Hannah (Malibus Gentlemen 1) (German Edition)
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Um so unbegreiflicher war für mich, dass ich ständig an den Orkan dachte, hatte ich doch nun das, von dem ich meinte, es zu wollen. Dass ich mich nach dem Hurrikane sehnte, der das Meer aufpeitscht und die Wellen immer höher und schneller an den Strand rollen ließ. Dass ich in der frischen Gischt einer mächtigen, von einem Felsen gebrochenen Welle stehen wollte. Überall, wo sich diese Gewalt einen Weg bahnte, war nichts mehr so, wie es die Sekunde zuvor gewesen war. Nichts war mehr so, wie es sein sollte.
Eine Gänsehaut zog sich über meine Arme, als ich erneut an den Unfall zurückdachte. Daran wie waghalsig mein Verhalten damals gewesen war. Fast mit einem Selbstmord gleichzusetzen.
»Nein!«, flüsterte ich und stützte die Arme auf meine locker angewinkelten Knie ab. »Nein.«
Die plötzliche Erkenntnis ließ mich zusammenzucken. Ich wollte das nicht mehr. Ich konnte das nicht mehr. Es war wichtiger zu wissen, was morgen war, in ein paar Tagen oder einem Jahr, als sich mit irrsinnigem Tempo in einem Sturm wiederzufinden. Das ewige Vornüber-von-einer-Klippe-stürzen und zu ertrinken, die Jagd nach dem nächsten Abenteuer, das war vorbei. Ich brauchte Ruhe und Beständigkeit in meinem Leben.
Der sanfte Wind war besser für mich.
Besser, als dieser unberechenbare Hurrikane namens Hannah.
Nein, für mich gab es keine Hannah Stone, das war nicht richtig. Ich war dem Tod schon einmal von der Schippe gesprungen und hatte mir damals geschworen, dass sich Adam Moore keiner verdammten Naturgewalt mehr aussetzen würde.
Adam Moore brauchte das Lüftchen, die sanften Wellen.
Adam Moore – ob er wollte oder nicht, ob sein Herz dabei blutete oder nicht – brauchte Kelly.
Das war besser für ihn.
Kapitel 27
Hannah
Seit neun ganzen Tagen hatte ich nichts mehr von Adam Moore gehört.
Wenn er auf die E-Mails betreffend seine Hochzeit antwortete, die ich ja nach wie vor plante, dann sehr professionell. Eigentlich so, wie es von Anfang an hätte sein sollen. Als würde es niemand anderen für ihn geben, als seine geliebte Kelly. Als die Augen seiner Verlobten. Als ... nun, ich sollte das in meinem Kopf nicht weiter ausführen, denn es würde mich nur traurig und noch mehr kaputtmachen. Ich sollte das einfach so stehen lassen.
Tief seufzend griff ich nach meiner Kaffeetasse und nahm einen Schluck des mittlerweile kalten Getränks. Das Koffein half mir auch nicht mehr, den ständigen Schlafmangel, an dem ich seit Tagen litt, zu kompensieren. Mittlerweile hatte ich fast ein wenig Angst in mein Bett zu gehen, das Licht zu löschen und die Augen zu schließen. Denn immer wieder zogen die erlebten Szenen mit Adam an meinem inneren Auge vorbei. Als wäre es eine verdammte Schallplatte, die einen Hänger hat und immer wieder ein und dieselbe Songzeile abspielt. Ein Stückchen weit war es sogar fast erbärmlich, was ich hier veranstaltete. Und dennoch konnte ich nicht aus meiner Haut. Eine erwachsene Frau gefangen in der verdammten Spirale des Liebeskummers. Nicht fähig rational zu denken oder rational zu agieren. Genervt, weil ich mich gerade so verhielt, trank ich den Kaffee ganz aus und knallte die Tasse anschließend auf den Tisch. Ehrlich gesagt war es mir ziemlich egal, wie Melissa und Scott über mich dachten. Auch Adams Meinung war mir egal, aber ich wusste mir einfach nicht mehr zu helfen. Die Tatsache, dass er mir nicht antwortete, also nicht so antwortete, dass ich – dieses Frauending – auch nur einen Funken Zuneigung herauslesen konnte, tat mir weh. Eigentlich war es sogar der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Immerhin war es so, dass es keinen Sinn ergab, noch weiter über eine Zukunft mit ihm nachzudenken, wenn er mich gleichzeitig seine Hochzeit mit einer anderen ungehindert planen ließ. Frauen waren in diesem Punkt einfach gestrickt. Hätte er mir weiterhin kleine Fetzen seiner Zuneigung und Vernarrtheit zugeworfen, hätte ich sie aufgesammelt, an mein Verräterherz gedrückt und so weitergemacht wie bisher. Da all das aber mittlerweile ausblieb, begann ich zu zweifeln und alles so sehr infrage zu stellen, bis ich mir sicher war: Wenn er mich bis zum Ende planen ließe, würde nicht er derjenige sein, der diese Affäre beendete. So sehr ich ihn wollte, so sehr ich mich nach ihm sehnte, es brachte einfach nichts, weiterhin zu hoffen.
