Book Read Free

Midnight Chronicles 02 - Blutmagie

Page 1

by Bianca Iosivoni u . Laura Kneidl




  Inhalt

  Titel

  Zu diesem Buch

  Widmung

  Playlist

  1. Kapitel

  2. Kapitel

  3. Kapitel

  4. Kapitel

  5. Kapitel

  6. Kapitel

  7. Kapitel

  8. Kapitel

  9. Kapitel

  10. Kapitel

  11. Kapitel

  12. Kapitel

  13. Kapitel

  14. Kapitel

  15. Kapitel

  16. Kapitel

  17. Kapitel

  18. Kapitel

  19. Kapitel

  20. Kapitel

  21. Kapitel

  22. Kapitel

  23. Kapitel

  24. Kapitel

  25. Kapitel

  26. Kapitel

  27. Kapitel

  28. Kapitel

  29. Kapitel

  30. Kapitel

  31. Kapitel

  32. Kapitel

  Epilog

  Danksagung

  Glossar & Personenverzeichnis

  Die Autorinnen

  Die Romane von Laura Kneidl und Bianca Iosivoni bei LYX

  Impressum

  LAURA KNEIDL

  BIANCA IOSIVONI

  MIDNIGHT

  CHRONICLES

  BLUTMAGIE

  ROMAN

  Zu diesem Buch

  Cain kann es nicht glauben: Ausgerechnet ihr ehemaliger Kampfpartner Warden beobachtet sie dabei, wie sie nachts allein einen Vampir erledigt, und verpetzt sie prompt beim Quartiersleiter. Da es den Huntern in Edinburgh streng verboten ist, ohne Unterstützung auf die Jagd zu gehen, wird Cain nicht nur bis auf Weiteres vom Dienst suspendiert, sie muss auch zur Strafe in der Waffenkammer arbeiten – gemeinsam mit Warden, der selbst nicht viel von Regeln hält! Dass die beiden Blood Hunter einst beste Freunde waren, die einander bedingungslos vertrauten, können sie sich heute kaum mehr vorstellen. Zu schwer wiegt der Schmerz, nachdem sie einander so sehr verletzt haben, und zu groß sind die Differenzen, die sie inzwischen trennen. Denn während es Cains Plan ist, irgendwann den Posten der Quartiersleiterin zu übernehmen, und sie sich deshalb keinen Fehltritt erlauben kann, verfolgt Warden noch immer nur ein einziges Ziel: Er möchte sich an Isaac, dem König der Vampire, rächen, für das, was er seinen Eltern vor drei Jahren angetan hat – koste es, was es wolle. Doch als Isaac eines Nachts zurückkehrt und Cains und Wardens Welt ein zweites Mal auf den Kopf stellt, haben sie keine andere Wahl, als erneut zusammen- zuarbeiten. Und während die beiden gemeinsam um Leben und Tod kämpfen, müssen sie sich fragen, ob es für sie nicht vielleicht doch eine zweite Chance geben kann …

  Für Marie und Nicole

  PLAYLIST

  Metallica – Shoot Me Again

  The Brothers Bright – Blood On My Name

  Jinjer – Who Is Gonna Be The One

  Miley Cyrus feat. French Montana – FU

  Bring Me The Horizon – Shadow Moses

  The Hives – Hate To Say I Told You So

  Slipknot – Nero Forte

  TOOL – Sober

  Casper – Sirenen

  Princess Nokia – Sugar Honey Iced Tea (S. H. I. T.)

  Nightwish – Devil & The Deep Dark Ocean

  Doja Cat – Boss Bitch

  Emil Bulls – Survivor

  Shinedown – DEVIL

  Spiritbox – Blessed Be

  Sleeping With Sirens – Agree To Disagree

  Jinjer – Perennial

  MILCK – Devil Devil

  Mike Shinoda – Fine

  Highly Suspect – Canals

  Apocalyptica – Master Of Puppets

  Ciara – Paint It, Black

  Halsey – Nightmare

  Sleeping At Last – Make You Feel My Love

  Lamb of God – Walk With Me in Hell

  The Prodigy – Spitfire

  1. KAPITEL

  Cain

  Blut tropfte von meinem Kinn.

