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Feel Again

Page 24

by Mona Kasten


  Ich zog mich um und reichte Tommy die Kleider, die nicht gepasst oder einfach schrecklich ausgesehen hatten. Als ich mit meinem Kleid über dem Arm die Umkleide verließ, übergab Riley mir grinsend mein Handy.

  »Du kannst mir nichts vormachen«, sagte sie, bevor sie mir das Kleid abnahm und damit in Richtung Kasse lief. Ich rechnete mit dem Schlimmsten, als ich mein Handy entsperrte und den Nachrichtenverlauf von Isaac und Riley aufrief.

  Sie hatte ihm drei Bilder geschickt, die sie jedes Mal genau in dem Moment gemacht hatte, wenn ich aus der Umkleide gekommen war und sie angesehen hatte, als wäre sie von allen guten Geistern verlassen.

  Er hatte geschrieben: Du siehst nicht besonders glücklich aus

  Woraufhin meine Schwester geantwortet hatte: Sie ist nie glücklich, wenn sie Kleider anprobieren muss, die nicht schwarz sind

  Die nächste Nachricht lautete: Wer ist da?

  Ich: Riley. Sawyers bessere Hälfte.

  Isaac: Herzlichen Glückwunsch zur Verlobung, Riley!

  Ich: Danke. Guck mal hier, sie ist gerade wieder rausgekommen.

  Dann folgte ein Bild von mir in dem scheußlichen grünen Kleid.

  Isaac: Offensichtlich mag Sawyer kein Grün.

  Ich: Offensichtlich nicht. Ich habe sie gerade geärgert. Jetzt hat sie das rote Kleid aus der Kabine gekickt und zieht das schwarze an.

  Isaac: Ich bin gespannt.

  Dann hatte Riley das Bild geschickt, auf dem ich mich in dem schwarzen Kleid zur Kamera umdrehte und breit lächelte.

  Isaac: Riley, bitte gib Sawyer das Handy zurück.

  Ich: Wieso, willst du ihr was Schmutziges schreiben?

  Isaac: Möglicherweise.

  Ich: Okay. War schön, dich kennengelernt zu haben. Komm gerne mit zur Hochzeit im November, falls du Zeit und Lust hast.

  Isaac: Gerne. Irgendwelche Wünsche?

  Ich: Sorg einfach dafür, dass Sawyer gut gelaunt ist

  Isaac: … Ich gebe mein Bestes.

  Ich hob eine Augenbraue und wollte ihm gerade schreiben und fragen, was das denn bitte bedeuten sollte, aber er kam mir zuvor.

  Isaac: Sawyer?

  Ich seufzte.

  Ich: Ja?

  Isaac: Bitte kauf das Kleid.

  Grinsend schüttelte ich den Kopf.

  Ich: Und ich dachte, du schreibst mir jetzt was total Versautes.

  Isaac: Kauf das Kleid. Du siehst wunderschön darin aus.

  Ich: Das ist kein bisschen versaut, Isaac.

  Isaac: Ich kann es kaum erwarten, dich in diesem Kleid zu nehmen, bis du meinen Namen schreist. Wehe, du trägst Unterwäsche.

  Ich musste die Nachricht drei Mal lesen, dann brach ich in lautes Gelächter aus. Erst als ich mich einigermaßen beruhigt hatte, konnte ich zu einer Antwort ansetzen.

  Ich: Hast du etwa eine von Dawns Geschichten gelesen?

  Isaac: … Hot for You.

  Ich: Warum bin nicht ich da draufgekommen! Das ist total gutes Training.

  Isaac: Ja. Kaum zu glauben, aber ich habe unglaublich viel gelernt.

  Ich: Ich will mehr hören!

  Isaac: Den Rest spare ich mir lieber für die Hochzeit auf …

  Isaac: Oder für nächstes Wochenende.

  Ich: Was ist nächstes Wochenende?

  Isaac: Komm wieder mit mir auf die Farm.

  Isaac: Also, nur wenn du willst

  Isaac: Es war echt schön. Und meine Geschwister fanden dich toll. Ariel redet über nichts anderes als über deine Tattoos.

  Die nächste Nachricht war ein Bild, auf dem Ariel mit einem zahnlosen Grinsen ihren Handrücken stolz vor sich in die Kamera hielt. Darauf war ein Abziehtattoo in Form eines Einhorns zu sehen, das sich an den Rändern schon leicht abgerubbelt hatte.

