Bevor wir fallen

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Bevor wir fallen Page 20

by Bowen, Sarina


  An der Wand gegenüber quasselte der Bär mit glasigem Blick Allison voll. Die Vorstellung, den Abstieg die Treppen hinunter abermals auf seinem Rücken zu absolvieren, kam mir ungefähr so ungefährlich vor wie die Entscheidung, zu einem Betrunkenen ins Auto zu steigen, und zwar ohne Sicherheitsgurt.

  Mehr Zeit verging, während ich meine schwindenden Möglichkeiten durchging. Ich könnte auf dem Hintern zur Tür robben und die Treppe hinunterrutschen. Dazu würde ich ungefähr fünfzehn Minuten benötigen, und vermutlich würde mich höchstens ein Dutzend Leute bei diesem erniedrigenden Vorgang beobachten.

  Ich starrte die Tür an und versuchte, die Entfernung abzuschätzen. Als ich Hartley entdeckte, der auf der Schwelle stand und mich ansah, erschrak ich.

  »Da bist du ja«, sagte er mit finsterer Miene. »Warum steht dein Rollstuhl unten?«

  »Jemand hat mich huckepack mitgenommen«, antwortete ich und versuchte gleichzeitig, einen Rülpser zu unterdrücken.

  »Keine Krücken?«

  Ich blickte langsam auf meine Hände hinunter. »Nö.«

  »Moment mal, bist du etwa betrunken, Callahan?« Er kam auf mich zu und beugte sich bis dicht vor meine Nase zu mir herab.

  »So wie du das sagst, klingt es, als wäre das vollkommen unmöglich«, lallte ich.

  »Himmel, ich glaube, wir gehen jetzt lieber.«

  »Nein.«

  Er sah genervt aus. »Ich lasse dich nicht hier, Callahan. Wie willst du die Treppe runterkommen?«

  »Keine Ahnung. Mir wird schon jemand helfen.« Jemand anderes als du. Du ganz sicher nicht.

  Er kratzte sich am Kinn. »Ich könnte deine Krücken holen. Allerdings glaube ich nicht, dass dies der richtige Zeitpunkt ist, das Treppensteigen zu üben.« Hartley bückte sich und legte mir die Hände auf die Hüften.

  »Hartley, nein!«

  Er ließ mich los. Ich konnte den Ärger in seinen braunen Augen lesen. Wen wollte ich hier eigentlich verarschen? Ich saß fest, und er war darauf versessen, mir zu helfen.

  »Huckepack geht es besser«, sagte ich leise.

  Er drehte sich wortlos um und ließ sich vor mir auf sein gesundes Knie nieder. Ich schlang die Arme um seine Brust, und er griff nach hinten, um die Hände unter meine Knie zu legen. Dann stand er auf und humpelte Richtung Tür. Das Zimmer drehte sich ein wenig, und mir ging auf, dass ich betrunkener war, als ich gedacht hatte.

  »Okay«, sagte er, »wir stützen uns auf das Geländer und machen ganz langsam, dann wird es schon gehen.«

  Langsam. Wegen des heilenden Knies. Sehr langsam.

  Verflucht.

  »Hartley«, presste ich hervor, als sein Rücken gegen meine Blase drückte. »Ich muss ganz dringend pinkeln.«

  »Echt jetzt?«

  »Glaubst du wirklich, ich würde mir so was ausdenken?«

  Er blieb stehen, balancierte auf dem Treppenabsatz zwischen Dans Tür und dem Zimmer gegenüber. Dazwischen gab es ein Gemeinschaftsbad.

  Hartley legte eine Hand an die Tür. Doch ehe er sie aufstoßen konnte, ging die Tür zum Nachbarzimmer auf und gab den Blick auf Stacia in einem sexy Seidennachthemd frei.

  Kein Wunder, dass Hartley meinen Rollstuhl entdeckt hatte – offensichtlich war Stacia Dans Nachbarin.

  »Hartley! Was soll das? Du wolltest dir doch nur die Zähne putzen. Kommst du nicht ins Bett?«

  »Sieht nicht so aus«, sagte er. »Entschuldige uns bitte.«

  Als er die Badezimmertür aufstieß, ging automatische das Licht an und blendete mich.

