Bevor wir fallen

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Bevor wir fallen Page 11

by Bowen, Sarina


  »Das hat mir mein Vater beigebracht. Er kann so was gut«, sagte ich. »Warte, gleich hab ich es.«

  Die Verhärtung in Hartleys Muskel löste sich langsam unter meiner Hand auf.

  Er atmete aus. »Jesus. Danke.«

  »Du musst den Fuß weiter geflext halten«, ermahnte ich ihn, als er das Bein auf seine Seite des Bettes zurückzog.

  »Keine Sorge. Mache ich.« Er ließ sich mit einem Extrakissen in der Kniekehle auf den Rücken sinken. »Entschuldige das mitternächtliche Drama.«

  »Kein Thema.«

  Wir lagen ein paar Minuten still nebeneinander, aber ich spürte, dass er ebenso wenig schlief wie ich.

  Nach einer weiteren Minute des Schweigens rollte sich Hartley auf die Seite und sah mich an. »Du hast mir nie erzählt, dass du dich beim Hockey verletzt hast. Weil du von einem Unfall gesprochen hast, bin ich immer von einem Autounfall ausgegangen.«

  »Ja.« Ich seufzte und rollte mich zu ihm herum. Einen Moment lang blickten wir einander an. »Bridger hat recht. Hockey steht auf der Liste gefährlicher Sportarten nur auf dem siebten Platz. Cheerleader und Baseballspieler verletzen sich weit häufiger. Football, Fußball und Lacrosse sind auch gefährlicher.«

  »Willst du mir damit sagen, dass du ein Riesenpechvogel bist, weil du dich so übel beim Hockey verletzt hast?«

  »Genau.«

  »Unfuckingfassbar.«

  Wir verstummten wieder, und ich ertappte mich dabei, wie ich mir wünschte, das Bett wäre kleiner.

  Das sind keine achtzig Zentimeter zwischen dir und diesem sinnlichen Mund, flüsterte meine Hoffnungsfee.

  »Ich mag deine Mom richtig gerne«, platzte ich heraus, um meine Gedanken vom Abgrund wegzuzerren.

  »Ja, sie ist toll.« Hartley lächelte. »Und sie mag es, wenn das Haus voller Leute ist. Das sagt sie nicht einfach nur so daher.«

  »Das merkt man. Und Bridgers kleine Schwester ist echt ein Schatz. Sie findet deine Mom auch super.«

  Hartley stützte das Kinn in die Hand. »Ja, aber Lucy ist zurzeit trotzdem Bridgers größtes Problem.«

  »Echt? Wieso?«

  »Ihr Vater ist vor zwei Wochen gestorben, und ihre Mutter ist mit der Situation total überfordert.«

  »Leidet sie an Depressionen?«

  »Sie ist drogenabhängig.«

  Ich holte tief Luft. »Übel.«

  »Und wie. Bridger befürchtet, dass seinen Mom ihre Stelle verliert und völlig zusammenklappt. Dass er, wenn es hart auf hart kommt, das College abbrechen muss.«

  »Er kann nicht abbrechen! In anderthalb Jahren ist er ein Harkness-Absolvent.«

  »Bridger ist eigentlich erst im zweiten Jahr. Er hat, bevor er aufs College kam, ein Jahr ausgesetzt, wofür er sich jetzt in den Hintern tritt.«

  »Weißt du …« Es war so still im Haus, dass selbst unsere geflüsterte Unterhaltung dröhnend laut schien. »Ich kreise viel zu oft nur um mich selbst und vergesse, dass andere Menschen auch Probleme haben.«

  Hartley sah mich einen Moment lang schweigend an. Dann streckte er die Hand über die Weite zwischen uns aus und legte sie auf meine.

  Selbst diese kleine Berührung verschlug mir den Atem.

  »Jeder hat sein Päckchen zu tragen, Callahan. Jeder.« Er drückte meine Hand und ließ sie dann los. »Bloß dass deins für jeden offen erkennbar ist, und ich beneide dich nicht darum. Aber jeder hat seine Probleme, ob man sie nun sieht oder nicht.«

  Ich dachte eine Weile über Hartleys Worte nach. Wenn man Bridger sah, würde man nie etwas von den Problemen ahnen, mit den er zu kämpfen hatte. Aber es gab auch Menschen, die sich mit nichts dergleichen herumschlagen mussten oder die doch wenigstens über eine Heerschar von Lakaien verfügten, die das für sie übernahmen. Sofort fiel mir Stacia ein.

