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Ahead of All Parting

Page 33

by Rainer Maria Rilke


  oh a vanishing one, stepped under the plummeting ball.

  (In memoriam Egon von Rilke)

  IX

  Rühmt euch, ihr Richtenden, nicht der entbehrlichen Folter

  und daß das Eisen nicht länger an Hälsen sperrt.

  Keins ist gesteigert, kein Herz—, weil ein gewollter

  Krampf der Milde euch zarter verzerrt.

  Was es durch Zeiten bekam, das schenkt das Schafott

  wieder zurück, wie Kinder ihr Spielzeug vom vorig

  alten Geburtstag. Ins reine, ins hohe, ins thorig

  offene Herz träte er anders, der Gott

  wirklicher Milde. Er käme gewaltig und griffe

  strahlender um sich, wie Göttliche sind.

  Mehr als ein Wind für die großen gesicherten Schiffe.

  Weniger nicht, als die heimliche leise Gewahrung,

  die uns im Innern schweigend gewinnt

  wie ein still spielendes Kind aus unendlicher Paarung.

  IX

  Don’t boast, you judges, that you have dispensed with torture

  and that convicts are no longer shackled by the neck or heel.

  No heart is enhanced, not one is—because a tender

  spasm of mercy twists your mouths into a smile.

  What the scaffold received through the ages, it has given back

  again, as children give back their battered old

  birthday toys. Into the pure and lofty and gatelike

  open heart he would differently enter, the god

  of true mercy. Sudden, huge, he would stride through and grip

  us dazzled with radiance all around.

  More than a wind for the massive confident ships.

  And not any less transforming than the deep intuition

  that wins us over without a sound

  like a quietly playing child of an infinite union.

  X

  Alles Erworbne bedroht die Maschine, solange

  sie sich erdreistet, im Geist, statt im Gehorchen, zu sein.

  Daß nicht der herrlichen Hand schöneres Zögern mehr prange,

  zu dem entschlossenem Bau schneidet sie steifer den Stein.

  Nirgends bleibt sie zurück, daß wir ihr ein Mal entrönnen

  und sie in stiller Fabrik ölend sich selber gehört.

  Sie ist das Leben,—sie meint es am besten zu können,

  die mit dem gleichen Entschluß ordnet und schafft und zerstört.

  Aber noch ist uns das Dasein verzaubert; an hundert

  Stellen ist es noch Ursprung. Ein Spielen von reinen

  Kräften, die keiner berührt, der nicht kniet und bewundert.

  Worte gehen noch zart am Unsäglichen aus …

  Und die Musik, immer neu, aus den bebendsten Steinen,

  baut im unbrauchbaren Raum ihr vergöttlichtes Haus.

  X

  All we have gained the machine threatens, as long

  as it dares to exist in the mind and not in obedience.

  To dim the masterful hand’s more glorious lingering,

  for the determined structure it more rigidly cuts the stones.

  Nowhere does it stay behind; we cannot escape it at last

  as it rules, self-guided, self-oiled, from its silent factory.

  It thinks it is life: thinks it does everything best,

  though with equal determination it can create or destroy.

  But still, existence for us is a miracle; in a hundred

  places it is still the source. A playing of absolute

  forces that no one can touch who has not knelt down in wonder.

  Still there are words that can calmly approach the unsayable …

  And from the most tremulous stones music, forever new,

  builds in unusable space her deified temple.

  XI

  Manche, des Todes, entstand ruhig geordnete Regel,

  weiterbezwingender Mensch, seit du im Jagen beharrst;

  mehr doch als Falle und Netz, weiß ich dich, Streifen von Segel,

  den man hinunter gehängt in den höhligen Karst.

  Leise ließ man dich ein, als wärst du ein Zeichen,

  Frieden zu feiern. Doch dann: rang dich am Rande der Knecht,

  —und, aus den Höhlen, die Nacht warfeine Handvoll von bleichen

  taumelnden Tauben ins Licht …

  Aber auch das ist im Recht.

  Fern von dem Schauenden sei jeglicher Hauch des Bedauerns,

  nicht nur vom Jäger allein, der, was sich zeitig erweist,

  wachsam und handelnd vollzieht.

  Töten ist eine Gestalt unseres wandernden Trauerns …

  Rein ist im heiteren Geist,

  was an uns selber geschieht.

  XI

  Many calmly established rules of death have arisen,

  ever-conquering man, since you acquired a taste

  for hunting; yet more than all traps, I know you, sailcloths of linen

  that used to be hung down into the caverns of Karst.

  Gently they lowered you in as if you were a signal

  to celebrate peace. But then: the boy began shaking your side,

  —and suddenly, from the caves, the darkness would fling out a handful

  of pale doves into the day …

  But even that is all right.

  Let every last twinge of pity be far from those who look on—

  far not just from the conscience of the vigilant, steadfast hunter

  who fulfills what time has allowed.

  Killing too is a form of our ancient wandering affliction …

  When the mind stays serene, whatever

  happens to us is good.