Als ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte, vermittelte diese besondere Stimmung in der Nacht, in welcher wir unter dem Pier gewesen waren, schon so etwas wie einen Abschied. Die sanfte Melancholie des Augenblicks war in jedem Moment, den wir in Zweisamkeit verbracht hatten, über uns hinweg gezogen. So wie sich Nebel über ein Feld im Morgentau legt. Denn auch wenn tagsüber die Sonne strahlt und der Morgentau verschwindet, dann wird er sich doch am darauffolgenden Tag wieder über alle Gräser und Wiesen legen. Weder Adam noch ich hatten es ausgesprochen. Nicht ernsthaft, nicht so, als würde es wirklich ein Ende haben müssen, und dennoch war ich nicht umhingekommen, kurz den Schmerz in meinem Herzen zuzulassen.
Jedem Menschen ist das Gefühl bekannt, welches durch einen hindurchzieht, wenn man bemerkt, dass Dinge sich dem Ende zuneigten. Wenn einem bewusst wird, dass es allmählich vorübergeht. Wenn man spürt, wie etwas einen Abschluss findet. Unaufhaltsam. Unwiderruflich.
Die viele Zeit, die man damit verbringt, diese – nennen wir es Sache – zu analysieren, die Stunden, die es sich hinzieht, bis man sich eingesteht, dass ein klärendes Gespräch alles ist, was fehlt, um diese Sache abzuschließen, das sind die schlimmsten Zeiten, die man im Stadium einer Liebschaft hat. Aber irgendwann kann man Situationen einfach nicht mehr rechtfertigen. Nicht vor anderen und nicht vor sich selbst. Irgendwann muss man das Gift durch sich hindurchströmen lassen und damit aufhören, sich dem Ganzen zu verschließen.
Mein Smartphone glitt immer wieder durch meine Finger. Von einer Hand in die andere. Nach links. Nach rechts. Und wieder zurück. Es war das eine, sich darüber im Klaren zu sein, was besser wäre, aber etwas anderes es auch durchzusetzen und Wirklichkeit werden zu lassen.
Der Grund, weshalb ich mir sicher war, die Sache zwischen Adam und mir endgültig zu beenden, war die Aussage des Schneiders gewesen, als dieser gesagt hatte: »Ihre zukünftige Frau.«
Der Vorschlaghammer, der mir bei diesen Worten über den Kopf gezogen wurde, war so unsagbar wuchtig, dass der mich augenblicklich überkommende Schwindel eine willkommene Abwechslung zum tosenden Schmerz gewesen war. Und dennoch war ich in diesem Moment sitzen geblieben, hatte die Sache zu Ende gebracht, auch wenn ich mir sicher war, dass Adam es ebenfalls gefühlt hatte. Dass er ebenso gespürt hatte, wie sich die Schlinge um unsere Herzen immer enger zog.
Nein, es war an der Zeit die Affäre – denn mehr war es nicht – zu beenden.
›Können wir reden?‹, schrieb ich also an Adam und spielte wieder mit meinem Telefon in der Hand. Was, wenn er auch das ignorieren würde? Was, wenn er anderer Meinung war? Was, wenn ich ihn nicht gehen lassen konnte, sobald ich ihn sah und er in Reichweite war?
›Ja. Sollten wir dringend. Heute Nacht in der Bucht.‹ Den Schmerz, den seine Worte in mir noch verstärkten, ignorierte ich vollkommen und zwang mich tief durchzuatmen. Das war genau das, was ich wollte, der erste Schritt in Richtung Ziel und damit das einzig Richtige. Nach einem schnellen Blick auf die Uhr rechnete ich aus, dass mir noch dreizehn Stunden blieben, um die perfekten Worte für einen Abschied von Adam Moore vorzubereiten. Dreizehn Stunden, die mir noch blieben, um die Hochzeit komplett zu Ende zu planen, damit es einen wahren Abschluss überhaupt geben konnte.