  »Bist du sicher, dass wirklich jeder sein Päckchen zu tragen hat?«, fragte ich provozierend. »Ich hab nämlich das Gefühl, dass es Leute gibt, deren größtes Problem es ist, wenn die Lederpolster ihres BMWs nicht in ihrer Wunschfarbe erhältlich sind.«

  Auf Hartleys Gesicht breitete sich das allerschönste Lächeln aus. »Für so was gibt es Sonderausstattungen, Callahan.« Er rollte sich zurück auf den Rücken und verschränkte die Hände hinterm Kopf. »Danke für die Wadenmassage.«

  »Jederzeit.«

  Er lachte. »Sag das nicht. Sonst wecke ich dich nächste Woche jede Nacht auf.«

  Nur dass ich ihm so sehr verfallen war, dass ich vermutlich absolut nichts dagegen gehabt hätte.

  Eine Minute später hörte ich Hartley tief und gleichmäßig atmen, während ich danebenlag und ihm lauschte. Er war ein warmer Umriss im Dunkeln und befand sich keinen Meter weit von mir entfernt. Ich hätte alles dafür gegeben, die Distanz zwischen uns zu überwinden und einen Arm über seine Brust legen zu können. Doch ich konnte mir den Luxus, mit ihm zusammen zu sein, nicht einmal richtig vorstellen. Ich wollte mich nachts zu ihm umdrehen und mich an seinen Körper schmiegen. Ich wollte seinen Atem im Nacken spüren, wenn ich schlief.

  Die reinste Quälerei, knurrte meine Hoffnungsfee und machte es sich neben mir auf dem Kissen bequem.

  Sie hatte recht. Aber es war eine süße Quälerei.

  11

  Mit Blut hab ich kein Problem

  Corey

  Freitag schauten wir Football, aßen, was vom vorherigen Tag übrig geblieben war, und spielten Karten. Lucy sorgte dafür, dass auf jede Partie Euchre mindestens eine Runde Uno folgte.

  Am Samstag führten wir Theresa zum Essen in ein chinesisches Restaurant aus, in dem es fünfzig verschiedene Sorten Dumplings gab.

  Hartleys Mutter wirkte nach zwei Neun-Stunden-Schichten im Feiertagseinzelhandel total geschlaucht. Doch ihre müden braunen Augen leuchteten trotzdem glücklich. Hartley saß neben ihr, und hin und wieder streckte sie die Hand aus, um ihm durchs Haar zu zausen.

  Dana versuchte, Lucy beizubringen, mit Stäbchen zu essen, während ich mein Eigengewicht in chinesischen Teigtaschen, gefüllt mit Hühnchen und Kohl, zu mir nahm.

  Später, als Lucy und Theresa bereits schlafen gegangen und die Jungs in der Garage verschwunden waren, um Bier zu trinken und den Ölwechsel an Theresas Auto zu erledigen, fühlte ich mich zugegebenermaßen ein bisschen daneben. Mein Magen drückte und mein gesamter Körper fühlte sich heiß und abgespannt an. Obwohl es erst zehn war, nahm ich ein paar Schmerztabletten und ging ins Bett. Ich bekam es nicht mal mehr mit, als Hartley hereinkam und sich neben mich legte. Eigentlich Hinweis genug, dass etwas nicht mit mir stimmte. Die American Medical Association sollte »Kein Auge für Hartley haben« als Symptom in ihr Handbuch aufnehmen. Selbst meine Hoffnungsfee schlief wie erschlagen weiter.

  Am nächsten Morgen gab ich mir große Mühe, mein zunehmendes Unwohlsein zu verbergen. Ich schluckte noch mehr Schmerzmittel und trank zwei Gläser Wasser. Trotzdem fühlte ich mich weiter schwindlig und heiß.

  »Du bist heute so still, Corey«, bemerkte Theresa und bewies damit einmal mehr, dass man einer Mutter einfach nichts vormachen konnte.

  »Ich hab bloß gerade an die Prüfungen gedacht«, log ich.

  Ich füllte mein Orangensaftglas neu und zwang mich zu einem Lächeln. Ich brauchte dringend mehr Flüssigkeit, und ich musste nach Hause.

  Zum Glück musste Bridger seiner Mutter den Wagen zurückbringen, sodass sich unser Wochenende am späten Nachmittag dem Ende zuneigte.

