Book Read Free

Love is Wild – Uns gehört die Welt (Love-is-Reihe 3): Roman (German Edition)

Page 23

by Engel, Kathinka


  Ich folge ihm ins Bad, unter die Dusche.

  »Mach die Augen zu«, raunt er an meinem Ohr, und ich tue, wie mir geheißen.

  Er beginnt mich einzuseifen. Seine Hände gleiten über meinen nassen Körper, und ich muss mich an die Wand lehnen, weil ich fürchte, meine Beine könnten nachgeben. Er knabbert an meinem Ohrläppchen, an meinem Hals. Ich lasse meine Hände über seinen muskulösen Oberkörper wandern. Mit geschlossenen Augen nehme ich alles nur noch stärker wahr, obwohl ich jede Stelle seines Körpers eigentlich auswendig kenne.

  Meine Hand umfasst seinen erigierten Penis, während er seine Finger in mich schiebt …

  »Curtis?«, ertönt die Stimme meines kleinen Bruders an der Tür.

  »Fuck!«, flüstere ich. »Hast du abgesperrt?«

  »Hab ich«, sagt er leise und hält in der Bewegung inne.

  »Curtis?«

  »Ich bin in der Dusche«, ruft er, und ich spüre, wie er seine Finger in mir bewegt.

  »Kommst du danach mit Beowulf und mir nach draußen?«

  »Äh …« Er küsst mich auf die Schulter.

  »Ich dachte, wir könnten das Lexikon mitnehmen, schauen, ob wir irgendwelche Vögel erkennen.«

  »Das klingt toll«, sagt Curtis und lacht leise in mein Ohr. »Das darf nicht wahr sein!«, flüstert er.

  »Hast du Amory heute Morgen schon gesehen?«, fragt Nicky weiter.

  »O ja«, raunt er in mein Ohr. »Nein, keine Ahnung, was die treibt«, sagt er lauter. Dann wieder leise: »Ich weiß nur, mit wem.«

  »Hm. Okay. Wie lange brauchst du noch?«

  »Ich war eigentlich schon ziemlich weit«, sagt er nur zu mir, doch ich spüre, wie sein Penis langsam erschlafft. »Bin gleich fertig!« Er seufzt, und ich kichere, als er sich frustriert zurückzieht und mir einen heißen Kuss auf die Lippen gibt.

  »Und Mom fragt, ob du erst frühstücken willst, bevor wir losgehen.«

  »Ich glaube, Frühstück wäre nicht schlecht, oder?«

  »Hm. Ja, wahrscheinlich. Du? Wenn das hier dein Haus wäre, dürfte Alba dann rein?«

  »Er hört einfach nicht auf!« Curtis klingt fast verzweifelt, und ich muss noch heftiger lachen. So heftig, dass Curtis mir die Hand auf den Mund presst. »Sei still!«, sagt er glucksend, ersetzt seine Hand durch seine Lippen. Dann ruft er: »Darüber muss ich nachdenken.«

  Wir lösen uns mit einem halb enttäuschten, halb amüsierten Schulterzucken voneinander.

  »Ich find’s halt einfach nicht fair. Warum dürfen Hunde und Katzen ins Haus, aber andere nicht? Frösche und Hühner haben doch genauso ein Recht auf Gemütlichkeit.«

  »Du hast wahrscheinlich recht«, sagt Curtis, während er sich nun selbst einseift und sich die Haare wäscht. »Das hier ist nur aufgeschoben«, flüstert er. Danach duscht er sich ab und verlässt die Kabine.

  34

  Curtis

  »Ich glaube, es ist ein Braunkopfkleiber«, flüstert Nicky.

  Wir haben uns am Rand eines kahlen Maisfelds auf die Lauer gelegt, achten auf jedes Geräusch, jede Bewegung. Nicky reicht mir das Fernglas, obwohl der Kleiber – wenn es denn einer ist – so nah ist, dass ich ihn wunderbar auch so erkennen kann.

  »Schau, er hat die grauen Federn und den braunen Kopf.«

  Ich nicke. »Ja, sieht so aus.«

  In Gedanken bin ich nicht so ganz bei der Sache, sondern immer noch unter der Dusche mit Amory. Oder bei letzter Nacht. Oder vorletzter. Jedenfalls in Amory. Es fühlt sich einfach verflucht noch mal viel zu gut an. Bei ihr zu sein.

