Book Read Free

Feel Again

Page 34

by Mona Kasten


  Ich wollte die Kontrolle über mich selbst zurückgewinnen. Ich wollte nicht das Mädchen sein, das schwach und auf andere angewiesen war. Ich war zwanzig Jahre meines Lebens alleine zurechtgekommen – ich brauchte niemanden. Schon gar nicht Isaac.

  Scheiße, wieso tat es dann so weh, an ihn zu denken?

  Kadens nächster Schlag war heftig. Ich rutschte auf der Matte ein Stück zurück und musste mich gegen den Sack lehnen, um nicht umzufallen.

  »Weniger träumen, mehr aufpassen«, knurrte er und öffnete seinen Handschuh mit den Zähnen. Er befreite seine Hände, dehnte kurz seine Finger und nahm ein paar große Schlucke aus seiner Wasserflasche. Nachdem er sich den Schweiß mit einem Handtuch vom Gesicht gewischt hatte, sah er mich nachdenklich an. »Wir können das öfter machen, wenn du Bock hast.«

  »Wieso?«, fragte ich perplex.

  Er zuckte mit den Schultern. »Wieso nicht?«

  Ich verschränkte meine klebrigen Arme vor der Brust und hob meine Augenbrauen.

  Resigniert seufzte er. »Schön. Du siehst aus, als könntest du es gebrauchen, und ich habe keine Lust, mir den Sack ständig von irgendwelchen Fremden halten zu lassen.«

  Meine Mundwinkel zuckten. »Ich würde mir meinen Sack auch nicht von einem Fremden halten lassen wollen.«

  »Ja oder Nein?«, sagte er mit einem Augenrollen.

  Ich musste nicht lange überlegen. »Ich bin dabei.«

  Ich zog die Handschuhe aus und löste die Bandagen von meinen Handgelenken. Ich rollte sie auf, aber als ich sie Kaden zurückgeben wollte, winkte er ab.

  »Behalt sie.«

  Dann ließ er mich stehen und verschwand in Richtung der Umkleiden.

  KAPITEL 31

  Ich kündigte meinen Job im Steakhouse.

  Al war alles andere als begeistert und fragte mich, ob es an der Bezahlung lag und falls ja, wie viel ich haben wollte, damit ich blieb. Ich sagte ihm nur, dass es persönliche Gründe hatte und ich mich außerdem mehr auf mein Studium konzentrieren wollte. Er nahm es hin, bat mich aber, in dieser Woche noch Schichten zu übernehmen, damit er etwas Zeit hatte, Ersatz zu finden. Ich sagte ihm, dass ich es nur machen konnte, wenn er mich nicht mit Isaac einteilte. Allein der Gedanke, ihn zu sehen, versetzte mich in Panik.

  Al hatte mich einen Moment lang prüfend angesehen und dann bloß resigniert geseufzt. Einen Tag später hatte er angerufen, um mir mitzuteilen, dass er jemand Neues gefunden hatte und ich nur noch meine Arbeitskleidung zurückgeben musste.

  Mir wurde ganz wehmütig zumute, als ich am nächsten Vormittag das Steakhouse betrat. Ich wollte die Sache hinter mich bringen und war noch vor meiner ersten Vorlesung hergekommen, aber als ich jetzt mit meinen Schürzen in der Hand dastand und die leeren Tische betrachtete, wurde mir bewusst, wie sehr ich die Arbeit hier gemocht hatte. Selbst die sterbenslangweilige Musik, die aus den Lautsprechern kam, half nicht, im Gegenteil, sie verstärkte das Ziehen in meinem Brustkorb nur.

  Ich ging nach hinten zu Als Büro. Er saß über seinen Schreibtisch gebeugt und blickte in dem Moment auf, als ich am Türrahmen klopfen wollte.

  »Hey«, sagte ich unbeholfen und hielt die Schürzen hoch. »Ich wollte dir die hier noch vorbeibringen.«

  Einer seiner Mundwinkel hob sich leicht. Dann deutete er auf den Stuhl vor sich. »Setz dich eine Minute, Dixon.«

  Ich atmete tief ein und betrat sein Büro. Ich würde das schon schaffen.