  Als wir in McHerrin House ankamen, fühlte ich mich fiebrig und wurde immer gereizter. Schweren Herzens rief ich zu Hause an.

  »Mom, flipp jetzt nicht aus«, sagte ich, »aber ich glaube, ich habe eine Blasenentzündung.«

  Sie flippte aus.

  Zehn Minuten später – nachdem ich den Tiraden meiner Mutter darüber gelauscht hatte, was alles passieren konnte, wenn ein Harnwegsinfekt verschleppt und eitrig wurde – erklärte ich Dana, dass ich Befehl erhalten hatte, umgehend in die Notaufnahme des nächsten Krankenhauses zu rollen.

  »Oh nein!«, rief sie und sprang vom Sofa. »Ich begleite
dich.«

  »Das musst du wirklich nicht«, widersprach ich. »Wahrscheinlich muss ich stundenlang warten, bis mir jemand ein Rezept ausstellt.«

  »Ich nehme ein Buch mit. Warte, ich hole nur eben meinen Mantel.«

  Als wir den Flur betraten, legte ich einen Finger an die Lippen. Je weniger Leute mitbekamen, was für ein Jammerlappen ich war, desto besser. Während wir uns hinausschlichen, hörte ich hinter Hartleys Zimmertür Musik.

  Als wir die Notaufnahme erreichten, fühlte ich mich zittrig und erschöpft. Unter den Leuchtstoffröhren sah selbst das Personal krank aus. Ein Krankenhaus war der letzte Ort auf der Welt, an dem ich jetzt gerade sein wollte. Die einzige gute Nachricht war, dass der Wartebereich wie ausgestorben wirkte.

  »An Thanksgiving ist das hier ein Tollhaus«, erklärte uns die Aufnahmeschwester. »Die Leute, die ihre Familien besuchen, verletzten sich dauernd. Das muss man sich mal vorstellen. Aber heute Abend sind alle wieder auf der Heimfahrt. Und wenn die meisten nüchtern bleiben, wird es vielleicht sogar eine relativ ruhige Nacht.«

  Sie nahm meine Formulare entgegen. »Callahan? Ich habe ihre Akte schon rausgelegt. Ihre Eltern haben vorhin angerufen.«

  Natürlich.

  »Sie müssen mich nicht aufnehmen«, sagte ich eine halbe Stunde später flehentlich, nachdem ich in einen Becher gepieselt hatte. (Was übrigens echt ein Kunststück ist, wenn man sich nicht über die Kloschüssel hocken kann.) »Ich nehme auch die Medikamente. Versprochen. Aber ich hasse Krankenhäuser.«

  Der junge Notaufnahmearzt nickte langsam. »Davon bin ich überzeugt. Aber ihr Fieber behalten wir besser im Auge. Außerdem besteht das Risiko, dass die Infektion auch Ihre Nieren angreift.«

  »Hat sie aber nicht. Ich habe doch kaum Schmerzen.«

  Er lächelte, doch wir wussten beide, dass meine Angaben nichts zu sagen hatten, weil die verminderte Schmerzempfindlichkeit unten rum mich zu einer höchst unzuverlässigen Zeugin machte. »Wir müssen den Infekt ausmerzen, Corey. Patienten mit geschädigtem Rückenmark müssen in dieser Hinsicht besonders vorsichtig sein. Es hat schon Fälle gegeben, in denen Patienten nach einem Harnwegsinfekt ihre Blase nicht mehr kontrollieren konnten.«

  Seine Worte ließ mich erschauern.

  »Ich glaube Ihnen ja, dass es Ihnen schon besser geht. Und wahrscheinlich wird auch alles gut gehen«, fuhr er fort. »Aber Sie sollten trotzdem kein Risiko eingehen, okay? Ich muss Ihnen nur noch ein paar Fragen stellen. Haben Sie immer genug getrunken?«

  Ich nickte.

  »Und Ihre Blase regelmäßig entleert?«

  Nun war es an der Zeit zu beichten.

  »Ja, nur dass ich mir ein paar Tage lang keinen Katheter gelegt habe.«

  Eigentlich musste ich jeden Morgen und Abend einen Katheter benutzen, damit meine Blase vollständig geleert wurde. Zu Hartleys Mom hatte ich allerdings keine mitgenommen, weil ich nicht gewollt hatte, dass irgendjemand die Dinger zu sehen bekam.

