Bevor wir fallen

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Bevor wir fallen Page 6

by Bowen, Sarina


  »Hey Mann. Was geht ab?«, erkundigte ich mich. »Kennst du schon Callahans kleine Schwester?«

  »Freut mich«, sagte Kreature und schüttelte Corey die Hand. »Das Training war heute echt brutal, Hartley. Zuerst kurze Sprints auf der Bahn, und dann Mörderübungen auf dem Eis. Kein Trainingsspiel. Das war anstrengend und langweilig zugleich.«

  »Jede Wette«, sagte ich und zerknüllte meinen Becher.

  »Das kannst du mir glauben, Mann, ein Tag, an dem du echt nichts verpasst hast.«

  »Kein Scheiß?« Insgeheim jedoch dachte ich: Bullshit! Ich hätte alles dafür gegeben, wenn ich heute beim Training hätte aufschlagen können, anstatt mit einem Riesengips aus dem Verkehr gezogen zu sein.

  Ich warf Corey einen ultrakurzen Blick zu und sah sie wissend lächeln. Ja, sie war die einzige hier, die mich verstand.

  Als Kreature verschwunden war, hängte sie sich ihre Tasche wieder über die Schulter und fand ihre Gehhilfen. »Ich mache jetzt den Abflug«, sagte sie.

  »Ich bringe dich raus«, bot ich an.

  Sie machte sich auf den Weg zur Tür, und ich schaffte es, ihr zu folgen, ohne irgendwen mit meinem Gips niederzuschlagen.

  »Du musst nicht mit runterkommen«, erwiderte sie, als wir auf dem Treppenabsatz vor Bridgers Tür standen. »Warum willst du dir die Treppe zweimal antun?«

  Der Schmerz in meinem Knöchel ließ mich das Gesicht verziehen. »Mach ich ja nicht, Callahan, ich benutze dich nur als Ausrede, um mich davonstehlen zu können.« Ich stelzte supervorsichtig die erste Stufe hinunter. »Los, du darfst es ruhig sagen: Das war ein total witzloser Abend.«

  »Ja? Ganz ehrlich, ich fand es nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Keiner hat mich vollgekotzt, und die Treppe bin ich auch nicht runtergefallen.« Callahan stieg vorsichtig eine Stufe hinab, dann noch eine. Verglichen mit mir war sie praktisch eine Gazelle.

  »Hängt wahrscheinlich davon ab, was man erwartet«, murmelte ich und nahm Stufe Nummer zwei in Angriff.

  »Wie bei allem im Leben«, pflichtete sie mir leise bei.

  6

  Mehr Spaß als in Disney World

  Corey

  Als ich am Montagmorgen unser Zimmer verlassen wollte, fand ich eine Nachricht, die jemand unter unserer Tür durchgeschoben hatte.

  Auf dem in der Mitte einmal gefalteten Blatt Papier stand außen Callahan und innen: Ich kann heute nicht zu Wirtschaft kommen, weil ich heute Morgen zwei Schrauben ins Knie kriege. Kann ich bitte, bitte deine Mitschrift haben? H.

  Nach dem Mittagessen schrieb ich ihm eine SMS.

  Hab deine Nachricht bekommen. Ein Eingriff? Es tut mir so leid.

  Ein paar Stunden später schrieb er zurück.

  Kein Thema. Narkose ist doch cool. Du musst mich nicht besuchen, aber falls du kommst, bring was zu essen mit.

  Ich: Was denn zu essen?

  Hartley: Total egal. Aber der Krankenhausfraß schmeckt zum Kotzen.

  Ich musste lachen. Er hatte ja so recht.

  Als ich später am Tag den Kopf in Hartleys Krankenzimmer steckte, sah ich zuerst sein bandagiertes Knie, das in einer Vorrichtung steckte, die es immer wieder automatisch beugte und streckte.

  »Das sieht ja lustig aus.«

  Wenigstens war der Riesengips ab und durch einen kleineren Gehgips am Unterschenkel ersetzt worden.

  »Ja, ich hab hier mehr Spaß als in Disney World.«

  Hartley wandte sich mir zu und schenkte mir ein klägliches Lächeln. Er trug noch das OP-Hemd, und aus einem Infusionsbeutel tröpfelte irgendeine Flüssigkeit in seinen Arm.

