Love is Bold – Du gibst mir Mut: Roman (Love-is-Reihe 2) (German Edition)
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»Die Kinder schlafen bei deinen Eltern«, sage ich. »Deswegen wollte ich noch mal herkommen.« Ich streiche ihr über die Wange. Sie ist ganz warm.
»Du alter Streber«, sagt sie und lacht leise. Es klingt immer noch wie sie. Unbeschwert und fröhlich. Und doch hat es sich verändert.
Vor allem hat sich meine Wahrnehmung verändert. Denn jetzt weiß ich, dass nur noch eine begrenzte Anzahl von ihrem Lachen übrig ist. Wenn ich darüber nachdenke, fühlt es sich an, als würde ich mir mein eigenes Herz aus der Brust reißen. Aber solange ich bei ihr bin, halte ich mich aufrecht. Versuche, sie nicht herunterzuziehen. Ich will ihr unbeschwerte Momente schenken. So viele, wie sie noch erleben kann. Ich brauche sie ebenso. Brauche sie, damit ich davon zehren kann, wenn das Unsagbare eintritt.
»Hast du was gegessen?«, frage ich mit einem Blick auf das Tablett, das vollkommen unberührt neben ihr steht.
Sie schüttelt den Kopf. »Schmeckt alles wie Pappe.«
»Aber du musst essen«, beharre ich. Sie darf nicht schwächer werden.
»Dann besorg mir was Anständiges«, sagt sie. Wie jedes Mal. Wenn ich ihr allerdings etwas vorbeibringe, riecht sie einmal daran, lächelt selig und lässt es doch wieder stehen.
»Worauf hast du Lust?«, frage ich. »Ich bringe dir alles, was du willst.«
Ihre Hand liegt unbeweglich in meiner. Mit dem Daumen fahre ich langsame Kreise auf ihrem Handrücken nach.
»Hmmmm.« Sie denkt nach. »Am liebsten will ich alles.« Ihr Lächeln wird noch müder, sofern das überhaupt noch möglich ist.
»Dann muss ich mit dem Laster kommen.«
»Perfekt.« Sie dreht sich auf die Seite und blickt mich an. Ganz sanft. Ganz verliebt. So wie sie mich immer angesehen hat. »Ich liebe dich«, sagt sie.
»Ich dich auch.«
»Ich weiß.«
»Du bist eingebildet.« Ich versuche mich an einem Scherz.
»Aus gutem Grund«, erwidert sie. »Denn ich bin ja auch ziemlich phänomenal.«
»Das bist du.«
»Aber …«
Ich habe Angst vor ihren Abers. In letzter Zeit gibt es viel zu viele davon. Ich weiß, du wünschst dir einen Ort, an dem du trauern kannst, aber ich will lieber, dass ihr mich verstreut. Oder Ich weiß, du hängst an dieser Matratze, aber bitte, bitte kauf dir eine neue. Du machst dir den Rücken kaputt. Oder Du kannst zusammenbrechen, aber für die Kinder musst du der Starke sein.
»Bitte kein Aber«, stöhne ich.
»Schhhhh«, macht sie und verwebt unsere Finger miteinander. »Lass mich das sagen.«
»Aber es ist nie gut, wenn deine Sätze mit ›aber‹ anfangen.«
»Nicht jeder Satz muss gut sein.«
Damit bin ich entwaffnet.
»Ich bin phänomenal, aber ich will, dass du irgendwann wieder glücklich bist.«
»Blythe!« Ich ertrage es nicht, wenn sie über das Danach spricht. Wenn sie über solche Sachen redet.
»Das ist wichtig, Jasper.«
»Ich will nicht …«
»Es geht aber nicht darum, was du willst. Ich bin diejenige, die hier stirbt. Und deswegen geht es darum, was ich will.«
Wieder kann ich dagegen nichts sagen und gebe mich geschlagen.
