Feen Buch 1: Der Weg nach Imanahm
Page 40
Sie hatten es ihm schlecht abschlagen können.
Seitdem hatten die beiden Frauen darauf verzichtet, allzu gläubige um Hilfe zu bitten.
„Ich wünschte, Shaljel, wäre hier.“ Ohnfeder lag in ihrem Bett und hatte gerade mit einem Stein nach einem Pilger geworfen, der einen Segensgruß durch das geöffnete Fenster gerufen hatte. Neben ihrem Bett stand ein alter Holzeimer, den Treureigen täglich mit neuen Steinen füllte. Ohnfeder griff bereits nach einem weiteren Stein. Sie hätte gerne die Fenster die ganze Zeit geschlossen gehalten, aber Grasglanzen hatte darauf bestanden, dass die Schwangere täglich frische Luft erhielt.
Treureigen schlappte in die Kammer. Sie war erschöpft vom ständigen Vertreiben des Volkes, dass auf dem Hof lagerte. „Ich wünschte es auch, selbst wenn ich ein wenig Angst vor ihm habe.“
„Brauchst du nicht. Er hat einem Aleneshi noch nie etwas getan.“ Ohnfeder lachte. „Auch wenn er es selbst behauptet hat, glaube ich ihm.“
„Das klingt, als wenn er dich schon belogen hätte? Davon hast du mir noch gar nichts erzählt.“
„Ich bin nicht sicher. Manchmal glaube ich, dass die Hälfte von dem, was er erzählt, nicht wahr wäre. Ha! Manchmal bin ich nicht Mal sicher, dass er Shaljel ist … ich meine, der Shaljel, von dem unsere Priester sprechen, der ungläubige Prophet. Dann glaube ich wieder, dass alles, was er sagt, wahr sein muss, denn wie könnte es anders sein.“ Sie blickte nachdenklich zum Fenster und winkte schließlich Treuriegen zu sich, um ihr ins Ohr zu flüstern: „Nur dass er keiner von uns ist, da bin ich mir ganz sicher.“
„Was meinst du?“ Treureigen hatte ihre Stimme nicht gesenkt, klang aber auch nicht so überrascht, wie ihre Worte vermuten ließen. Ohnfeder flüsterte jedoch weiter: „Er ist kein Aleneshi, Treureigen. Das weiß ich einfach.“ Ihre Freundin nickte mit ernstem Blick. „Das kann ich verstehen. Ich habe einige gehört, die gesagt haben, er sei ein Geist, der von Emaofhia geschickt worden sei, um uns zu prüfen.“ Jetzt nickte wiederum Ohnfeder, während Treureigen die Finger von Nasen zu Nacken führte. „Ich kenne all diese Geschichten: Ein Geist, ein Teil des Gottes selbst, ein Verfluchter, ein Heiliger, ein Prophet. Er könnte alles sein, nur kein Aleneshi … Ich glaube jedoch, dass er ein Magier ist, sehr alt“, sie lächelte, „und ein wenig verrückt. Ich weiß nicht, aus welchen Volk er stammt, vermutlich werde ich es niemals erfahren.“
„Und warum glaubst du, dass seine Fähigkeiten nicht von Emaofhia stammen.“ Diesmal vergaß sie das Zeichen zu machen.
„Du vergisst, dass ich schon seit Jahren mit ihm spreche. Ich habe ihn noch nie etwas besonders Machen sehen, außer dass er sich schneller bewegt, als jeder andere, den ich kenne. Aber als die Menschen hier waren - du erinnerst dich? – da hat der Alte, der Keinhäuser, ihn mit großer Ehrerbietung behandelt, hat ihn Meister genannt. Ich weiß nicht warum, aber der Keinhäuser hat gesehen, dass ich Schwanger bin, bevor es jemand anderes wusste. Ich glaube, dass dieser Mensch wahrsichtig ist.“
„Vielleicht erkennt er einfach die Zeichen? Grasglanzen sieht es auch manchmal, obwohl die werdende Mutter es selbst noch nicht weiß. Habe ich mir sagen lassen.“
„Kann schon sein, dafür hatte er mich aber noch nicht lange genug gesehen. Er kannte mich ja auch nicht. Überhaupt hatte er wohl insgesamt noch nicht viele unseres Volkes gesehen. Es ist etwas Magisches an ihm. Und er verehrt nicht Emaofhia.“
„Und aus dem ganzen schließt du, dass auch Shaljel ein Magier sein muss? Ich weiß nicht, ob das nicht ein wenig weit hergeholt ist.“
„Du hast vermutlich Recht, ich bleibe aber bei meiner Überzeugung.“ Was Ohnfeder in diesem Moment verschwieg, war, dass nicht nur Estron seit dem Besuch in der Höhle des Gottes, einige Dinge anders wahrnahm.
