Hannah (Malibus Gentlemen 1) (German Edition)
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Gut, die Tatsachen, dass ich innerhalb von 24 Stunden nur achteinhalb Minuten für die Dusche benötigte, jedoch elf Minuten und siebzehn Sekunden in den Waschräumen war, ungefähr 23 Stunden an meine Hochzeitsplanerin dachte und nicht eine Sekunde an meine Verlobte verschwendete, ließ mich so beschissen dastehen, dass ich ein schlechtes Gewissen bekam, welches ich nicht mal gehabt hatte, als ich meinen immer noch fast steifen Schwanz, nachdem ich in Hannah gespritzt hatte, aus ihr herauszog.
Ich war also ein widerlicher Drecksack bis in die Haarspitzen und hätte mich selbst kastrieren sollen.
Alleine bei diesem Gedanken zog sich mein Schwanz zurück. »Nein Kumpel, ich tu dir nichts«, murmelte ich mir selbst zu und schüttelte energisch den Kopf.
Hätte Kelly, meine Verlobte – du erinnerst dich, Drecksack? – mich so sehen können, hätte sie mir einen Monolog darüber gehalten, wie ungesund Bier war. Hätte Hannah es gesehen – so stellte ich mir die Szene zumindest vor – hätte sie mir eine ihrer kleinen, weichen Hände in den Nacken gelegt, mich tief geküsst und mich gefragt, was so beschissen an meinem Tag war, dass ich jetzt schon Bier trank. Anschließend wäre sie zu dem riesigen Kühlschrank gelaufen, um sich ebenfalls eines herauszuholen, ehe sie sich auf meinem Schoß niedergelassen hätte.
Nun, bescheuerte Fantasien, denn wäre Hannah meine Verlobte gewesen, dann wären wir nicht in dieser abgefuckt miesen Szenerie gefangen gewesen, aus der ich keinen Ausweg fand. Oder finden wollte. Das war nun wirklich Auslegungssache.
Erschöpft, wovon auch immer, denn ehrlich gesagt, hatte ich heute mal wieder null komma null im Büro auf die Reihe gebracht, ließ ich mich auf die bequeme Couch fallen und schaltete den übergroßen Flatscreen ein. Bei Gelegenheit sollte ich meiner Sekretärin und meinem Assistenten mal irgendwas zukommen lassen, was meine Dankbarkeit ausdrückte. Vielleicht ein freier Tag? Sollte ich – man nannte mich Drecksack – wieder einmal in der Lage sein, Aufgaben selbst zu übernehmen. Gut, dass die Hochzeit anstand, das war eine willkommene Ausrede – natürlich nur für mich selbst, nicht vor meinen Leuten –, um Dinge zu delegieren, die ich ansonsten selbst gemacht hätte.
Irgendwann in dieser Woche müsste ich allerdings die Unterschriften-Mappe durchgehen. Für mich war immer das Wichtigste gewesen, was mit dem Surfen in Zusammenhang stand oder mit der Firma. Aktuell rangierte die Firma auf meiner Prioritätenliste sehr weit unten – das Surfen war immer außen vor.
Wenn ich mich einmal für wenige Minuten nicht selbst belog, fiel mir auf, dass es mir scheißegal war, was Kelly über meinen Anzug dachte oder das verfluchte Lied oder die Dekoration oder die Essensauswahl mit Weinbegleitung. Wichtig war mir nur, was Hannah wohl dazu sagen würde. Dieser Verdacht hatte schon etwas länger in mir geschlummert. Bei dem abgedrehten Schneider allerdings ... war das Gefühl, ihr gefallen zu wollen, so präsent gewesen, dass ein Ignorieren unmöglich wurde. Ihre Augen sollten leuchten, wenn sie mich ansah. Wenn ich mich im Kreis drehte und sie begutachtete, wie die Hose auf meinen Hüften saß und meinen Hintern betonte, wollte ich, dass jener Hunger auf meinen Körper und mich in ihren Blick zurückkehrte. Ich wollte, dass sie sich die Lippen befeuchtete, nur um anschließend darauf zu beißen. Ihre langen, wohlgeformten Beine sollte sie überschlagen und ich wollte wieder diese feine Reaktion wie damals in der Bar aus ihr herauskitzeln. Jene, wenn eine Frau die Beine fester und angespannter überschlug, damit sie ein klein wenig Druck auf den Kitzler ausüben konnte. Es sollte sich wieder eine leichte Röte über ihre Wangen ziehen und der Blick verschleiern, wenn sie schließlich leicht den Mund öffnete, ihr ein Stöhnen entwich und sie um meinen Schwanz kam.