  Ich kämpfte gegen die kalten Schauer an, die mir die Vertrautheit des Anblicks über den Rücken jagte.

  »Tut mir wirklich leid«, sagte ich. »Wieso musstest du überhaupt unters Messer?«

  Er ließ den Kopf aufs Kissen zurücksinken. »Mein Hockeytrainer hat mich zu seinem Lieblingsorthopäden geschickt. Und der meinte, mit Schrauben drin würde es schneller heilen.«

  »Na, das ist doch gut, oder?«

  Er zuckte mit den Achseln. »Gut für mein Knie. Aber der Knöchel heilt trotzdem nicht schneller. Deswegen versuche ich gerade dahinterzukommen, was anders ist, außer der Tatsache, dass ich jetzt Stahl im Körper habe.«

  »Damit wirst du jeden Metalldetektor auslösen.« Ich rollte weiter ins Zimmer. »Macht es dir was aus, dass ich vorbeigekommen bin? Ich habe Besuch immer gehasst.«

  Hartley sah mich überrascht an. »Du hast Besuch gehasst? Was hast du gegen Menschen, die dich mögen?«

  »Ich wollte nicht, dass mich jemand so sieht. Es war erniedrigend, flach auf dem Rücken zu liegen, ungeduscht und bis auf ein Baumwollhemdchen praktisch nackt.«

  »In dieser Hinsicht unterscheiden wir uns aber gewaltig«, sagte Hartley und neigte den Kopf. »Nicht zu duschen macht mir nichts aus. Und nackt sein auch nicht.«

  Ich angelte eine weiße Papiertüte aus meiner Tasche.

  »Was hast du mir mitgebracht?«

  »Ein italienisches Sandwich und eine Tüte Chips. Und Gatorade.«

  »Habe ich dir eigentlich schon mal gesagt, wie wunderbar du bist?«

  »Jedes Mal, wenn ich dir etwas zu essen gegeben habe.«

  »Genau. Gib her!« Er streckte die Hand aus, und ich reichte ihm die Tüte.

  Ich sah zu dem Infusionsbeutel hinauf, von dem die Schmerzmittel in seinen Arm gepumpt wurden. »Darfst du überhaupt schon was essen?«

  »Wen interessiert’s? Ich hab Hunger.« Er wickelte das Sandwich aus und biss herzhaft hinein. »Hm … Wunderbar.«

  »Wer jetzt? Ich oder das Sandwich?«

  »Beide.« Er biss noch einmal ab. »Callahan? Wie lange warst du im Krankenhaus?«

  Bei der Frage fühlte ich Beklommenheit in mir aufsteigen. Ich redete nicht wirklich gerne über den Unfall.

  »Sechs Wochen.«

  Er machte große Augen. »Das ist aber ganz schön lange für so miserables Essen.«

  Ich nickte, auch wenn das schlechte Essen es nicht mal in die Top Ten all der Dinge geschafft hatte, die ich an Krankenhäusern hasste.

  »Und wie lange warst du nicht in der Schule?«

  »Drei Monate. Ich bin erst in den letzten Wochen des Schuljahrs wieder hingegangen. Zum Glück hatte ich mich frühzeitig am Harkness beworben. Die Zusage kam noch vor dem Unfall.«

  »Aber den Abschluss hast du trotzdem rechtzeitig machen können?«

  »Das Schulamt hat mir einen Tutor in die Reha geschickt.«

  »Krass.«

  »Ja?« Ich seufzte. »Was hätte ich sonst mit meiner Freizeit anfangen sollen? Ich hab lieber haufenweise Gleichungen gepaukt, als den ganzen Tag nur herumzusitzen und mir den Kopf zu zerbrechen.« Ich deutete auf sein Knie. »Sag bloß, du wärst jetzt nicht lieber in der Wirtschaftsvorlesung.«

  Hartley dachte kurz darüber nach. »Klar, aber nur, wenn ich das Sandwich mitnehmen dürfte.« Er riss die Chipstüte auf und hielt sie mir hin. Ich nahm einen und wir kauten eine Weile geräuschvoll.