  »Setz mich einfach auf dem Klo ab«, piepste ich. »Bitte.« Und dann bring mich um. Weil das hier so verdammt demütigend ist.

  Er ließ mich vorsichtig runter und trat, mit dem Rücken zu mir, ein paar Schritte zurück.

  »Äh, Hartley, kannst du bitte rausgehen?«

  »Ich gucke nicht.«

  »Bitte.«

  »Himmel, Callahan.« Er legte das Gewicht der ganzen Welt in diese beiden Worte. »Aber fall bloß nicht rein.«

  Könnte mich bitte jemand töten? Ich wartete, bis er hinausgegangen war, dann nestelte ich wie eine Blöde an meiner Hose herum. Ich zerrte am Bund, befreite mich ruckelnd von dem Stoff in der Hoffnung, dass mein Körper mir noch zehn weitere Sekunden gehorchte, während ich mich wand wie eine sich häutende Schlange. Gelobt sei der Herr für den elastischen Hosenbund.

  Ich hörte, wie Hartley und Stacia draußen vor der Tür stritten.

  »Meine Freundin braucht Hilfe, Stass. Es ist, wie es ist.«

  »Ich kapiere nicht, wieso …«

  »Du willst es nicht kapieren«, fiel Hartley ihr ins Wort, »weil es nicht deine Art ist, anderen Menschen zu helfen.«

  »Das sollte heute unsere gemeinsame Nacht werden«, erwiderte sie.

  »Tatsache? Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

  »Dass du jetzt reinkommst.«

  »Lass einfach deine Tür offen, dann komme ich später vorbei. Wir müssen sowieso reden.«

  »Schön, das hört sich ja wirklich vielversprechend an«, blaffte sie.

  Dann fiel die Tür ins Schloss.

  Ich pinkelte gefühlte zehn Minuten. Anschließend kämpfte ich mich Millimeter für Millimeter in meine Klamotten zurück. Ich beeilte mich, versuchte aber gleichzeitig, dabei nicht ins Klo zu fallen.

  Als ich abzog, klopfte er an die Tür.

  »Alles klar.«

  Hartley kam herein, ging vor der Toilette auf die Knie und hob mich wieder hoch.

  Stacias Tür war zu, und Hartley nahm kommentarlos die Treppe in Angriff. Aber es ging nur langsam voran. Da er sich am Geländer festhielt, musste er mein rechtes Bein loslassen. Ich bemühte meine Oberschenkelmuskulatur, um es, so gut es ging, anzuwinkeln. Aber es hing trotzdem durch.

  Meine Nase befand sich nur Zentimeter von seinem Nacken entfernt. Demselben Nacken, den ich gestreichelt hatte, als wir uns geküsst hatten. Verdammt.

  Nachdem wir den zweiten Treppenabsatz geschafft hatten, setzte Hartley mich seufzend ab. »Halbzeitpause.« Er ließ sich neben mir auf den Stufen nieder und bohrte die Daumen in die Muskeln seines verletzten Beines.

  »Das Extragewicht macht dich fertig, oder?«, fragte ich.

  Ein neuer Abend, ein neues Debakel. Dabei hatte ich doch bloß mit meiner Mannschaft ein Bier trinken wollen. Trotzdem hatte ich es wieder mal komplett versaut.

  »Das Bein hat vorher auch schon wehgetan«, gab er zurück.

  »Lügner.«

  Ich griff nach meiner Wade und pflanzte sie auf die Stufe unter mir. Dann verfuhr ich genauso mit dem anderen Bein. Als Nächstes stemmte ich mich auf die Arme und wuchtete meinen Hintern hinunter. Und immer so weiter – ein Bein versetzen, dann das nächste, dann eine Stufe hinunterrutschen. Ich hielt nur einmal inne, als eine Gruppe Mädchen zur Tür hereinkam und die Treppe hinaufstürmte.

  »Hey Hartley!«, trällerten sie im vorbeimarschieren.

  »Abend, die Damen.« Seine Stimme klang warm und lässig, als wäre er in diesem Moment nirgendwo lieber als mit seiner behinderten Freundin in diesem schmuddeligen Treppenhaus.

  Als die Mädchen außer Sicht waren, hoppelte ich schnell bin zur untersten Treppenstufe hinab.