  Isaac: Ich soll dir sagen, dass du ihr das nächste draufmachen musst.

  Isaac: Sawyer?

  Isaac: Du musst natürlich nicht mitfahren! Wenn du nicht willst.

  Isaac: Als ich heute heimkam, haben nur alle nach dir gefragt. Grandma hatte sogar Zitronenkuchen gebacken

  Isaac: Aber ich kann total verstehen, wenn du deine Zeit lieber mit Gleichaltrigen verbringst als mit Kindern und meinen Großeltern!

  Isaac: Vergiss es einfach.

  Isaac: Das Wetter soll sowieso nicht gut werden.

  Ich: ISAAC

  Isaac: Sorry

  Ich: So schnell kann ich gar nicht tippen.

  Ich: Ich möchte gern noch mal mit auf die Farm kommen.

  Ich: Danke

  Isaac: Oh! Ok

  Isaac: Cool

  Isaac:

  KAPITEL 22

  Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber die darauffolgende Woche wurde noch stressiger als die vorherige. Al hatte sich einen fiesen Virus eingefangen und konnte zwei Tage nicht ins Steakhouse kommen, was für Isaac und mich nicht nur mehr Arbeit während unserer Schichten, sondern auch mehr Verantwortung bedeutete. Von der Tatsache mal abgesehen, dass Al alle zwei Minuten anrief und sich vergewisserte, dass Roger, sein Koch, die Küche noch nicht abgebrannt und ich das Restaurant noch nicht in einen Rockclub verwandelt hatte. Außerdem war Robyn montags auf mich zugekommen und hatte mir erzählt, dass ihre Kollegen von meiner »Der Morgen danach«-Reihe so begeistert waren, dass ich noch diese Woche einen kurzen Vortrag darüber vor den Erstsemestern halten sollte. Ich liebte es, über meine Bilder zu sprechen, und fühlte mich geehrt, aber mit all den Sachen, die ich gerade sonst noch um die Ohren hatte, hätte ich gut darauf verzichten können. Wenigstens ließen Amanda und ihre Freundinnen mich seit Spencers Party in Ruhe.

  Als ich am Freitag aus meinem letzten Kurs kam und Isaac an seine Klapperkiste gelehnt am Straßenrand auf mich warten sah, hätte ich am liebsten vor Erleichterung laut aufgeschrien. Die Aussicht, wieder mit ihm auf die Farm zu fahren, hatte mich die gesamte Woche über Wasser gehalten.

  Dawn hatte mich mit neugierigen Blicken bombardiert, als ich heute Morgen meine Tasche gepackt hatte, aber ich hatte sie geflissentlich ignoriert. Ich wusste selbst nicht, was in mich gefahren war, als ich Isaacs Einladung ein zweites Mal angenommen hatte. Wie sollte ich da ihr erklären, was es damit auf sich hatte?

  Aber ich wollte das auch gar nicht hinterfragen. Ich wollte nicht darüber nachdenken, was es bedeutete, dass ich nur sein Lachen hören musste, damit es mir augenblicklich besser ging.

  »Ich muss dich vorwarnen«, sagte er, als wir an den Maisfeldern vorbeifuhren und uns dem Hof näherten. »Ariel hat beschlossen, dass sie wie du Fotografin werden will, und in den letzten beiden Wochen alles auf Kamera festgehalten, was ihr unter die Augen gekommen ist. Alles. Bestimmt will sie dir jedes einzelne Bild zeigen.«

  Bei der Vorstellung musste ich lächeln. »Wo hat sie denn die Kamera her?«

  »Von Dad, glaube ich«, sagte Isaac mit einem Schulterzucken.

  Als wir vor dem Haus parkten und ausstiegen, war mir gar nicht mehr so mulmig zumute wie noch vor zwei Wochen. Ich ließ es sogar geduldig über mich ergehen, dass Vader mich ansprang und seine Schnauze voller Sabber liebevoll an meiner schwarzen Jeans abwischte. Obwohl es ein ganz normaler Freitagabend war und keine Party gefeiert wurde, war das Haus voller Leben. Isaacs Großeltern saßen an dem kleinen gemütlichen Ecktisch in der Küche und spielten Karten, während Levi zwischen den beiden hin- und hersprang und unentwegt auf sie einquasselte.

