Exodus
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Seew dachte an seinen letzten Besuch in seinem Heimatort, dem Kibbuz Sde Schimschon — »Samsonsfeld«. Liora hatte ihm erzählt, daß sie wieder ein Kind erwarte. Das war ja großartig! Wenn er nicht als Soldat Dienst tat, züchtete Seew Schafe — doch das schien lange her. Wie wunderbar würde es sein, mit seinen Söhnen hinauszugehen, am Berghang zu sitzen und der grasenden Herde zuzusehen ...
Doch dann schaltete er Gedanken dieser Art ab; hier wartete so viel Arbeit auf ihn. Wenn die Engländer Fort Esther übergeben hatten, mußte er den belagerten Kibbuz Manara entsetzen und Streifen einteilen, die die Grenze entlang patrouillierten, um den Strom der einsickernden Irregulären zu drosseln.
Die zwanzig jungen Leute begannen zu singen, während der Wagen die Haarnadelkurven der Bergstraße hinauffuhr. Seew sah auf seine Uhr. Es waren noch fünfzehn Minuten bis zu der verabredeten Zeit. Er bog um die letzte Kurve. Einige Meilen vor ihm tauchte der große viereckige Zementblock am Horizont auf. Als er bis auf ein paar hundert Meter an Fort Esther heran war, fühlte er instinktiv, daß irgend etwas nicht so war wie es sein sollte. Er verlangsamte die Fahrt und streckte den Kopf aus dem Fenster. Wenn die Engländer wirklich abziehen sollten, dann mußte doch irgendeine Bewegung zu sehen sein. Irgend etwas stimmte hier nicht. Seew richtete den Blick auf den Wachtturm mit den Schießscharten. In dem Augenblick, in dem sein Auge die Flagge der irregulären Streitkräfte Kawukys über dem Turm erspähte, begann Fort Esther Feuer zu speien.
Seew trat kräftig auf die Bremse und schrie: »Deckung! Runter vom Wagen!«
Seine Leute sprangen vom Wagen und begaben sich mit einem Satz in Deckung. Der Lastwagen ging in Flammen auf. Seew zog sich mit seinem Trupp rasch zurück, bis sie außer Schußweite waren, dann ließ er sammeln und begab sich im Laufschritt den Berg hinunter nach Ejn Or.
Als Ari hörte, daß Fort Esther an die Araber übergeben worden war, brauste er sofort los nach Safed und zu dem Teggart-Fort am Berge Kanaan.
Er begab sich sofort in das Dienstzimmer des britischen Gebietskommandeurs, Major Hawks. Hawks, ein Mann von massiver Statur und dunklem Typ, sah bleich und übernächtig aus. »Sie Judas!« fauchte Ari.
»Es war nicht meine Schuld«, sagte Hawks mit kläglicher Stimme. »Das müssen Sie mir glauben.«
»Nein, das nehme ich Ihnen nicht ab. Nicht Ihnen.«
Hawks hielt sich den Kopf mit den Händen. »Ich bekam gestern abend um zehn Uhr einen Anruf von unserem Oberkommando in Jerusalem. Man befahl mir, meine Leute unverzüglich aus Fort Esther abzuziehen.«
»Sie hätten mich benachrichtigen können!«
»Nein, das konnte ich nicht«, murmelte Hawks. »Ich durfte es nicht. Ich bin schließlich Soldat, Ben Kanaan. Ich — ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan. Heute morgen habe ich Jerusalem angerufen und gebeten, man möge mir erlauben, nach Fort Esther zu gehen und es den Arabern wieder abzunehmen.«
Ari sah den Engländer voll Verachtung an.
