Bevor wir fallen

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Bevor wir fallen Page 5

by Bowen, Sarina


  Ich mischte mich noch nicht so häufig unter die Leute, aber bis dahin brauchte es wahrscheinlich einfach noch ein wenig Zeit. Bisher spielte ich an den Freitag- und Samstagabenden am liebsten RealStix mit Hartley. Als die Hockeysaison begann, hatten seine Freunde kaum noch Zeit für ihn. Sie mussten entweder trainieren oder hingen auf Partys in Winkeln des Campus ab, in die sich Hartley nicht mühsam schleppen wollte. An solchen Abenden ließ er sich stattdessen für ein paar Partien Hockey neben mir aufs Sofa plumpsen, und manchmal sahen wir uns danach noch einen Film an.

  »Du verlässt dich zu sehr auf deinen Mannschaftskapitän«, meinte Hartley eines Abends, als ich gerade dabei war zu verlieren.

  Ich wollte es ihm nicht sagen, aber dass ich an diesem Abend so schlecht spielte, hatte nur sehr wenig mit meinem Center, dafür aber umso mehr mit dem Umstand zu tun, dass Hartley kein T-Shirt trug. Während der letzten halben Stunde hatte ich versucht, beim Anblick von seinem Sixpack nicht haltlos drauflos zu sabbern.

  Er machte eine Flasche Bier auf und hielt sie mir hin, doch ich winkte ab.

  »Digby ist zwar gut, aber es gibt auch noch andere Spieler auf dem Eis.«

  »Digby ist umwerfend«, sagte ich und legte mein Gamepad weg.

  Und es stimmte – selbst die Digitalversion des Puffins-Kapitäns ließ mein Herz höher schlagen. Er war fast der schärfste Hockeyspieler, den ich kannte. Der Allerschärfste saß allerdings neben mir auf dem Sofa.

  Hartley schnaubte in sein Bier. »Echt?« Er lachte, was bedeutete, dass ich mehr von seinem umwerfenden Lächeln zu sehen bekam. »Ich dachte, du wärst ein echter Fan, Callahan. Dass du bloß ein Puck Bunny bist, hätte ich nicht gedacht.«

  Ich bekam Schnappatmung. »Und ich hätte nicht gedacht, dass du so ein Arsch bist.«

  Er hob abwehrend eine Hand, mit der anderen umklammerte er weiter die Bierflasche. »Hey, das sollte bloß ein Witz sein.«

  Ich biss mir auf die Lippe und versuchte, meinen Ärger zurückzufahren. Puck Bunny war ein herabwürdigender Begriff für Frauen, die den Hockeyspielern eindeutig den Vorzug vor ihrer Sportart gaben. Mich hatte noch nie jemand so genannt. Schließlich war ich am glücklichsten, wenn ich selbst auf der Eisbahn stand.

  Hartley machte es seinem Bein auf dem Tisch gemütlich und legte den Kopf schief. Er sah aus wie ein treuer Golden Retriever. »Tut mir leid, wenn ich einen wunden Punkt getroffen habe.«

  Ich streckte die Hand aus, nahm ihm die Bierflasche ab und trank einen Schluck. »Ich male mir besser das Gesicht an und brülle die Schiris zusammen. Weil ich so ein Riesenfan bin.«

  Ich hielt ihm die Flasche hin, doch er wollte sie nicht zurück. Stattdessen sah er mich so eindringlich an, dass ich mich fragte, ob er wohl meine Gedanken lesen konnte.

  »Callahan«, sagte er bedächtig, »spielst du selbst Hockey?«

  Eine Zeit lang sahen wir einander nur schweigend an. Ich hatte immer schon Hockey gespielt – seit meinem fünften Lebensjahr. Doch neuerdings war ich bestenfalls ein Fan. Was echt wehtat.

  Ich schluckte. »Ich habe gespielt, ja, bevor … Du weißt schon … bevor ich damit aufgehört habe.« Ich spürte ein Brennen hinter den Augen. Aber ich würde vor Hartley auf keinen Fall zu heulen anfangen, also atmete ich tief durch die Nase ein.

  Er leckte sich die Lippen. »Du hast gesagt, dein Vater trainiert eine Highschoolmannschaft.«

  »Er war mein Trainer auf der Highschool.«

  »Kein Scheiß?« Hartley öffnete, ohne mich aus den Augen zu lassen, eine neue Bierflasche. »Auf welcher Position spielst du?«

  Habe ich gespielt. Das war einmal.