  Isaacs Mutter, ihr Name war Debbie, wie Isaac mich auf der Fahrt erinnert hatte, saß im Wohnzimmer und hatte einen Berg von Zetteln vor sich auf dem Tisch ausgebreitet. Sie nahm einen nach dem anderen in die Hand, trug etwas in ein großes rotes Buch ein und heftete ihn dann in einem Ordner ab. Zwischen ihren Beinen auf dem Boden saß Ivy und spielte mit einer Plüschschildkröte.

  Es überraschte mich, dass Debbie aufsah, als wir das Wohnzimmer betraten, und fragte, wie die Fahrt gewesen war. Auf Isaacs Gesicht breitete sich ein vorsichtiges Lächeln aus, und er begann, von den drei Traktoren zu erzählen, hinter den
en wir auf dem Weg hierher hatten hertuckern müssen.

  Ich ging in die Küche und begrüßte Isaacs Großeltern.

  »Setz dich zu uns, Sawyer«, sagte Mary, nachdem sie mich mit einem Arm an sich gedrückt hatte. »Wir starten gerade die nächste Runde.«

  Dankbar, etwas zu tun zu haben und mich nicht länger unschlüssig nach Isaac umsehen zu müssen, setzte ich mich neben sie, schob die Ärmel meines Pullovers nach hinten und nahm die Karten entgegen, die Theodore mir mit einem Lächeln reichte.

  Der Samstag verging wie im Flug. Vormittags erledigten wir ein paar Besorgungen für Isaacs Großmutter und fuhren dafür in die nächstgrößere Stadt, nachmittags misteten wir gemeinsam den Pferdestall aus und mähten Rasen, was mehr Spaß machte, als ich für möglich gehalten hätte. Am Abend waren wir von der Arbeit im Freien so durchgefroren, dass wir heißen Kakao tranken und in Wolldecken eingewickelt in Isaacs altem Kinderzimmer, das mittlerweile in ein zweites Gästezimmer umfunktioniert worden war, einen Star-Wars-Marathon abhielten. Als ich mich nachts um drei in mein eigenes Zimmer hinunterschlich, hatte ich eingesehen, dass Yoda eigentlich gar nicht so verkehrt war, wie ich ursprünglich gedacht hatte.

  Am Sonntag nach dem Mittagessen traute Ariel sich endlich, mir ihre Bilder zu zeigen. Ich setzte mich neben sie auf das Sofa im Wohnzimmer und betrachtete die kleinen Kunstwerke, die sie im Laufe der letzten beiden Wochen kreiert hatte. Dafür, dass eine Achtjährige sie gemacht hatte, waren sie gar nicht schlecht, und als ich Ariel sagte, dass ich in diesem Alter niemals solche Fotos hätte schießen können, platzte sie fast vor Stolz.

  Irgendwann legte Mary ein großes schwarzes Fotoalbum vor uns auf dem Tisch ab. »Hier drin sind meine Lieblingsbilder«, sagte sie, während sie wieder in die Küche verschwand. Ich war kein Fan von süßen Speisen, aber der Geruch, der von dort zu uns strömte, war köstlich.

  Ariel zog das Album vom Tisch, schlug es auf und positionierte es so, dass eine Hälfte auf ihrem und die andere auf meinem Bein lag.

  Auf der ersten Seite waren Babyfotos zu sehen, die mit Daten von vor zwanzig Jahren beschriftet waren.

  »Das ist …«, begann Ariel, wurde aber von Isaac unterbrochen, der am Klavier saß und ein lautes, frustriertes Brummen von sich gab.

  »Zac macht komische Geräusche«, flüsterte sie mir verschwörerisch zu, ohne den Blick vom Album zu nehmen.

  »Weil er unzufrieden mit sich ist«, gab ich genauso leise zurück.

  Nachdem er gemeinsam mit seinem Grandpa den Tisch abgeräumt hatte, hatte Isaac sich zu Ariel und mir auf die Couch setzen wollen. Aber Ariel hatte aufgeschrien und ihre Kamera hinter dem Rücken versteckt. Anscheinend waren ihre Bilder noch streng geheim, und niemand außer mir durfte sie sehen. Isaac hatte übertrieben verletzt getan, aber Ariel war stur geblieben und hatte sich geweigert, die Kamera wieder hervorzuholen.

  Schließlich war Isaac schmunzelnd zum Klavier gegangen, wo er inzwischen seit über einer Stunde saß. In meinen Ohren hörte sich das, was er spielte, wunderschön an. Allerdings schien er überhaupt nicht zufrieden mit sich zu sein.