  Wenn wir einfach eine Hütte irgendwo im Wald hätten. Aus dem Trott heraustreten könnten, ohne Menschen um uns herum. Ohne all diesen Ballast. Wenn ich einfach nicht so sehr ich wäre, sondern anders. Gut. Oder wenigstens besser.

  Ich kriege eine Gänsehaut, während ich mich an das Gefühl ihrer Haut auf meiner Haut erinnere. Meine Hose wird eng, und ich fluche leise, denn das kann ja wohl wirklich nicht mein Ernst sein.

  »Was ist?«, fragt Nicky.

  »Mein Fuß ist eingeschlafen«, sage ich, ändere meine Position und zeige dann auf einen Ast über uns. Erst nur, um von mir abzulenken, doch dann sehe ich, dass dort tatsächlich ein Vogel sitzt.

  Nicky reißt mir das Fernglas aus der Hand. »Ein Rotkehlchen«, sagt er. »Die mag ich. Die erkenne ich auch ohne Lexikon.«

  Wir sehen noch ein paar Kleiber und einen Buntspecht – das Highlight unserer kleinen Exkursion. Beowulf schläft mit dem Kopf auf Nickys Beinen. Diesen Hund beeindruckt einfach nichts mehr.

  »Warum müsst ihr morgen schon wieder fahren?«, fragt Nicky, als wir uns langsam auf den Rückweg machen.

  Ja, warum? Warum können wir nicht einfach hierbleiben? Genießen, was wir haben? Hier fühlt sich alles so leicht an. »Amory will das leere Büro ausnutzen, solange ihre Kollegen nicht da sind. Und ich habe übermorgen einen Gig.«

  »Das ist scheiße«, sagt Nicky, und ich stimme ihm voll und ganz zu. »Ihr seid jedes Mal nur so kurz da.«

  »Vielleicht können wir im neuen Jahr ja noch mal kommen«, überlege ich laut. »Für ein verlängertes Wochenende oder so.«

  Er nickt. »Wenn du da bist, ist es immer viel lustiger.«

  Mir fällt das Schlucken wieder schwer. »Glaub mir, das sagst du nur, weil ich so wenig hier bin.« Ich vergrabe meine Hände tief in meinen Hosentaschen und ziehe den Kopf gegen den kalten Wind ein.

  »Nein, das sage ich, weil es schön ist, einen Freund hier zu haben. Nicht, dass Amory nicht auch cool ist. Aber sie ist meine Schwester. Die muss ich ja sozusagen mögen.«

  »Ich freu mich auch immer«, sage ich leise.

  Kurz bevor wir zurück auf den Hof kommen, sehen wir noch zwei Trauertauben, und obwohl es die hier überall gibt, ist Nicky ganz aus dem Häuschen. »Was heißt monogam?«, fragt er, nachdem er in seinem Lexikon gelesen hat.

  »Dass sie ihr Leben lang nur einen Partner haben.«

  »Wusstest du, dass Tauben monogam sind?«, fragt er.

  »Ich glaube, ich habe das schon mal gehört.«

  »Sind viele Tiere monogam?«

  »Keine Ahnung. Ich glaube, Gänse und Pinguine. Und Menschen.«

  »Aber nicht alle, oder? Patricks Dad ist nicht monogam.«

  »Wer ist Patrick?«, frage ich.

  »Wir fahren zusammen im Schulbus. Und seine Mom ist es wohl, aber sein Dad hat jetzt eine andere Frau.«

  »Das ist ja blöd für seine Mom.«

  »Woher weiß man, ob man monogam ist?«, fragt Nicky.

  »Du stellst Fragen …«

  »Bist du monogam?«

  Ich denke an Amory. »Ich glaube schon.«

  »Ich glaub, ich bin’s auch. Es sei denn, ich müsste Rosie heiraten. Dann hätte ich gern noch eine Frau, die nicht ganz so jung ist.«

  »Man kann sich ja Gott sei Dank aussuchen, wen man heiratet. Und wann.«

  »Ja.« Er denkt einen Moment nach. »Wann willst du heiraten?«

  Ich lache. »Ähm … Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob das so eine gute Idee wäre, wenn ich heirate.«

  »Aber du bist doch monogam!«

  »Ja, aber Tauben heiraten ja auch nicht.«

  »Willst du in wilder Ehe leben?«

  Ich pruste los. »Was?«

  »In wilder Ehe. So wie Patricks Dad und seine neue Frau. Dem lieben Gott gefällt das nicht.«

  »Woher hast du das denn?«

  »Das haben ein paar andere Moms gesagt.«

  »Meistens gebe ich nicht viel auf das, was dem lieben Gott gefällt.« Er hat bislang ja auch nicht viel auf mich gegeben.

