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Feel Again

Page 23

by Mona Kasten


  Riley presste die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. Sie sah noch einmal auf die Liste. Dann nahm sie sie mir aus der Hand, knüllte sie zusammen und schmiss sie in den nächstgelegenen Mülleimer.

  Ich grinste. Meine Schwester hakte sich bei mir unter. »Komm. Ich weiß noch, wo der Laden liegt.«

  Wenig später gingen Riley und ich durch die Drehtür vom Owen House Thrift Store. Der Laden erstreckte sich über zwei Etagen und war riesig. An den Wänden standen Regale, einige davon so hoch, dass man nur mit einer Leiter an die oberen Bretter gelangen konnte und die Hilfe eines Verkäufers brauchte, um Sachen herauszuholen.

  »Hier finden wir was. Das kann ich riechen«, sagte ich und drückte Rileys Arm.

  »Ich weiß noch, wie wir hier Stunden verbracht haben. Ich kann mich genau an den Teppich da drüben erinnern. Oh und an die Umkleiden«, sinnierte meine Schwester.

  »Weil du es in der Umkleide mit einem Kerl getrieben hast«, murmelte ich.

  Riley stieß mir ihren Ellenbogen in die Seite. »Wir kaufen mein Hochzeitskleid, Sawyer. Da darfst du mich jetzt nicht an meine Jugendsünden erinnern.«

  »Ich erinnere mich aber ziemlich genau daran, wie ich dich gesucht habe, und dann nur noch Stöhnen als Antwort bekommen habe«, sagte ich grinsend. Diesmal wich ich ihrem Schlag aus und lachte, als ich auf der Suche nach Kleidern in den ersten Gang einbog.

  »Ich habe dich übrigens erstaunlich lange nicht mehr über dein Liebesleben reden gehört«, sagte Riley hinter mir.

  Ich schob ein paar Kleiderbügel zur Seite, weil ich an einer Stange ein Bandshirt entdeckt hatte, das ich cool fand. »Da gibt es momentan nicht so viel zu erzählen.«

  »Huch?«

  Ich rieb über den Oasis-Schriftzug. Kurzerhand nahm ich das Shirt und hängte es mir über den Arm. »Im Moment ist es ziemlich stressig bei mir. Ich habe keine Zeit für One-Night-Stands. Und auch keine Lust.«

  »Wer bist du, und was hast du mit Sawyer gemacht?«

  Ich verdrehte nur die Augen.

  »Also bei mir und Morgan läuft es grandios.«

  »Kein Wunder, ihr seid ja auch verlobt.«

  »Mh hm. Und Sex mit meinem Verlobten«, sie zog das Wort in die Länge, »ist einfach der Wahnsinn. Ich hätte nicht gedacht, dass es noch besser werden könnte. Aber das tut es.«

  Schon als die beiden noch nicht fest zusammen gewesen waren, hatte Riley mir in aller Ausführlichkeit beschrieben, wie Morgan im Bett war (phänomenal), und zu meinem Leidwesen auch, welche Piercings er an welchen Stellen hatte (unaussprechlich). Anfangs hatte ich mir Sorgen um die Mädchenteile meiner Schwester gemacht, aber irgendwann eingesehen, dass ich das nicht brauchte. Morgan machte Riley glücklicher, als sie es je in ihrem Leben gewesen war.

  »Ich freue mich für euch«, sagte ich und warf ihr einen Blick über meine Schulter zu. Sie sollte sehen, dass ich die Worte ehrlich meinte. Es hatte eine Weile gedauert, bis ich das erkannt hatte, aber ganz gleich, wie groß die Angst war, die ich vor ihrer Hochzeit und dem hatte, was danach kommen würde – dass Riley glücklich war, war mir wichtiger als alles andere.

  Sie lächelte schief. »Ich mich auch. Und ich würde mir total wünschen, dass du auch so jemanden findest.«

  Ich antwortete nicht.

  Es war nett, dass sie das sagte. Anscheinend dachte sie wirklich, dass es jemanden da draußen gab, der das für mich sein könnte, was Morgan für sie war. Der mich bedingungslos lieben könnte – trotz meiner Vergangenheit und meiner Fehler. Aber selbst wenn dieser jemand existierte – ich hatte bei Dawn mit erlebt, wie viel Überwindung es sie gekostet hatte, sich Spencer vollkommen zu öffnen, und mit wie viel Mut es verbunden gewesen war. Ich wusste nicht, ob ich jemals bereit sein würde, dieses Risiko einzugehen.