„Trotzdem wünschte ich, er wäre jetzt hier.“
„Ja, ich auch. Wo ist er überhaupt?“
„Irgendwo im Süden. Er hat nicht viel gesagt, aber aus einigen Gesprächsfetzen konnte ich schließen, dass sie zu einem Chuordorf und in eine Menschenstadt wollten.“
„Aber warum?“
„Ich weiß es doch auch nicht. Er und der Keinhäuser haben irgendetwas ausgeheckt. Sie haben aber nicht gesagt, was. Ich glaube sogar, dass nicht einmal Streiter und die anderen beiden Menschen etwas davon wissen. Einen Augenblick.“ Ohnfeder stützte sich wieder im Bett auf und warf einen weiteren Stein, der diesmal jedoch den Fensterrahmen traf. Die Pilger flüchteten trotzdem.
„Wie Mücken. Und es werden immer mehr.“
„Viele halten sich ja inzwischen zurück, aber einige sind Stur wie, … wie, …“ Treureigen suchte nach einem passenden Vergleich, gab aber schließlich auf: „wie fanatische Pilger.“
Ohnfeder lächelte sie an.
„Es ist so gut, dass du da bist.“ Sie zögerte. „Weißt du, die wievielte Stunde wir haben?“
„Es muss um die vierte sein, wieso?“
„Oh-je. Schnell, du musst dich beeilen. Grasglanzen muss bald kommen.“
Treureigen warf die Hände in die Luft und rannte zur Tür. So wie sie selbst war auch die Hebamme nicht mehr sicher vor der Verehrung der Pilger. Deswegen gaben ihr die Nachbarn Geleitschutz, was aber nicht immer klappte, wenn sie auf den Feldern oder anderweitig beschäftigt waren. So war es eine von Treureigens Aufgaben geworden, ein paar starke, möglichst respektlose, das heißt jugendliche, Männer zu sammeln, die Grasglanzen durch die Menge führten. Das bedeutete nicht, dass die kräftige Frau nicht in der Lage gewesen wäre, sich den Weg selbst durch die Versammelten zu bahnen. Wenn ihre Kraft nicht gereicht hätte, hätte vermutlich ihre Stimme ausreichend Raum geschaffen. Aber leider sonnte sie sich zu sehr in der Verehrung. Sie genoss es und Treureigen hatte sie gerade noch davon abhalten können, Segen zu spenden. Das Problem war vermutlich, dass Hebammen bereits etwas Religiöses an sich hatten und sie darin geübt waren, die Neugeborenen zu segnen. Es war also kein großer Schritt mehr für sie gewesen, anders als für Ohnfeder. Deswegen wurde Grasglanzen nun abgeschirmt. Was sie außerhalb von Ohnfeders Hof anstellte, darauf hatten sie zwar keinen Einfluss, aber wenigstens konnten sie in ihrem direkten Umfeld den größten Unsinn unterbinden.
Wie es erst werden würde, wenn die Kinder auf der Welt waren, ganz zu schweigen davon, wie sie sie behüten sollten, sobald sie das Haus verließen, darüber versuchten sich weder Treureigen noch Ohnfeder derzeit Gedanken zu machen.