Ein Abschluss, der mir das Herz brechen würde.
***
Es war fünf Uhr morgens, als ich den Strandabschnitt in Topanga Beach betrat. Das Besondere, das dieser Teil Amerikas vermittelte, war immer gegeben, aber heute war es nochmals verstärkt. Die Wahrheit dessen, was zwischen Adam und mir schwang, lag deutlich in der Luft. Der Wind trug es sanft über die Wellen in die Welt hinaus.
Nach der vergangenen Nacht, in welcher ich mich schlaflos von einer Seite auf die andere gewälzt hatte, hatte ich geweint. Ich hatte mir die Zeit genommen und versucht, mich ordentlich auszuweinen. Sobald die Sache mit Adam beendet war – obwohl sie genau genommen nie wirklich begonnen hatte – würde ich mir 24 Stunden Zeit nehmen, mich in mein B
ett verkriechen und trauern. Danach würde mein Leben weitergehen. Betrachtete man die Angelegenheit nüchtern, dann stand es mir nicht zu, überhaupt um den Verlust einer Liebe zu trauern, weil sie nie stattgefunden hatte.
Als ich über die Düne lief, sah ich Adam unten am Strand stehen und aufs Wasser blicken. Seine Silhouette war deutlich auszumachen, und ich nahm seinen Anblick leicht lächelnd in mich auf. Brannte mir das Bild in meine Netzhaut und schwor mir, es nie wieder zu vergessen. Im Grunde geißelte ich mich selbst, aber das war okay, ... es war wirklich in Ordnung, solange ich das Kommende erhobenen Hauptes durchstehen und die Kraft aufbringen würde, ihn wirklich ziehen zu lassen. Ihn freizugeben.
»Ich dachte schon, du kommst nicht ...«, sagte er ruhig, als ich mich ihm näherte. Dann drehte er sich halb zu mir um, den Kopf erhoben und die Haare zerzauster als normalerweise. Ein fester, entschlossener Ausdruck haftete auf seinem Gesicht. Die Hände hatte er tief in die Taschen seiner langen Hose gegraben und das Hemd war knittrig, aber schmälerte dadurch nicht die perfekte Passform und die Betonung seines Oberkörpers. Die Ärmel waren bis über die Ellbogen aufgekrempelt, die obersten zwei Knöpfe geöffnet und die Krawatte hing locker um den Hals. Auch wenn seine Augen im Schatten lagen und die aufgehende Sonne noch nicht genügend Tageslicht spendete, sah ich ihm deutlich an, dass er in der vergangenen Nacht weder geschlafen noch – vermutlich – zuhause gewesen war.
»Ich habe um dieses Gespräch gebeten, also warum sollte ich nicht kommen?«, fragte ich, um Zeit zu schinden.
Nun sah Adam mir in die Augen, tastete sich mit seinem Blick über mein Gesicht, und ich schluckte schwer. ›Nicht einknicken‹, rief der Engel auf meiner Schulter und selbst der Teufel schien den Ernst der Lage zu erkennen und war still.
Wir standen uns wie zwei Teenager gegenüber. Unbeholfen und darum bemüht, das Unvermeidliche vor uns herzuschieben. Aber das ging nicht. Es musste sein. Es hatte einfach keinen Sinn, sich selbst noch mehr, öfter und stärker das Messer in die Brust zu rammen.
»Also, bringen wir es hinter uns, oder?«, sagte er und sah mich dabei so traurig an, dass ich Tränen in meinen Augen aufsteigen spürte. Gott, ich konnte das nicht. Und ich wollte es auch nicht.
Ich schluckte schwer und räusperte mich. Meine Finger krampften sich neben meinem Körper zu Fäusten, und ich kniff so fest zu, dass meine Nägel sich in die Haut bohrten. Der körperliche Schmerz half mir, dem seelischen standzuhalten.
»Das zwischen uns muss aufhören!«, platzte ich zittrig heraus. Tausend Anfänge für dieses Gespräch hatte ich mir zurechtgelegt, keinen hatte ich letztendlich gewählt.
Adam nickte traurig. »Ich weiß.«
Diese zwei zustimmenden Worte, die Wirklichkeit werden ließen, was ich seit Tagen in meinem Kopf herumjongliert hatte, brachten den Schmerz zum Überlaufen.