»Sie mögen von mir denken, was Sie wollen — und vermutlich haben Sie recht damit — aber ich konnte nicht anders handeln.«
»Es ist schließlich Ihr Beruf und Ihr Brot, Hawks. Ich denke, Sie sind nicht der erste Soldat, dem es gelang, die Stimme seines Gewissens zum Schweigen zu bringen.«
»Was nützt es, jetzt noch darüber zu reden? Was geschehen ist, ist geschehen.«
»Sie mögen durch das, was Sie getan haben, Ihrer soldatischen Pflicht Genüge geleistet haben, Hawks, aber Sie tun mir leid. Denn Sie sind es, der die Belagerung von Gan Dafna auf seinem Gewissen haben wird, vorausgesetzt, daß Sie noch ein Gewissen haben.«
Hawks wurde bleich. »Sie werden die Kinder doch wohl nicht da oben lassen? Sie müssen sie wegbringen!«
»Das hätte Ihnen eigentlich klar sein müssen. Nachdem jetzt Fort Esther in der Hand der Araber ist, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als Gan Dafna um jeden Preis zu halten, wenn wir nicht das ganze Hule-Tal verlieren wollen.«
»Hören Sie, Ari, ich bin bereit, den Geleitschutz zu stellen, um die Kinder in Sicherheit zu bringen.«
»Und wohin? Sie sind nirgends sicher.«
Ari sah, wie Hawks die Hände zur Faust ballte und damit auf den Schreibtisch schlug, während er vor sich hinmurmelte. Es schien nicht nötig, diesem Mann noch weitere Vorwürfe zu machen. Es war ihm deutlich anzusehen, wie sehr ihm das, was er tun hatte müssen, zu schaffen machte.
Auf der Fahrt nach Safed hatte Aris Gehirn eifrig an einem Plan gearbeitet, der zwar riskant war, ihm aber unter Umständen doch geeignet erschien, die Schlüsselstellung Gan Dafna zu retten.
Er beugte sich über Hawks Schreibtisch. »Ich möchte Ihnen eine Chance geben, einen Teil des Schadens, den Sie angerichtet haben, wiedergutzumachen.«
»Was könnte ich jetzt noch tun, Ben Kanaan?«
»Als Gebietskommandeur sind Sie durchaus dazu berechtigt, nach Gan Dafna zu kommen und uns den guten Rat zu geben, den Ort zu evakuieren.«
»Ja, aber —.«
»Dann tun Sie das bitte. Fahren Sie morgen nach Gan Dafna hinauf und nehmen Sie fünfzig Lastwagen mit. Sichern Sie die Wagenkolonne vor und hinten mit Panzerwagen. Wenn Sie jemand fragt, was Sie vorhaben, dann erzählen Sie den Leuten, Sie beabsichtigen, die Kinder zu evakuieren.«
»Ich verstehe Sie nicht ganz. Sind Sie denn bereit, Gan Dafna zu räumen?«
»Nein. Aber alles übrige überlassen Sie bitte mir. Sie brauchen weiter nichts zu tun, als mit Ihrer Wagenkolonne nach Gan Dafna zu kommen.«
Hawks verlangte von Ari keine Auskunft darüber, was er vorhatte. Er tat, worum Ari ihn gebeten hatte, und fuhr mit einer Kolonne von fünfzig Lastwagen und einem Geleitschutz von Panzerwagen nach Gan Dafna. Die Kolonne, die eine halbe Meile lang war, passierte auf dem Weg zum Hule-Tal sechs arabische Ortschaften. Sie lief die Berge hinauf und vor den Augen der Irregulären von Fort Esther durch Abu Yesha und langte gegen Mittag in Gan Dafna an. Major Hawks begab sich zu Dr. Liebermann und forderte ihn formell auf, den Ort zu evakuieren; dieser lehnte auf Aris Rat, offiziell ab. Nach dem Mittagessen setzte sich die Wagenkolonne von Gan Dafna aus wieder in Bewegung und kehrte zum Stützpunkt in Safed zurück. Inzwischen vertraute Ari einigen seiner arabischen Freunde in Abu Yesha unter dem Siegel der Verschwiegenheit an, daß Major Hawks tonnenweise Waffen in Gan Dafna zurückgelassen habe, angefangen von Maschinengewehren bis zu Granatwerfern. »Schließlich und endlich«, sagte Ari, »ist es ja bekannt, daß Hawks ein Freund der Juden war, und er hat auf eigene Faust etwas für uns getan, um uns dafür zu entschädigen, daß Fort Esther den Arabern übergeben wurde.«
Die Saat war gesät. Innerhalb von Stunden hatte sich in dem ganzen Gebiet das Gerücht verbreitet, daß Gan Dafna von Waffen starre und uneinnehmbar sei. Dies erschien besonders durch die Tatsache glaubwürdig, daß keine Evakuierung der Kinder stattfand; denn die Araber wußten nur zu genau, daß die Juden die Kinder fortgeschafft hätten, wenn ernstliche Gefahr für Gan Dafna bestanden hätte. Nachdem sich genügend herumgesprochen hatte, wie stark Gan Dafna war, begab sich Ari nach Abu Yesha, um dort in dem steinernen Haus am Strom seinen alten Freund Taha, den Muktar, zu besuchen. Mochte die Stimmung auch noch so gespannt sein, das änderte nichts an dem jahrhundertealten Brauch, daß ein Mann im Hause eines Arabers gastlich bewirtet werden mußte. Doch obwohl Taha allen Formen der Gastlichkeit genügte, spürte Ari eine Kälte, wie er sie bei Taha noch nie erlebt hatte.