  Fluchend zog ich die Serviette unter meinem Cocktail hervor und wischte mir über die Haut. Ich hätte es mit dem Kunstblut nicht so übertreiben sollen – aber was war schon ein Vampirkostüm ohne Blut? Ich knüllte die rote Serviette zusammen und sah mich nach einem Mülleimer um. Doch trotz meiner geschärften Sicht konnte ich im dämmrigen Licht des Clubs keinen entdecken. Er war gerammelt voll, und wohin ich auch blickte, entdeckte ich Hunter und Archivare, die sich unterhielten, miteinander lachten, tanzten und für ein paar Stunden verdrängten, dass sie wohl einen der gefährlichsten Jobs dieser Welt hatten.

  Für gewöhnlich liebte ich die Halloweenpartys, die das Quartier für uns Hunter alljährlich schmiss, zumindest für diejenigen von uns, die in dieser Nacht nicht auf den Straßen von Edinburgh patrouillierten. Doch dieses Jahr war es anders. Dieses Jahr musste ich mich zusammenreißen, denn ich war morgen Vormittag für einen Kindergeburtstag gebucht und konnte es mir nicht erlauben, dort verkatert zu erscheinen.

  Genervt stopfte ich die blutige Serviette in meine Hosentasche und trank den letzten Schluck meines Virgin Caipirinha. Ich wusste, dass ich auch ohne Alkohol Spaß haben konnte, aber es war schwer, Anschluss zu finden, wenn man die einzige nüchterne Person in einem Raum voller alkoholisierter Erwachsener war, die es nur darauf anlegten, eine Dummheit zu begehen. Ich fischte mir mit dem Strohhalm einen Eiswürfel aus dem Cocktailglas und schob ihn mir wie einen Bonbon in den Mund, um darauf herumzukauen. Allerdings war das mit den künstlichen Eckzähnen, die ich mir für den Abend angeklebt hatte, schwieriger als erwartet.

  Aus Richtung der Bar kam mein Kampfpartner Jules auf mich zugeschlendert, in der Hand hielt er zwei Gläser. Er schob mir eine Cola zu und setzte sich auf den freien Hocker neben mir. »Schau nicht so grimmig, Cain. Das hier ist eine Party, keine Beerdigung. Mach dich locker.«

  Ich warf ihm einen finsteren Blick zu – der mir nicht wirklich gelang. Dafür sah Jules einfach zu lächerlich aus. Das diesjährige Motto der Party lautete: »Die Kreaturen, die wir töten«. Jeder musste sich als eines der Wesen verkleiden, die er jagte. Ich war eine Blood Huntress, deswegen hatte ich mich für ein Vampirkostüm entschieden, Jules, der ein Grim Hunter war, für ein Werwolfkostüm. Allerdings kein billiges, wie man es in jedem Kostümladen finden konnte. Oh nein. Jules trug einen Anzug mit Blumenmuster, aus dessen Jackettärmeln Fellbüschel wuchsen, seine Klauen bestanden aus langen schwarzen Gelnägeln, und anstelle einer grausigen blutigen Maske mit gefletschten Zähnen hatte er sich einen Haarreif inklusive Hundeohren auf den Kopf gesetzt. Dass er über dem Anzug sein Amulett der Stufe 1 trug, das er auf eine geflochtene bunte Lederkordel gezogen hatte, machte es nicht besser. Er war der modischste, harmloseste und amüsanteste Werwolf, der mir je begegnet war.

  »Du hast leicht reden, immerhin musst du morgen keine Horde Kinder bespaßen.«

  »Das hast du dir selbst zuzuschreiben.«

  »Was hätte ich machen sollen? Den Auftrag nicht annehmen?«

  »Ja, genau das hättest du tun sollen. Agnes hätte auch eine andere Cinderella gefunden.«

  »Psst, nicht so laut«, zischte ich. Er war der Einzige, der wusste, wie ich mein Geld verdiente: indem ich bei Kindergeburtstagen als Prinzessin auftrat.