»Es wäre eine absolute Verschwendung, wenn du dich vor der Möglichkeit verschließen würdest. Dafür bist du zu toll. Also versprich mir bitte, dass du nicht allein bleibst.«
»Ich verspreche dir überhaupt nichts!«, sage ich auf einmal aufgebracht. »So was verspreche ich nicht. Ich will nicht mal daran denken. Du bist hier. Ich bin hier. Das ist alles, was zählt.«
»Nein, das stimmt nicht. Und das weißt du. Außerdem hat der Arzt gesagt, ich soll mich nicht aufregen. Also hör auf, mich aufzuregen.« Ihre Stimme ist ganz sanft.
»Entschuldige.«
»Ich möchte nur, dass du mir versprichst, dass du dich nicht davor verschließt, erneut zu lieben. Wenn du bereit bist. Wenn du es kannst. Du schuldest mir keine Treue.«
»Aber …«
»Du schuldest mir keine Treue. Ist das klar?«, sagt sie mit gespielter Strenge.
»Ist klar«, nuschle ich.
»Gut. Also versprichst du’s?«
»Dass ich mich nicht verschließe?«
»Ja.«
»Nein.«
»Jasper!«
»Du kannst mich nicht zwingen. Ich habe keine Lust darauf.«
»Versprichst du mir, dass du dich nicht verschließt, solltest du eines Tages Lust darauf haben?«
»Das wird nicht passieren, aber okay. Ja. Das verspreche ich.«
Sie grinst zufrieden. »Gut. Mehr wollte ich nicht.«
Es klopft an der Tür. Im nächsten Moment steckt Bonnie den Kopf ins Zimmer. In ihren kurzen Hotpants und den Flipflops sieht sie aus, als käme sie direkt vom Strand.
»Oh, sorry, ich wusste nicht, dass du noch …«
»Komm rein!«, sagt Blythe und strahlt. »The more, the merrier. «
»Was gab’s heute?«, fragt Bonnie und hebt den Plastikdeckel von Blythes Abendessen.
»Pappe mit Pappe«, erwidert Blythe.
»Meine liebste Kombination«, sagt Bonnie. »Und es sieht auch aus wie Pappe mit Pappe. Allerdings wie Pappe, die schon einmal gegessen wurde. Mmmmh!«
Blythe lacht. Und ich ebenfalls. Bonnie ist so gut darin, ihren Kummer vor der Tür zu lassen. In Blythes Zimmer ist sie stark. Lustig. Sie selbst. Aber auf den Fluren des Hospizes, bei Bandproben, außerhalb dieses Raums, merkt man auch ihr an, wie sehr sie das alles mitnimmt. Es zieht uns alle nach unten. Jeden Einzelnen von uns. Man sieht es sogar an der Körperhaltung. Wir gehen alle irgendwie geduckter durch die Welt. Manchmal halten wir uns, stützen wir uns, um einen kurzen Augenblick aufrechter zu sein. Doch die Wirkung ist nie von langer Dauer.
Ich beschließe, Blythe und Bonnie einen Moment zu zweit zu gönnen. »Mag noch jemand einen Tee?«, frage ich und stehe auf.
»Gern«, sagt Blythe, obwohl ich weiß, dass sie ihn stehen lassen wird. Sie will mir einfach nur einen Gefallen tun.
Vor der Tür merke ich, wie meine Schultern hinabsacken, meine Mundwinkel automatisch nach unten wandern. Wie mein Kopf und mein Herz schwer werden. Ein paar Sekunden lehne ich mich an die Wand neben Blythes Zimmertür und versuche mich irgendwie aufrecht zu halten.
15 – Bonnie
Vor vier Jahren
»Er fühlt sich besser, wenn er mir Tee mitbringen kann«, sagt Blythe lächelnd. »Auch wenn wir beide wissen, dass ich ihn nicht austrinke.«
»Du bist zu gut für diese Welt«, sage ich und kuschle mich wie jedes Mal, wenn ich Blythe besuche, neben sie aufs Bett.