  Al klappte den Ordner, in den er gerade etwas geheftet hatte, zu, und faltete dann die Hände auf dem Tisch. »Ich kann dich nicht überzeugen, hierzubleiben?«

  »Nein«, sagte ich leise. »Tut mir leid.« Ich konnte unmöglich mehrere Stunden am Stück mit Isaac verbringen. Er hatte nie auf meine SMS reagiert, und meine Tasche, die von Rileys Hochzeit noch in seinem Auto gelegen hatte, hatte er Dawn in der Uni in die Hand gedrückt. Das war ziemlich eindeutig. Ich würde es nicht ertragen, in seiner Nähe zu sein und zu wissen, dass ich seine Freundschaft verloren hatte und nicht mehr zurückbekommen würde.

  Zu kündigen war die richtige Entscheidung gewesen.

  Ich musste dringend mein Leben wieder auf die Reihe kriegen, und dafür brauchte ich einen klaren Kopf.

  »Das ist wirklich schade. Du warst eine meiner besten und zuverlässigsten Mitarbeiter.« Al rieb sich den kahl rasierten Schädel und lehnte sich dann mit verschränkten Armen in seinem Stuhl zurück. »Es liegt an dem Jungen, oder?«

  Ich glaubte einen Moment, mich verhört zu haben. »Was?«, krächzte ich.

  Al hob eine Braue. »Grant hat nichts … angestellt, oder? Wenn ja, reicht ein Wort von dir, und ich schmeiße ihn raus.«

  »Nein«, sagte ich schnell.

  Ich wusste, wie dringend Isaac diesen Job brauchte. Er durfte ihn auf keinen Fall meinetwegen verlieren.

  »Es ist nur so, dass meine Nichte jetzt für dich eingesprungen ist, und da würde ich jedes Drama gerne vermeiden. Ich kann es mir nicht leisten, einen Herzensbrecher zu beschäftigen.«

  »Mach dir keine Sorgen. Isaac ist ein guter Kerl.« Ich war diejenige, die nicht gut war. Weder für Isaac noch für irgendjemand anderen. Für eine Weile hatte ich das vergessen und lächerlicherweise gehofft, es könnte anders sein. Ich könnte anders sein. Doch ich hatte mir etwas vorgemacht. Das, was auf Rileys Hochzeit passiert war, hatte mich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

  »Ich wollte nur sichergehen.« Al seufzte. »Scheiße, ich werde dich vermissen, Dixon.«

  Ein trauriges Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus. »Ich dich auch.«

  »Du bist hier jederzeit willkommen, nur damit du’s weißt. Sei es, um etwas zu trinken, zu essen, oder dich an meiner Musiksammlung zu vergreifen.«

  Ich konnte nur dankbar nicken und nach seiner Hand greifen. Dann erhob ich mich. »Ich geh noch kurz in die Küche und sage Roger Tschüss.«

  Al nickte und machte sich mit einem Räuspern wieder an seinem Ordner zu schaffen. Gut zu wissen, dass ich nicht die Einzige war, die mit sentimentalen Situationen nicht gut zurechtkam.

  Ich ging durch den Flur zurück ins Restaurant. Als Worte hatten mich mehr aufgewühlt, als ich es für möglich gehalten hätte. Doch egal, wie traurig es sich angefühlt hatte, mich von ihm zu verabschieden – ich tat das Richtige. Dessen war ich mir sicher. Ich starrte so gedankenverloren auf die Schürze in meiner Hand, dass ich erst bemerkte, dass jemand hinter der Bar stand, als ich ein raues Lachen hörte.

  Ich sah auf – und traute meinen Augen nicht.

  Hinter dem Tresen stand eine junge Frau.

  Sie balancierte auf einer Trittleiter, aber weil sie so klein war, schaffte sie es trotzdem nicht ganz, an das oberste Regal mit Gläsern heranzukommen. Ihre langen braunen Locken fielen ihr ins Gesicht, und sie schüttelte den Kopf, um weiterhin sehen zu können. Das brachte sie ins Taumeln. Sofort waren da zwei Hände, die ihre Hüften umfassten und sie stabilisierten.

  Sie lachte erleichtert. »Du bist mein Held. Danke«, sagte sie, und ich stellte fasziniert fest, dass sie mit ihren rosigen Wangen und den wilden Locken gleichzeitig unschuldig und sexy aussah.

  Übelkeit breitete sich in mir aus, und das Blut rauschte in meinen Ohren, als Isaac neben sie trat.

  »Kein Problem«, antwortete er mit einem Lächeln.