  »Center natürlich.« Doch mir war schon klar, was er wirklich wissen wollte. »Kapitän. A-Kader. Von interessierten Hochschulen angeworben.«

  Es fiel mir verflucht schwer, ihm davon zu erzählen; ihm mitzuteilen, was genau ich verloren hatte. Die meisten Leute wollten nichts davon hören. Sie wechselten lieber das Thema und fragten mich, ob ich es nicht mal mit Stricken oder Schach versuchen wollte.

  Doch Hartley streckte nur den Arm aus und stieß mit mir an. »Ich wusste, dass ich dich mag, Callahan.«

  Darauf fiel es mir noch schwerer, gegen die Tränen anzukämpfen. Doch ich trank einen großen Schluck Bier und behielt die Oberhand.

  Es dauerte einen Moment, bis Hartley das Schweigen erneut brach. »Tja … das heißt dann wohl, ich muss deine Perspektive so ändern, dass du immer sehen kannst, was deine Verteidiger machen. Rutsch mal hier rüber.«

  Ich war froh, dieses Gespräch hinter mir zu haben, und rückte näher an ihn heran.

  Hartley legte einen Arm um mich, um das Gamepad so vor meinem Körper zu positionieren, dass ich es im Auge behalten konnte. »Wenn man die beiden Tasten da gleichzeitig drückt«, sagte er, indem er sie mit den Daumen gedrückt hielt und auf den Bildschirm schaute, »wechselt die Perspektive von den Spielern zum Trainer.«

  Ich schmiegte mich an ihn und spürte seinen Atem an meinem Ohr. »Ja«, hauchte ich. Die Wärme seiner nackten Brust an meinem Rücken wirkte unglaublich ablenkend. »Das ist … gut«, stotterte ich.

  Während er mir ein paar weitere Tricks zeigte, atmete ich den sauberen Seifenduft seiner Haut ein und bewunderte seine wohlgeformten Unterarme. Man hätte diese Arme in Gedichten besingen sollen. Hartley erklärte mir gerade etwas über Bodychecks, was ich jedoch nicht recht mitbekam. Immer, wenn er »Body« sagte, konnte ich nur an seinen denken.

  »Alles klar?«, fragte er schließlich, während ich ausreichend Sauerstoff zu ergattern versuchte. »Jetzt kannst du nicht mehr so tun, als hättest du keine Ahnung, wenn ich dich schlage.« Damit zupfte er an meinem kurzen Pferdeschwanz und gab die fürsorgliche Belagerung auf.

  Ich stemmte mich mit glühenden Wangen auf meine Sofaseite zurück. »Na, dann los«, stieß ich mühsam hervor und aktivierte ein paar Gehirnzellen. »Ich bin bereit, dich niederzumachen.«

  »Wir werden ja sehen«, sagte er und grinste.

  Am nächsten Freitag lief ich Hartley an der Vordertür von McHerrin House über den Weg.

  »Später RealStix?«, fragte ich. Bitte!

  Doch er schüttelte den Kopf. »Die Hockeyspiele gehen erst in einer Woche los, und Bridger schmeißt eine Party. Du solltest mitkommen, es sind auch bloß sechs Stufen. Ich hab ihm extra gesagt, er soll sie zählen. Schaffst du die?«

  Ich ließ mir seinen Vorschlag durch den Kopf gehen. »Ja, schon, wenn es mir nichts ausmacht, dabei wie eine betrunkene Giraffe auf Stelzen auszusehen – nur weniger elegant.«

  Er grinste. »Also so wie ich an guten Tagen. Ich will um acht hin, ich klopfe dann vorher bei dir an. Dana kann auch mitkommen und alle anderen, die du magst.« Damit ging er in sein Zimmer.

  »Hast du Lust, heute Abend zu Bridgers Party zu gehen?«, fragte ich Dana, als sie endlich heimkam.

  »Würde ich gerne, aber ich kann nicht«, antwortete sie. »Es gibt zwei Teilnehmerpartys. Hilfst du mir, passende Klamotten auszusuchen?«

  »Klar doch.« Nun war ich über meine Entscheidung, mich keiner Gesangsgruppe angeschlossen zu haben, noch glücklicher als vorher. Wenn man dafür gut singen können und gut angezogen sein musste, war ich definitiv keine geeignete Kandidatin.

  Wir suchten für Dana einen eng anliegenden lila Sweater zu einer rabenschwarzen Jeans aus. Sie sah hübsch, aber nicht bemüht aus.