  Ich hasste meinen Job. Okay, das war gelogen. Er gefiel mir eigentlich sogar ziemlich gut. Meine Arbeitszeiten waren mehr oder weniger flexibel, es gab immer Kuchen, und die Bezahlung war in Ordnung, vor allem wenn man bedachte, dass ich mit dem Töten von Monstern keinen Cent ve
rdiente. Außerdem kam ich gut mit Kindern klar, weshalb ich auch zweimal die Woche Hunterkinder im Quartier unterrichtete und ihnen erstes Grundwissen vermittelte.

  Jules nippte an seinem Cocktail. »Ich versteh nicht, wieso dir das so peinlich ist.«

  »Du musst es auch nicht verstehen, nur deine Klappe halten«, sagte ich mit einem verbissenen Lächeln.

  Jules war nichts peinlich. Er interessierte sich nicht dafür, was die Leute über ihn und seine bunte Garderobe sagten, aber ich war nicht wie Jules. Mir war es nicht egal, was die anderen Hunter von mir dachten. Ich wollte, dass sie mich ernst nahmen, denn wenn ich erst zur Lachnummer für sie geworden war, könnte ich es vergessen, irgendwann die Leitung des Quartiers zu übernehmen. Zwar würde dies bestimmt noch zwei, drei Jahrzehnte dauern, da ich mit meinen neunzehn Jahren noch ziemlich jung war und reichlich Erfahrung sammeln musste, aber es war nie zu früh, die Grundpfeiler zu legen.

  Plötzlich erstarrte Jules neben mir. Seine Muskeln spannten sich an, und er wurde ganz ruhig. Es gab nur zwei Dinge auf der Welt, die ihm eine solche Reaktion entlockten. Und ganz bestimmt war gerade keine übernatürliche Kreatur in den Club marschiert. Was bedeutete …

  »Harper ist hier«, hauchte Jules so leise, dass ich ihn über das Wummern der Musik hinweg kaum verstehen konnte.

  Ich folgte seinem Blick zum Eingang. Sofort entdeckte ich Harper und ihren Bruder Holden. Es war praktisch unmöglich, die Zwillinge zu übersehen. Sie waren Magic Hunter und wie alle Jäger ihrer Art von einer übernatürlichen Schönheit, wodurch sie immer alle Blicke auf sich zogen. Sie hatten seidiges schwarzes Haar, große braune Augen und volle Lippen. Hätte Harper meinen Job, wäre sie zweifelsohne als Schneewittchen durchgegangen, obwohl sie – wenn man mich fragte – weitaus mehr Ähnlichkeit mit Maleficent hatte. Sie war ziemlich fies, aber aus mir unerklärlichen Gründen mochte Jules sie. Sehr sogar.

  »Das ist deine Chance«, sagte ich und verpasste ihm einen sanften Stoß mit dem Ellenbogen.

  Er starrte mich an. »Was?«

  Ich nickte zur Bar, auf die Harper und Holden zusteuerten. Holden hatte sich als billige Filmversion eines Hexers verkleidet. Er trug ein gräuliches Gewand, das bis zum Boden reichte, und einen langen grauen Bart, der ihn aussehen ließ wie Gandalf. Harper hingegen hatte sich mit ihrem Kostüm noch weniger Mühe gegeben als ich. Sie trug ihre normale Hunteruniform: schwarze Jeans, Stiefel, dunkles Top und Lederjacke. Einzig und allein die spitzen Ohren, die sie sich aufgesetzt hatte, gehörten nicht zu ihrer Standardkluft. »Sprich sie an.«

  Jules schüttelte heftig den Kopf. Im flackernden Licht der Clubbeleuchtung glaubte ich zu erkennen, dass er etwas blass um die Nase geworden war. »Auf keinen Fall. Du weißt, was dann passiert.«

  Ja, das wusste ich allerdings. Jedes Mal, wenn Jules versuchte, bei Harper zu landen, erteilte sie ihm eine Abfuhr. Was absolut unverständlich war, denn Jules war ein echter Fang. Und das sagte ich nicht nur, weil er mein Cousin war. Er sah gut aus mit seinem zerzausten roten Haar, den stechend blauen Augen und seinen kantigen Gesichtszügen. Außerdem war er witzig, intelligent, liebenswert und einer der besten Jäger, die ich kannte. Er war vielleicht nicht so groß und breitschultrig wie die meisten Grim Hunter, aber was ihm an angeborenen Vorteilen fehlte, machte er durch Disziplin und Entschlossenheit wett.