  »Ich auch nicht.«

  »Und was sagen deine Eltern dazu?«, frage ich.

  »Die sagen, eigentlich ist die Woche zu kurz, um in die Kirche zu gehen. Aber dann würden die Nachbarn komisch schauen.«

  Ich muss lachen. Das passt zu Agatha und Seth. Harte Arbeit, Pragmatismus, Witz. Genauso habe ich sie kennengelernt.

  Da unsere Schuhe ziemlich erdig sind, ziehen wir sie auf der Veranda aus. Drinnen ist es gemütlich warm, duftet nach Kaminfeuer und Tannennadeln.

  »Mom«, ruft Nicky, »Curtis und ich sind monogam!«

/>   Er läuft in die Küche. Und noch ehe ich den kleinen Eingangsbereich verlassen kann, steht Amory vor mir.

  »Soso«, sagt sie leise mit einem Grinsen im Gesicht. »Worüber habt ihr denn geredet?«

  »Über Tauben«, antworte ich wahrheitsgemäß und lasse sie näher und noch näher kommen.

  »Ich hätte dich nicht für einen Täuber gehalten«, sagt sie glucksend und drängt mich gegen die Garderobe. Langsam verschwinde ich zwischen den Jacken, lege meine Hände um ihre Hüfte. Für Amory könnte ich ein Täuber sein, denke ich. Und dann denke ich nichts mehr, denn ihr Mund liegt auf meinem, ihre Zunge ist zwischen meinen Lippen, und für viel zu kurze dreißig Sekunden ergeben wir uns in einen leidenschaftlichen Kuss. Plötzlich löst sie sich abrupt von mir, als wäre nichts passiert, als würde es nicht in meiner Hose pochen, als würde ich nun nicht während des gesamten Mittagessens an Sex mit Amory denken. Und während wir mit Nicky eine Folge Planet Earth schauen. Während Agatha Alba aus dem Haus scheucht. Während Amory mathematische Papers liest und über ein paar WhatsApp-Nachrichten die Stirn runzelt … Ich sehe nur sie.

  Während wir für das feierliche Silvesteressen den Tisch decken, uns wenig später einfinden, uns über das Roastbeef hermachen … Ich sehe nur Amory.

  Während Seth erzählt, dass eine seiner Kühe eine Zwillingsgeburt fast nicht überlebt hat, Agatha mir immer wieder großzügig Essen auf meinen Teller schaufelt, Nicky seine Eltern fragt, wie monogam sie sind … Ich sehe nur Amory.

  Während wir abends zusammensitzen, selbst gemachten Eggnog trinken, den beleuchteten Weihnachtsbaum ansehen und von Gemütlichkeit erfüllt sind … Ich sehe nur Amory.

  Während wir um zehn Sekunden vor zwölf den Countdown ins neue Jahr hinunterzählen, um zwölf Uhr anstoßen, ein paar Raketen vor dem Haus zünden … Ich sehe nur Amory.

  Ich kann es nicht erwarten, bis sie sich endlich in mein Zimmer schleicht, den Bademantel von den Schultern fallen lässt und ihre Nacktheit mit mir teilt. Ich stürze mich auf sie mit noch größerer Gier, noch größerem Hunger, als ich je für möglich gehalten hätte. Es ist, als hätten die letzten Nächte uns wiedererweckt. Erneut schlafen wir kaum, sind ineinander verschlungen, verschwitzt, voller Lust aufeinander.

  Nachdem ich zum dritten Mal in ihr gekommen bin, bin ich völlig ausgelaugt. Beinahe ausgesaugt. Ich bestehe aus nichts als befriedigter Mattheit, bette meinen Kopf erneut auf ihren Bauch und schlafe mit den Lippen an ihrer Brust ein.

  Der Abschied am nächsten Vormittag ist herzlich, aber traurig. Besonders Nicky zieht einen Flunsch, die Augen zusammengekniffen, die Arme um Beowulf geschlungen.

  Agatha und auch Seth umarmen mich fest, und ich frage mich, ob sie mich immer noch so wohlwollend betrachten würden, wüssten sie, was ich letzte Nacht mit ihrer Tochter angestellt habe. Und was ich mit ihr anstellen werde, wenn wir wieder genug Kondome in Reichweite haben.

  Wir fahren langsam vom Hof, doch sobald wir außer Sichtweite sind, fährt Amory rechts ran.