*
Die Welt ist groß. Größer als die Drachen zugeben wollen oder auch nur wissen. Ihre Magie würde es ihnen erlauben, ihren Blick hinausfliegen zu lassen, und ohne einen einzigen Flügelschlag die Meere und Länder zu erkunden. Es lag jedoch nicht in der Natur dieser Generation von Drachen, sich über die Gebiete außerhalb ihres Herrschaftsbereichs Gedanken zu machen. Anders als den Ra-ula, die vor ihnen über die Welt geherrscht hatten, fehlten ihnen die Neugier und der Forscherdrang. Was sie jedoch mit ihren Vorgängern gemein hatten, war ihr Wille, die Herrschaft, die sie innehatten, zu behalten. Die Ra-ula hatten versucht, jeden und alles zu lenken, immer darauf bedacht, die Völker sich selbst bestimmen zu lassen und nur im entscheidenden Moment einzugreifen. Das mochte in den Augen meines Volkes ehrenhaft und friedenbringend sein, konnte aber auf lange Sicht nicht gut gehen, denn die anderen Völker mussten sich bevormundet fühlen, wenn plötzlich ein Ra-ula bei ihnen erschien, vielleicht nach nicht weniger als einem Zeitalter der Selbstverwaltung, und ihnen gute Ratschläge gab, wie sie ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln hatten, um dem Großimperator zu gefallen. Die Drachen hingegen bestimmten einfach alles. Sie hatten ein paar Gesetze erlassen und alle Länder mit Spionen durchzogen. Wenn gegen diese Gesetze verstoßen wurde, ließ die Strafe nicht lange auf sich warten. Eine Strafe, die meist endgültig und tödlich war. Nur den Menschen überließen sie es, sich selbst zu bestrafen, denn bei ihnen hatte die Religion den Herrschern ein ideales Kontrollinstrument in die Hand gegeben.
Dies sollte nicht bedeuten, dass sie nicht auch straften, wenn keines der offiziellen Gesetze verletzt worden war. Denn es gab auch geheime Regeln, die keiner außer ihnen kannte, deren Überschreitung eine tödliche Reaktion der fliegenden Herrscher nach sich zog.
Dabei ging es meist darum, Erfindungen und Ideen zu unterbinden, die ihnen gefährlich werden konnten, manchmal aber auch nur um die Beschneidung einer wachsenden Macht.
Da sie jedoch nicht die ganze Welt beherrschen konnten, nutzten sie die natürlichen Grenzen, um ihr Herrschaftsgebiet abzuriegeln. Mit starker Magie und ständiger Kontrolle wurde auch dem abenteuerlustigsten jegliche Vorstellung ausgetrieben, dass es jenseits dieser Grenzen eine Welt geben könnte, die für sie erreichbar wäre.
Umgekehrt galt, dass die Überreste von Feen- und Menschenvölkern, die den großen Krieg überlebt hatten, nicht in die Herrschaft der Drachen gelangen konnten. Aber auch hier hatten sie ihre Spione und sorgten dafür, dass brutale Kriege in Wäldern, auf den Bergen und in den Ebenen geführt wurden. Nur selten ließen sich die Drachen hier blicken, denn der Weg war ihnen zu weit. Wenn sie jedoch auftauchten, verbreiteten sie Angst und Schrecken, und ließen keinen Zweifel daran, dass sie auch Anspruch auf das Leben dieser verschollenen Völkerschaften erhoben.
Nur die Länder jenseits des Meeres besuchten sie nicht, denn dort lebte niemand, der sie hätte verehren können.
*
Welche Wahl hatten sie?
In ihrer Heimat, weit im Osten, an einem Fluss, von dem die Felllosen in dieser Gegend noch nicht einmal gehört hatten, hatten sie Städte errichtet, wie sie sich die primitiven Wilden dieser Gegend kaum vorstellen konnten. Nicht glänzend, poliert und gerade, sondern wie Berge, mit Häusern die in andere Häuser hineinwuchsen, Gängen, die von einem Stockwerk zum nächsten bis in die Erde hineinreichten, in Höhlen, die wie Häuser aussahen und oft mehr Stockwerke besaßen, als ihre Erweiterung über der Erde.