Durch meine eigenen Gedanken frustriert, rückte ich meinen Steifen – wieso konnte er nicht auch so auf Kelly reagieren? – in meiner Hose zurecht und schüttete den Rest des Bieres in mich hinein. Verdammte Scheiße, ich war nicht nur am Arsch, ich war ein toter Mann, wenn ich so weitermachte.
»Adam?«, rief es von der Küche her und ich schloss kurz gequält die Augen. Oh Mann, falsche Frau! Träge hievte ich meinen faulen Hintern vom Sofa und trottete in die Küche. Genau in dem Moment, in welchem ich die Schwingtüre nach innen aufstieß, straffte ich die Muskeln, drückte den Rücken durch und legte mein Presselächeln auf die Lippen. Es war strahlend, aber unecht. Kelly räumte gerade mehrere Lebensmittel in den Kühlschrank.
»Ich war einkaufen!«, sagte sie zur Erklärung und innerlich rollte ich die Augen. Ja, das sah ich.
»Schön. Vielen Dank dafür«, antwortete ich. Hatte ich mir nicht gerade vorgenommen, mir mehr Mühe zu geben?
»Hey, sollen wir etwas zu essen bestellen und dann einen Film gucken?«, fragte ich sie und nahm mir eine Flasche stilles Wasser aus dem Kühlschrank. Adieu Bier. Adieu Leben.
»Ich wollte Gemüsepfanne machen«, sagte Kelly und drehte sich halb zu mir um.
Ich ließ mir nicht anmerken, dass ein gemütlicher Abend mit fettiger Pizza und Bier auch mal echt schön gewesen wäre. »Aber klar, das klingt fabelhaft!«, stimmte ich stattdessen zu und nahm einen langen Schluck aus der Flasche. Gott war ich ein erbärmlicher Kerl.
»Ich sage dir Bescheid, wenn es fertig ist, ja?«
Offensichtlicher hätte sie es nicht mehr sagen können, dass ich verschwinden sollte. »Okay.«
Nachdem ich wieder auf dem Sofa war, griff ich nach meinem Smartphone, rief Facebook auf und stalkte Hannah auf ihrem Profil. Zwar konnte ich nur ein Foto von ihr sehen, aber das lud ich mir herunter, speicherte es in einem Ordner auf dem Handy, den ich anschließend sofort zu den unsichtbaren hinzufügte – wie gut, dass es heutzutage diese Funktion gab – und versuchte mich auf das Baseballspiel bei meinem Lieblingssportsender zu konzentrieren.
Scott schickte mir eine Nachricht. ›Lust auf nen Männerabend?‹
›Scheiße ja. Aber ich kann nicht weg!‹, antwortete ich ihm zügig.
›Wer hat dich bei den Eiern? Kelly oder Hannah?‹
Mit einem schnellen Seitenblick zur Küchentüre tippte ich meine Antwort.
›Leck mich, Morrison.‹
›Autsch, du brichst mein Herz, du kleiner Pussyheld!‹
›Fick Dich!‹
›Du bist nicht gut drauf, was?‹
›Wärst du das in meiner Situation?‹
›Welcher? Die, in der ich Kelly heiraten muss, oder die, in der ich Hannah bumse?‹
›Kannst du aufhören, so über sie zu reden?‹ Er machte mich sauer, denn er sollte nicht auf diese Art über Hannah sprechen.
›Und noch mal: Kelly oder Hannah? Über wen genau soll ich nicht so reden?‹
Minutenlang starrte ich mein Telefon an. Verdammte Scheiße, die Sache musste definitiv aufhören. Aber so was von hundert Prozent. Durch ein paar doofe Nachrichten meines besten Freundes war mir in wenigen Sekunden klar geworden, dass es mir egal war, was jemand über Kelly sagte oder wie sie aussah oder wie es ihr ging. Alles – wirklich alles –, was für mich zählte, war Hannah. Aus vielen Gründen war das total falsch. Und der gewichtigste war der, dass Kelly meine Ehefrau werden würde und nicht Hannah.
»Scheiße, reiß dich zusammen, du Muschi!«, flüsterte ich mir selbst zu. Die Geschichte mit der verdammten Hochzeitsplanerin musste aufhören, und zwar schnellstens.