Unbeholfen atmete ich tief durch. Ein Windhauch traf uns und sein – egal ob er frisch geduscht war oder nicht – unvergleichlicher Duft waberte über mich hinweg. Die von Vorahnung geschwängerte Luft mit den wenigen Möwen, die weit draußen auf dem Ozean ihre Kreise zogen, nahm mich gefangen.
»Dann ...«, begann ich, aber er unterbrach mich.
»Ich möchte, dass du es aussprichst.« Seine Stimme klang monoton. Die Lider senkte er nun und sah nach unten.
Er wollte mich so quälen? Wollte er mich so sehr geißeln? Wollte mir ... noch mehr wehtun, als er es sowieso schon tat?
»Hannah. Sag es!«, wiederholte er nochmals. »Du willst, dass es vorbei ist, also sprich es aus!«
»Willst du das etwa nicht? Du weißt so gut wie ich, dass das die einzig vernünftige Lösung ist!«, flüsterte ich verzweifelt, den Blick nun ebenfalls starr auf meine Füße gerichtet. Die frische, leicht salzige Luft, die man nur am Meer riechen kann, kroch in meine Nase. Ich fröstelte, obwohl es nicht kalt war.
»Du möchtest, dass das, was wir haben, vorbei ist, also wirst du es aussprechen müssen!« Seine Stimme klang gebrochen, fertig. So als hätte er resigniert.
»Adam«, begann ich mit fester Stimme, nachdem ich noch einmal allen Mut zusammengerafft hatte. »Das zwischen uns hat keinen Sinn. Ich ... kann das nicht mehr. Ich weiß, ich hätte mich nicht ... ich bin in dich verliebt. Ich kann an nichts anderes denken. Tag und Nacht, und dabei plane ich deine Hochzeit.« Die Verzweiflung riss mich aus meiner Versteinerung und ich gestikulierte wild in der Luft herum. Adams Haltung blieb starr, nur dass sein Blick zu mir ruckte. Er sah mir direkt ins Gesicht, und sein Ausdruck wurde weich. »Es macht mich wahnsinnig. Tut mir weh und doch kann ich nicht genug davon kriegen, dass ich mit dir zusammen bin. Ich habe diese Woche das Hochzeitskleid mit deiner Verlobten ausgesucht!«, sagte ich hoffnungslos und wurde immer lauter. Gut, dass uns hier niemand hören konnte. Und sehen, wie wir uns im Sonnenaufgang gegenüberstanden. Zerrissen. Nacheinander verzehrend. »Ich habe bei diesem Hochzeitsliedscheiß mitgemacht, obwohl ICH diejenige sein will, die das Lied aussucht!« Ein angedeutetes Lächeln zog sich über seinen Mund. »Ich will nicht immer nur die sein, die Tipps gibt, wie man heiratet, was man anzieht, wie es aufgebaut sein wird oder welchen beschissenen Song man nimmt. Ich will die sein, die es betrifft, verstehst du?« Er nickte leicht, ging einen Schritt auf mich zu, doch ich wich zwei zurück und hob abwehrend die Hände. »Nein. Nein, komm mir nicht zu nahe, ich muss dir das sagen, ansonsten hab ich das Gefühl zu platzen. Ich raste aus. Ich bin nicht mehr ich. Ich bin nicht mehr echt und ich habe das Gefühl, je länger und tiefer ich in deine Hochzeit hineinschlittere und dabei nicht die Braut bin, desto mieser geht es mir. Ich ... Herrgott, ich hasse deine Verlobte und ich hab noch nie einen Menschen gehasst, verstehst du? Ich will ihr die Augen auskratzen und ihr ...« Meine Stimme brach. »Ich will nicht, dass sie dich hat, verstehst du? Ich will diejenige an deiner Seite sein.« Ich konnte nicht verhindern, dass die Tränen überliefen. Sie strömten über meine Wangen, zogen nasse Spuren, sammelten sich an meinem Kinn und tropften auf den Boden. Es war mir egal.
»Hey ...«, murmelte er, und ehe ich überhaupt durch meinen Tränenschleier hindurch wahrnahm, was hier gerade passierte, zog er mich an seine Brust. »Oh Baby ...«
Er hielt mich so fest in den Armen, dass mir nichts anderes blieb als meine Wange an seine Brust zu legen. »Lass das, tu das nicht. Bitte!«, wisperte ich tränenerstickt. Egal wie fest ich mir vorgenommen hatte, nicht zu weinen, es war offenbar einen Scheiß wert gewesen.
