Ehe ich den Blick abwenden konnte, zog sie die dünne Kanüle unter der Haut hervor.
Krass.
»Du blutest aus dem Handgelenk. Ist das nicht irgendwie gefährlich?«
Sie sah mich abschätzend an. »Echt jetzt, Hartley? Bist du wirklich so zart besaitet?«
Ich drehte mich um und zog ein Taschentuch aus der Box, die auf dem Nachttisch stand. Ich reichte es ihr und ließ dabei keinen Moment die Wand vor mir aus den Augen.
»Wow. Der taffe Hockeystar fällt in Ohnmacht, wenn er Blut sieht.« Ich hörte sie kichern, während sie das Blut abtupfte.
»Hey, ich bin seit der Fünften nicht mehr in Ohnmacht gefallen.«
Aus dem Kichern wurde lautes Gelächter. »Was hast du nach der Knieoperation gemacht? Hattest du keine Verbände, die gewechselt werden mussten?«
Doch, die hatte ich gehabt, und das war alles andere als schön gewesen.
»Ich habe sie selbst gewechselt. Mit halb geschlossenen Augen.«
Wozu auch immer meine Abneigung gegen Blut sonst gut sein mochte, sie brachte Corey zum lächeln.
»Und du nennst mich anstrengend. Dreh dich um, damit ich mich umziehen kann.«
»Wie, ich darf nicht zugucken? Immerhin hab ich wegen dir Blut sehen müssen.« Ich drehte mich glucksend um.
Ich hörte, wie sie mit ihren Klamotten rang.
»Mit Blut hab ich kein Problem. Du darfst mich jederzeit bitten, einen Verband zu wechseln. Nicht dass wir noch mal an diesen gottverlassenen Ort zurückkehren müssen.«
»Das kannst du laut sagen, Schwester.«
»Fertig«, meldete Corey.
In diesem Moment kam eine Krankenschwester mit unnatürlich roten Haaren hereinspaziert. »Das soll ihre Begleitung sein?«, rief sie, während sie mein Gipsbein und die Krücken musterte, dann verzog sie höhnisch die Lippen.
Corey fuhr zu ihr herum. »Wollen Sie ihn etwa diskriminieren?«, schnappte sie. »Zu Ihrer Information, wir gehen jetzt.«
Corey rollte um das Fußende des Betts und hielt auf die Schwester zu. Die arme Frau trat ungeschickt zur Seite, und Corey raste zur Tür hinaus. Wenn ein Rollstuhl mit quietschenden Reifen starten könnte, so hätte ihrer das soeben getan.
Die Krankenschwester drückte mir ein Klemmbrett in die Hand. »Hier unterschreiben, Sir.«
»Sehr gerne.«
Ich entdeckte Corey am Ende des Flurs, wo sie mir die Fahrstuhltür aufhielt.
Weil mir mein Bein wehtat, riefen wir den Collegefahrdienst an, der uns mitteilte, dass wir eine halbe Stunde warten müssten.
»Scheiß drauf«, beschloss ich. »Lass uns laufen.«
Callahan hatte es gut, sie konnte zum Campus rollen. Ich dagegen kam nur mühsam voran. Nach der Hälfte des Weges benötigte ich dringend eine Pause. Ich humpelte zu einer Bank vor der medizinischen Fakultät und setzte mich.
»Wie bist du eigentlich im Krankenhaus gelandet?«
Corey biss sich auf die Lippe. »Es war bloß ein blöder, kleiner Infekt. Ich war ein bisschen unvorsichtig, deshalb haben alle einen Riesenaufriss gemacht.«
»Unvorsichtig? Am Wochenende?« Ich massierte mein schmerzendes Bein.
Coreys Miene versteinerte. »Ich möchte lieber nicht darüber sprechen, okay? Ich weiß, du hast mir einen riesengroßen Gefallen getan, aber …« Sie schüttelte den Kopf.
»Kein Problem. Ich wollte nur sagen, dass wir auch einen Tag früher hätten zurückfahren können. Du hättest nur was sagen müssen …«
Sie schnitt mir das Wort ab. »Ich wollte nicht früher zurück, Hartley. Ich bin nicht aus Glas.«
Ihr Gesichtsausdruck machte mich fertig. Sie sah so verletzlich und unglücklich aus.