Ganze Gangsysteme verzweigten in alle Richtungen, manchmal sogar senkrecht durch mehrere Stockwerke. Dort, wo es Licht gab, waren die Wände bunt bemalt, so wie auch viele Wände an den Innenhöfen, die durch die einzelnen Haushügel der Städte entstanden. Manche nur mit matten Naturfarben, manche mit einfachen Mustern, andere mit Bildern großer Taten und Persönlichkeiten. Die Bilder änderten sich häufig, denn die Farben wuschen schnell aus, die Wände wurden repariert oder die Häuser umgebaut. Die Jaltus liebten es jedoch, zu malen, selbst wenn ihre Augen für die Dunkelheit geschaffen waren und deswegen Farben nicht so sahen, wie die der Felllosen. Ihre Kunst mochte verschwommen wirken, weil sie selbst die Konturen nicht so gut wahrnahmen, die Farbwahl mochte bei vielen Verwirrung auslösen, bis sie ihre Augen abwandten, und ihre Motive wären vermutlich bei den Menschen kaum auf Zustimmung gestoßen, aber die Rattenmenschen konnten nicht damit aufhören, zu malen. Viele von ihnen trugen sogar Farben bei sich, wenn sie auf Jagd gingen, um während einer Rast Bilder an Bäume und Steine Malen zu können. Einige Völker, mit denen Sie für gewöhnlich in Kontakt kamen, hatten Gesetzte erlassen, die den Jaltus verboten, in ihren Revieren zu malen. Sie hielten sich meist daran, aber in ihren eigenen Gebieten fand man oft genug steinige Hügel, die über und über mit den verschiedensten Farben und Formen bedeckt waren. Und niemand mochte sich diesen Hügeln mehr nähern, denn den Hauptbestandteil ihrer Farbe produzierten sie selbst. Zum Leidwesen aller ihrer Nachbarn mit vorhandenem Geruchssinn, verwendeten sie kein Wasser, sondern ihren Urin als Grundstoff. Shaljel hatte einmal gewusst, dass die Jaltus die Unterschiede im Urin erkennen konnten, nicht nur mit ihrer Nase, sondern auch mit den Augen, so schlecht sie auch alles andere sahen. Er war jedoch schon lange nicht mehr in den Städten der Jaltus gewesen - seine Nase hatte es ihm nie gedankt - und nun würde er sie nicht mehr besuchen können.
Vor vierzehn Monden waren eines Nachts die Drachen gekommen und hatten jede einzelne Stadt zerstört. Wären es nur ein oder zwei Städte gewesen, die Jaltus hätten sie wieder aufgebaut. Es war bereits öfter geschehen, aber niemals in diesem Ausmaß. Wie immer hatte auch dieser Angriff ohne Vorwarnung stattgefunden und war ohne einen ersichtlichen Grund durchgeführt worden. Aber diesmal waren die Drachen systematisch von Stadt zu Stadt geflogen und hatten sie nicht nur an der Oberfläche verbrannt. Sie hatten die Gänge aufgerissen und ihren feurigen Atem hineingeblasen, bis tief in die unteren Räume.
Wenige Jaltus hatten überlebt, die meisten von ihnen waren auf Jagd gewesen, oder auf den Feldern, entfernt von ihrer Heimat. Aber selbst einige größere Gruppen auf den gut ausgebauten Straßen waren angegriffen worden.
Irish hatte einen solchen Angriff gesehen. Sie war mit ihrer Jagdgruppe gerade an den Rand eines Waldes gekommen, als das Monster sich der kleine Karawane, der sie sich hatten anschließen wollen, von Süden her genähert hatte, aus der Sonne heraus, so dass die Händler viel zu lange gezögert hatten. Sie hatten den Ursprung des Geräuschs, das sich ihnen genähert hatte, nicht zu ergründen vermocht. Als sie loslaufen wollte, um den Händlern zu helfen, war Irish von ihrer zweiten Führerin zurückgehalten worden, sonst wäre sie in ihr verderben gerannt. So war sie im Gebüsch geblieben und hatte zugesehen, wie mit einem Odemstoß der Drache fast nebenbei die Händler verbrannt hatte, ein Bild, welches sie nachts quiekend hochschrecken ließ.
Es hatte vier Monate gedauert, die Überlebenden zu sammeln. Viele waren zwar nach Tshikichik gekommen, oder dem, was von der Stadt des großen Rates übriggeblieben war. Andere hatten ihre Heimat jedoch nicht verlassen wollen, meist, weil sie die verwundeten pflegen wollten oder die Trauer sie gefangen hielt. Sie aufzusuchen hatte viel Zeit gekostet, denn die Rudel, die ausgesandt worden waren, um nach Überlebenden zu suchen, waren von Busch zu Busch gehuscht, hatten sich meist Nachts bewegt und beständig ängstlich den Himmel abgesucht. So waren sie an vielen Orten zu spät angekommen und hatten niemandem mehr helfen, oder, was noch viel Schlimmer war, die Selbstmorde verhindern können.