»Ich kann das nicht mehr, Adam, wie soll das weitergehen? Soll ich auf deiner Hochzeit stehen und zusehen? Soll ich meine Klappe halten, wenn ich eigentlich schreien will, dass du mich anstatt ihrer nehmen sollst?« Diese ehrlichen Worte hätten meinen Mund gar nicht verlassen sollen, aber Gesagtes war gesagt. »Ich bin in dich verliebt, Adam, verstehst du, was das bedeutet? Ich bin in den Bräutigam verliebt, das ist ... so falsch!« Adam hielt mich mit einer Hand fest und legte die andere an meinen Hinterkopf. Er murmelte immer wieder beruhigende Worte und streichelte mein Haar. Dabei sog er tief meinen Duft ein und ich schob ihn leicht von mir. »Siehst du? Das kannst du nicht machen! Du kannst nicht an mir riechen, wenn du doch eine andere heiraten wirst. Das geht nicht mehr. Ich kann das nicht mehr!« Energisch trat ich einen Schritt zurück und brachte damit Abstand zwischen uns. »Lass mich, Adam, ich bin nicht dein Spielzeug. Du willst Kelly? Dann wirst du mich nicht haben können, okay? Ein für alle Mal, das zwischen uns, das ist vorbei!« Ich sah ihm bei diesen Worten fest in die Augen. Er war sich nicht bewusst darüber, welch große Macht er eigentlich über mich hatte. Aber ich musste das alles aussprechen, andernfalls würde es für immer in meinem Herzen bleiben und nicht real werden.
»Baby.«
»Nein! Nenn mich nicht Baby. Bitte! Verstehst du nicht, was ich dir sage?« Unsere Blicke duellierten sich. Hakten sich ineinander, und jede noch so kleine Berührung, die wir jemals geteilt hatten, zog wieder durch meinen Kopf. Pulsierte in meinen Adern und brach mein Herz in Milliarden kleiner Stücke.
»Okay ...«, murmelte er schließlich gebrochen. »Nur eine Sache noch ...«
Tränen liefen weiterhin über meine Wangen. Abgesehen von dem Schmerz darüber, dass es kein Adam und Ha
nnah mehr gab, fühlte ich nichts. Absolut nichts.
»Tanz mit mir, Hannah!« Meiner Kehle entwich ein Schluchzen. »Nur noch dieses eine Mal. Tanz mit mir!« Seine leise Stimme legte sich wie ein Mantel um mich. Wäre es so falsch? Wäre es so schlimm, noch einmal mit ihm zu tanzen? Als Abschied. Hier und jetzt? Vielleicht würde ich dann irgendwann, in weiter Ferne, an diese Situation denken und sogar lächeln?
»Du hast mich einmal gefragt, welches Lied ich für uns auswählen würde, erinnerst du dich?« Leicht nickte ich, ließ zu, dass er mir sanft den Stöpsel seines Kopfhörers in mein Ohr streckte. »Ich habe das perfekte Lied für dich und mich.«
Er drückte den Play-Button auf seinem Handy und die vertrauten Töne von › I Love You ’Till The End‹ von The Pogues strömten in mein Ohr.
»Adam, bitte.«
»Nein, Hannah, du konntest mir alles sagen, was du mir sagen wolltest, jetzt gib mir auch die Chance, dass ich dir ... sagen kann, was ich dir noch sagen möchte, okay?« Seine Worte klangen so leise und verzweifelt, dass ich nicht weiter protestierte, sondern zuließ, wie er mich in den Arm nahm. Ich wehrte mich nicht dagegen, als er begann, uns sanft zu bewegen.
Mit einem Mal war mir klar, was er mir sagen wollte.
Er liebte mich auch, aber er wusste, dass es vernünftiger war, die Hochzeit stattfinden zu lassen. Mit einem Mal wurde mir klar, dass er Kelly nicht verlassen würde. Nicht wegen mir. Er würde das durchziehen, auch wenn er genauso empfand wie ich. Da mein Gesicht an der Mulde seines Halses war, wo die beiden Schlüsselbeine aufeinandertrafen, roch ich ihn besonders intensiv. Mein Herzschlag passte sich seinem an, und ich war mir seiner Arme, welche um mich geschlungen waren, überdeutlich bewusst. Es war ein Abschied. Er schenkte uns weitere drei, vier Minuten, in denen es ein Wir gab. Er zögerte es nicht hinaus, wollte mir nicht noch mehr wehtun, das erkannte ich jetzt. Es war seine Art mir zu sagen, dass er mich liebte.