Wenn ich wollte, dass das mit Kelly funktionierte – und ich wäre ein Wichser, wenn ich das nicht gewollt hätte –, dann musste ich mich anstrengen. Die Finger von Hannah lassen und Kelly mehr Aufmerksamkeit schenken.
Egal, wie gern ich sie mochte, wie sehr ich sie wollte oder was sie auch immer in mir auslöste, es musste ein Ende haben.
»Adam?«, rief Kelly aus der Küche und ich kniff mir mit Daumen und Zeigefinger in den Nasenrücken. Die Entscheidung vertagte ich auf später. Jetzt hieß es erst einmal, schauspielern und versuchen nicht auszuflippen.
Nachdem die ersten Minuten schweigend verlaufen waren und ich mich wirklich fragte, wieso ich nicht einfach Pizza bestellt hatte, als mir danach war, ergriff Kelly das Wort.
»Ich war heute im Brautmodengeschäft.«
Nein, bitte. Bitte erzähle mir nichts von Hannah. Teufel noch mal, wer wollte mich hier so leiden s
ehen? Wer? Und wieso hatte er nicht die Eier, selbst zu mir zu kommen?
»Und? War es schön?«, fragte ich vorsichtig nach. Auch wenn ich nicht wollte, dass sie Hannah erwähnte, musste ich doch jedes winzige Detail erfahren, das ich nur kriegen konnte.
»Es war okay.«
Okay? Okay sollte eine zukünftige Braut nicht sagen, wenn es darum ging, dass sie ihr Brautkleid hatte aussuchen dürfen, oder?
»Okay?«
»Ja. Ich wünschte, du wärst dabei gewesen.«
»Ich darf dein Kleid aber doch gar nicht sehen.« Von dieser Tradition hatte sogar ich gehört.
»Ich weiß, aber ich kann mich einfach nicht entscheiden.«
Ich hob eine Braue und kaute auf einer gummiartigen Substanz die – so glaubte ich – Tofu war. Verdammt hätte mich Scott so sehen können, er hätte mich ausgelacht.
»Dafür ... hast du doch, Hannah?« Was ihr wohl gefallen hatte?, fragte ich mich insgeheim, wagte es aber nicht, die Frage laut zu stellen.
»Ja, sie ist auch absolut fantastisch und zauberhaft, aber ich möchte ja dir gefallen!« Natürlich wollte sie das, weil Kelly alles für mich getan hätte. Alles. Nur war alles immer richtig? Und gut? Alter, seit wann bin ich eigentlich so eine beschissene Pussy?
»Hast du denn etwas gekauft?«, fragte ich, und ja, selbstverständlich bemerkte ich, dass ich nichts in die Richtung sagte, dass sie mir immer gefiele, egal was sie trug. Ich konnte einfach nicht.
»Ja, das Kleid, das Hannah für mich ausgesucht hat.« Ungerührt, als wäre es das Normalste der Welt, aß sie von der grünen Paprika. Ernsthaft, wer mochte grüne Paprika? Die roten waren die Besten, aber die grünen?
»Unsere Hochzeitsplanerin hat dein Kleid ausgesucht?«, vergewisserte ich mich und versuchte nicht einmal, mein Entsetzen zu verbergen.
»Ja, ich finde, sie hat einen exzellenten Geschmack.«
»Ich wusste ja gar nicht, dass du Hannah so ... toll findest.«
»Oh doch, das tue ich«, sagte sie und auf einmal strahlte sie über das ganze Gesicht. »Ich kenne niemanden, der so geschmackvoll mit Farben umgeht.«
»Aha«, erwiderte ich mürrisch. Musste jetzt meine Verlobte, die ich mit unserer Hochzeitsplanerin betrogen hatte, diese auch noch in den Adelsstand heben? Ich nahm einen großen Schluck Wasser und spülte das Tofu-Zeug hinunter.
»Außerdem ist sie wahnsinnig gut erzogen, überall beliebt und ausgesucht höflich. Findest du nicht?«
Doch, das sah ich genauso, aber dass Kelly sie jetzt so ... ich schnaubte: »Wieso beweihräucherst du sie so? Was war heute los?«, fragte ich energischer nach.
»Nichts, ich finde einfach nur, dass sie eine faszinierende Frau ist.« Ungerührt aß sie weiter. Ausnahmsweise schien sie nichts von meiner Stimmung zu bemerken.