»Nein, das stimmt so nicht, Callahan.« Ich nahm ihre Hände und zog sie zu mir, bis sich unsere Knie berührten. »Die Sache ist die, wir sind alle aus Glas. Bloß dass die meisten unserer Freunde das Glück haben, es noch nicht zu wissen.«
Als ich sah, wie sie gegen die Erschöpfung anblinzelte, fragte ich mich, ob sie zu weinen anfangen würde. Das konnte ich mir bei Corey kaum vorstellen. Nicht bei meiner blauäugigen Kämpferin, dem Mädchen, das jede Nacht vom Eislaufen träumte und trotzdem immer etwas Positives zu sagen hatte. Sie beschämte mich jeden verdammten Tag.
Ich zog noch mal an ihren Händen und beugte mich vor, bis ich sie ungeschickt in den Arm nehmen konnte. Keine Ahnung, ob sie das brauchte, ich tat es einfach.
Sie schluckte, während sie den Kopf an meiner Schulter verbarg. »Danke, dass du mich aus dem Knast geholt hast, Hartley.«
»Jederzeit, Schönste. Und jetzt gehen wir nach Hause.«
12
Ein erstklassiges Gesöff
Corey
Am ersten Dezember fiel Schnee vor den Fenstern, als ich durch den Speisesaal stelzte. Ich hatte versucht, mehr Zeit auf den eigenen Beinen zu verbringen, doch dadurch wurde alles noch anstrengender.
Dana wartete am Ende eines langen Tischs auf mich, an dem sich Hartley, Bridger, Fairfax und ein paar andere bereits über ihre Burger hermachten.
Als ich mich setzte, schob sie mir ein Tablett hin.
»Danke.«
»Nicht dafür.« Sie aß eine Pommes. »Wie läuft es mit dem Lernen?«
Die Vorlesungen waren vorbei, nun standen die Prüfungen an.
»Nicht übel«, antwortete ich. »Ich muss drei Hausarbeiten schreiben und einen Test in Wirtschaft. Ich denke, damit komme ich ganz gut davon.«
»Ich mache mir Sorgen wegen Japanisch«, sagte Dana und zog ihre niedliche Nase kraus.
»Aber du sprichst Japanisch, Dana.«
»Ja, aber nicht so gut, wie der Prof es von mir erwartet. Der Idiot macht um alles viel mehr Wind als nötig.«
Am anderen Endes des Tischs stieß Bridger Hartley an. »Hast du Fairfax von dem Geburtstagsgeschenk erzählt, das du heute bekommen hast?«
»Ist das diese Woche?«, fragte Fairfax. »Wo steigt die Party? Und trinkst du einundzwanzig Kurze mit uns?«
Ich hob den Kopf. Hartley hatte diese Woche Geburtstag? Dann musste ich unbedingt ein Geschenk für ihn auftreiben. Auch wenn es natürlich unmöglich war, den Scherzartikel zu toppen, den er mir aufs Kopfkissen gelegt hatte. Mein Geschenk würde zwangsläufig ein wenig konventioneller ausfallen.
»Ich glaube nicht, dass er einen von uns zum Geburtstag einlädt«, antwortete Bridger. »Sag es ihnen, Alter.«
Hartley schüttelte den Kopf. »Das Spirituosengeschäft hat mir eine Flasche Champagner geschickt. Ihr wisst schon, von der Sorte, die das Bruttoinlandsprodukt eines Entwicklungslandes kostet.«
»Dann ist Stacia also wieder zurück«, bemerkte Fairfax.
Hartley deutete mit dem Zeigefinger auf ihn. »Bingo. Auf der Karte stand: Lieber Hartley, leg die auf Eis. Ich bin an deinem Ehrentag wieder da.«
Mir wurde schlecht.
»Ehrentag.« Bridger grinste. »Alter, wenn du zu deinen Ehren nicht spektakulär flachgelegt wirst, weiß ich auch nicht.«
Hartley zuckte mit den Achseln. »Die Buchmacher sollten lieber vorsichtig sein mit ihren Quoten. Sie war in letzter Zeit noch unzuverlässiger als sonst.«
»Die kommt schon«, mutmaßte Bridger. »Schließlich hat sie Schampus geschickt.«
»Schreib ihr, dass du den auf jeden Fall trinkst, ob sie auftaucht oder nicht«, schlug Fairfax vor.
»Klar trinke ich den Schampus«, sagte Hartley. »Das versteht sich doch von selbst.«
Hartleys Geburtstag fiel auf den Samstag vor den Prüfungen.