  XII

  Wolle die Wandlung. O sei für die Flamme begeistert,

  drin sich ein Ding dir entzieht, das mit Verwandlungen prunkt;

  jener entwerfende Geist, welcher das Irdische meistert,

  liebt in dem Schwung der Figur nichts wie den wendenden Punkt.

  Was sich ins Bleiben verschließt, schon ists das Erstarrte;

  wähnt es sich sicher im Schutz des unscheinbaren Grau’s?

  Warte, ein Härtestes warnt aus der Ferne das Harte.

  Wehe—: abwesender Hammer holt aus!

  Wer sich als Quelle ergießt, den erkennt die Erkennung;

  und sie führt ihn entzückt durch das heiter Geschaffne,

  das mit Anfang oft schließt und mit Ende beginnt.

  Jeder glückliche Raum ist Kind oder Enkel von Trennung,

  den sie staunend durchgehn. Und die verwandelte Daphne

  will, seit sie lorbeern fühlt, daß du dich wandelst in Wind.

  XII

  Will transformation. Oh be inspired for the flame

  in which a Thing disappears and bursts into something else;

  the spirit of re-creation which masters this earthly form

  loves most the pivoting point where you are no longer yourself.

  What tightens into survival is already inert;

  how safe is it really in its inconspicuous gray?

  From far off a far greater hardness warns what is hard,

  and the absent hammer is lifted high!

  He who pours himself out like a stream is acknowledged at last by Knowledge;

  and she leads him enchanted through the harmonious country

  that finishes often with starting, and with ending begins.

  Every fortunate space that the two of them pass through, astonished,

  is a child or grandchild of parting. And the transfigured Daphne,

  as she feels herself become laurel, wants you to change into wind.

  XIII

  Sei allem Abschied voran, als wäre er hinter

  dir, wie der Winter, der eben geht.

  Denn unter Wintern ist einer so endlos Winter,

  daß, überwinternd, dein Herz überhaupt übersteht.

  Sei immer tot in Eurydike—, singender steige,

  preisender steige zurück in den reinen Bezug.

  Hier, unter Schwindenden, sei,
im Reiche der Neige,

  sei ein klingendes Glas, das sich im Klang schon zerschlug.

  Sei—und wisse zugleich des Nicht-Seins Bedingung,

  den unendlichen Grund deiner innigen Schwingung,

  daß du sie völlig vollziehst dieses einzige Mal.

  Zu dem gebrauchten sowohl, wie zum dumpfen und stummen

  Vorrat der vollen Natur, den unsäglichen Summen,

  zähle dich jubelnd hinzu und vernichte die Zahl.

  XIII

  Be ahead of all parting, as though it already were

  behind you, like the winter that has just gone by.

  For among these winters there is one so endlessly winter

  that only by wintering through it will your heart survive.

  Be forever dead in Eurydice—more gladly arise

  into the seamless life proclaimed in your song.

  Here, in the realm of decline, among momentary days,

  be the crystal cup that shattered even as it rang.

  Be—and yet know the great void where all things begin,

  the infinite source of your own most intense vibration,

  so that, this once, you may give it your perfect assent.

  To all that is used-up, and to all the muffled and dumb

  creatures in the world’s full reserve, the unsay able sums,

  joyfully add yourself, and cancel the count.

  XIV

  Siehe die Blumen, diese dem Irdischen treuen,

  denen wir Schicksal vom Rande des Schicksals leihn,—

  aber wer weiß es! Wenn sie ihr Welken bereuen,

  ist es an uns, ihre Reue zu sein.

  Alles will schweben. Da gehn wir umher wie Beschwerer,

  legen auf alles uns selbst, vom Gewichte entzückt;

  o was sind wir den Dingen für zehrende Lehrer,

  weil ihnen ewige Kindheit glückt.

  Nähme sie einer ins innige Schlafen und schliefe

  tief mit den Dingen—: o wie käme er leicht,

  anders zum anderen Tag, aus der gemeinsamen Tiefe.

  Oder er bliebe vielleicht; und sie blühten und priesen

  ihn, den Bekehrten, der nun den Ihrigen gleicht,

  allen den stillen Geschwistern im Winde der Wiesen.

  XIV

  Look at the flowers, so faithful to what is earthly,

  to whom we lend fate from the very border of fate.

  And if they are sad about how they must wither and die,

  perhaps it is our vocation to be their regret.

  All Things want to fly. Only we are weighed down by desire,

  caught in ourselves and enthralled with our heaviness.

  Oh what consuming, negative teachers we are

  for them, while eternal childhood fills them with grace.

  If someone were to fall into intimate slumber, and slept

  deeply with Things—: how easily he would come

  to a different day, out of the mutual depth.

  Or perhaps he would stay there; and they would blossom and praise

  their newest convert, who now is like one of them,

  all those silent companions in the wind of the meadows.

  XV

  O Brunnen-Mund, du gebender, du Mund,

  der unerschöpflich Eines, Reines, spricht,—

  du, vor des Wassers fließendem Gesicht,

  marmorne Maske. Und im Hintergrund

  der Aquädukte Herkunft. Weither an

  Gräbern vorbei, vom Hang des Apennins

  tragen sie dir dein Sagen zu, das dann

  am schwarzen Altern deines Kinns

  vorüberfallt in das Gefäß davor.