  »Wie war es für dich, im Rollstuhl in die Schule zurückzukommen?«

  Ich seufzte abermals. »Echt jetzt? Du willst mich dazu bringen, darüber zu reden?«

  Er breitete die Arme aus. »Du musst ja nichts sagen. Aber es heißt doch, man soll mit den Wölfen heulen.«

  »Es war genauso furchtbar, wie du es dir vorstellen würdest. Natürlich waren alle sehr, sehr nett zu mir. Aber deshalb war es kein bisschen weniger schrecklich. Ich habe jedes Gespräch zum Verstummen gebracht. Wenn ich angerollt kam, wollte keiner mehr über das Motto für den Abschlussball oder so reden. Es hat allen die Sprache verschlagen.«

  »Das hört sich ja echt super an. Musstest du wieder hin?«

  »Ich musste nicht, aber zu Hause war es noch viel weniger amüsant. Meine Eltern waren dauergestresst. Ich dachte, wenn ich wieder zur Schule gehe, könnten sie ein bisschen runterkommen. Und ich hatte es satt, wie unter dem Mikroskop zu leben.« Und jetzt hatte ich es satt, noch länger darübe
r zu reden. »Dana ist momentan auch ziemlich mit den Nerven am Ende. Morgen ist Tap Night – die Gesangsgruppen bestimmen ihre neuen Mitglieder, indem sie bei ihren Wunschkandidaten an die Tür klopfen. Der große Abend.«

  Wieder lächelte Hartley kläglich. »Ja? Wenn die mich morgen entlassen, bleibe ich mit euch beiden auf. Und natürlich müssen wir ein paar Partien Hockey zusammen spielen.«

  »Na klar«, stimmte ich zu.

  Als ich am folgenden Abend um kurz vor neun aus der Bibliothek kam, stand Hartleys Zimmertür weit auf.

  Ich streckte den Kopf hinein und sah ihn auf dem Bett sitzen, den Schreibtischstuhl unter sein Bein geschoben.

  »Hey Callahan«, sagte er, riss ein Blatt Papier aus seinem Notizbuch und knüllte es zusammen.

  »Selber hey.« Ich musterte ihn und bemerkte das blasse Gesicht und seinen müden Blick. »Du siehst nicht gut aus.«

  »Danke für das Kompliment.«

  Er warf das zerknüllte Blatt in Richtung des in einiger Entfernung stehenden Papierkorbs. Natürlich traf er. Hartley war schließlich Hartley.

  Ich stelzte weiter ins Zimmer hinein. »Ernsthaft, geht es dir gut?«

  »Wird schon. Der zweite Tag ist immer der schlimmste, richtig? Ich muss nur mal eine Nacht durchpennen. Du weißt ja, wie es in Krankenhäusern zugeht.« Er blickte blinzelnd zu mir hoch.

  »Kann man wohl sagen.« Ich manövrierte mich auf den Platz neben ihm, achtete aber sorgsam darauf, ihn nicht anzustoßen. »Wie oft haben sie dich geweckt, um deine Werte zu überprüfen?«

  »Hab irgendwann zu zählen aufgehört.« Er beugte sich vor, um nach der Wasserflasche auf dem Boden zu angeln. In einem Zug trank er sie aus. »Callahan, würde es dir was ausmachen, die für mich aufzufüllen?«

  »Natürlich nicht.«

  Ich kam schwankend auf die Beine, wickelte mir den Riemen an der Plastikflasche um den Finger, humpelte in Hartleys Bad und füllte sie auf.

  »Darfst du schon die nächste Dosis Ibuprofen nehmen?«, fragte ich, als ich die Dose neben dem Waschbecken stehen sah.

  »Oh ja, und wie ich das darf«, antwortete er.

  Ich nahm zwei Tabletten und kippte sie in meine Tasche. Dann brachte ich ihm das Wasser.

  Es machte mir Angst, Hartley so leidend und verletzlich zu sehen. Das war einfach nicht richtig, als steckte er im falschen Körper. Ehe ich mich versah, hatte ich die Hand nach ihm ausgestreckt und sie ihm auf die Stirn gelegt.

  Er sah mich ernst aus seinen großen braunen Augen an.

  »Fieber scheinst du nicht zu haben«, erklärte ich rasch. »Postoperative Infektionen können übel ausgehen.«

  Er schloss die Augen und ließ den Kopf schwer gegen meine Hand sinken.

  Eine lange Zeit blieb ich ganz still stehen und rührte mich nicht. Ich wusste, ich musste mich irgendwann losreißen, auch wenn ich lieber das genaue Gegenteil getan hätte. Am liebsten wollte ich die Arme um ihn schlingen und ihn fest an mich ziehen. Und wenn ich daran geglaubt hätte, dass er mich nicht abweisen würde, hätte ich es auch getan.