  Aber das war okay. Liebe war nicht für jedermann was.

  »Hallo? Erde an Sawyer?«, riss Riley mich aus meinen Gedanken.

  »Hm?«

  »Guck mal«, sagte sie und deutete auf ein Schild bei der Treppe.

  1. OG: Abendgarderobe

  »Dann los«, sagte ich und ging auf die Treppe zu.

  Oben angekommen sah ich mich fasziniert um. »Ich kann mich gar nicht daran erinnern, schon mal hier gewesen zu sein«, murmelte ich.

  »Wahrscheinlich weil wir uns früher nicht für Abendkleider interessiert haben«, meinte Riley. Gemeinsam begannen wir, uns umzuschauen. Im Gegensatz zu unten war hier kein bunter Teppich ausgelegt, sondern Holzdielen, die unter unseren Füßen knarrten, als wir durch die Gänge gingen. Tief hängende helle Lampen unter Kupferschirmen bestrahlten die Kleider und Anzüge, die wild durcheinander auf den Ständern hingen.

  »Schau mal, das hier«, sagte ich und zog ein weißes Kleid im Meerjungfrau-Schnitt vom Ständer. Ich hielt es meiner Schwester entgegen, aber sie rümpfte sofort die Nase und schüttelte den Kopf. »Schön, aber zu lang. Außerdem werde ich darin nicht so gut tanzen können.«

  »Geht klar.«

  »Merk dir aber, wo es hängt. Wenn ich nichts anderes finde, will ich es zumindest anprobieren.«

  Ich nickte und hängte das Kleid zurück.

  Wir gingen weiter. Das Oasis-Shirt hatte ich mir inzwischen über die Schulter gelegt, weil ich beide Hände brauchte, um mich durch die Unmengen von Kleidern zu wühlen.

  Ich zog noch drei weitere weiße Kleider heraus und zeigte sie Riley, aber sie schüttelte jedes Mal den Kopf. Ich war schon fast so weit, aufzugeben, als wir den nächsten Gang betraten und sich ihr Gesicht plötzlich aufhellte. Vor ihr stand ein Ständer, auf dem lauter schwarze Kleider hingen.

  »Eigentlich darf ich hier überhaupt nicht gucken«, murmelte sie und strich mit leuchtenden Augen über einen schwarzen Tüllrock. Riley liebte schwarzen Tüll.

  »Wieso nicht?«, fragte ich.

  Sie seufzte. »Weil ich schlecht in Schwarz heiraten kann.«

  »Wer sagt das denn?«, entgegnete ich stirnrunzelnd und holte ein schwarzes Etuikleid heraus.

  »Das macht man einfach nicht. Es ist eine Hochzeit.«

  Ich hob eine Braue. »Ihr macht, was ihr wollt. Das hast du selbst gesagt, Riley. Wenn du Schwarz tragen willst, dann mach das, verdammt. Niemand kann es dir verbieten.«

  Sie erwiderte meinen Blick, und ich konnte genau beobachten, wie die Zweifel in ihren Augen verschwanden und durch vorfreudige Aufregung ersetzt wurden. »Du hast recht«, sagte sie erst leise und dann noch mal, lauter: »Du hast recht.«

  Von der einen auf die nächste Sekunde fing sie an, die Kleider durchzugehen. Lächelnd beobachtete ich sie.

  Und dann sah ich es.

  Das Kleid.

  Rileys Kleid.

  Ich hielt die Luft an und schob die danebenhängenden vorsichtig beiseite.

  »Oh mein Gott«, flüsterte ich.

  »Was?«

  »Riley«, brachte ich hervor und nahm den Kleiderbügel vom Ständer. Ich hielt das Kleid hoch.

  Rileys Augen weiteten sich, als sie es betrachtete. Das Oberteil bestand aus weißem Stoff, über den grobe schwarze Spitze genäht war. Der Rock war bauschig und lang und aus demselben weißen Stoff wie das Oberteil. Darüber lag eine dünne Schicht schwarzer Tüll, der das Weiß abschwächte und beinahe grau wirken ließ.

  Es war perfekt.

  Ich konnte es spüren. Und ich sah es deutlich an ihrem Gesichtsausdruck. Es war Rileys Kleid. »Du musst es anziehen«, sagte ich energisch und stellte mich auf die Zehenspitzen, um mich nach den Umkleiden umzusehen.