  »Ich habe sie früher auch schon mal für ein paar Tage weggelassen, ohne dass ich danach Probleme gehabt hätte.«

  Er runzelte die Stirn. »Wenn das hier überstanden ist, werden Sie wieder genau darauf achten müssen. Aber ich nehme an, das ist Ihnen klar.«

  Ich nickte verlegen.

  »Sexuelle Aktivität kann ein weiterer Auslöser sein. Berührungen genauso wie Geschlechtsverkehr«, sagte er. »Versuchen Sie deshalb, vorher und nachher Wasser zu lassen. Vor allem danach.«

  »Das ist aber wirklich nicht der Punkt«, erklärte ich und wurde rot.

  Er begann tatsächlich zu lachen. »Dann speichern Sie sich den guten Rat für später ab. Fürs Erste verabreichen wir Ihnen eine Nacht lang intravenös Antibiotika. Okay? Sie bekommen ein Zimmer, wo sie schlafen können, und morgen entlassen wir Sie. Sie sind hier wieder raus, bevor Sie es überhaupt richtig mitbekommen haben.«

  Lügner.

  Dana ging nach Hause, und ich zog das dämliche Krankenhaushemd an – hinten offen, was sonst – und sah mir irgendwelchen Mist im Fernsehen an, während mir eine Schwester eine Nadel in den Arm bohrte. Nachts wurde ich nicht weniger als viermal aus dem Schlaf gerissen, weil die Schwestern meine Werte kontrollierten und den Infusionsbeutel wechselten. Und ich schleppte mich ungefähr fünfzig Mal in die zugige Krankenhaustoilette.

  Als es endlich hell wurde, fragte ich jedes menschliche Wesen, das in mein Zimmer kam – von den Lernschwestern bis zu dem Typ, der das Frühstücksmüsli brachte –, wann ich gehen dürfe. Nur leider war das menschliche Wesen, das ich am häufigsten zu sehen bekam, eine große, griesgrämige Schwester mit grellen hennaroten Haaren. Und die Große Rote war keine große Hilfe.

  »Der Assistenzarzt macht ab zehn die Visite«, war alles, was sie sagte.

  Ich zog derweil Unterwäsche, Jeans und Socken an. Dann wechselte ich in den Rollstuhl, konnte mein Oberteil jedoch noch nicht anziehen, da dafür zuerst die Infusionskanüle entfernt werden musste. Es wurde zehn, dann halb elf. Ich starrte wutschnaubend die Uhr an.

  Hartley schickte mir eine SMS aus der Wirtschaftsvorlesung.

  Hartley: Hu-hu! Hast du verpennt? Du verpasst gerade einen anregenden Vortrag über internationale Handelsbeziehungen.

  Ich: Dann hast du anscheinend mehr Spaß als ich. Mir ist ein kleines Malheur passiert. Man sieht sich.

  Gegen Mittag erschien endlich ein Arzt. Nicht der Jungspund von gestern Abend, denn das wäre natürlich viel zu einfach gewesen. Dieser Doktor hatte eine graue Mähne und wirkte merkwürdig hibbelig. Er riss mein Krankenblatt aus der Halterung und starrte blinzelnd darauf.

  »Schön«, sagte er schließlich. »Das Fieber ist runter. Ich hinterlege bei der Schwester ein Rezept, dann können Sie sich auf den Weg machen.« Und damit verließ er mich.

  Doch ich hing immer noch am Tropf.

  Irgendwann brachte jemand ein Tablett mit rätselhaft grauem Fleisch und pappigem Reis. Von beidem aß ich keinen Bissen.

  Als die Große Rote wiederkam, teilte ich ihr mit, was der Doktor gesagt hatte. »Könnten Sie dann jetzt bitte die Nadel hier ziehen?«

  »Er hat aber kein Rezept dagelassen«, erwiderte sie stirnrunzelnd. »Ich sehe mal nach.« Sie wandte sich ab und wollte gehen.

  »Warten Sie!«, rief ich, als ihr breiter Hintern den Rückzug antrat, doch sie ließ sich nicht beirren.