»So, findest du das?«
»Unfassbar, dass sie noch Single ist, oder?«
»Ja, unglaublich!«, knurrte ich und legte mein Besteck zur Seite. Ernsthaft jetzt? Das konnte Kelly doch nicht wirklich so meinen!
»Vielleicht sollte ich sie einem meiner Kollegen vorstellen. Michael sucht schon ewig nach einer Freundin«, sinnierte sie weiter und tat mir Salat auf, obwohl ich wirklich keinen Hunger mehr hatte und schon gar keinen Salat wollte. Lieber einen saftigen Burger oder eine Pizza und Bier. Und Scott, der nicht so eine gequirlte Scheiße laberte wie Kelly gerade. Herrgott noch mal, was zur verdammten Hölle war hier los?
»Ich halte das für keine gute Idee!«
Kelly sah auf. »Wieso? Hannah ist nett.«
Nett? Hannah war vieles, aber nicht nett, sie war absolut fabelhaft, fantastisch, unglaublich, mit Abstand die heißeste, sexieste und beeindruckendste Frau, die ich kannte. »Du kennst sie doch kaum«, setzte ich entgegen.
Unsicher sah sie mich an. Wie konnte es sein, dass Hannahs Blick immer so voller Leben war und bei Kelly ...!
»Du hast recht!«, murmelte sie schließlich.
Nun fühlte ich mich wie der letzte Arsch auf Erden.
Was war hier los? War Kelly schon immer so extrem unsicher gewesen? War sie schon immer so auf andere fixiert gewesen? Und wieso zur beschissenen Hölle lobte sie Hannah dauernd so in den Himmel? Wie toll ihr Geschmack sei. Wie ausgesucht ihr Stil. Wie wunderbar ihr Gefühl für Farben.
»Kelly?«, fragte ich plötzlich und wusste selbst nicht, woher das kam. »Möchtest du diese Hochzeit?«
Die Stille, die den Raum durchschnitt, war so ohrenbetäubend laut, dass es schmerzte. Mein eigener Herzschlag hallte in meinen Ohren wider, und ich unterdrückte mühsam ein Seufzen. Reiß dich zusammen, Moore!, tönte ich in meinem Kopf und ließ jedoch den Blick von meiner Verlobten nicht los.
Es schienen Minuten zu vergehen, ehe sie nickte, mich fest ansah und einfach nur »Ja!« sagte. Sie fragte nicht, weshalb das so plötzlich völlig aus dem Zusammenhang gerissen herausgekommen war, aber sie wusste wohl, dass ich es hören musste.
Kelly wollte diese Hochzeit. Sie wollte das wirklich, wegen mir. Weil sie mich liebte und mich wollte, also sollte ich doch endlich meinen Mann stehen, Hannah sausen lassen und akzeptieren, wie die Dinge lagen, nicht wahr? Ich sollte endlich damit aufhören ein Arschloch zu sein und Kelly mit etwas wehzutun, das sie nicht verdient hatte.
Es gab nur eine Möglichkeit das alles zu kontrollieren und abzuschließen. Ich musste Hannah Stone streichen. Vollkommen.
Ohne Widerspruch.
Unwiderruflich.
Und vor allem, augenblicklich.
Kapitel 26
Adam
Emotional erschöpft ließ ich mich in den Sand fallen. Nach dem ehrlichen Geständnis von Kelly, und als die Worte durch meinen grauen Schleier gesickert waren, war mir klar gewesen, dass ich mich für die eine oder andere Richtung entscheiden musste, dass ich zeigen musste, was jetzt wirklich an erster Stelle kam. Bewusst vermied ich den Gedanken daran, dass ich das tun wollte, was mir wichtig war, denn wichtig war mir Hannah. Wichtig war mir die gemeinsame Zeit mit ihr und die Tatsache, dass ich nie wieder ohne sie sein wollte.
Und doch ... saß ich jetzt hier, mit den Nerven und den Gedanken am Ende. Ich wusste nicht mehr, was noch richtig war und was nicht. Die leichte Brise, die über das Wasser und den Strand hinweg wehte, erinnerte mich an meine Verlobte.
So war sie, genau das, ein Lüftchen, eine sanfte Beständigkeit, immer das bisschen Wind, das wir auch hier in Malibu hatten, und das erforderlich war, um nicht in der glühenden Hitze am Meer zu vergehen. Sie war der minimale Hauch an Kühle, den man brauchte. Das kleine bisschen, das nötig war, damit man es am Strand aushielt und blieb, aber nicht die sengende Sonne verfluchte. Heute war es für Malibu kühl. Natürlich war es warm und sonnig, aber diese trockene Hitze, die wir hier normalerweise zu verzeichnen hatten, war heute nicht gegeben.