  »Und was ziehst du an?«, wollte sie wissen.

  Ich blickte achselzuckend an meinem Harkness T-Shirt hinunter. »Das wird eine Fassbierparty in Bridgers Zimmer. Dafür zieht man sich doch nicht extra um.«

  Dana verdrehte die Augen. »Komm schon, Corey, die Jeans ist ja okay, aber du brauchst ein netteres Oberteil.« Sie marschierte in mein Zimmer und begann, diverse Kommodenschubladen aufzuziehen. »Wie findest du das?«

  »Na ja, es ist pink.«

  »Das sehe ich. Zieh es mal an.«

  Um ihr nicht den Spaß zu verderben, warf ich das Harkness-Shirt auf mein Bett und griff nach dem Top, das sie mir hinhielt.

  Hartley
r />   Als ich die Tür zum Gemeinschaftsraum der Mädchen öffnete, hörte ich hinter Coreys halb offen stehender Schlafzimmertür Stimmen.

  »Das wär’s. Kann ich jetzt gehen?«, fragte Corey.

  »So ist es viel hübscher«, rief Dana begeistert. »Es liegt an den richtigen Stellen eng an. Warte, zieh die Armreifen hier an.«

  »Na schön«, seufzte Corey, »aber nur, weil das schneller geht, als mit dir zu diskutieren.«

  »Und ohne Lippenstift gehst du mir nicht aus dem Haus.«

  »Herr im Himmel, wieso?«

  Als ich lachen musste, flog eine Sekunde später Coreys Tür ganz auf.

  »Ich muss los«, rief sie Dana zu.

  »Warte!«, schrie ihre Mitbewohnerin und tastete auf einer Kommode herum. »Besitzt du keine Mascara?«

  »Viel Spaß auf den Teilnehmerpartys«, rief Corey, als sie auf Krücken eilig auf mich zukam. »Lauf«, formte sie stumm mit den Lippen, und ich öffnete ihr die Tür.

  Corey bewältigte die sechs Stufen zu Bridgers Zimmer ohne große Mühen. Was toll war, denn ich wäre ihr keine Hilfe gewesen. Die eigentliche Herausforderung an diesem Abend war indes die Party selbst. Es ging exakt das ab, was ich eigentlich hätte vorhersehen müssen. Lauwarmes Bier in Plastikbechern? Check. Die Musik so brüllend laut, dass man sich nicht unterhalten konnte? Check. Mädchen, die vor meinen sämtlichen Mannschaftskameraden ihre Mähnen von links nach rechts warfen? Doppel-Check. In Bridgers Zimmer wimmelte es von Jungs in Harkness-Hockeyjacken und Sweatshirts, und die Puck Bunnys waren ausgeschwärmt, um ihnen Honig ums Maul zu schmieren.

  Ich folgte Coreys Blick und sah eine junge Frau mit ziemlicher Schlagseite, die sich an Bridger rieb. Als ich Corey ansah, hob sie eine Augenbraue. Mir blieb nur, mit den Achseln zu zucken. Man hätte annehmen können, dass es auf einer ambitionierten Hochschule wie Harkness keine Puck Bunnys gab, aber das wäre ein Irrtum gewesen. Bei jedem Heimspiel verkündete mindestens ein selbst gebasteltes Transparent: Zukünftige Hockeyfrau! Die Mädchen machten nicht mal einen Hehl aus ihren Ambitionen.

  Nachdem Corey und ich uns durch die Menge gekämpft hatten, bedachte Bridger uns beide mit einem warmen Lächeln und einem ebenso warmen Bier. Allerdings hatte ich die logistischen Schwierigkeiten unterschätzt, die das Auf-Krücken-Laufen für gleichzeitiges Biertrinken mit sich brachte.

  Corey, die offensichtlich schlauer als ich war, hatte sich auf die Armlehne von Bridgers altem, ramponiertem Sofa gesetzt, die Krücken lehnten hinter ihr an der Wand. So hatte sie die Hände frei.

  Von ihrem Hochsitz aus musterte sie das Zimmer, das Bridger und ich uns geteilt hätten, wäre mein gebrochenes Bein nicht gewesen. Beaumont House war einhundert Jahre alt, und die Universität hatte schon seit ein paar Jahrzehnten nichts mehr daran gemacht. Das dunkle Holz war verkratzt, die Wände waren vergilbt. Die Bogenfenster waren noch original bleiverglast und in winzige glänzende Rechtecke unterteilt. Darunter erstreckte sich eine Fensterbank aus Eichenholz, auf der Studenten mit Bierbechern in der Hand saßen, genau wie sie es vermutlich schon in den Zwanzigern getan hatten.