Sie aßen und sprachen über belanglose Dinge. Als Ari meinte, daß der Formalität allmählich Genüge geleistet sei, kam er auf den eigentlichen Anlaß seines Besuches zu sprechen.
»Es ist an der Zeit«, sagte Ari, »daß ich deine Einstellung kennenlerne.«
»Meine persönliche Einstellung ist im Augenblick wenig wichtig.« »Es tut mir leid, Taha, aber als Gebietskommandeur der Hagana muß ich dich danach fragen.«
»Ich habe dir mein Wort gegeben, daß Abu Yesha neutral bleibt.« Ari stand auf. Er sah Taha fest in die Augen und sprach Worte, die für das Ohr eines Arabers hart waren.
»Du hast mir dein Wort gegeben«, sagte er, »aber du hast es gebrochen.«
Taha sah ihn an, und in seinen Augen b
litzte es zornig.
»Wir sind darüber unterrichtet, daß Kawukys Leute scharenweise über Abu Yesha eingesickert sind.« »Und was erwartest du von mir?« gab Taha heftig zurück. »Soll ich ihnen vielleicht sagen, sie möchten bitte nicht mehr kommen? Ich habe sie dazu nicht aufgefordert.«
»Ich auch nicht. Sieh mal, mein Freund — es gab einmal eine Zeit, da haben wir beide nicht so miteinander gesprochen.«
»Die Zeiten ändern sich, Ari.«
Ari ging ans Fenster und sah zu der Moschee am anderen Ufer des Flusses hinaus. »Ich habe dieses Stückchen Erde hier immer sehr gern gehabt. Wir beide haben in diesem Raum und an diesem Fluß viele glückliche Tage verlebt. Weißt du noch, wie wir beide nachts da draußen gezeltet haben?«
»Das ist lange her.«
»Es mag sein, daß ich ein allzu gutes Gedächtnis habe. In den Zeiten der blutigen Unruhen haben wir uns oft darüber unterhalten, wie lächerlich es sei, daß alle Menschen meinten, sie müßten gegeneinander kämpfen. Wir haben ewige Blutsbrüderschaft geschlossen. Taha — ich habe die ganze letzte Nacht nicht geschlafen, weil ich mir überlegte, was ich dir heute sagen sollte. Dabei fiel mir alles wieder ein, was wir beide, du und ich, gemeinsam getan und erlebt haben.«
»Es paßt nicht zu dir, Ari, sentimental zu werden.«
»Es paßt genausowenig zu mir, dir drohen zu müssen. Mohammed Kassi und die Männer in Fort Esther sind genau das gleiche Kaliber wie die Männer, die deinen Vater ermordet haben, während er im Gebet versunken war. In dem Augenblick, wo die Engländer hier abziehen, wird er von Fort Esther herunterkommen und von dir verlangen, daß du die Straße nach Gan Dafna sperrst. Wenn du es zuläßt, wird er deinen Leuten Gewehre in die Hand drücken und ihnen befehlen, Yad El anzugreifen.«
»Und was erwartest du von mir?«
»Und was erwartest du von mir?« gab Ari die Frage zurück.
Ein feindliches Schweigen entstand im Raum. »Du bist der Muktar von Abu Yesha. Du kannst deinen Leuten sagen, was sie zu tun und zu lassen haben, genau wie dein Vater das getan hat. Du mußt aufhören, gemeinsame Sache mit diesen Irregulären zu machen.« »Oder?«
»Oder wir werden dich als unseren Feind betrachten.«
»Und was dann? Sag es mir, Ari.«
»Dann hätte dein Verhalten zur Folge, daß Abu Yesha zerstört wird.«
Weder Ari noch Taha hielten das, was Ari gesagt hatte, für vollen Ernst. Ari war müde, er ging zu Taha hin und legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Bitte«, sagte Ari, »hilf mir.«
»Ich bin Araber«, sagte Taha.
»Du bist ein Mensch. Du weißt, was recht und unrecht ist.«
»Willst du mir erzählen, ich sei dein Bruder?«
»Du bist es immer gewesen«, sagte Ari.