  »Weißt du«, sagte er, als er um mich herumkam, den Rollstuhl packte und vor mich schob, »bei dir sieht das ganz leicht aus.«

  »Prima«, antwortete ich sarkastisch, während ich mir die schmutzigen Hände an der Hose abwischte. »Ich hasse es bloß …« Aus lauter Angst, dass ich zu heulen anfangen würde, konnte ich den Satz nicht mal beenden.

  Ich hasste es, das Mädchen zu sein, das Partys kriechend verließ. Ich hasste es, das Mädchen zu sein, das gerettet werden musste. Ich hasste es, Hartleys kleine, behinderte Freundin zu sein. Es war wesentlich erträglicher, mir zum x-ten Mal an einem Wochenendabend Die Braut des Prinzen anzuschauen, als mir diese ausgesuchte Erniedrigung anzutun.

  »Ich weiß«, murmelte er.

  Als er mich hochheben wollte, stieß ich
ihn weg. Dann vollführte ich ein Transfermanöver, das Pat mit Stolz erfüllt hätte. Mit einer einzigen fließenden Bewegung zog ich mich in den Rollstuhl.

  Hartley schob mich zur Tür.

  »Die Stufe müssen wir aber rückwärts nehmen«, rief ich ihm ins Gedächtnis.

  »Wir machen alles rückwärts, Callahan.«

  Ich hatte keine Ahnung, was das bedeuten sollte und fragte auch nicht.

  Hartley

  Als wir im Beaumont-Hof standen, wollte Corey mich abwimmeln.

  »Du kannst jetzt wieder hochgehen«, sagte sie.

  »Du bist betrunken, Callahan. Ich bringe dich heim.«

  »Du bemutterst mich«, moserte sie.

  »Ich bemuttere dann und wann alle meine Freunde mal. Und die meisten kotzen mich dabei ziemlich an – im wahrsten Sinne des Wortes. Bridger zum Beispiel fast jede Woche.«

  Ich ging ein paar Minuten schweigend neben ihr her, bis ich mich nicht mehr beherrschen konnte. »Was hast du dir nur dabei gedacht, Callahan?«

  »Gar nichts, okay? Ich wollte bloß ausnahmsweise mal auf eine Party. Warum sollte ich jede Minute meines Lebens drei Stunden im Voraus planen? Das macht ja sonst auch keiner.« Im Hof war es so still, dass ihre Stimme von den Mauern widerhallte. »Verdammt, jetzt fang ich auch noch an zu jammern.«

  »Jeder hat sein Päckchen zu tragen«, murmelte ich. »Wie war eigentlich das Spiel?«

  »Gut. Unentschieden. Drei zu drei.«

  »Hast du Punkte gemacht?«

  »Natürlich.«

  Ich lachte. »Wieso frage ich überhaupt?«

  »Eben«, pflichtete Corey mir bei. Sie lallte noch immer.

  Nachdem wir in McHerrin House angekommen waren, rollte sie in ihr verwaistes Gemeinschaftszimmer und schwang den Rollstuhl herum, um mich anzusehen.

  Ich war vor der Tür stehen geblieben.

  Das Schweigen zwischen uns kam mir unnatürlich vor. Ich hatte ihr hübsches Gesicht noch nie so unglücklich gesehen. Ich kämpfte gegen den Drang an, auf sie zuzutreten und … keine Ahnung, was. Das Verlangen danach, sie zu beschützen, war kaum auszuhalten. Am liebsten hätte ich sie hochgehoben und in den Armen gehalten. Es erschien mir nicht fair, dass sich der beste Mensch, den ich kannte, an einem Freitagabend so niedergeschlagen und einsam fühlte.

  Als sie den Kopf schräg legte, entblößte sie ein Stück ihres sahnigen Halses. »Tut mir leid, dass ich dir den Abend verdorben habe.«

  »Das könntest du gar nicht, selbst wenn du es wolltest.«

  Dann trat ich, ohne nachzudenken, zwei Schritte ins Zimmer. Verdammt, am allerliebsten wäre ich jetzt mit den Fingern durch ihr Haar gefahren und hätte die Stelle direkt unter ihrem Kinn geküsst. Und ein Dutzend anderer Stellen dazu. Ich. War. Am. Arsch.

  Ich ließ es bei einem Kuss auf den Scheitel bewenden. Ihr Haar duftete nach Erdbeeren, gemischt mit Chlor.