  Ich hatte das alles bisher immer ziemlich cool gefunden, heute Abend jedoch kam es mir deprimierend statisch vor. Bridger hatte sogar ein Spruchband mit der Aufschrift Esse Quam Videri über dem seit den Sechzigern nutzlosen Kamin aufgehängt. Das Motto der Universität lautete: »Mehr sein als scheinen«. Ein schöner Gedanke, aber an diesem Abend hätte die Stimmung in Bridgers Zimmer besser zu der Überschrift »Sehen, gesehen werden und sich volllaufen lassen« gepasst.

  Das erste Bier hatten wir schnell ausgetrunken. »Noch eins?«, fragte ich Callahan.

  »Eher nicht«, sagte sie lächelnd.

  Gut so, denn ich hätte ihr kaum eins mitbringen können, ohne etwas zu verschütten. Also bahnte ich mir mit meinem Becher zwischen den Zähnen einen Weg zum Bierfass, und versuchte, dabei niemandem mit meinen Krücken auf die Zehen zu treten.

  Bridger nahm mir den Becher aus dem Mund und füllte nach.

  »Was ist aus dem weiblichen Oktopus geworden, der sich dir vorhin an den Hals gehängt hatte?«, erkundigte ich mich.

  Er neigte meinen Becher, damit nicht zu viel Schaum darin landete. »Himmel, die musste ich mir richtig vom Leib schälen. Das war Hanks kleine Schwester.«

  »Echt? Die hatte ich für jünger gehalten.«

  »Das ist ja das Problem. Sie ist erst sechzehn und nur übers Wochenende zu Besuch. Sie hat sich inzwischen woanders festgesaugt. Ausgerechnet an Fairfax.«

  Ich ließ den Blick über das Gedränge schweifen. Tatsache, auf der Fensterbank entdeckte ich ein Mädchen mit Schlafzimmerblick, das sich an unseren Mannschaftskameraden gehängt hatte, der seinerseits tief in seinen Bierbecher starrte.

  »Fuck. Und wo steckt Hank?«

  »Keinen Schimmer. Ich hab ihn schon eine ganze Weile nicht gesehen. Vielleicht hat ihm ja jemand was zu rauchen angeboten.«

  Bridger gab mir mein Bier, dann sahen wir zu, wie der schwer angetrunkene Fairfax dem Mädchen die Zunge in den Hals steckte.

  »Irgendwie gefällt mir das nicht«, knurrte Bridger. »Hast du mal dein Handy?«

  »Klar. Halt mal.« Ich gab Bridger mein Bier und schickte Hank eine kurze Nachricht.

  911. Lass die Wasserpfeife liegen und komm deine Schwester holen.

  Bridger und ich tranken noch ein Bier zusammen und behielten die Tür im Auge. Doch Hank tauchte nicht auf.

  Ich sah mich nach dem glücklichen Paar um. »Oh Mann, hat die ihm etwa gerade an sein Ding gefasst?«

  Bridger zuckte zusammen. »Wir müssen eingreifen. Wenn das meine kleine Schwester wäre …« Er ließ den Satz unvollendet. »Die Kleine ist sturzbesoffen.«

  Uns blieb keine andere Wahl.

  Ich rief »Platz da!«, und Bridger und ich bahnten uns einen Weg zur Fensterbank. Als wir dort ankamen, waren die beiden noch immer schwer miteinander beschäftigt.

  Ich tippte dem Mädchen auf die Schulter. »Verzeihung, aber Hank sucht dich.«

  Ihre Lippen trennten sich mit einem hörbaren Schmatzen von Fairfax’.

  »Hä?«, lallte sie schwerfällig.

  »Dein Bruder«, erklärte Bridger und zog sie von Fairfax weg. »Jetzt.«

  »Heilige Scheiße, Darcy!« Inzwischen war Hank aufgekreuzt und warf seinen Schatten über uns. Der Kerl war ein Zweimeterschrank. Er legte seiner Schwester eine Pranke auf die Schulter, in der anderen hielt er sein Handy. »Danke, Hartley, du hast was gut bei mir.«

  Ich zuckte achtlos mit den Schultern, doch Fairfax hatte bereits kapiert, wer ihm dazwischengefunkt hatte. Nachdem Hank seine Schwester weggeschleift hatte, nahm er mich mit unstetem Blick ins Visier.