Vom Rat war niemand am Leben geblieben und so war die Führung den Starken zugefallen, die bereit waren, das Leid ihres Volkes auf sich zu nehmen. Zuerst hatten sie versucht, so etwas wie einen neuen Rat der Jäger und Wächter zu bilden, da sich aus ihren Reihen diejenigen Rekrutierten, die die Versorgung und Organisation ihrer Notgemeinschaft übernommen hatten. Schon bald hatten sich jedoch alle Blicke Irish zugewandt, die als älteste Jägerin ihres Volkes von Natur aus respekteinflößend war. Mit ihren 28 Jahren hätte sie einen Platz im Rat erhalten können, hatte jedoch gehofft, bis an ihr Lebensende dieser Verantwortung entkommen zu können. Sie hatte sich nie wohl in der Gesellschaft alter Leute gefühlt, auch wenn sie inzwischen selber dazu gehörte. Und nun schien es manchen ihrer Unterführer, dass eine höhere Macht dafür gesorgt hatte, dass sie übrig geblieben war, um ihrem Volk in der Stunde der größten Not eine Führerin zu sein. Ein Gedanke, der für Irishs Geschmack dem Glauben der Menschen zu nahe kam, um kein ungutes Gefühl in ihr zu hinterlassen. Deswegen hatte sie sich anfänglich gegen die Hochachtung, die man ihr zollte, gewehrt, am Ende jedoch einfach aufgegeben. Sie versuchte es zu ignorieren, zuckte aber immer noch zu oft bei den Blicken, die ihr zugeworfen wurden, zusammen.
Auch wenn alle ihre Führung akzeptierten, sie suchte doch beständig den Rat der anderen. Sie kannte sich mit der Jagd aus, mit dem Überbringen von Botschaften, sogar ein wenig mit der Landwirtschaft, da ihre Eltern Tunnelbauern gewesen waren. Aber für die Führung ihres Volkes hatte sie nicht geübt. Im ersten Monat nach der Katastrophe hatte sie vor allem lernen müssen, dass der Rat eines guten Jägers für die Jagd angemessen sein mochte, bei der Lösung solcher Probleme wie zum Beispiel der Unterbringung hunderter hungriger Jaltus wenig helfen würde.
Morgens, wenn fast alle schlafen gegangen waren, sich endlich die Unruhe gelegt hatte, und ein weiterer Tag vorübergegangen war, an dem die meisten überlebt hatte und sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, war sie einige Tage lang um das Lager gewandert, auf allen Vieren, wie die Jaltus es oft in ihren Gängen taten oder wenn sie durch das Unterholz schlichen. Sie hingegen hoffte damit vor allem den Augen ihrer Unterführer zu entgehen. Morgens war die Luft klarer, auch wenn der Duft ihres Volkes viele der anderen Gerüche überlagerte. Für die Jaltus war es ein Teil Heimat. Vermutlich lagen deswegen die Latrinen in ihrem Lager an anderen Orten als in Lagern anderer Rassen.
Bei einem ihrer morgendlichen Gänge, halb-taub vor Müdigkeit
, hatte sie zum ersten Mal wieder eine andere Quelle des Geruchs wahrgenommen. Ein wenig höher gelegen als die Löcher in der Erde. Sie hatte danach geschnuppert und einen Baum gefunden, dessen Rinde ein wenig abgeschält worden war, vermutlich mit den Zähnen. Ein Bild war dort gemalt, von einem Kind, wie der Geruch und auch das Bild deutlich machten. Es zeigte ein Feuer, nur ein Feuer, wie es durch eine Wand kam. Sie betrachtete es lange und schlief schließlich davor ein.
Als sie erwacht war, hatte sie eine Entscheidung getroffen, von der sie nicht einmal gewusst hatte, dass sie sie treffen musste.
Sie hatte ihre Ratgeber, Unterführer und alle, die sich immer um die Sitzungen herumtrieben, zu sich gerufen und sie gefragt:
„Von wo kommen die Drachen immer?“ Nach kurzem Zögern hatten sie durcheinander gerufen: „Vom Himmel!“ war die eine Antwort, „Aus dem Westen!“ diejenige, auf die sie gewartet hatte.
„Richtig, aus dem Westen.“ Sie hatte in die Richtung gezeigt. „Von dort müssen wir uns fern halten, damit die Drachen uns nicht wieder angreifen.“ Und damit deutete sie nach Osten. „Dorthin wollen wir, versteht ihr?“ Sie nickten. Sie wussten nicht, worum es ging, aber sie nickten. Irish hatte sie bereits mit dieser Versammlung überrascht und sie verstanden nicht, worum es ihr eigentlich ging.
„Was meinst du Irish?“
„Wir, wir alle, unser ganzes Volk, muss von hier wegziehen. Weiter weg von den Drachen. Wir müssen uns verstecken. Keine Städte mehr bauen. Nicht über der Erde. Wir müssen verschwinden.“