  Erneut stöhnte er auf, und im nächsten Moment klang es, als hätte er beide Hände auf die Klaviatur gehauen. Laute, schiefe Töne breiteten sich im Raum aus.

  »Langsam macht er mir Angst«, flüsterte Ariel.

  »Ignorier ihn einfach«, flüsterte ich zurück. »Es kann eben nicht jeder so hochtalentiert sein wie wir.«

  Ariel kicherte.

  »Wer ist das?«, fragte ich und deutete auf das erste Bild im Album.

  »Das ist meine große Schwester Eliza«, erklärte Ariel lächelnd. »Ich hab als Baby genauso ausgesehen, guck mal«, fuhr sie fort und schlug eine Seite weiter hinten im Buch auf.

  Tatsächlich. Die beiden sahen sich zum Verwechseln ähnlich. Bestimmt würde Ariel mit Anfang zwanzig so aussehen wie Eliza jetzt.

  Wieder stöhnte Isaac frustriert, als er die falsche Taste beim Spielen traf.

  »Sei nicht so streng mit dir«, sagte Isaacs Mutter plötzlich von der Terrassentür aus. Sie klopfte ihre Schuhe ab und betrat das Wohnzimmer. »Du hast jahrelang nicht gespielt. Woher sollst du das alles noch können?«

  Isaac zuckte bloß mit den Schultern.

  Sie ging auf ihn zu. »Ich kann mich noch gut erinnern, wie lange es gedauert hat, bis du dein allererstes Lied fehlerfrei spielen konntest«, fuhr sie fort. »Rutsch ein Stück.«

  Isaac starrte sie einen Moment lang an.

  Neben mir wurde Ariel ganz still, und wir beobachteten beide, wie Isaac zur Seite rückte, damit seine Mutter neben ihm Platz nehmen konnte. Sie sagte leise etwas, legte ihre Hände auf die Tasten und spielte die gleiche Melodie wie Isaac kurz zuvor. An der Stelle, an der Isaac gescheitert war, hielt sie an und machte ihm dann langsam vor, worauf er achten musste. Es war ein so schöner, friedlicher Anblick, und das nicht nur, weil ich wusste, wie zerrüttet das Verhältnis zwischen den beiden in den letzten Jahren gewesen war. Vielleicht hatte Eliza sich meine Worte ja tatsächlich zu Herzen genommen und begonnen, ihre Familie zu flicken. Irgendetwas war seit Theodores Geburtstag jedenfalls geschehen. Blindlings griff ich über Ariel und nahm mir ihre Kamera. Ich schaltete sie ein, hob sie hoch und drückte auf den Auslöser.

  »Guck mal«, sagte Ariel unvermittelt. »Das ist das allerlustigste Bild von Zac, das es gibt.«

  Ich musste zweimal hinschauen, um zu erkennen, dass es sich bei dem Jungen auf dem Bild tatsächlich um einen zehnjährigen Isaac handelte. Er war ganz dürr und hatte Gliedmaßen, die für seinen noch nicht ausgewachsenen Körper viel zu lang schienen. Sein Haar glänzte und war glatt gegen seine Stirn gedrückt, die Klamotten, die er trug, waren gleichzeitig zu weit und zu kurz für ihn. Eigentlich wäre das Bild witzig gewesen, hätte Isaac darauf nicht so unglücklich ausgesehen. Seine Augen waren gerötet, als hätte er geweint, und ich fragte mich, welcher Idiot ein Bild von ihm in diesem Zustand gemacht hatte. Er hätte eindeutig eine Umarmung gebraucht und nicht eine Kamera, die man ihm ins Gesicht hielt.

  Ich blätterte eine Seite weiter und fand weitere Fotos von Eliza, die damals – genau wie Ariel heute – nicht genug vor der Kamera hatte posieren können. Manchmal sah man Isaac im Hintergrund stehen, mit einem unsicheren Lächeln. Als ich weiterblätterte, wurden Isaac und Eliza immer größer. Irgendwann tauchte Baby Ariel auf, und auf den Bildern mit ihr strahlte Isaac endlich auch mal. Inzwischen waren seine Arme und Beine genau richtig proportioniert, und er stellte auch keine Experimente mehr mit seinen Haaren an. Seine Klamotten waren allerdings nach wie vor scheußlich.