  Stattdessen ließ ich die Hand seufzend auf seine Schulter sinken und drückte ihm die Wasserflasche in die Hand. Als er sich straffte, fischte ich die Tabletten aus meiner Tasche.

  »Nur zwei?«, fragte er mit heiserer Stimme.

  »Wie verordnet. Wie viele hast du denn sonst genommen?«

  »Drei oder vier natürlich.«

  »Auf dem Fläschchen steht aber zwei, Hartley.«

  »Ich sag dir was, Callahan. Ich setze mich auf dich, und dann kannst du mir erklären, wieso es Sinn machen soll, dass wir beide die gleiche Dosis schlucken sollen.« Er hatte den Mund zu einem Lächeln verzogen, doch seine Augen waren zu müde, um sich anzuschließen.

  »Du gehst mir auf die Eier, Hartley«, sagte ich, um meine Sorge um ihn zu überspielen. Dann trat ich noch einmal die Reise in sein Badezimmer an, um ihm eine weitere Tablette zu holen.

  »Danke«, flüsterte er, als ich zurückkam.

  Nachdem er die Pillen geschluckt hatte, lehnte er sich zurück und verzog das Gesicht. »Wie spät?«

  Ich sah auf die Uhr. »Gleich neun.«

  »Dann müssen wir langsam Dana Gesellschaft leisten.«

  Ich blinzelte. Einen Moment lang hatte ich total vergessen, dass heute Danas großer Abend sein sollte. Nicht mehr lange, dann würden die ganzen Gesangsgruppen über den Freshman Yard rennen und in einer wilden Jagd auf die besten Sänger bei den Erstsemestern ihrer Wahl anklopfen.

  »Stimmt. Bist du sicher, dass du dich bewegen willst?«

  Er schloss einen Moment die Augen, dann öffnete er sie wieder und sah mich an. »Gut ist, dass wir nur über den Flur müssen.«

  »Warte«, sagte ich. »Lass mich nur kurz aufräumen.«

  Ich stelzte in mein Zimmer zurück, nahm einen Stapel Bücher vom Sofa und rückte den Beistelltisch für Hartleys Knie zurecht. Dann folgte ich einer spontanen Eingebung und schubste meinen Rollstuhl aus der Tür, über den Gang und in Hartleys Zimmer. Ich hatte den Weg zur Beaumont-Bibliothek (wo es nur drei Stufen gab) heute mit meinen Beinschienen und mithilfe der Krücken zurückgelegt und brauchte ihn deshalb nicht.

  Als ich zu ihm zurückkam, stand er bereits.

  »Versuch’s mal damit«, rief ich. »Dann musst du nicht mal laufen.«

  »Tja, vielen Dank auch«, seufzte er.

  Ich manövrierte den Rollstuhl um ihn herum, sodass er sich hineinfallen lassen konnte. Dann stellte ich die Fußstütze für ihn ein und hob sein verletztes Bein an.

  Er legte die Hände an die Räder und stieß sich ab. »So sieht die Welt also für Callahan aus«, sagte er und rollte hinaus.

  »Dana, wir sind da!«, rief ich, als wir in den Gemeinschaftsraum kamen. »Es ist neun. Was machen wir jetzt?«

  Dana kam aus ihrem Zimmer geschlittert. »Wir warten.«

  »Kann ich das Footballspiel einschalten?«, wollte Hartley wissen.

  Meine Mitbewohnerin zog die Stirn kraus. »Ja, aber nur auf stumm, ich muss mitkriegen, wenn jemand anklopft.«

  Hartley war so liebenswürdig, sie nicht darauf aufmerksam zu machen, dass wir unmöglich etwas verpassen konnten. Immerhin hatte sie unsere Fenster weit aufgerissen, die auch noch direkt neben dem Eingang lagen, sodass man jeden sofort sehen konnte, der sich der Tür von McHerrin House näherte. Stattdessen griff er schweigend nach der Fernbedienung. Als er das Spiel gefunden hatte, rollte er meinen Stuhl vor das Sofa und suchte tastend nach einer Möglichkeit überzusetzen.