Dana und ich lernten tagsüber in der gemütlichen kleinen Beaumont-Bibliothek. Das College verfügte anscheinend über unendlich viele Orte, an denen man lernen konnte. Man hätte praktisch jeden Tag eine andere Bibliothek aufsuchen können, ohne sich dabei innerhalb eines Monats auch nur einmal zu wiederholen.
Aber nicht mal ich war so schräg drauf, nach dem Abendessen noch mal die Nase in die Bücher zu stecken.
»Was liegt heute Abend bei dir an?«,
erkundigte sich Dana vorsichtig, während sie ein Paar Ohrringe aus ihrem Schmuckkästchen fischte.
»Hm, vielleicht Fernsehen?«
Ich musste ja nicht extra darauf hinweisen, dass mein Kumpel Hartley nicht fürs Videospielen zur Verfügung stand. Außerdem hatte ich jede Menge andere Dinge zu tun. Das Gesellschaftsleben kam während der Prüfungen sowieso zum Stillstand.
»Du könntest mit mir kommen«, bot mir Dana an.
Bei ihrem Vorschlag musste ich lachen. Dana wollte sich im Fachbereich Englisch einen weiteren Teil der allabendlichen Lesung aus James Joyces Ulysses anhören. Besser ließ sich die Streberhaftigkeit der Harkness-Studenten zur Prüfungszeit kaum zur Geltung bringen.
»Ich geh doch nicht mal in die Vorlesung! Werden da am Eingang Sticker verteilt, auf denen ›Streber‹ steht, damit man sie sich an die Stirn pappen kann?«
Dana verdrehte die Augen. »Das ist aber gar nicht nett, Corey. Es gefällt mir eben nicht, wenn du hier den ganzen Abend allein rumsitzt.«
»Weiß ich doch«, schmollte ich. »Tut mir leid.«
Offenbar konnte ich mein gebrochenes Herz nicht vor Dana verbergen. Aber es war ja nicht gerade so, dass ich geplant hatte, den Abend allein zu verbringen, während die Liebe meines Lebens auf der anderen Flurseite »spektakulär flachgelegt« wurde. Das hatte sich eben leider einfach so ergeben.
Nachdem Dana gegangen war, drehte ich in der Hoffnung, damit eventuelle Geräusche der freudigen Wiedervereinigung von drüben gleich im Keim zu ersticken, den Fernsehton lauter. Rastlos zappte ich durch die Programme, bis ich schließlich mit einer Ausstrahlung von Die Braut des Prinzen belohnt wurde. Genau der richtige Film für so einen Scheißabend. Also lag ich auf dem Sofa, ohne Beinschienen und Rollstuhl, und überließ mich dem Sog der bekannten Geschichte.
Hartley
Als das Telefon klingelte, wusste ich sofort, dass es meine Mom war. Sie rief immer um halb neun an, wenn ich Geburtstag hatte. Ich war abends zur Welt gekommen, während Melrose Place im Fernsehen gelaufen war. Vor meiner Geburt hatte meine Mutter keine einzige Folge dieser Kitschserie über irgendwelche reichen, verwöhnten West Hollywood-Sprösslinge verpasst. Sie hatte mich bekommen, als sie jünger gewesen war als jede Figur in der Serie.
»Hey Mom.«
»Happy Birthday, Schatz. Aber trink heute Abend bitte trotzdem keine einundzwanzig Schnäpse.«
Ich lachte. »Ich verspreche es. Ich werde nicht mal zwanzig trinken. Vielleicht bleibe ich bei neunzehn.«
»Das ist nicht lustig, Hartley. Du könntest sterben.«
»Ich werde nicht viel trinken. Versprochen.« Nur eine halbe Flasche Champagner.
»Sei vorsichtig, Schatz. Ich war auch mal jung.«
»Das bist du immer noch, Mom.« Sie wurde im nächsten Frühjahr gerade erst vierzig.
Sie lachte. »Ich liebe dich, Adam Hartley.«
»Ich dich auch, Mom.«
Wir beendeten das Gespräch, und ich sah abermals auf die Uhr.
Allmählich wurde ich ungeduldig. Stacia hatte mir nichts Genaues über ihre Reisepläne erzählt. Sie war schon am Nachmittag in New York gelandet, hatte aber noch eine Weile in der Stadt bleiben wollen, um mit ein paar Kommilitonen zum Abschied etwas trinken zu gehen. Als ich sie danach gefragt hatte, hatte sie mir nicht verraten wollen, wann sie ankommen würde.
