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Love is Wild – Uns gehört die Welt (Love-is-Reihe 3): Roman (German Edition)

Page 24

by Engel, Kathinka


  »Wer?«

  »Esmé.«

  Esmé. Meine ehemalige beste Freundin.

  »Was will die denn?« Eine Zeit lang war sie relativ präsent, weil Link es für eine gute Idee hielt, mit ihr zu schlafen. Aber in den letzten Monaten kam sie nicht mehr zu Gigs von After Hours. »Und inwiefern hat sie sich merkwürdig verhalten?«

  Curtis lässt seine Finger mein Bein entlangwandern. »Sie … äh … hat meine Nähe gesucht.«

  Das ist neu. Also, es ist nicht ganz neu, dass sie die Nähe von Kerlen sucht, mit denen ich schlafe, die mir etwas bedeuten. Denn genau auf die Weise ist unsere Freundschaft zerbrochen. Doch bislang hat sie um Curtis immer einen Bogen gemacht. Woher weiß dieses Miststück überhaupt, dass Curtis und ich etwas miteinander haben?

  »Und?«, frage ich und bemühe mich nun um einen coolen Tonfall. »Wäre sie denn dein Geschmack?«

  Curtis lacht. »Nenn mir einen Kerl, dessen Geschmack sie nicht ist.«

  Ich halte seine Hand fest, die den Weg unter meinen Tulane-Hoodie gesucht hat, und lege sie auf die Sofalehne. Ihn das sagen zu hören tut weh, obwohl ich natürlich kein Anrecht auf ihn habe. Das weiß ich. Es ist ein Arrangement. Ein funktionierendes, das nicht komplizierter gemacht werden sollte, als es ohnehin schon ist.

  »Bevor du etwas mit ihr anfängst, frag mal Link, ob das so schlau wäre«, empfehle ich und klinge pissiger, als mir guttut. Schließlich hatte Link mit ihr am Ende mehr Stress als Spaß. Und so, wie ich Esmé kenne, trifft das auf all ihre anderen Männergeschichten ebenfalls zu.

  »Wer sagt denn, dass ich etwas mit ihr anfangen will?«, fragt Curtis ein bisschen verwirrt.

  »Na ja, wenn sie doch dein Geschmack ist …«

  »Viele Frauen sind mein Geschmack. Das heißt ja nicht unbedingt, dass ich mit allen von ihnen ins Bett will.«

  »Wenn du meinst.« Es gefällt mir nicht, dass ich eifersüchtig bin. Aber die Vorstellung, dass Esmé mir ein weiteres Mal einen Kerl ausspannt – auch wenn dieser Kerl nicht mein fester Freund ist –, lässt Wut in mir hochkochen. Ich weiß, dass ich kein Recht habe, auf Curtis wütend zu sein. Doch Esmé ist für mich wie ein rotes Tuch. Wahrscheinlich ein ebenso rotes Tuch wie Richard für Curtis.

  »Richard und ich gehen übrigens wieder ganz zivilisiert miteinander um«, sage ich. Ich weiß nicht einmal, wo dieser Drang herkommt, Curtis ebenso eifersüchtig zu machen. Es ist bescheuert, und ich fühle mich klein. Ich hasse es, dass diese zwei Menschen es geschafft haben, mein Selbstbewusstsein schrumpfen zu lassen. Und ich kämpfe dagegen an, aber manchmal ist es einfach zu viel.

  »Ich wusste gar nicht …« Er schluckt. »… dass ihr wieder viel Kontakt habt.«

  Es ist dumm von mir, Genugtuung dabei zu empfinden. Dumm, dumm, dumm. Doch die Vorstellung von Esmé, die um Curtis’ Aufmerksamkeit buhlt, kriege ich nicht aus dem Kopf.

  »Wir sehen uns im Büro. Fast jeden Tag. Er will wohl so was wie eine Aussprache.« Ich lasse es beiläufig klingen, merke allerdings, wie sich nun auch Curtis sichtlich anspannt.

  »Und du?« Er fährt sich mit der Hand über den Nacken.

  »Ich weiß nicht. Vielleicht noch nicht. Keine Ahnung.« Ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht wäre es fair, ihm genau auseinanderzusetzen, was schiefgelaufen ist. Vielleicht täte ich damit der Frauenwelt einen Gefallen. Dann muss sich seine nächste Freundin nicht mit dem gleichen Quatsch herumärgern. Aber als ich in Curtis’ Gesicht blicke, rudere ich zurück. »Bislang ignoriere ich ihn einfach.«

  Eine Weile sitzen wir schweigend nebeneinander, nippen an unserem Sekt.

