murmelte ich zögernd, während die Gedanken in meinem Kopf Achterbahn fuhren. Einen doppelten Looping später war ich dazu in der Lage, die wohl wichtigste Frage zu stellen. »Was machst du hier?«
»Dasselbe könnte ich dich auch fragen.« Keith stieß sich von der Rückenlehne ab und kam langsam auf mich zu. »Du gehst mir seit zwei Tagen aus dem Weg, ignorierst meine Anrufe und Nachrichten und jetzt muss ich mitansehen, wie du vor unserem Haus mit Braden Scott anbandelst? Ernsthaft?«
Ich verzog das Gesicht. »Es gibt nichts mehr zu bereden.« Betont ruhig legte ich meine Handtasche auf die Kommode rechts von mir, obwohl ich in Wirklichkeit alles andere als ruhig war. Ich hatte nicht damit gerechnet, Keith so schnell wiederzusehen – schon gar nicht mitten in der Nacht. Aber vor allem war ich nicht darauf vorbereitet gewesen. Zwei Tage waren vergangen und ich hatte das Gefühl, ihm nicht das Geringste entgegensetzen zu können.
»Hat es wenigstens Spaß gemacht?« Keiths Stimme triefte vor Sarkasmus. »Oder fängst du jetzt nur etwas mit ihm an, um Mom zu besänftigen?«
Ich schnappte nach Luft. »Was stimmt nicht mir dir? Deine eigene Mutter hat fast einen Herzinfarkt bekommen, als sie uns zusammen gesehen hat. Und du legst es darauf an, ihr noch mehr wehzutun? Ich sehe wenigstens ein, dass sie recht hat.«
Was auch immer geschieht 01 - Finding back to us Page 32