  »Wenn du nicht mit ihr reden willst, solltest du sie vergessen.«

  »Das ist leichter gesagt als getan.« Jules’ Blick wanderte erneut in Harpers Richtung. Sie lehnte an der Bar und lachte über etwas, das ihr Bruder gesagt hatte. Jules stieß ein tiefes Seufzen aus. »Wie kann ein Mensch nur so perfekt sein?«

  Ich schnaubte. »Setz die rosarote Brille ab, Jules. Sie ist ein Miststück, und du bist viel zu gut für sie.« Normalerweise war ich nicht so bissig, zumal ich Harper als Huntress respektierte, aber ich konnte sie nicht ausstehen. Sie hatte Jules bereits zu oft das Herz gebrochen, und ich hasste es, wie sie – und nur sie – es schaffte, sein Selbstbewusstsein auf Erbsengröße zusammenschrumpfen zu lassen.

  »Du verstehst das nicht.«

  »Richtig, tu ich nicht.«

  »Sie ist …« Jules hielt mitten im Satz inne und schüttelte den Kopf, als wollte er den Gedanken loswerden, den er gerade beinahe ausgesprochen hätte. »Weißt du was? Vergiss es. Hast du Lust zu tanzen?«

  »Sorry, heute nicht.« Ich war eindeutig zu nüchtern, um mich freiwillig vor meinen Kollegen zum Affen zu machen. »Ich glaub, ich pack’s für heute. Frag doch Ella, sie tanzt sicherlich gern mit dir.«

  »Ella ist vor einer halben Stunde abgezischt.«

  Ich runzelte die Stirn. »Schon? Aber sie ist doch erst vor einer Stunde gekommen.«

  »Jup. Anscheinend hat sie wichtige Soul-Huntress-Dinge zu erledigen«, antwortete Jules mit einem vielsagenden Blick in Richtung Ausgang. »Wayne ist fünf Minuten nach ihr gegangen. Vermutlich treiben sich irgendwo Geister herum, die dringend in die Unterwelt geschickt werden wollen.«

  »Awww, sei nicht traurig. Sicherlich findest du noch jemand anderen zum Tanzen«, tröstete ich Jules und hüpfte von meinem Hocker. »Wir sehen uns morgen zur Patrouille.«

  Jules lächelte. »Bis morgen.«

  Ich schlängelte mich durch die Horde der feiernden Hunter und Archivare, erst zur Garderobe und schließlich zum Ausgang. Erleichtert atmete ich die kühle Nachtluft ein, als ich ins Freie trat. Das erste Mal seit Stunden konnte ich richtig durchatmen, ohne dass mir der Geruch von Schweiß und Alkohol in die Nase stieg.

  Ich schlenderte die Victoria Street entlang in Richtung des alten Friedhofs am Calton Hill. Es war eine sternenklare Nacht, und ich beschloss, die zwanzig Minuten zum Quartier der Hunter zu laufen.

  Edinburgh war bereits bei Tag wunderschön, aber bei Nacht war die Stadt geradezu berauschend. In der Dunkelheit fühlte man sich zwischen all den alten Sandsteingebäuden wie in eine andere Zeit versetzt. Und die Lichter, die in den Häusern brannten, verliehen meiner Heimat etwas Magisches. Manchmal fragte ich mich, ob das der Grund dafür war, weshalb in Edinburgh mehr übernatürliche Kreaturen hausten als in vielen anderen Städten. So oder so konnte ich verstehen, weshalb man hier wohnen wollte – tot oder lebendig, menschlich oder nicht.

  Für gewöhnlich war es um diese Uhrzeit schon ziemlich ruhig auf den Straßen, aber die zahlreichen Halloweenpartys, die an jeder Ecke stattfanden, hatten die Leute aus ihren Wohnungen getrieben. Paarweise oder in Gruppen standen sie vor den Pubs beisammen, rauchten oder spazierten durch die Gegend auf der Suche nach der nächsten Party-Location.

  Ich zog meine Jacke enger um mich, da mich der kühle Wind frösteln ließ, und beschleunigte meine Schritte, als mir plötzlich der Duft von Rosmarin in die Nase stieg. Instinktiv spannten sich meine Muskeln an, und ich wurde wieder langsamer, während ich mich nach der Quelle des Geruchs umsah, der Gefahr bedeutete.