  »Das ist doch scheiße«, sagt Curtis, und mir ist sofort klar, was er meint. Es scheint, als wäre unsere Zweisamkeit einzig in unseren eigenen vier Wänden sicher. Und das auch nur, wenn sich niemand sonst zwischen uns drängt. »Lass uns ins Bett gehen. Dabei kann nichts schiefgehen.«

  Und es stimmt. Auch wenn wir heute Abend nicht bei der Sache sind. Die Lockerheit fehlt. Der Spaß ist verpufft. Und die Erkenntnis, dass wir beide zusammen vielleicht zu fragil sind, um es in der Realität gemeinsam hinzukriegen, bricht mir das Herz. Denn ich versuche zwar die Starke zu sein. Versuche, mich von nichts auf der Welt aus der Ruhe bringen zu lassen. Aber Tatsache ist, ich will es unkompliziert und schön. Und Curtis bleibt Curtis.

  36

  Curtis

  Einer nach dem anderen springen wir auf die Bühne des Cat’s Cradle. Ich setze mich hinter das Schlagzeug und stelle eine Wasserflasche neben mich.

  »Guten Abend, Cat’s Cradle «, ruft Link und erntet Applaus. »Wir sind After Hours, und wir werden euch heute Abend so richtig einheizen.«

  Er dreht sich um und nickt mir zu. Das Zeichen, den ersten Song einzuzählen. Wir spielen los, und sofort verschmelzen wir zu einem musikalischen Organismus. Wir sind wach und sharp, und das Publikum lässt sich von unserem Sound tragen.

  Wir spielen uns in Trance, ein Song nach dem anderen erwacht zum Leben, wächst, atmet. Seit dem Auftritt im Palace scheint unser Schaffen ein neues Level erreicht zu haben. Das Vertrauen in uns, in unsere Gemeinschaft kennt keine Grenzen mehr. Hinterher, sicher. Hinterher sind da Zweifel, die nie verschwinden. Zweifel, ob ich gut genug bin. Ob das auf Dauer funktionieren kann. Aber während ich meine Drums und Toms und Becken streichle, spüre ich nichts davon.

  Doch schon während des zweiten Sets brechen sie mit einem Mal über mich herein. Kriechen meinen Körper hinauf in meinen Kopf. Denn der letzte Mensch, den ich sehen will, taucht auf einmal im Publikum auf. Richards blöder Schädel bringt mich so aus dem Konzept, dass ich meinen Einsatz verpasse und die komplette Band für einen Moment hängen lasse. Was mir noch nie passiert ist.

  Ich versuche mich auf den Rhythmus zu konzentrieren, dennoch nehme ich aus dem Augenwinkel wahr, wie er und sein ähnlich lackaffiger Kumpel sich ihren Weg durch die Menge bahnen. In Richtung Bar. Wo Amory und Franzi stehen. Meine Muskeln spannen sich fester an, verkrampfen sich.

  Ich begreife nicht, warum sie ihm nicht ein für alle Mal das Maul stopft. Warum sie ab und zu auf seine Nachrichten antwortet. Warum es verflucht noch mal nicht reicht, dass er sich in der Uni an sie ranwanzen kann. Doch so ist sie. Viel zu gut für diese Welt. Und ich bin der Trottel, der ihr zusieht und es nicht gebacken kriegt, darüberzustehen.

  »Der nächste Song heißt Yearning «, raunt Link ins Mikrofon, streicht sich seine verschwitzten Haare aus dem Gesicht und nickt Jasper und Bonnie zu.

  Na toll. Ausgerechnet jetzt spielen wir eine Nummer, bei der ich mich konstant zurücknehmen muss. Zusammenreißen. Ich mag Yearning, schon allein, weil es Jaspers und Bonnies Song ist, aber für mich ist es die in Musik gegossene Hemmung. Bereits während der ersten Takte spüre ich, dass ich zu laut bin. Zu heftig. Ich wehre mich, es hilft allerdings nichts. Die anderen ignorieren mich, dabei muss es ihnen doch auffallen. Sie überspielen mich, den fertigen Drummer. Das Sorgenkind.

  Reiß dich zusammen, Alter, denke ich. Denn eigentlich könnte ich alles haben. Na gut, nicht alles, aber immerhin ihren Körper und ein ganz klein wenig von dem, was drinsteckt. Als wäre das nicht genug. Als könnte ich mehr erwarten. Könnte ihr mehr zumuten. Es ist zum Haareraufen – für normale Menschen. Für mich ist es … zum Ausrasten.