  »Da war Daddy krank«, erklärte Ariel mir, als wir umblätterten. Sie strich mit den Fingern über das Gesicht ihres Vaters, der in einem Krankenhausbett lag und blass und abgemagert aussah, das völlige Gegenteil zu dem agilen, starken Mann, den ich hier auf der Farm kennengelernt hatte. »Er ist am Rücken operiert worden.«

  »Das war bestimmt nicht leicht für euch«, murmelte ich. Ich betrachtete mir die Bilder, auf denen Isaac, Eliza und Ariel um das Krankenbett herumstanden und zutiefst betroffen aussahen. Ich erinnerte mich kaum an die Zeit, in der mein Vater krank gewesen war, aber ich wusste noch, wie es sich angefühlt hatte, ihn in den weißen Betten des Krankenhauses liegen zu sehen, zwischen all den Geräten und Schläuchen, und zu beobachten, wie er uns langsam verloren ging. Die Geräusche der Maschinen hatten sich für immer in mein Gedächtnis gebrannt. Ebenso wie die verzweifelten Schreie meiner Mom, die Riley und mich Nacht für Nacht wachgehalten hatten.

  »Jetzt ist er ja wieder gesund«, sagte Ariel und blätterte schnell weiter. Ich konnte verstehen, dass sie sich nicht gerne an diese Zeit zurückerinnerte.

  Auf der nächsten Seite befanden sich Bilder einer ramponierten Scheune, davor Isaac mit drei anderen jungen Männern, die alle von oben bis unten verdreckt waren. Isaac trug zerschlissene Jeans und ein einfaches, schwarzes Shirt und wischte sich gerade über die Stirn.

  Ich hätte kein besseres Bild machen können.

  Die nächsten Seiten dokumentierten die Renovierungen der Scheunen u
nd des Pferdestalls, die so heruntergekommen aussahen, dass man Angst haben musste, sie könnten jeden Moment in sich zusammenbrechen. Auch die Trecker auf den Bildern wirkten, als stammten sie aus einem ganz anderen Jahrzehnt. Je weiter Ariel und ich im Album blätterten, desto neuer wurde die Ausrüstung. Auf ein paar Bildern saß Isaacs Dad in einem Rollstuhl, sein Sohn direkt daneben, mit einem stolzen Lächeln auf den Lippen.

  Wenn der Hof in der Zeit, in der Isaac für ihn verantwortlich gewesen war, eine solche Entwicklung durchgemacht hatte, konnte ich verstehen, wieso Isaacs Eltern gedacht hatten, er würde bleiben. Er schien für die Arbeit hier geboren worden zu sein. Und wenn man das Leuchten in seinen Augen auf diesen Bildern sah, war es schwer vorstellbar, dass Isaac zu diesem Zeitpunkt eigentlich gar nicht so genau wusste, was er mit seinem Leben anstellen wollte.

  »Hätte ich geahnt, dass ihr meine peinlichen Kinderfotos anguckt, hätte ich euch nicht alleine gelassen«, riss Isaacs Stimme mich aus meinem Grübeln.

  Ich blickte auf und sah, dass er sich zu uns umgedreht hatte. Seine Mutter erhob sich und kam lächelnd zum Sofa. Sie setzte sich neben Ariel und strich ihr sanft über den Kopf. »Die Bilder habe ich mir seit einer Ewigkeit nicht mehr angesehen. Guck mal, wie hell deine Haare da noch waren, Schatz. Jetzt sind sie viel dunkler.«

  »Granny hat uns das Album gegeben«, sagte Ariel und blätterte ein paar Seiten zurück. Isaac ließ sich neben mir aufs Sofa fallen und beugte sich ein Stück über mich, damit er die Bilder besser sehen konnte. Er war mir so nah, dass ich seinen Körper an meinem spüren konnte.

  »Ich will gar nicht hinsehen«, sagte er und hielt sich eine Hand vors Gesicht.

  »Ich wollte dich sowieso bitten, mal kurz bei Heather vorbeizuschauen, bevor du zurück nach Woodshill fährst. Sie ist gestern aus dem Urlaub zurückgekommen, und irgendwas stimmt mit ihrem Computer nicht. Sie hat gefragt, ob du dir das mal anschauen kannst. Anscheinend ist der Bildschirm einfach nur blau, wenn sie ihn anschaltet.«

  Ich merkte, wie Isaac mich kurz von der Seite ansah. Als ich meinen Kopf zu ihm drehte, wich er meinem Blick jedoch aus und erhob sich. »Klar. Ich beeil mich«, murmelte er und verschwand mit schnellen Schritten aus dem Wohnzimmer.

 

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