So etwas zog sie häufig ab, und ich wusste, dass sie es mit Absicht tat. Sie war die Sorte Mädchen, die wusste, was für eine Wirkung es hatte, wenn sie sich rarmachte. Verdammt, sie hatte das Rarmachen praktisch erfunden! Und viel schlimmer noch – sie kam damit durch. Jedes Mal, wenn ich auf sie wartete, fragte ich mich, ob sie Schluss machen wollte. Ein Teil ihrer Anziehungskraft bestand darin, dass sie eigentlich unerreichbar war. Ich wollte sie aus demselben Grund, aus dem sie heiß auf den ganzen Designerkram war – weil das Zeug eben nur in Italien angeboten wurde und sonst nirgendwo. Deshalb musste sie es haben und damit vor anderen herumstolzieren. Fuck. Was das über sie sagte, war mir egal, aber was sagte es über mich aus?
Ich stand auf und ging im Zimmer auf und ab, was mit einem Gehgips gar nicht so einfach war. Klack, klack, klack. Ich war heute Abend von Kopf bis Fuß eine Lachnummer.
Es würde sicher seltsam werden, Stacia nach Monaten zum ersten Mal wiederzusehen. Natürlich freute ich mich darauf. Die Stacia aus der Ferne war nämlich nicht annähernd so verlockend gewesen wie die echte aus Fleisch und Blut. Doch wenn ich ganz ehrlich zu mir war, hatte ich ein bisschen Schiss davor, mit ihr wieder ins gewohnte Fahrwasser zurückzukehren. Sie war wie ein Lied, dessen Text mir entfallen war. Ein Lied, das ich neu hören musste, um mich daran zu erinnern, warum es mir anfangs so gut gefallen hatte. Bloß dass einem so was mit Liedern eigentlich nicht passierte, oder? Selbst wenn man den Text komplett vergaß, trug man die Melodie noch tief im Herzen.
Verdammt, ich dachte zu viel nach. Viel zu viel. Und es war niemand da, der mich davon abhalten konnte. Der Abend schritt unaufhaltsam voran, und meine Vorfreude wich allmählich frustrierter Enttäuschung. Stacia würde nicht auftauchen, und tief in meinem Inneren war ich darüber nicht mal allzu schockiert. Das Verrückteste daran war, dass ich mir dabei wie ein Arsch vorkam. Als hätte ich angesichts meiner Erkenntnis irgendwie überraschter sein müssen. Als hätte es mir mehr ausmachen müssen, als es das in Wahrheit tat.
Ihre SMS war trotzdem eine ziemliche Enttäuschung.
Tut mir leid, Hartley, ich bleibe heute Nacht hier …
Bla bla …
Ich brauche etwa drei Sekunden, bis ich das Handy weglegte und mich aufrappelte. Es gab da eine Person auf der anderen Flurseite, die ich jetzt sehr gerne sehen wollte; mit der zusammen zu sein mir immer Spaß machte.
Ehe ich es mir anders überlegen konnte, hatte ich die Champagnerflasche gepackt und lief zur Tür.
Corey
Als der Mann in Schwarz sich gerade auf ein Glas vergifteten Weins mit Vizzini hingesetzt hatte, hörte ich, wie unsere Zimmertür geöffnet wurde. Da ich Danas üblichen Gruß erwartete, setzte ich mich nicht auf, um mich umzudrehen. Doch dann hörte ich das unverwechselbare Geräusch von Gehhilfen auf dem Holzfußboden. Die Schritte waren langsam, zögernd, unregelmäßig tapsend, wie von jemandem, der etwas Schweres, Sperriges in der Hand hielt. Mein Herz schlug schneller. Meine Hoffnungsfee wachte auf und begann, mit kitzligen Füßchen auf meinem Bauch herumzutanzen.
»Herrgott, Callahan, kannst du mir vielleicht mal was abnehmen?«
Als hätte ich den Film nicht schon zwei Dutzend Mal gesehen, sah ich noch eine halbe Sekunde länger auf den Bildschirm. Als ich mich schließlich aufrichtete, geschah es gerade noch rechtzeitig, um die zwei an Hartleys Fingern baumelnden Gläser aufzufangen. Unter den anderen Arm hatte er sich eine teuer aussehende Flasche Champagner geklemmt.