»Wenn ich dein Bruder bin, dann gib mir Jordana. Ja, das ist das Richtige — gib sie mir, daß sie das Bett mit mir teile und die Mutter meiner Kinder werde.«
Aris Faust schoß vor und traf Tahas Kinn. Der Araber ging betäubt zu Boden, auf Hände und Knie. Er sprang auf, riß den Dolch, der an seinem Gürtel hing, aus der Scheide und ging in geduckter Haltung auf Ari los.
Ari stand unbeweglich und machte keinerlei Anstalten, sich zu verteidigen. Taha hob den Dolch, dann erstarrte er, wandte sich ab und warf den Dolch von sich.
»Mein Gott, was habe ich getan?« flüsterte Ari. Er ging auf Taha zu mit einem Gesicht, dessen Ausdruck um Verzeihung bat.
»Du hast mir alles gesagt, was ich wissen muß. Hinaus aus meinem Haus, Jude!«
IV.
In Flushing Meadow, New York, hatten die Dinge eine sehr schlimme Wendung genommen. Da zur Durchsetzung des Beschlusses der UNO offensichtlich eine bewaffnete Intervention notwendig war, hatten die Amerikaner, aus Furcht, die Russen an einer internationalen Polizeitruppe im Nahen Osten beteiligen zu müssen, ihre bisherige Haltung zugunsten einer Teilung Palästinas aufgegeben.
Der Jischuw machte verzweifelte Anstrengungen, die Amerikaner von dieser defätistischen Haltung wieder abzubringen. Mitten in diesen wichtigen Verhandlungen wurde Barak ben Kanaan durch ein dringendes Telegramm aufgefordert, sich sofort nach Frankreich zu begeben. Infolge der Dringlichkeit der Arbeit in Flushing Meadow war Barak über diese Anordnung zwar sehr erstaunt, doch er flog unverzüglich nach Frankreich.
Hier wurde er von zwei Beauftragten des Jischuw empfangen. Man hatte ihn gerufen, damit er an höchst geheimen Verhandlungen über den Einkauf lebenswichtiger Waffen teilnahm. Man war beim Jischuw-Zentralrat der Meinung, daß Waffen infolge des Abschwenkens der Amerikaner im Augenblick wichtiger waren als alles andere, und daß für eine derartige Transaktion niemand geeigneter war als Barak. Von ihrem guten Freund, dem tschechischen Außenminister Jan Masaryk, hatten sie Informationen darüber bekommen, bei welchen Stellen in einem halben Dutzend europäischer Länder Waffen gekauft werden konnten.
Nach mehreren Wochen vorsichtiger und streng vertraulicher Verhandlungen wurden die Lieferungsverträge abgeschlossen. Das nächste Problem bestand darin, die Waffen nach Palästina zu schaffen, das sich noch immer unter britischer Blockade befand.
Als erstes erwarb man ein Flugzeug, das über einen genügend großen Laderaum zum Transport der Waffen verfügte. Ein Beauftragter der Aliyah Bet ermittelte in Wien einen ausrangierten überzähligen amerikanischen Bomber vom Typ Liberator. Eine Firma, die sich »Alpine Luftfrachtgesellschaft« nannte, kaufte ihn. Als nächstes mußte man eine Crew finden. Sechs Mann, vier südafrikanische und zwei amerikanische Juden, die im Kriege Flieger gewesen waren, wurden für diese Aufgabe ausgesucht und zu strengster Geheimhaltung verpflichtet.
Die letzte und schwierigste Aufgabe war, auf dem engen Raum des kleinen Palästina einen heimlichen Flugplatz zu schaffen, ohne daß ihn die Engländer entdeckten. Man entschied sich für einen von den Engländern nicht mehr benutzten Jagdfliegerstützpunkt im Jesreel-Tal. Er lag in einem Gebiet mit rein jüdischer Bevölkerung, und hier schien es am ehesten möglich, daß es der Maschine gelang, unbemerkt zu landen und wieder zu starten.
Inzwischen wurde in Europa der Transport und die Lagerung der angekauften Waffen mit der gleichen Heimlichkeit besorgt, die auch hinsichtlich des wahren Charakters der »Alpinen Luftfrachtgesellschaft« geübt wurde.
Es war ein Wettrennen mit der Zeit. Zwei Wochen sollte es dauern, bis die erste Waffenladung Europa verlassen konnte. War es dann nicht vielleicht zu spät?