  »Gute Nacht, Callahan«, sagte ich mit rauer Stimme. Dann tat ich, was nötig war, drehte mich um und ging zur Tür.

  »Hartley?«

  Ich wandte mich erst um, als ich schon beinahe auf dem Gang stand und damit in Sicherheit war. »Ja, Schönste?«

  »Warum nennst du mich eigentlich immer Callahan?«

  Die Frage traf mich völlig unvermittelt, zumal ich nicht die geringste Lust hatte, mir eine Antwort zu überlegen. Stattdessen konterte ich: »Warum nennst du mich immer Hartley?«

  »Weil das alle tun. Aber du bist der Einzige, der mich Callahan nennt.«

  Bei meinem Glück konnte sie natürlich auch noch betrunken logisch denken. Es gab einen ganz einfachen Grund dafür, warum ich ihren Nachnamen benutzte, doch den wollte ich ihr nicht nennen. Ich nannte sie Callahan, weil es sich dann so anfühlte, als wäre sie einer von den Jungs. Ich hatte einfach versucht, den richtigen Ton für unsere Freundschaft zu treffen. Ein weiterer frommer Selbstbetrug.

  »Weil das dein Name ist.« Ich räusperte mich. »Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich habe auch noch mein eigenes Päckchen zu tragen.«

  Damit drehte ich mich entschlossen um und sah zu, dass ich Land gewann.

  19

  Du hast mich getäuscht

  Corey

  »Oh Mann, mein Kopf«, jammerte ich am nächsten Morgen, als ich mich zum Brunch Richtung Speisesaal schleppte.

  »Du hättest vor dem Schlafengehen eine Handvoll Ibuprofen einschmeißen sollen«, bemerkte Dana.

  »Wenn ich die Chance bekäme, irgendetwas am vergangenen Abend zu ändern, stünde das ziemlich weit unten auf meiner Liste.«

  »So schlimm?«

  »Einfach nur peinlich. Ich musste förmlich gerettet werden. Von Hartley.«

  Dana grinste. »Und wir wissen ja, wie gerne du dich retten lässt.«

  »Vor allem von ihm. Ah! Und dann musste ich mir auch noch anhören, wie Stacia sich lauthals darüber beschwerte. Danach ist er höchstwahrscheinlich noch zu einer Runde Matratzentango zu ihr gegangen.«

  Nachdem er letzte Nacht verschwunden war, hatte ich im Bett gelegen, dem Zimmer beim Karussellfahren zugesehen und versucht, mir nicht vorzustellen, wie er ihr mit seinen großen Händen das Nachthemd auszog.

  »Sieh es mal positiv«, sagte Dana, als wir uns dem Beaumont-Tor näherten. »Es ist Waffel-Tag. Treffen wir uns drinnen?«

  Ich schüttelte den Kopf. »Heute nehme ich die Treppe. Ich muss echt üben.«

  Zehn Minuten später fühlte ich mich schon besser. Ich hatte die Treppe bewältigt, ohne zu stolpern oder in Panik zu geraten. Und Dana und ich hatten unseren Lieblingstisch direkt neben der Tür ergattert.

  Ich verputzte gerade den Rest meiner Waffel, als Daniel sein Tablett neben meins schob.

  »Guten Morgen, ihr Hübschen«, sagte er. »Darf ich?«

  »Klar doch«, antwortete ich. »Dana, das ist Daniel. Er ist der Kapitän unserer Wasserpolo-Mannschaft. Dan, meine Mitbewohnerin Dana.«

  »Freut mich, dich kennenzulernen«, sagte Daniel. »Ich würde mich allerdings noch mehr freuen, wenn du dich dem Team anschließen würdest.«

  Dana lachte. »Mit Sport stehe ich auf Kriegsfuß.«

  »Gummireifen-Wasserpolo ist kein Sport, sondern eine Berufung.« Als er Dana mit blitzenden Augen ansah, glaubte ich, sie rot werden zu sehen. Dana stand auf Männer mit britischem Akzent. »Und danach schmeißen wir immer sehr nette Partys.« Er wandte sich mir zu. »Du warst gestern Abend plötzlich verschwunden, Corey.«

  »Ja?« Komisch, dass er meinen Abgang nicht mitbekommen hatte. Ich ging stets davon aus, dass mein peinliches Kommen und Gehen so auffällig war wie eine leuchtende Neonreklametafel.