  Ich griff nach Rileys Arm und marschierte mit ihr zu den schweren Samtvorhängen im hinteren Teil des Raums. Dort nahm ich ihr Tasche und Jacke ab und schob sie dann mit dem Kleid in die erste Kabine. Sie wirkte beinahe benommen, und während ich ungeduldig wartete, hörte ich sie drinnen ununterbrochen murmeln.

  »Wehe, es passt nicht. Sawyer, wenn es nicht passt, dann drehe ich total durch …«

  Aber dann verstummte sie. Nach einer gefühlten Ewigkeit riss sie den Vorhang auf.

  Mein Mund klappte auf.


  Sie sah magisch aus.

  Das Kleid war hochgeschlossen, aber die Spitze an den Armen und dem Dekolleté ließ ihre blasse Haut hindurchschimmern. Der Rock betonte ihre schmale Taille und wurde nach unten hin weit und üppig. Er war ein bisschen zu lang, aber ich war mir sicher, dass man ihn ohne Probleme kürzen konnte. Riley drehte sich um und zeigte mir den Rückenausschnitt. Er war geschmackvoll, aber tief, und an der Seite konnte man einen Teil der Worte erkennen, die wir beide an genau der gleichen Stelle auf unserem Körper trugen.

  not empty

  not alone

  not lost

  Sie sollten uns daran erinnern, dass wir, solange wir einander hatten, alles überstehen konnten.

  Die Zeilen jetzt zu sehen, auf Riley, während sie das Kleid trug, in dem sie womöglich heiraten würde, ließ mich an Mom und Dad denken. Und plötzlich drohte alles, was am letzten Wochenende so heftig aus mir herausgebrochen war, erneut hochzubrodeln. Tränen brannten in meinen Augen, und als Riley sich wieder zu mir umdrehte und mich sah, verblasste ihr Lächeln sofort. Sie raffte den Rock, um auf mich zuzukommen.

  Scheiße.

  »Was ist los? Oh Gott, sehe ich so schrecklich aus?« Sie fasste mich sanft am Arm.

  »Nein! Nein, du siehst wunderschön aus. Ich wünschte nur …« Ich schüttelte den Kopf und legte blinzelnd den Kopf in den Nacken, damit die Tränen nicht aus meinen Augen und über mein Gesicht liefen. »Ich wünschte, Mom und Dad wären da, um das mitzuerleben.«

  Für den Bruchteil einer Sekunde versteifte Riley sich. Dann schloss sie mich in ihre Arme. Ich vergrub das Gesicht an ihrer Halsbeuge. Es fühlte sich unglaublich gut an, von ihr gehalten zu werden.

  »Mir geht es auch so, Sawyer. Du glaubst gar nicht, wie sehr«, wisperte sie an meine Schläfe.

  Sie strich über meinen Rücken und ich über ihren, und wir schienen es beide zu genießen, wenigstens für diesen einen Moment einmal nicht so tun zu müssen, als wäre alles okay mit uns, als hätten wir kein Problem mit all dem, was uns in unserem Leben widerfahren war.

  Nach einer Weile lehnte Riley sich ein Stück zurück. Ihre Hände umfassten meine Oberarme, und sie sah mir direkt in die Augen. »Wenn sie sehen könnten, was du alles schaffst – deinen Job, dein Studium – und dass du dein Talent so nutzt, dann wären sie unglaublich stolz auf dich. Da bin ich mir ganz sicher.«

  Ich biss mir auf die Lippe. »Manchmal frage ich mich, ob das wirklich stimmt. Ich meine … ich bin nicht gerade eine Vorzeigetochter.«

  Riley zog die Augenbrauen zusammen. »Wer sagt so einen Scheiß?«, fragte sie aufgebracht.

  »Niemand! Es ist nur …« Ich räusperte mich. »Ich mache mir eben Gedanken. Ich habe sie nur so kurz gekannt. Manchmal versuche ich mir, ihre Gesichter vorzustellen, und dann muss ich erst das Medaillon öffnen, um mich wieder richtig erinnern zu können.«

  »Aber das geht mir doch auch so«, flüsterte sie. »Das ist normal, Sawyer. Es ist elf Jahre her.«

  Das aus ihrem Mund zu hören, erleichterte mich.