Bisher war den Arabern wie durch ein Wunder noch nicht eine einzige Siedlung in die Hände gefallen; doch aus den jüdischen Transportkolonnen machten die Araber Kleinholz. Die Araber hatten die Leitungen unterbrochen, die das Wasser zu den Siedlungen in der Negev-Wüste brachten. Es gab Orte, in denen die Siedler gezwungen waren, von Kartoffelschalen und Oliven zu leben.
Der Brennpunkt des Kampfes aber war Jerusalem, wo sich die Auswirkung der arabischen Taktik des Isolierens und Aushungerns ernstlich bemerkbar zu machen begann. Bab el Wad, die Straße von Tel Aviv nach Jerusalem, war mit den Trümmern ausgebrannter Lastwagen besät. Nur durch gelegentliche riesige Transportkolonnen, deren Geleitschutz hohe Opfer an Menschenleben und Material erforderte, konnte die verzweifelte Lage der Juden in Jerusalem vorübergehend gelindert werden. Kawuky, Safwat und Kader brauchten dringend einen Sieg. Die Araber in Palästina wurden allmählich unruhig, da noch immer nichts von dem »großartigen Siegeszug« zu sehen war, den man lautstark angekündigt hatte.
In dieser Situation beschloß Kawuky, der sich selbst zum Generalissimus der »Yarmuk-Streitkräfte« des Mufti ernannt hatte, den Ruhm der Eroberung der ersten jüdischen Siedlung an sich zu bringen. Er wählte sein Angriffsziel mit Bedacht.
Kawukys Wahl fiel auf den Kibbuz Tirat Zwi. Die Einwohner von Tirat Zwi waren orthodoxe Juden, von denen viele im Konzentrationslager gewesen waren. Der Kibbuz befand sich im südlichen Teil des Beth-Shaan-Tales und war absichtlich dort angelegt worden, um in einem Gebiet, dessen Bevölkerung bis dahin ausschließlich arabisch gewesen war, als Gegengewicht zu wirken. Südlich von Tirat Zwi lag das »Dreieck«, der Teil von Palästina, dessen Bevölkerung rein arabisch war. Die Grenze Jordaniens befand sich in
Schußweite, und ein kleines Stück nach Norden vollendete die feindliche arabische Stadt Beth Shaan die isolierte Lage des Kibbuz Tirat Zwi.
Kawuky war entzückt von der Wahl, die er getroffen hatte. Die religiösen Juden von Tirat Zwi würden bei dem ersten massierten Angriff in die Knie gehen. Kawuky versammelte in dem Aufmarschgebiet bei Nablus Hunderte von Arabern und marschierte mit ihnen zum Angriff auf Tirat Zwi.
Kawuky verkündete seinen Sieg im voraus; er wurde sogar offiziell bekanntgegeben, bevor er überhaupt angegriffen hatte. Als er seine Truppen in die Ausgangsstellung führte, kamen die arabischen Frauen von Beth Shaan an den Rand des Schlachtfeldes, ausgerüstet mit Säcken und anderen Behältern, und warteten darauf, den Kibbuz nach dem Angriff plündern zu können.
Der Angriff kam, als ein wolkenverhangener Tag dämmerte. Die Juden hatten hundertsiebenundsechzig Männer und Frauen in kampffähigem Alter an der Front, in Schützengräben und hinter eilig aufgeworfenen Verschanzungen, die der Stellung der Araber gegenüberlagen. Die Kinder waren in einem Gebäude untergebracht, das sich im Zentrum des Kibbuz befand. Außer ihren Gewehren stand den Verteidigern nichts als ein einziger Granatwerfer Kaliber Fünf zur Verfügung.
Eine Trompete ertönte. Offiziere der Arabischen Legion führten mit gezogenem Säbel den Angriff an. Hinter ihnen strömten die Irregulären über das offene Feld heran, in einem massierten Frontalangriff, der darauf ausging, den Kibbuz durch das bloße Gewicht der zahlenmäßigen Überlegenheit zu überrennen.
Die Juden warteten, bis die Angreifer auf zwanzig Meter herangekommen waren. Dann eröffneten sie auf ein Zeichen ein mörderisches zusammengefaßtes Feuer. Die Araber wurden reihenweise niedergemäht.
Der Schwung des arabischen Angriffs trieb eine zweite, eine dritte und eine vierte Welle heran. Die Juden ließen auch diese weiteren Wellen bis auf nächste Entfernung herankommen und empfingen sie dann mit ihrem disziplinierten, zusammengefaßten Abwehrfeuer.