  »Können wir kurz reden?«, fragt sie. Sie muss meinen alarmierten Gesichtsausdruck bemerken, denn sie schiebt hinterher: »Schau nicht so. Keine Sorge, nichts Wildes.«

  »Okay«, sage ich skeptisch.

  »Ich wollte dir sagen, dass ich Richard geantwortet habe. Er hat mir mehrfach schöne Weihnachten gewünscht. Und ich bin schließlich weich geworden und habe ihm zurückgeschrieben.«

  »Okay«, sage ich erneut, die Skepsis nun deutlich hörbarer.

  »Ich glaube, ihm tut die Sache wirklich leid, und ich finde, das Leben ist zu kurz, um einen Groll gegen jemanden zu hegen. Deswegen.«

  »Okay.« Meine Eingeweide verknoten sich, und ich merke, wie die Entspannung, die ich während der letzten Tage gespürt habe, einfach verpufft.

  »Aber das hat nichts mit … der Sache zwischen uns zu tun. Richard und ich sind Geschichte.« Sie kaut auf ihrer Unterlippe herum. Sie hat nicht »mit uns« gesagt, das ist mir nicht entgangen. »Die Sache zwischen uns« klingt viel lockerer. Lockerer, als ich es mir wünsche, doch das kann Amory nicht wissen. Und ich kann es mir nicht leisten, Forderungen zu stellen. Im Gegenteil: Ich nehme, was ich kriegen kann, bevor sie merkt, dass ich unter ihrer Würde bin.

  »Du kannst machen, was du willst«, sage ich deswegen. »Keine Sorge, ich komme schon klar. Wir haben Spaß, solange wir Bock drauf haben.« Dass sich der Knoten in meinem Bauch immer fester zieht, mir beinahe übel wird, während ich das sage, ignoriere ich.

  »Oh, ach so«, sagt sie und lächelt. »Dann … ist ja alles klar. Auf nach Hause also.«

  »Auf nach Hause«, sage ich und balle die Hände zu Fäusten.

  35

  Amory

  Hätte ich gewusst, dass Richard die gleiche Idee hatte wie ich – kurz nach Weihnachten die Ruhe im Büro zu nutzen –, wäre ich noch länger bei meinen Eltern geblieben. Aber immerhin zahlt sich bei unserem ersten Aufeinandertreffen nun aus, ihn nicht ignoriert zu haben.

  »Oh, ich dachte, ich hätte das Büro für mich«, sage ich und bleibe in der Tür stehen.

  »Da hatten wir wohl denselben Gedanken.« Er fährt sich durch die Haare. »Frohes neues Jahr.«

  »Dir auch.« Ich setze mich an meinen Schreibtisch und fahre den Computer hoch. Heute will ich ein paar langwierige Berechnungen durch das Programm jagen, die ich für ein Paper mit Said brauche. Mein Laptop zu Hause hat nicht genug Rechenkapazitäten, und so bleibt mir nichts anderes übrig, als mir mit meinem Ex das Büro zu teilen.

  »Es ist … schön, dich zu sehen«, sagt er hinter seinem Bildschirm.

  »Ist schon okay, Richard. Wir können einfach schweigen.« Ich will nicht, dass er das Gefühl hat, irgendwas wiedergutmachen zu müssen. Das habe ich wirklich nicht nötig.

  »Ich meine es aber ernst. Ich … ähm …«

  Ich beuge mich etwas zur Seite, um ihn ansehen zu können. Er blickt angestrengt auf seine Tischplatte.

  »Du hast mir keine Chance gegeben.«

  »Wie meinst du das?«

  »Du hast meine Nachrichten einfach ignoriert.«

  »Weil wir Schluss gemacht haben und ich gerne meine Ruhe wollte.«

  »Du hast Schluss gemacht.«

  »Aus gutem Grund.«

  »Ja, okay, das kann ich nicht einschätzen. Aber du solltest wissen, dass ich nichts von dem, was dich offenbar so wütend gemacht hat, böse gemeint habe.«

  Ich runzle die Stirn. »Dass ich dir zu dick bin, um mit mir zu schlafen? Dass ich dir zu laut bin, um mit mir in der Öffentlichkeit zu essen? Dass …« Ich bin einigermaßen perplex. Kann es sein, dass er echt keine Ahnung hatte, was er angerichtet hat?