  »Vermasselst du mir neuerdings die Tour?«

  Echt jetzt?

  »Nein, Mann, du solltest mir lieber dankbar sein. Du musst die Finger von der Kleinen lassen. Das Gesetz will es so.«

  »Du bist so ein Bastard, Hartley. Ein verdammter Bastard.«

  Ich ballte instinktiv die Hände zu Fäusten.

  »Oh fuck, bitte nicht«, raunte Bridger und legte mir eine Hand auf die Brust. »Du haust Fairfax auf meiner Party keine rein. Egal, was für ein Vollpfosten er heute Abend ist.«

  Doch mein Blut war bereits in Wallung. Dieses verdammte Wort. Warum mussten die Leute dauernd dieses verdammte Wort benutzen?

  »Alter, nein«, flehte Bridger weiter, während er mich mit beiden Händen zurückzuhalten versuchte. »Vergiss es einfach. Wenn du ihm wehtust, läuft er zum Trainer, und da kommt nichts Gutes bei raus. Außerdem ist der Typ hackendicht. Morgen früh wird er sich nicht mal mehr daran erinnern.«

  Als wolle er die Richtigkeit dieser Behauptung beweisen, sackte Fairfax in diesem Moment auf der Fensterbank in sich zusammen.

  Ich schüttelte Bridger ab, ging aber nicht auf Fairfax los.

  »Undank ist der Welten Lohn«, sagte Bridger und reichte mir meine rechte Krücke, die auf den Boden gefallen war.

  Genau. Was für ein Spaß.

 
Ich wandte mich ohne ein weiteres Wort ab und machte mich auf den Weg zurück zu Coreys Hochsitz. Das Sofa war inzwischen ordnungsgemäß von zwei Paaren in verschiedenen Phasen des Vorspiels besetzt. Doch an der Wand neben Corey war noch Platz, also manövrierte ich um die anderen herum, bis ich mich dort angelehnt hatte. Da mein Bierbecher nur noch zu einem Drittel gefüllt war, konnte ich ihn an zwei Fingern baumeln lassen und mich trotzdem weiter an meinen Krücken festhalten.

  »Alles klar?«, fragte sie sanft.

  »Mein Bein bringt mich heute Abend um«, brummte ich und starrte in meinen Becher.

  Sie zog ihre Tasche von der Schulter und kramte darin herum, bis sie schließlich ein Fläschchen Ibuprofen zum Vorschein brachte. Sie schüttelte zwei Tabletten auf meine Hand.

  »Du bist ein Schatz.« Ich legte den Kopf in den Nacken und warf mir die Pillen in den Mund.

  »Ja ja«, sagte sie und verdrehte dabei die Augen.

  Ich zwinkerte ihr zu, worauf der Hockeyhase vor uns ihr einen vernichtenden Blick zuwarf. Ein Mädchen mit aufwendig frisierten Haaren, Typ Cheerleader, in einem knallengen, glänzenden Top.

  »Stacia hat dich wohl echt auf dem Trockenen sitzen lassen, wie?«, fragte das Mädchen im glänzenden Top.

  »Wie kommst du denn darauf?« Ich verlagerte mein Gewicht, um besseren Halt an der Wand zu haben. Mir war hundeelend, dabei war es erst zehn.

  »Sie wandert durch Paris, während du hier im schönen Harkness, Connecticut festsitzt. Nennst du das fair? Ein ganzes Semester, ohne mal ran zu dürfen.« Sie warf in einer unmissverständlichen Einladung ihre Mähne zurück.

  Ich zwinkerte und wedelte mit meinem Handy. »Siehst du, dafür gibt es Skype.«

  Das Mädchen und ihre Freundin kicherten anfallartig, während Corey abermals die Augen verdrehte.

  »Der Trick ist nur, alles ins Bild zu kriegen.« Ich hielt die Kamera in Hüfthöhe ein Stück von mir weg, als wollte ich meinen Schritt ins Bild setzen, und wieder fingen sie an zu lachen. Ich trank mein Bier aus und fragte mich, wie ich auf so was kam.

  In diesem Moment schob sich ein Typ, den wir Kreature nannten, an den Mädchen vorbei. Offensichtlich, um mit mir zu reden. Eine willkommene Störung.

 

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