  Jede Art von Vampir hatte ihren eigenen Duft, den nur wir Blood Hunter wahrnehmen konnten. Manche Düfte waren leicht zuzuordnen – Owenga rochen beispielsweise nach Benzin und Dhampire nach Rauch –, andere wiederum waren weniger deutlich. Aber dieser Geruch nach Rosmarin gehörte unverkennbar zu einem von Isaacs Vampiren. Den klassischen Vampiren, wenn man so wollte. Verwandelte Menschen, die nach Blut gierten.

  Suchend ließ ich den Blick umherwandern, bis er auf einen Mann fiel, der allein unterwegs war. Und als wäre das an diesem Abend nicht schon untypisch genug, trug er außerdem kein Kostüm, sondern einen Hoodie, dessen Kapuze er sich tief ins Gesicht gezogen hatte, als hätte er etwas zu verbergen.

  Unauffällig beschleunigte ich meine Schritte wieder und schloss zu dem Kerl auf, um meinen Verdacht zu überprüfen.

  Wie erwartet, wurde der Geruch nach Rosmarin stärker.

  Ich heftete mich an die Fersen des Vampirs und zog mein Handy hervor. Mit der Kurzwahltaste rief ich Jules an.

  »Komm schon …«, murmelte ich zu mir selbst, als er nicht ranging.

  Ein Klicken ertönte, und sein Anrufbeantworter sprang an.

  Shit!

  Ich legt
e auf und rief ihn direkt noch einmal an, während ich dem Vampir weiterhin unauffällig folgte, was dank der zahlreichen Menschen auf den Straßen zum Glück nicht schwer zu bewerkstelligen war.

  »Hey, hier ist Jules. Ich kann leider gerade nicht …«

  Fuck.

  Vermutlich war es im Club zu laut, als dass er sein Handy hätte hören können. Und selbst wenn er ranginge, war ich mir nicht sicher, ob er nach drei Cocktails überhaupt noch in der Verfassung war, einen Vampir zu jagen. Besser ich stellte das nicht auf die Probe.

  Verunsichert presste ich die Lippen aufeinander. Ich brauchte meinen Kampfpartner, denn es war uns untersagt, allein auf die Jagd zu gehen. Andererseits konnte ich nicht zulassen, dass sich dieser Vampir ungehindert einen Mitternachtssnack suchte.

  Anstatt Jules erneut anzurufen, wählte ich die Nummer des Quartiers. »Gärtnerei Dagger. Was kann ich für Sie tun?«, meldete sich eine Frau, deren Stimme ich nicht erkannte. Wir verwendeten immer eine falsche Begrüßung, damit niemand, der sich womöglich verwählte, den Jägern auf die Schliche kam.

  »Cain Blackwood. CB170516EDI. Kannst du mein Handy orten?«, fragte ich so leise wie nur möglich.

  Wilde Tippgeräusche waren zu hören. »Ja, hab dich.«

  »Ich verfolge gerade einen Vampir und bräuchte Verstärkung.«

  »Uuh, leider ist es gerade ziemlich eng«, sagte die Frau mit deutlichem Bedauern in der Stimme. »Es laufen mehrere Einsätze. Verstärkung kann frühestens in einer halben Stunde kommen.«

  Eine halbe Stunde? In dieser Zeit könnte der Vampir Dutzende von Menschen abschlachten, wenn ihm danach war. Das konnte ich nicht zulassen. Es war vielleicht aus Sicherheitsgründen verboten, allein auf die Jagd zu gehen, aber in diesem Fall ging die Sicherheit von Unschuldigen über meine eigene.

  »Vergiss, dass ich angerufen habe. Jules und ich kümmern uns selbst darum«, log ich und legte auf, ohne eine Antwort abzuwarten, um nicht noch mehr Zeit zu verschwenden. Ich wusste, dass ich das hier eigentlich nicht tun sollte, aber mir blieb keine andere Wahl. Es war offensichtlich, dass dieser Vampir vor mir auf der Suche nach Nahrung war, und ich konnte nicht warten, bis er sie gefunden hatte.

 

‹ Prev