  »… vielleicht im Cochon? Wie bei unserem Date? Weißt du noch?«

  Ich habe mich so positioniert, dass ich Richards Winseln lauschen kann, ohne mich verdächtig zu machen. Franzi und Link stehen bei mir, und ich tue so, als würde ich ihren Erzählungen folgen. Franzis Mutter war über Weihnachten in der Stadt und kam wohl nicht so gut mit dem Leben klar, meint Link gerade und lacht.

  »Aber dein Bruder ist ganz cool«, sagt er.

  »Er wird«, erwidert Franzi.

  Ich nicke und lächle. Eigentlich warte ich nur auf Amorys Antwort. Aber sie sagt nichts. Oder ich habe sie verpasst.

  Link sieht so fröhlich aus. So friedlich. Seine Augen leuchten, und das Grinsen auf seinem Gesicht will einfach nicht nachlassen. Ich bin vermutlich der Einzige in diesem ganzen verdammten Laden, der es nicht schafft, all den Scheiß in seinem Leben wenigstens für einen Abend auszublenden. Vor allem nicht, als ich jetzt
Amorys Lachen höre. Fuck.

  »Hey«, sagt auf einmal eine Stimme hinter mir.

  Ich drehe mich um und blicke schon wieder in Esmés Gesicht.

  »Hi, Link. Hi …«

  »Franzi«, sagt Franzi.

  »Hi, Franzi.«

  Bereits letzte Woche wirkte Esmé etwas verändert. Früher war sie echt heiß, stets perfekt gestylt, trug sexy kurze enge Kleider. Soweit ich das sehe, ist sie heute ungeschminkt. Außerdem trägt sie einen weiten Pullover und Leggings darunter. Sie ist immer noch ziemlich schön, aber auf eine sehr un-esmé-ige Weise.

  »Du schon wieder«, sage ich, stelle fest, dass Amory mich beobachtet, und lächle Esmé deswegen gleich umso breiter an. Wenn sie den verfickten Richard hier in meine Bar bringt, kann ich schließlich auch ein bisschen spielen.

  Link und Franzi wenden sich ab. Verständlich, Esmé war nicht gerade cool zu den beiden, als sie miteinander anbandelten.

  »Wie geht’s dir?«, fragt sie.

  Ich bin ein bisschen verwirrt. Weiß natürlich, dass sie mit Amorys Freund geschlafen hat. Frage mich jetzt, ob das ihr Beuteschema ist und sie sich aus diesem Grund an mich ranmacht.

  »Ganz gut, danke. Und selbst?«

  »Ach ja«, sagt sie und klingt dabei wieder gar nicht wie die Esmé, die ich kennengelernt habe.

  »Ich mag den natürlichen Look bei dir.« Ich lehne mich an die Bar, lasse Amory dabei zusehen, wie ich ihrer ehemaligen besten Freundin ein Kompliment mache. Genauso wie sie mich zwingt, ihrem lauten Lachen zu lauschen, da Richard offenbar etwas phänomenal Witziges gesagt hat. Von wegen.

  »Haha, danke«, erwidert Esmé und zupft an ihrem Pullover. »Ich … ähm … würde dich gern etwas fragen.«

  »Alles, Puppe«, sage ich, weil Richard Amory gerade an der Schulter berührt und ich ihm am liebsten vor die Füße kotzen würde.

  Amory sieht zu mir. Ihre Lippen sind zu einem dünnen Strich aufeinandergepresst. Sie schüttelt kaum merklich den Kopf. Oder bilde ich mir das ein? Fragend hebe ich eine Augenbraue, doch sie hat den Blickkontakt abgebrochen. Sie sieht Richard an, und auf einmal ist sie wieder sie selbst, strahlt, lächelt. Ich hasse es.

  »Funktioniert die Masche eigentlich?«, fragt Esmé gerade.

  »Welche Masche?«

  »Die Bad-Boy-Masche. Dieses Gebrochene-Seele-Ding, das du hinter der harten Fassade versteckst.«

  »Weiß nicht, was du meinst«, sage ich, nehme einen Schluck von meinem Bier und beuge mich zu ihr. Dann flüstere ich: »Ja, doch, meistens funktioniert es«, obwohl ich es, ehrlich gesagt, schon lange nicht mehr ausprobiert habe. Auch heute habe ich keine große Lust darauf. Das Einzige, was ich wirklich will, ist, Amory am Arm zu packen, sie nach Hause zu schleifen und es mit ihr zu treiben, bis wir beide völlig fertig, aber glücklich nebeneinander einschlafen.