  »Wir haben viel zu lange nicht mehr ernsthaft geredet«, sagte Riley und rieb über meine Arme.

  »Weil Reden scheiße ist.«

  »Ich weiß. Trotzdem.« Sie ließ mich los und stellte sich vor den deckenhohen Spiegel, der zwischen zwei Umkleiden hing. Sie neigte ihren Kopf zur Seite.

  »Ich sehe toll aus«, sagte sie, als könnte sie es nicht glauben.

  Ich nickte energisch. »Wunderschön.«

  »Soll ich es kaufen?«

  Ich hörte mit dem Nicken gar nicht mehr auf.

  Sie drehte sich und betrachtete über ihre Schulter den Rückenausschnitt. Ihr Blick fiel auf das Tattoo, und dann breitete sich Verständnis auf ihrem Gesicht aus. Sie lächelte mich an. »Ich nehme es.«

  »Soll ich einen Verkäufer holen, damit wir den Saum abmessen können?«, fragte ich.

  Riley schüttelte den Kopf. »Wir sind noch nicht fertig.«

  Als ich sie nur fragend ansah, wurde ihr Lächeln schrecklich diabolisch. »Du kannst schlecht im Oasis-Shirt zu unserer Hochzeit kommen.«

  »Oh«, machte ich tonlos. »Ich soll auch Kleider anprobieren?«

  Riley nickte kurz. »Ich ziehe mich kurz um, wir legen das Kleid zurück, und dann bist du dran.«

  Aus ihrem Mund klang das beinahe wie eine Drohung.

  Als ich wenig später in der Umkleide stand und ein Kleid nach dem anderen anprobierte, war von der Rührung, die ich gerade noch gespürt hatte, nichts mehr übrig. Im Gegenteil. Ich wurde mit jeder Sekunde wütender auf Riley, die mich nicht nur dazu zwang, Kleider in anderen Farben als Schwarz anzuziehen, sondern außerdem welche für mich rausgesucht hatte, die Rüschchen und Schleifen hatten. Rüschchen. Und Schleifen.

  Während ich innerlich kochte, hatte Riley es sich inzwischen auf den Sitzpolstern vor den Kabinen bequem gemacht und nippte an der Cola, die unser Verkäufer Tommy ihr gebracht hatte. Er war zunächst etwas nervös gewesen, als wir ihm gesagt hatten, wonach wir suchten, und hatte sich sogar dafür entschuldigt, nicht mit anderen Brautmodegeschäften mithalten zu können. Daraufhin hatten wir ihm von den Reinfällen in den anderen Läden berichtet, und dass Riley bei ihm hingegen sofort fündig geworden war, was ihn anscheinend so glücklich stimmte, dass er uns mit Getränken und Knabbersachen versorgte.

  Jetzt stand er mit verschränkten Armen neben Riley und betrachtete mich von oben bis unten.

  »Das sieht nicht gut aus«, sagte er zu Riley.

  »Aber es wäre so schön, wenn sie wenigstens ein bisschen zur Dekoration passen würde«, sagte Riley in todernstem Tonfall.

  Ich würde sie umbringen.

  »Dann zieh du es doch an«, knurrte ich und blickte an mir herab. Dieses Kleid war ein Albtraum in Lila. »Ich sehe total bescheuert aus.«

  »Okay, du darfst es ausziehen. Aber nicht, bevor ich«, sie zückte mein Handy, »ein Bild von dir gemacht habe. Perfekt!« Ich verdrehte die Augen und stampfte zurück in die Umkleide.

  Wenn ich ehrlich war, alberte ich lieber mit ihr herum, als dass ich den Tränen nahe in der Umkleidekabine eines Geschäfts in ihren Armen lag. Von daher wollte ich mich nicht allzu sehr beklagen.

  »Sawyer, wer ist Isaac?«, fragte sie plötzlich.

  Ich steckte meinen Kopf an dem schweren Samtvorhang vorbei nach draußen. »Warum?«

  »Er fragt, wie das Kleidershoppen vorangeht«, antwortete sie und hielt mir das Handydisplay entgegen. Ich sah es von Weitem bloß leuchten. Ich schloss den Vorhang wieder und begann, mich aus dem Kleid zu schälen.

  »Soll ich ihm antworten?«

  »Tu, was du nicht lassen kannst«, gab ich möglichst desinteressiert zurück.