  Ich beobachtete, wie sie sich zu ihm umdrehte, sich auf seinen Schultern abstützte und von der Leiter runterkam. Er nahm seine Hände erst von ihrer Hüfte, als sie mit beiden Beinen wieder sicher auf dem Boden stand.

  Dann fiel sein Blick auf mich.

  Ich erstarrte.

  Er sah mich regungslos an. Ich hätte nicht sagen können, was er dachte, selbst wenn mein Leben davon abgehangen hätte.

  Das Mädchen, von dem ich annahm, dass sie Als Nichte war, hatte nicht gemerkt, dass sich noch jemand außer ihr und Isaac im Raum befand. Sie redete einfach weiter. »Ah, cool. Ist die für mich?« Sie beugte sich an Isaac vorbei und schnappte sich die Schürze, die hinter ihm auf dem Tresen lag. »Ich bin ja echt froh, dass Al mich hier arbei
ten lässt. Ich wollte eigentlich nicht in Woodshill studieren, sondern mit meinem Freund nach Seattle ziehen, aber der hat dann eine Zusage von der UCLA bekommen und, naja. Mit mir Schluss gemacht.« Sie zuckte mit den Schultern und schüttelte kurz die Schürze aus. Dann wickelte sie sie sich um die Hüften. »Kannst du vielleicht …?« Sie drehte ihm den Rücken zu.

  Mein Herz schlug mir bis zum Hals.

  »Vielleicht kommen hier ja ein paar süße Typen vorbei«, fuhr sie fort und lächelte Isaac über ihre Schulter hinweg an. »Oder bist du vielleicht single?«

  Isaac starrte mich noch immer an, weiterhin mit diesem Blick, den ich nicht verstand, in dem ich aber auch nichts von dem Mann wiederfand, mit dem ich vor wenigen Tagen noch geschlafen hatte. Die Muskeln an seinem Kiefer waren so angespannt, dass sie deutlich hervortraten.

  »Ja«, sagte er, ohne von mir wegzusehen. »Ja, bin ich.«

  In meinem Brustkorb zerfetzte etwas.

  Dann griff er nach den Schnüren, die als Nichte ihm hinhielt, und begann, sie an ihrem Rücken zusammenzubinden.

  Die Schürzen fielen mir aus der Hand. Ich stieß ein »Fuck!« aus und bückte mich sofort.

  Als ich mich wieder aufrichtete, war das Mädchen zu mir herumgewirbelt und sah mich überrascht an.

  »Hi«, sagte sie.

  Isaac sagte nichts.

  Ich hatte noch nie innere Verletzungen gehabt, aber ich bezweifelte, dass es schmerzhafter was als das, was ich in diesem Moment erlebte. Es fühlte sich an, als würden sich tausend Scherben gleichzeitig in meinen Brustkorb bohren.

  Denn gerade war mir etwas klar geworden: Ich hatte Isaac einmal zu oft von mir gestoßen. Und es würde nicht lange dauern, bis er merkte, dass jemand wie dieses Mädchen, mit dem pinken Lippenstift und den untätowierten Armen, viel besser zu ihm passte als ich. Oder vielleicht hatte er es längst gemerkt.

  Fest biss ich die Zähne zusammen. Ich musste auf der Stelle aus diesem Raum verschwinden.

  »Ich wollte nur meine Schürzen vorbeibringen«, sagte ich mit steinerner Miene und war selbst erstaunt darüber, dass ich es schaffte, so gefasst zu klingen.

  »Oh, super! Dann braucht Isaac mir beim nächsten Mal keine von sich leihen. Danke.« Sie nahm mir die Schürzen aus der Hand und strahlte ihn an.

  Keiner der beiden reagierte, als ich eine Verabschiedung murmelte und das Steakhouse verließ.

  Am Nachmittag traf ich mich zum zweiten Mal mit Kaden im Fitnesscenter. Er redete nicht mit mir, aber das war mir mehr als recht. Ich wusste nicht, was mit meiner Stimme geschehen wäre, hätte ich irgendetwas sagen müssen.

  Er hielt den Boxsack für mich, wie beim letzten Mal, und ich schlug darauf ein, immer und immer wieder, während ich Isaacs Gesicht vor Augen hatte. Zwischendurch merkte ich, dass Kaden sogar einmal ein Stück über den Boden rutschte, aber ich machte einfach weiter. Immer weiter, bis meine Arme genauso sehr schmerzten wie mein Herz.