  »Bist du vor oder nach dem Feuerwerk gegangen?«, wollte Daniel wissen.

  »Feuerwerk?«

  »Aha …« Er setzte eine verschwörerische Miene auf und wandte sich nach links und rechts, um einen Blick über die Schulter zu werfen. »Dein Freund Hartley und seine Eiskönigin haben sich auf dem Flur gestritten. Die sind ziemlich ausgerastet. Sehr theatralisch.«

  Dana beugte sich interessiert vor. »Was war denn los?«

  »Na ja …«

  In diesem Moment stellte Allison ihr Tablett Daniel gegenüber ab. »Guten Morgen!«

  »Allerdings«, gab er zurück. »Ich wollte Corey gerade von dem Nachbarschaftsstreit gestern erzählen. Den hat sie nämlich verpasst.« Er beugte sich vor. »Zuerst hat Stacia so laut, dass es jeder hören konnte, geschrien: ›Mit mir macht man nicht Schluss, Hartley!‹«

  Ich spürte, wie mein Herz einen Schlag aussetzte, und sah, wie Dana nach Luft schnappte.

  »Er hat mit ihr Schluss gemacht?«

  Allison klatschte entzückt in die Hände. »Und ob. Aber erst, nachdem sie ihn als Loser beschimpft hatte. Darauf schrie er, wenn sie ihn lieben würde, hätte sie nicht in ganz Europa mit ihrem …«, Allison legte eine Lachpause ein, »italienischen Hengst herumgevögelt.«

  Ich saß sprachlos da, während meine Hoffnungsfee durch die Tür geflattert kam und an dem Klebeband über ihrem Mund zerrte.r />
  »Wow«, schnaufte Dana. »Stacia ist bestimmt stocksauer.«

  »Oh, und wie.« Allison nickte. »Sie hat übergangslos von ›Ich liebe dich‹ auf ›Das mit dir war ein Riesenfehler‹ umgeschaltet. Irgendwann hat er nur noch gesagt: ›Ich hab hier nichts mehr verloren‹, dann war er weg.«

  »Und dann haben wir alle Wetten abgeschlossen«, nahm Daniel den Faden auf, während er sich eine Scheibe Schinken in den Mund schob.

  »Wetten worauf?«, fragte ich.

  »Wer von beiden zuerst wieder mit jemandem zusammen ist«, antwortete Allison. »Ich hab auf Stacia gesetzt, weil sie so auf ihr Ansehen bedacht ist. Sie braucht immer ein süßes Anhängsel. Allerdings ist die Schlange der Frauen, die darauf warten, dass Hartley wieder solo ist, auch ziemlich lang. Aber er wird sie nicht auf der Stelle ersetzen. Jedenfalls hoffe ich das. Weil ich nämlich Zeit brauche, um meinen Ball im Netz zu versenken.« Sie tat, als würde sie zielen. »Ein Mädchen muss auch mal träumen dürfen.«

  In diesem Moment kam Hartley in den Speisesaal, und wir vier blickten so ertappt auf, dass klar ersichtlich war, dass wir über ihn gesprochen hatten.

  Mein Magen überschlug sich, als ich den neuerdings offensichtlich ledigen Hartley ansah. Ruhig Blut, ermahnte ich mich. Das ist noch lange kein Grund, dir Hoffnungen zu machen.

  Doch meine Hoffnungsfee riss sich das Klebeband vom Mund und kreischte: Na und ob!

  Daniel wischte sich den Mund ab. »Du siehst ein wenig mitgenommen aus, Kumpel.«

  Und damit hatte er nicht übertrieben. Hartleys Augen waren rot gerändert, und er wirkte hundemüde.

  »Kann sein, ich hab gestern Abend ein bisschen viel getrunken.«

  Er humpelte um den Tisch und blieb neben mir stehen. Dann angelte er eine kleine Pillendose aus seiner Tasche und schüttelte ein paar Tabletten auf die andere Hand. Er warf sie sich in den Mund, nahm mein Saftglas und spülte sie hinunter.

  »Hey!«, protestierte ich gewohnheitsmäßig.

  »Üble Nacht gehabt?«, erkundigte sich Daniel.

 

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