  Die Stille, die darauffolgte, war sicher kein gutes Zeichen, aber ich hatte noch einen ganzen Haufen Kleider, die ich anprobieren musste. Das nächste, das ich hochhob, war grün. Ich stöhnte und zog es über meinen Kopf. Dann musste ich mich halb verrenken, um den Reißverschluss, der sich hinten befand, zumindest halb zuzuziehen.

  Mit einem genervten Gesichtsausdruck schob ich den Vorhang beiseite. Als Riley von meinem Handy aufblickte, schlug sie sich prustend die Hand vor den Mund.

  »Du siehst aus wie eine furchtbar misslungene Version von Tinkerbell«, sagte sie lachend.

  »Vielen Dank. Darf ich jetzt endlich auch ein schwarzes anziehen?«, fragte ich hoffnungsvoll.

  »Ja. Moment.« Wieder hob sie mein Handy und machte ein Foto. Dann flogen ihre Finger über das Display.

  »Was zum Teufel machst du da?«

  Sie blickte kurz auf, hörte aber nicht auf zu tippen. »Ich schreibe mit Isaac.«

  »Bitte sag nicht, dass du ihm die Bilder geschickt hast«, stöhnte ich.

  Riley lächelte schelmisch. »Doch, habe ich. Er sagt, ich solle lieber Fotos in der Umkleide machen.«

  »Perversling«, murmelte ich und zog den Vorhang wieder zu.

  »Ist dieser Isaac der Grund dafür, dass du mir nichts mehr über dein Liebesleben erzählst?«

>   »Der Grund dafür ist, dass ich kein Liebesleben habe, Riley. Es gibt nichts zu erzählen«, rief ich, während ich mich aus dem Kleid herauskämpfte und es dann mit einiger Genugtuung neben mich auf den Boden fallen ließ.

  »Du weißt schon, dass ich euren kompletten SMS-Verlauf lesen kann, oder?«

  »Und? Ist ja nicht so, als hätte ich mit ihm gesextet.«

  Riley schnaubte. »Danke für das schöne Wochenende«, zitierte sie in hoher Stimmlage. Mir rutschte das Herz in den Magen. »Nächstes Mal werde ich Moonshine richtig reiten, verlass dich drauf. Bitte sag mir nicht, dass du seinen Schwanz Moonshine getauft hast.«

  Ich konnte Tommy verhalten hüsteln hören.

  »Moonshine ist sein Pferd«, rief ich. »Er hat mich mit zur Farm seiner Eltern genommen.«

  »Aha.« Ich konnte an ihrem Tonfall hören, dass sie mir kein Wort glaubte. Blöde Kuh.

  Ich zog mir eines der schwarzen Kleider aus dem Stapel und schlüpfte hinein. Das Kleid hatte dünne Träger und reichte mir nur bis knapp über die Knie. Wahrscheinlich war es ein bisschen zu freizügig für eine winterliche Hochzeit, aber diese Tatsache ignorierte ich geflissentlich, denn ich hatte mich auf der Stelle in den weichen Stoff und die Art, wie er sich auf meiner Haut anfühlte, verliebt. Es war schlicht und unaufgeregt, bis auf den Brustbereich, der mit zarter Spitze gesäumt war und einen wunderschönen Ausschnitt zauberte. Das Oberteil saß locker bis zur Taille, wo der Rock des Kleides weit ausfiel.

  Als ich diesmal aus der Umkleide trat, lächelte ich. Tommy öffnete seinen Mund und schloss ihn wieder, dann sah er fragend Riley an.

  Meine Schwester seufzte. »Okay, ich gebe es auf. Eigentlich können wir gleich alle in Schwarz kommen.«

  »Ich muss es kaufen«, sagte ich in ernstem Tonfall.

  »Natürlich musst du das. Wenn jemand so aus der Umkleide kommt, steht doch eigentlich schon alles fest.«

  Ich stellte mich vor den Spiegel und drehte mich einmal um mich selbst. Ich fühlte mich wie ein kleines Mädchen, als sich dabei der Rock hob und sich um mich herum ausbreitete. Strahlend blickte ich zu Riley, die genau in diesem Moment mein Handy hob und auf den Auslöser der Kamera drückte. Mir war egal, ob sie das Bild an Isaac schicken würde oder nicht – ich würde dieses Kleid auf der Hochzeit meiner Schwester tragen. Für mich war alles super.

 

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