  »Hm«, macht Esmé. »Mir wär’s zu viel, glaube ich.«

  Jetzt bin ich noch verwirrter. Warum machen wir das Ganze hier? »Wenn du auf der Suche nach einem Softie bist, ich kann dir da jemanden empfehlen«, sage ich und taxiere Richard, der, wenn mich nicht alles täuscht, Amory immer näher kommt. Verfluchter Bastard.

  »Nein.« Esmé lacht. »Tatsächlich bin ich nicht auf der Suche nach einem Softie. Ganz im Gegenteil.« Also doch. »Ich … ähm … war auf der Suche nach dir. « Sie schlägt die Augen nieder. Und wir sind back on track.

  37

  Amory

  Während ich seit einer geschlagenen halben Stunde versuche, Richard einigermaßen auf Abstand zu halten und gleichzeitig höflich zu bleiben, ist Curtis dabei, mich auf die billigste Weise eifersüchtig zu machen. Ab und zu sehe ich zu ihm und Esmé, und jedes Mal zieht sich der Knoten um mein Herz ein bisschen fester.

  »Jedenfalls muss ich zugeben, je öfter ich After Hours höre, desto besser gefällt mir die Musik. Ist immer noch nicht genau mein Geschmack, aber doch, sie gehen schon ab«, sagt Richard, lehnt sich an die Wand und versucht offensichtlich, lässig auszusehen. Mich beeindruckt gar nichts an ihm, aber ein Blick zu Esmé und Curtis zeigt mir, dass Letzterer sich offenbar sehr wohl beeindrucken lässt. Sie stecken ihre Köpfe zusammen, tuscheln, als wären sie ein frisch verliebtes Paar. Es ist zum Kotzen, und ich werde Curtis sagen, dass wir nicht fest zusammen sein müssen, wenn er keinen Bock darauf hat, aber mit Esmé zu flirten ist wirklich das Allerletzte. Als gäbe es nicht genug andere Frauen, die er angraben könnte.

  »Also, was meinst du, Amory?« Richard beugt sich schon wieder viel zu nah zu mir. Doch diesmal weiche ich nicht zurück, sondern schiebe ihn einfach sanft wieder in seine Position. Er grinst. Aber ich meine es ernst. »Eine richtige Aussprache. Ich lade dich ein.«

  Ich seufze, setze gerade dazu an, ihm zu sagen, dass ich einfach keine Lust darauf habe, als ich aus dem Augenwinkel sehe, wie Curtis und Esmé an uns vorbeigehen und gemeinsam die Bar verlassen. Es fühlt sich an, als würde sich unter meinen Rippen ein schwerer Stein lösen und mit aller Macht in meinen Unterleib krachen. Bestimmt werden innere Organe bei dem Aufprall beschädigt. Jedenfalls ist mir speiübel.

  »Es war doch nicht alles schlecht«, sagt Richard.

  Ich schüttle den Kopf. »Nein«, murmle ich wie mechanisch.

  »Ich will nur verstehen, wo ich falsch abgebogen bin.«

  Innerlich glühe ich. Vor Wut. Was denkt Curtis sich dabei? Wie kann er nur? Tränen brennen hinter meinen Augen. Tränen der Enttäuschung. Und weil nun ohnehin schon alles egal ist, sage ich: »Weißt du, was, Richard? Wenn du versprichst, dass du dann ein für alle Mal Ruhe gibst, gehe ich mit dir essen.«

  Ein charmantes Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. Ein Lächeln, das ich früher attraktiv fand. Inzwischen macht es nichts mehr mit mir. »Morgen Abend?«, fragt er hoffnungsvoll.

  »Nach Feierabend«, bestätige ich und fühle mich so richtig, richtig beschissen.

  Immerhin ist er wirklich zuvorkommend. Stellt mir Fragen, erkundigt sich nach meinen Projekten. Sogar nach Hilbert und Lovelace.

  Wir sitzen an unserem Tisch – derselbe, an dem wir vor einigen Monaten Platz genommen hatten, als wir noch glaubten, ein verliebtes Paar zu sein – und stoßen an.

  »Danke, dass du mir die Chance gibst«, sagt Richard.

  Und obwohl ich nicht ganz freiwillig zugesagt habe, bin ich eigentlich ganz froh, dass ich ihm jetzt doch erklären werde, was schiefgelaufen ist. Seine zukünftigen Freundinnen können davon nur profitieren.