So war es mit Kelly.
Kelly war Beständigkeit.
Kelly war konstant.
Sie war nicht wirklich aufregend, auch nicht die Dinge, die sie sagte oder tat, aber sie war da ... sanft, ruhig im Hintergrund. Die Frage war doch die, ob ich wirklich wollte, dass mich eine absolute Naturgewalt wie Hannah umriss oder mich eine sanfte Brise des Windes mit sich nahm. Vor meinen Augen formte sich ein Bild. Es war wirklich komisch, aber momentan dachte ich in Bildern, dann war es leichter, dieses verdammte Gefühlschaos in mir – und es war definitiv keine Pussy-Panik – zu sortieren, es auseinanderzusetzen und mir darüber klar zu werden, was das Beste für mich war. Leider war das Beste nicht immer das, was man auch wollte.
Kelly war dieses sanfte Wellenschaukeln, dieses Ruhige, Monotone. Der kleine Lufthauch. Alles, was sie tat, tat sie auf diese entspannte Art. Es war total egal, weil sie einfach nur ... stumm und still alles hinnahm und akzeptierte. Kelly war fantastisch, aber wenn man ehrlich war auch langweilig. Ich hätte ihr das niemals ins Gesicht gesagt, aber das war es, was sie verkörperte. Sie war Ruhe und Frieden und ansonsten nichts. Die untergehende Sonne wärmte mein Gesicht, doch von der Hitze, der eigentlichen Hitze, die Malibu und alles, was ich liebte, ausmachte, war nichts zu spüren. Sie war einfach nicht da. Mein Blick wanderte über das Wasser. Diese sagenhafte Gewalt, die heute vollkommen
ruhig vor mir lag. Das laue Lüftchen bewirkte, dass die Wellen lediglich an den Strand gespült wurden, sich aber nicht brachen, weder an den Felsen noch auf dem Wasser. Es war frustrierend, sogar ein wenig deprimierend. Aber mir blieb wohl nichts anderes übrig, als diese Dinge hinzunehmen.
Wenn ich mich an die Nacht des Unfalls zurückerinnerte, dann hatte mich diese unfassbare Naturgewalt, die mich jetzt in Form von Hannah so anzog, fast umgebracht. Und sie war einfach mit Hannah gleichzusetzen. Es war doch so, sollte man sich nicht lieber den Dingen widmen, von denen man wusste, dass sie einen nicht komplett und vollkommen zerstörten? Sollte man nicht lieber auf Nummer sicher gehen? Sich auf die Dinge konzentrieren, die es wert waren? Sollte man nicht lieber ein laues Lüftchen genießen, statt sich diesem Irrsinn einer verdammten Naturgewalt hinzugeben, wie Hannah es war? Hannah peitschte das Meer auf, ließ zu, dass sich die Wellen nicht nur brachen, sondern sie so aufbrausen ließ, dass sie sich an jedem Felsen so spalteten, und in die Höhe schossen, dass es fast unmöglich war, nicht komplett nass zu werden oder unterzugehen. Aber wirkten die Wellen nicht auch immer höher und halsbrecherischer? War es nicht genau das, was ich wollte? Ließ nicht genau ein solches Phänomen das Herz eines Surfers aufgehen?
Malibu war seit Kindertagen meine Heimat, und das Meer war immer mein Zufluchtsort gewesen. Die Hitze gehörte zu mir, wie der menschliche Körper Schlaf brauchte, und ohne den Wind und die Wellen konnte ich es mir nicht vorstellen.
Hannah hatte mir damals gesagt, dass es im Leben keine Sicherheiten gäbe. Aber ich wollte Sicherheiten, ich brauchte sie. Ich mochte nichts Unvorhersehbares, denn das würde mich auf Dauer umbringen, es würde mich zerstören. Durch meine halsbrecherische Karriere damals – über meine Jugend wollte ich gar nicht nachdenken – war ich hinreichend Gefahren ausgesetzt gewesen. Irgendwann war es einfach genug. Inzwischen war ich erwachsen und der richtige Zeitpunkt für Ruhe und Frieden gekommen ... all das hatte ich bei Kelly. Sie verkörperte diese Dinge.