  Ich war nicht dumm. Natürlich war mir klar, dass Isaac irgendwann jemand Neues finden würde. Aber seit Rileys Hochzeit war gerade einmal eine Woche vergangen. Ich hätte nicht erwartet, dass er alles, was geschehen war, so schnell abhaken und die erstbeste Gelegenheit nutzen würde, um mit einem anderen Mädchen zu flirten. Vor meinen Augen.

  Vor wenigen Monaten hätte er sich nicht mal getraut, ein Mädchen anzusprechen, geschweige denn, es so zu berühren. Wenn ich an die Selbstverständlichkeit dachte, mit der er die Hüften des Mädchens gepackt hatte, wurde mir ganz schlecht.

  Ich kniff die Augen zusammen und schlug wieder gegen den Boxsack. Und noch einmal. Ich stellte mir vor, dass er ihr Gesicht hatte, aber das half auch nicht, sondern sorgte dafür, dass ich mich noch viel schlechter fühlte.

  Ich boxte fester.

  »Sawyer.«

  Ich hörte nicht auf Kaden. Mir war klar, dass das hier nichts mit Technik zu tun hatte oder den Kombinationen, die er mir gezeigt hatte, aber ich wusste nicht, wohin mit der blinden Wut und dem zermürbenden Schmerz in meinem Innern.

  »Sawyer,« wiederholte Kaden. »Hör auf.«

  Ich konnte nicht. Ich musste weitermachen, wenn ich verhindern wollte, dass Isaac sich zurück in meine Gedanken drängte, wenn ich irgendwie mit dieser ganzen schrecklichen Geschichte abschließen wollte. Ich sah nichts mehr, nur noch schwarze Punkte, und bei meinem nächsten Schlag spürte ich keinen Widerstand und der Sack flog nach hinten.

  Dann packte Kaden mich bei den Armen, genau in dem Moment, als meine Beine nachgaben und ich auf der Matte zusammenbrach. Meine Knie rutschten über das Gummi und ich stöhnte vor Schmerz. Mir war schwindelig, ich wusste nicht mehr, wo oben und unten war. Ich wusste nur, dass ich den ausdruckslosen Blick, mit dem Isaac mich heute Morgen angesehen hatte, niemals würde vergessen können.

  Ich krümmte mich zusammen, weil ich keine Luft mehr bekam.

  »Sawyer«, erklang Kadens Stimme wie aus weiter Ferne.

  Es fühlte sich an, als würde ich jeden Moment ohnmächtig werden. Beinahe sehnte ich das Gefühl herbei.

  »Du musst tief einatmen. Hey, sieh mich an.«

  Ich öffnete die Augen. Kaden hatte mich an den Armen gepackt und atmete tief ein. Langsam ließ er die Luft entweichen, nur um gleich darauf wieder einzuatmen. Ich versuchte, es ihm nachzutun. Aber dann erinnerte ich mich daran, dass ich für Kaden damals nicht mal gut genug für eine belanglose Affäre gewesen war. Allie war auf seiner Bildfläche erschienen, und er hatte mich abserviert. Er hatte sogar zugelassen, dass sie mich auf seiner Party vor allen seinen Freunden gedemütigt hatte. Aber mit Sawyer Dixon konnte man es ja machen. Sawyer hatte ja keine Gefühle. Oder ein Herz.

  »Fass mich nicht an«, brachte ich hervor und stieß seine Hände beiseite. Auf allen vieren rutschte ich auf der Matte zurück. Immer weiter, bis ich den kühlen Hallenboden unter meinen Händen spürte. Mit Mühe atmete ich ein und wieder aus, immer wieder, bis mir nicht mehr schwindelig war, ich aufstehen und die Halle verlassen konnte.

  KAPITEL 32

  In der nächsten Woche verbrachte ich die meiste Zeit in Robyns und Pats Galerie. Robyn hatte mir angeboten, ihnen erst einmal bei der Arbeit zuzusehen, bevor ich mit meiner eigentlichen Aufgabe dort begann, nämlich Bilder von der Galerie für den Webauftritt zu machen.

  Sie sprach mich nicht auf die dunklen Ringe unter meinen Augen an oder die Tatsache, dass ich noch wortkarger war als sonst. Stattdessen ließ sie mir freie Hand bei der Auswahl meiner Motive und ermutigte mich, alles auszuprobieren, was mir in den Sinn kam. Ich machte Vorher-Bilder von einem der Räume, der gerade noch renoviert wurde, fotografierte Pat und Robyn, als sie die neuen Schilder zusammen mit den Inhabern der Bar aufhängten, und versuchte, den Charakter der Galerie und der Menschen, die dort arbeiteten, einzufangen. Es herrschte eine tolle Atmosphäre, die einen motivierte, das Bestmögliche bei der Arbeit zu geben.