  »Wie wäre es, wenn du mir einfach sagst, was der Moment war, an dem die Sache mit uns bergab gegangen ist?«

  »Ich finde es schwer vorstellbar, dass du das nicht selbst gesehen hast«, sage ich. »Aber irgendwie glaube ich dir sogar, dass du keine Ahnung hast. Also gut. Das erste Mal, dass du mich echt genervt hast, war, als du mir einen Vortrag darüber gehalten hast, ich solle nicht ohne BH rumlaufen.«

  »Was?« Er hat die Augen überrascht aufgerissen. »Ich hab mir einfach Sorgen gemacht.«

  »Aber so kam es nicht an. Ich fand es besitzergreifend und bevormundend.«

  »Bist du da nicht vielleicht etwas empfindlich?«, fragt er, und ich werfe ihm einen genervten Blick zu, der ihn zum Schweigen bringt.

  »Es hat mir nicht gefallen, dass du dich nicht für mich freuen konntest, als ich einen Durchbruch in meiner Forschung hatte.«

  »Hm«, macht er. »Ich fand, du hast es mit der Angeberei etwas übertrieben.«

  »Angeberei?« Ich bin empört. »Ich glaube eher, du bist nicht damit klargekommen, dass ich Erfolg hatte und du nicht.«

  Einen Moment schweigt er. Wiegt den Kopf hin und her. »Vielleicht«, sagt er dann, als unser Essen kommt.

  »Was noch?«

  »Das Krasseste war, dass du mich einfach nicht so mochtest, wie ich bin.« Er setzt dazu an, mich zu unterbrechen, doch ich hebe die Hand. »Lass mich ausreden. Ich war dir zu laut. Habe zu laut geredet, zu laut gelacht. Ich hatte das Gefühl, dass ich dir in der Öffentlichkeit peinlich war.«

  Sein Gesicht sieht gequält aus. »Das tut mir leid.« Er wirkt seltsamerweise wirklich zerknirscht.

  »Und das glaube ich dir sogar. Aber das geht gar nicht.«

  »Weißt du, ich
komme aus einer ziemlich … hm … spießigen Familie. Ich schätze, ich habe einfach nicht so ein gesundes Selbstbewusstsein wie du. Dir ist es egal, was die Leute sagen. In meinem Elternhaus war und ist es das Wichtigste, dass die Leute nichts Schlechtes über einen denken.«

  »Und dann die Sache mit meiner Figur. Betonung liegt auf meiner. Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht.« Ich nehme einen Schluck Wein, weil meine Kehle eng wird bei der Erinnerung daran, wie gedemütigt ich mich gefühlt habe.

  Richard reibt sich übers Gesicht. »Ich dachte, du würdest etwas verändern wollen. Ich dachte, ich helfe dir.«

  »Indem du mir sagst, dass du nicht mit mir schlafen willst, weil ich dir zu dick bin?«, frage ich.

  »Ich muss zugeben, aus dem Zusammenhang gerissen klingt das hart«, sagt er und sucht meinen Blick.

  »Auch im Zusammenhang.«

  Er streckt seine Hand aus und umfasst sanft die meine. »Habe ich es damit endgültig verkackt?«

  »Das hast du«, sage ich mit einem müden Lächeln. »Aber ist schon okay. Es hat einfach nicht sonderlich gut gepasst mit uns beiden.«

  Gerade will ich meine Hand wegziehen, als ein Stimmengewirr vom Eingang zu uns dringt. Ich wende mich um und sehe gerade noch, wie sich ein junger Mann an zwei Kellnern vorbeidrängt. Curtis. Mich überläuft es heiß und kalt. Mein Herz rast. Was hat er hier zu suchen?

  »Nimm deine verfluchten Finger von ihr«, ruft er, als er uns erblickt.

  »Curtis, was …«, beginne ich, aber da ist er bereits an unserem Tisch und hat Richard am Hemdkragen gepackt.

  »Alter, komm mal wieder runter!« Richards Hände sind erhoben.

  Curtis’ Augen blicken irritiert von Richard zu mir. Eine Vene pulsiert an seiner Schläfe. Er sieht blass aus, hat dunkle Augenringe. Sein Blick ist leicht verschleiert, und er riecht nach Alkohol.

  »Ich will, dass du verdammt noch mal deine schmierigen Finger von Amory lässt«, sagt er etwas undeutlich durch seine zusammengebissenen Zähne, zieht Richard auf die Beine und drängt ihn gegen die Wand. Ein kollektives Keuchen geht durch den Raum.

 

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