Hartley sagte erst mal nichts weiter. Er kam einfach hereingehumpelt, als wäre es die normalste Sache von der Welt, in mein Zimmer zu marschieren, wo er doch eigentlich Ich-habe-dich-ja-so-vermisst-Sex mit Stacia haben sollte. Er ließ die Flasche in meine Ecke des Sofas gleiten, dann stakste er um den Couchtisch herum auf die andere Seite. Er beugte sich über mich, hob erst eins meiner Beine und dann das andere hoch, setzte sich und legte meine Füße in seinen Schoß. Sein gebrochenes Bein drapierte er auf dem Tisch, bevor er über meinen Körper hinweg nach der Flasche angelte.
Während ich dem Mann in Schwarz zur Suche nach seiner Prinzessin aufbrechen sah, machte sich Hartley daran, den Draht der Champagnerflasche aufzudrehen. Kurz darauf hörte ich das befriedigende Plopp des fachmännisch gelösten Korkens, gefolgt vom leisen Gluckern und Perlen, als Hartley den Champagner in die Gläser füllte.
»Callahan«, sagte er mit tiefer Stimme.
Ich setzte mich auf, um ihm ein Glas abzunehmen, und schob meine Beine neben sein auf den Couchtisch.
»Kannst du die wegstellen?«, fragte er und gab mir die Flasche.
Ich beugte mich kommentarlos vor und platzierte sie vor dem Sofa auf dem Boden.
Als ich mich wieder zurücklehnte,
stieß ich mit der Schulter gegen seinen Arm, den er hinter mir auf die Sofalehne gelegt hatte. Da er ihn nicht wegzog, lehnte ich mich sachte dagegen.
Hartley stieß einen Riesenseufzer aus. Er klang nach Niederlage und Enttäuschung. »Cheers, Callahan.«
Wir stießen an, doch irgendein Instinkt riet mir, ihm dabei lieber nicht in die Augen zu schauen. Ich wollte ihn nicht mit Fragen darüber nerven, warum ihn das Glück so plötzlich verlassen hatte. Er hätte sich in diesem Augenblick eigentlich mit seiner hinreißenden Flamme im Bett wälzen sollen, stattdessen saß er mal wieder mit mir vor dem Fernseher.
Dabei ist es doch so gemütlich, rief meine Hoffnungsfee und klatschte erfreut in die winzigen Patschhändchen.
Ich trank einen Schluck Schampus. »Wow«, platzte ich heraus. Samtig, herb, köstlich. Wenn teuer einen Geschmack hatte, dann diesen.
»Samtig, oder?« Er klang müde.
»Ja, umwerfend. Aber vielleicht schmeckt er für dich auch eher … bitter?« Ich sah ihm zum ersten Mal an diesem Abend ins Gesicht und zwinkerte.
Er verdrehte die Augen. »Der Schampus ist gut, Callahan. Richtig gut. In meiner Familie nennt man so was ein erstklassiges Gesöff. In Stacias Familie füllen die Adjektive dafür ein komplettes Wörterbuch. Du müsstest hören, wie ihr Vater über Wein spricht.« Hartley schnaubte.
»Klingt geradezu fesselnd.« Im nächsten Moment fühlte ich mich schuldig, schließlich hatte ich die Leute noch nie im Leben getroffen. »Immerhin hat sie Geschmack.« Aber das war genauso daneben, weil ich damit viel zu viel von meinen Gefühlen für Hartley preisgab. »Tut mir leid, dass sie nicht aufgetaucht ist.«
Er schüttelte sichtlich angewidert den Kopf. »Sie wird morgen aufschlagen, mit tausend Entschuldigungen auf Lager. Wie immer.« Er trank noch einen Schluck, dann wandte er seine Aufmerksamkeit dem Film zu.
Gemeinsam sahen wir zu, wie Wesley den Hügel hinunterrollte, während er Buttercup »Wie … du … willst!« zurief. Gott, der perfekte Moment in einem perfekten Film. Wahrscheinlich saugten Hoffnungsfeen auf der ganzen Welt diese Szene wie Nektar in sich auf.
Ich lehnte mich gegen Hartleys warmen Körper und trank meinen Champagner erheblich schneller als eigentlich beabsichtigt. Er schmeckte so gut, dass ich nicht anders konnte.
Bevor wir fallen Page 12