  »Ich würde mich gerne mit dir unterhalten. Richtig. Bei einem Drink. Noch lieber bei einem Abendessen. Mich entschuldigen, wenn das bei dir echt so angekommen ist. Dann bin ich offensichtlich über das Ziel hinausgeschossen.«

  Ich schnaube. »Ehrlich gesagt, habe ich darauf keine Lust. Nimm es mir nicht übel, aber davon hätte ich nichts.«

  »Aber ich vielleicht.«

  »Um dich geht’s mir gar nicht.«

  Auf einmal ist mir die Berechnung völlig egal. Ich stehe auf, packe meine Sachen und verlasse den Raum. Er ruft mir noch zweimal hinterher, doch ich drehe mich nicht um.

  Erst zu Hause sehe ich die Nachrichten und Anrufe von ihm.

  Ich war ein Idiot.

  Ich würde es gerne wiedergutmachen.

  Gibst du mir noch eine Chance?

  Ich schnaube, werfe das Handy auf mein Bett und lasse mir ein heißes Bad ein. Es nervt mich, dass mich der Alltag hier sofort wieder eingeholt hat. Dass ich, statt ordentlich zu arbeiten, schon wieder Richard-Frust schiebe. Obwohl er mir eigentlich egal sein könnte. Aber ich will ihn nicht einmal in meinen Gedanken, geschweige denn im Büro mir gegenüber.

  Als Curtis von seiner Bandprobe nach Hause kommt, ist das Wasser lauwarm und meine Haut ganz schrumpelig. Kurz überlege ich, ob ich ihm von Richard erzählen sollte, vielleicht täte es mir sogar ganz gut, mir die Sache von der Seele zu reden, aber dann fällt mir sein Gesichtsausdruck ein, wann immer ich den Namen Richard erwähne, und ich lasse es bleiben. Wir essen Tiefkühlpizza
, und Curtis löst den ersten Gutschein ein. Gutschein für einmal Film aussuchen ohne Diskussion.

  Der Alltag hat uns wieder. Mein Büro füllt sich mit jedem Tag mehr, sodass es mir gelingt, ohne schlechtes Gefühl dort zu arbeiten. Richard versucht mich ein paarmal zu überreden, mit ihm allein zu Mittag essen zu gehen, doch das kann er sich in die Haare schmieren.

  Er fängt an, mir Dinge aus seinem Leben zu erzählen, fragt mich über meine Weihnachtstage aus. Er wirft mir an unseren Bildschirmen vorbei traurige Blicke zu. Als er eines Abends nach seinem Training ungeduscht seine Sachen aus dem Büro holt, stelle ich fest, dass sein Geruch, sein Schweiß in Kombination mit herbem Deo-Duft, gar nicht mehr attraktiv riecht. Ich steige auf einen Stuhl und reiße das kleine Fenster direkt unter der Decke auf. Danach bin ich so erleichtert, dass ich erst mal eine halbe Stunde vor mich hin grinse.

  Noch auf dem Heimweg freue ich mich darüber, dass diese Episode für mich nun endgültig abgeschlossen scheint. In einem kleinen Eckladen kaufe ich eine Flasche Sekt und schicke Curtis eine Nachricht.

  Ich glaube, ich würde gerne mit dir auf das Leben anstoßen.

  Der Korken knallt, und eine kleine Fontäne schießt oben raus. Ich kreische, Curtis lacht und ruft: »Trink! Schnell!«

  Der Sekt ist süß und blubbert angenehm in meinem Mund. Allerdings verschlucke ich mich fast, weil es einfach zu viel Schaum ist.

  »Also dann, auf das Leben, oder?«, sagt er und hebt sein Glas.

  Wenn wir zusammen in der Wohnung sind, ist es beinahe, als wären wir zusammen. Wir berühren uns, wir küssen uns. Es ist anders als während der letzten Jahre, in denen wir ab und zu miteinander im Bett gelandet sind. Das war immer gut, immer genau das, was wir brauchten. Aber seit Weihnachten hat sich etwas verschoben. Hin zu mehr Zärtlichkeit. Mehr Vertrautheit. Und es macht, dass mein Magen hüpft und mein Körper glüht. Auch wenn ich weiß, dass das keine gute Idee ist, dass ich schon wieder ein Risiko eingehe, diesmal allerdings sehenden Auges.

  Wir sitzen im Wohnzimmer auf der Couch, ich im Schneidersitz, er mit einem angewinkelten Bein. Unsere Knie berühren sich, und Curtis’ Hand ruht auf meinem Oberschenkel.

  »Weißt du, wer gestern im Cat’s Cradle war und sich sehr seltsam benommen hat?«, fragt er.

 

‹ Prev