  Dies ist das schlafend hingelegte Ohr,

  das Marmorohr, in das du immer sprichst.

  Ein Ohr der Erde. Nur mit sich allein

  redet sie also. Schiebt ein Krug sich ein,

  so scheint es ihr, daß du sie unterbrichst.

  XV

  O fountain-mouth, you generous, always-filled

  mouth that speaks pure oneness, constantly—

  you marble mask before the water’s still

  flowing face. And in the background, the

  slow descent of aqueducts. From far

  graves, and from the sloping Apennines,

  they bring you all your syllables, which pour

  down from your blackened, aging chin

  into the basin lying underneath.

  This is the intimate and sleeping ear,

  the marble ear, in which you always speak.

  An ear of Earth. Just with herself alone

  does she talk this way. And if a jug slips in,

  she feels that you are interrupting her.

  XVI

  Immer wieder von uns aufgerissen,

  ist der Gott die Stelle, welche heilt.

  Wir sind Scharfe, denn wir wollen wissen,

  aber er ist heiter und verteilt.

  Selbst die reine, die geweihte Spende

  nimmt er anders nicht in seine Welt,

  als indem er sich dem freien Ende

  unbewegt entgegenstellt.

  Nur der Tote trinkt

  aus der hier vons uns gehörten Quelle,

  wenn der Gott ihm schweigend winkt, dem Toten.

  Uns wird nur das Lärmen angeboten.

  Und das Lamm erbittet seine Schelle

  aus dem stilleren Instinkt.

  XVI

  Over and over by us torn in two,

  the god is the hidden place that heals again.

  We are sharp-edged, because we want to know,

  but he is always scattered and serene.

  Even the pure, the consecrated gift

  he takes into his world no other way

  than by positioning himself, unmoved,

  to face the one end that is free.

  Only the dead may drink

  from the source that we just hear, the unseen pool,

  when the god, mute, allows them with a gesture.

  Here, to us, only the noise is offered.

  And the lamb keeps begging for its bell

  because of a more quiet instinct.

  XVII

  Wo, in welchen immer selig bewässerten Gärten, an welchen

  Bäumen, aus welchen zärtlich entblätterten Blüten-Kelchen

  reifen die fremdartigen Früchte der Tröstung? Diese

  köstlichen, deren du eine vielleicht in der zertretenen Wiese

  deiner Armut findest. Von einem zum anderen Male

  wunderst du dich über die Größe der Frucht,

  über ihr Heilsein, über die Sanftheit der Schale,

  und daß sie der Leichtsinn des Vogels dir nicht vorwegnahm und nicht die Eifersucht

  unten des Wurms. Giebt es denn Bäume, von Engeln beflogen,

  und von verborgenen langsamen Gärtnern so seltsam gezogen,

  daß sie uns tragen, ohne uns zu gehören?

  Haben wir niemals vermocht, wir Schatten und Schemen,

  durch unser voreilig reifes und wieder welkes Benehmen

  jener gelassenen Sommer Gleichmut zu stören?

  XVII

  Where, inside what forever blissfully watered gardens, upon what trees,

  out of what deep and tenderly unpetaled flower-cups,

  do the exotic fruits of consolation hang ripening? Those

  rare delicacies, of which you find one perhaps

  in the trampled meadows of your poverty. Time and again

  you have stood there marveling over the sheer size of the fruit,

  over its wholeness, its smooth and unmottled skin,

  and that the lightheaded bird or the jealous worm under the ground had not

  snatched it away from your hands. Are there such trees, flown through

  by angels and so strangely cared for by gardeners hidden and slow

  that they bear their fruit to nourish us, without being ours?

  Is it true we have never been able (we who are only

  shadows and shades), through our ripening
and wilting so early,

  to disturb the enormous calm of those patient summers?

  XVIII

  Tänzerin: o du Verlegung

  alles Vergehens in Gang: wie brachtest du’s dar.

  Und der Wirbel am Schluß, dieser Baum aus Bewegung,

  nahm er nicht ganz in Besitz das erschwungene Jahr?

  Blühte nicht, daß ihn dein Schwingen von vorhin umschwärme,

  plötzlich sein Wipfel von Stille? Und über ihr,

  war sie nicht Sonne, war sie nicht Sommer, die Wärme,

  diese unzählige Wärme aus dir?

  Aber er trug auch, er trug, dein Baum der Ekstase.

  Sind sie nicht seine ruhigen Früchte: der Krug,

  reifend gestreift, und die gereiftere Vase?

  Und in den Bildern: ist nicht die Zeichnung geblieben,

  die deiner Braue dunkler Zug

  rasch an die Wandung der eigenen Wendung geschrieben?

  XVIII

  Dancing girl: transformation

  of all transience into steps: how you offered it there.

  And the arm-raised whirl at the end, that tree made of motion,

  didn’t it fully possess the pivoted year?

  Didn’t it, so that your previous swirling might swarm

 

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