  Jeden Abend, wenn ich nach Hause kam, versuchte Dawn, mich in ein Gespräch zu verwickeln. Sie fragte mich über die Galerie aus, aber ich wusste, dass sie nur auf einen geeigneten Moment wartete, um auf Rileys Hochzeit umzuschwenken. Ich hatte ihr noch immer nicht erzählt, was damals vorgefallen war, und Dawns ehrlich neugierigem Blick nach zu schließen, war ich mir ziemlich sicher, dass auch Isaac geschwiegen hatte.

  Ich beschloss, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Ich hatte sie in der letzten Zeit hinter viel zu viele meiner Mauern blicken lassen. Und da es nur eine Frage der Zeit war, bis auch sie einsah, dass ich die ganze Mühe nicht wert war, wollte ich ihr lieber zuvorkommen.

  Robyn und Pat waren begeistert von meinem Einsatz und dass ich jede Minute, die ich nicht in der Uni war, bei ihnen verbrachte und aushalf. Ich fragte mich, ob sie sich darüber auch so gefreut hätten, wenn ihnen bewusst gewesen wäre, dass ich schlichtweg niemand anderen hatte, zu dem ich gehen konnte.

  Als ich am Donnerstag aus meinem Vormittagskurs kam, stand Dawn an der gegenüberliegenden Wand gelehnt und wartete auf mich. Ich versuchte, nach rechts auszuweichen, aber ihr wütender Blick pinnte mich an Ort und Stelle fest. Sie stieß sich von der Wand
ab und kam auf mich zu.

  »Wir gehen jetzt zusammen mittagessen«, sagte sie und hakte sich bei mir unter. Ich versteifte mich sofort. Falls sie es merkte, ließ sie sich nichts anmerken. Als wäre es das Selbstverständlichste der Welt, zog sie mich neben sich her in Richtung Mensa. »Allie und Scott sind schon da und halten uns Plätze frei.«

  »Ich habe echt keine Lust, mit dir und deiner Clique essen zu gehen«, murrte ich und sträubte mich gegen ihren forschen Gang.

  »Mir scheißegal.«

  Stirnrunzelnd blickte ich auf sie hinunter. »Da hat jemand aber gute Laune.«

  Dawn gab ein Knurren von sich und blieb abrupt stehen. Sie funkelte mich aus zusammengekniffenen Augen an. »Was glaubst du? Du benimmst dich seit über einer Woche wie ein totales Arschloch, Sawyer, und dir ist total egal, ob du jemanden dabei verletzt. Wäre schön, wenn du mit deinem Ego-Trip aufhörst und dich endlich mal wieder einkriegst. Ich gehe nämlich nirgendwohin. Ich bin hier, und ich bleibe deine Freundin, und es ist mir total egal, wie du das findest oder wie mies du dich verhältst – ich höre damit nicht von einem auf den nächsten Tag auf. Kapiert?«

  Ihre Worte versetzten mir einen Stich und sorgten dafür, dass ich mich noch mieser fühlte. Ich räusperte mich und starrte zu Boden. »Sorry.«

  »Schon okay«, sagte sie.

  Dann zog sie mich weiter in Richtung Mensa. Ich wehrte mich nicht, auch nicht, als sie mich dort zwischen den vielen Menschen hindurchschleuste, mir an der Essensausgabe ein Tablett in die Hand drückte und kurzerhand ein Gericht für mich mitbestellte.

  Ich folgte ihr zu einem Tisch im hintersten Eck des Saals. Scott und Allie saßen bereits dort und lächelten, als wir zu ihnen kamen.

  »Hey, Leute«, sagte Dawn und schob sich auf die Bank gegenüber von ihnen. Sie zog an meinem Ärmel, bis ich nicht anders konnte, als mich neben sie zu setzen.

  »Hi«, sagte ich mit einem gezwungenen Lächeln und konnte es nicht verhindern, dass mein Blick kurz zu Allie zuckte. Ihrem mitleidigen und gleichzeitig neugierigen Blick nach zu urteilen, hatte Kaden ihr von meinem Zusammenbruch im Fitnessstudio erzählt. Großartig.

 

‹ Prev