  Eine weitere Stunde verging, und als sie mit meinem Rezept zurückkam, gelang es mir kaum noch, höflich zu bleiben. »Würden Sie die hier jetzt bitte rausziehen? Damit ich endlich gehen kann.«

  Sie starrte auf mein Handgelenk, als hätte sie noch nie im Leben eine Infusionskanüle gesehen. »Das macht die Schwesternschülerin. Und ich kann Sie unmöglich entlassen, ohne dass jemand über achtzehn Sie begleitet.«

  »Was?«

  Sie nickte. »Studenten müssen nach einem Eingriff abgeholt werden.«

  »Aber …« Ich spürte, wie sich mein Blutdruck verdoppelte. »Eine Infusion ist doch kein Eingriff.«

  Die Große Rote zuckte mit den Achseln. »So sind die Regeln.« Sie ging.

  »Fuck!«, kreischte ich. Ich hörte mich schon wie Hartley an.

  Ich sah auf meine Uhr. Montagnachmittags hatte er frei, weil er da normalerweise Hockeytraining hätte. Nein. Ich würde hier auf keinen Fall halb angezogen herumhocken und Hartley anrufen. Jeden anderen, aber nicht Hartley. Er war der letzte Mensch, der mich mit ungewaschenen Haaren und in diesem scheußlichen Krankenhauskittel sehen sollte. Aber Dana hatte dummerweise jeden Tag bis zwei Italienisch. Ich schrieb ihr und bat sie, mich anzurufen, sobald sie Zeit hatte.

  Es wurde zwei Uhr und später, aber Dana rief nicht zurück. Ich schrieb ihr noch eine SMS, doch sie antwortete nicht. Wenn ihr Handyakku leer war, würde ich sie niemals erreichen. Mir fiel nichts ein, was ich noch tun konnte. Wenn der Notaufnahmearzt, der mich aufgenommen hatte, heute arbeitete, hätte ich versuchen können, ihn zu finden, um ihm mein Problem zu schildern. Aber das hätte bedeutete, halb bekleidet und mit einem Infusionsständer neben mir im Krankenhaus umherirren zu müssen. />
  Ich wählte noch einmal Danas Nummer und presste mir das Handy ans Ohr. Die Mailbox sprang an.

  »Verflucht!«, schrie ich. Hätten meine Füße mir gehorcht, hätte ich bestimmt aufgestampft.

  Hartley

  »Gibt es hier ein Problem?«, fragte ich und versuchte, nicht zu grinsen.

  Corey ließ den Kopf herumfliegen und sah mich, auf meine Gehhilfen gestützt, in der Tür ihres Krankenzimmers stehen.

  »Ah!«, schrie sie. »Ich will bloß noch hier raus, aber die lassen mich nicht!«

  »Weil du niemanden über achtzehn hast, der dich von hier wegbringt?« Ich humpelte ins Zimmer.

  Ihr blieb der Mund offen stehen. »Woher weißt du …«

  »Ich hab nach dem Mittagessen Dana getroffen, die mir gesagt hat, dass du hier bist. Da hab ich mir gedacht, dass es dir so ähnlich wie mir ergehen könnte. Nach meiner Knieoperation musste Bridger mich rausholen. Warum hast du denn nicht angerufen?«

  Über ihr Gesicht huschte ein Ausdruck, den ich nicht deuten konnte. »Weil es so ein weiter Weg ist von McHerrin bis hierher.«

  »Halb so wild. So, und jetzt nichts wie raus hier. Hast du nicht gesagt, dass sie dir die Infusion rausnehmen sollen?«

  Ihre Miene nach zu urteilen stand Corey kurz davor, in die Luft zu gehen. »Nur ungefähr zehnmal!«

  Ich hob beschwichtigend die Hände. »Ganz ruhig, Callahan. Du musst auf deinen Blutdruck achten, sonst kommst du noch ins Krankenhaus.«

  Sie sackte kraftlos in sich zusammen. »Kannst du bitte mal einen Moment herkommen?«

  »Was brauchst du?« Ich humpelte zu ihr.

  Sie streckte die linke Hand aus. »Drück mal auf den Infusionsschlauch.«

  Oh-oh. »Wieso?«

  »Damit ich die Nadel ziehen kann, Hartley, und mir was anderes anziehen. Und gehen. Und weiterleben.«

  »Du bist echt anstrengend, Callahan.«

  »Drück da«, befahl sie.

  Ich versuchte, nicht darauf zu achten, wie sich der kleine Schlauch in ihre Haut bohrte, und fixierte das Plastik mit dem Daumen. Dann entfernte Corey die Pflasterstreifen.

  »Okay, du kannst loslassen. Danke.«

 

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