  »Hey Leute«, rief Bridger, der mit einem Beutel Eis hereingeschneit kam. »Sonderlieferung. Leg ich in deinen Minikühlschrank, oder Bro?«

  »Danke, Mann. Aber eigentlich könnte ich es jetzt schon gebrauchen.«

  Bridger verschwand, und Hartley konzentrierte sich wieder darauf, aus dem Rollstuhl herauszukommen.

  »Bleib doch einfach drin sitzen«, schlug ich vor. »Dann stößt du mit dem Ding auch nicht dauernd gegen irgendwas.«

  Hartley dachte über den Vorschlag nach, schüttelte schließlich aber den Kopf, stemmte sich mühsam auf sein gesundes Bein und ließ sich schwer auf das Sofa sinken.

  »Hier bin ich besser dran«, sagte er gepresst, ohne mich dabei anzusehen.

  Ich schob den Rollstuhl kommentarlos beiseite und tat so, als würde es für mich keinen Unterschied machen. In Wahrheit machte es mir jedoch etwas aus. Hartley konnte die Vorstellung, in einem Rollstuhl zu sitzen, wenn eine Schar singender Mädchen hier hereinschneite, offensichtlich nicht ertragen. Ich hatte immer das Gefühl gehabt, der Rollstuhl würde entweder Mitleid erregen oder mich unsichtbar machen, und Hartley hatte mich mit seinem Verhalten soeben in beiden Annahmen bestätigt.

  Doch dann lenkte mich das Getrampel unter dem offenen Fenster von meinen quälenden Gedanken ab.

  Dana erstarrte vor Aufregung.

  Ich humpelte so schnell ich konnte auf den Gang und öffnete die Außentür.

  Zwölf Mädchen in roten T-Shirts rannten an mir vorbei in unser Zimmer. Do
rt hakten sie sich unter und stimmten, noch ehe ich zurück war, Aretha Franklins Respect an. Kaum war die letzte Liedzeile verklungen, fragten die Mädchen Dana, ob sie bei den Merry Mellowtones einsteigen wolle.

  Ich hielt die Luft an, weil ich keinen Schimmer hatte, was Dana antworten würde. Ich wusste, dass diese Gruppe nicht ihre erste Wahl war. Andererseits waren sie so früh hier aufgeschlagen, dass sie wohl wirklich interessiert waren.

  »Vielleicht«, antwortete sie schnell. Die zulässigen Antworten lauteten »Ja«, »Nein« und »Vielleicht«. Aber wenn eine Gruppe es wollte, konnte sie einen auch noch um Punkt zehn aufsuchen, und bis dahin war es noch eine Dreiviertelstunde.

  »Wir hoffen, du machst daraus noch ein Ja!« Die Vorsängerin gab Dana eine Karte mit ihrer Telefonnummer. Dann rannten sie los, um bei der Nächsten auf ihrer Liste anzuklopfen.

  »Oh Mann«, grummelte Dana, als sie fort waren. »Vielleicht hätte ich einfach Ja sagen sollen.« Dann bezog sie wieder ihre Stellung am Fenster. »Aber ich will Something Special«, flüsterte sie. »Auch wenn ich mich damit ganz schön nach der Decke strecke.«

  »Ich will auch was Spezielles, Baby«, meldete sich Hartley mit im Nacken verschränkten Händen zu Wort.

  »Hartley!«, kreische Dana.

  »Scheint, die Schmerzmittel wirken«, brummte ich.

  Bridger kam mit einer Plastiktüte voller Eis zurück, die Hartley vorsichtig auf seinem Knie platzierte. In diesem Moment klingelte sein Handy. Selbst bei der geringfügigen Anstrengung, die erforderlich war, um das Telefon aus seiner Gesäßtasche zu ziehen, wand er sich vor Schmerzen. Nach einem Blick aufs Display schaltete er das Handy auf stumm.

  »Irre spät für einen Anruf von Stacia, was?«, fragte Bridger.

  Hartley zuckte mit einer Schulter. »Wahrscheinlich ruft sie betrunken aus irgendeinem Club an. Ich hab keine Lust mich gleichzeitig mit ihr und den Schmerzen rumzuschlagen.«

  Bridger schnaubte. »Erklär mir doch noch mal, wieso man einer Frau treu sein sollte, die nicht mal weiß, wie man einen Mann tröstet, der Schmerzen hat.«

  »Lass gut sein, Bridge.« Hartley klang erschöpft.

 

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