»Wäre ich wirklich so gut, würde ich ein bisschen was von der Pappe essen. Stattdessen werde ich ihm morgen erzählen, dass ich ein paar Löffel hinuntergewürgt habe. Er wird wissen, dass das gelogen ist. Und dann nehme ich ihm im Gegenzug ein Versprechen ab, von dem wir beide wissen, dass er es halten wird, ob er will oder nicht.«
»Was für ein Versprechen?«, frage ich und lege vorsichtig meinen Arm über ihren inzwischen so dünnen, so zerbrechlichen Körper.
»Beziehungskram«, sagt Blythe, und ich frage nicht weiter.
Ein paar Minuten liegen wir einfach so da. Hören unserem Atem zu, meinem beinahe lautlosen, ihrem schweren, leicht rasselnden.
»Ich hab was für dich«, sagt sie nach einer Weile. »Was Kitschiges.«
Ich richte mich auf und sehe sie fragend an.
»In der Schublade.« Sie nickt zu ihrem Nachttisch, der genauso grau ist wie die gesamte Einrichtung. »Mach auf.«
Ich ziehe die Schublade auf und finde darin einen Briefumschlag, auf dem in Blythes feiner, ordentlicher Schrift mein Name steht.
»Du hast mir einen Brief geschrieben?«, frage ich. »Wie früher?« In der Schule schrieben wir uns Briefe, die wir während der Pausen in unsere Spinde warfen. Irgendwann hatten wir einen Block, den wir mit unseren Gedanken, Sehnsüchten und Ängsten füllten und hin und her tauschten.
»Ja, aber dieser ist ein bisschen anders«, sagt sie.
»Inwiefern?«
»Es ist ein Abschiedsbrief, und du darf
st ihn erst lesen, wenn ich … ähm … nicht mehr da bin.« Sie lächelt. Sie sagt solche Dinge und lächelt.
»Blythe …«
»Nein, bitte, fang du nicht auch noch an. Ich kann nicht die einzig Vernünftige hier sein.« Ihr Lächeln ist tiefer geworden. Verständnisvoller.
»Ich …«
»Hör zu, Bonnie. Es ist schon kaum zu ertragen, dass Jasper sich so vehement gegen den Gedanken wehrt, dass es demnächst mal vorbei sein wird. Bitte, tu du mir den Gefallen, und sei mit mir zusammen realistisch.«
Ich sehe sie einen Moment lang einfach nur an. Ihre fahle Haut, die dunkel umrandeten Augen, die viel zu groß für ihren Kopf wirken. Der Tropf mit den starken Schmerzmitteln neben ihr.
»Okay«, sage ich leise.
»Also, was hast du da?«, fragt sie.
»Deinen Abschiedsbrief«, flüstere ich.
»Und wann sollst du ihn lesen?«
Ich schlucke. »Wenn du nicht mehr da bist.«
»Versprichst du mir das?«
»Natürlich.«
»Dann steck ihn ein. Verlier ihn nicht. Lies ihn, wenn du bereit bist. Und jetzt sprechen wir über was anderes. Was Schönes. Erzähl mir was.«
Ich stütze mich auf den Ellenbogen, sodass ich sie ansehen kann. »Mom hat herausgefunden, dass Lula nicht als Bedienung arbeitet«, sage ich. »Bei uns ist seit gestern die Hölle los.«
»Oje«, sagt Blythe, kichert aber leise.
»Du kennst sie ja. Dass ihre Tochter halb nackt vor irgendwelchen besoffenen Touristen tanzt, ist für sie so ungefähr der größte Albtraum.«
»Hat sie aus der Bibel zitiert?«
»Mehrfach«, sage ich.
»Dann ist es wirklich schlimm.«
»Sie hat sogar mit Dad telefoniert. Das erste Mal seit – keine Ahnung – zehn Jahren?«
»Was sagt er?«
»Dass Lula tun soll, was sie glücklich macht. Daraufhin ist Mom nur noch wütender geworden. ›Er war damals ein Nichtsnutz, und heute ist er es im Quadrat‹, hat sie gebrüllt. ›Auf niemanden ist Verlass. Als Nächstes erzählst du mir, dass du dich einem Satanistenzirkel angeschlossen hast!‹ So ging es den ganzen Tag.«
Ich spüre, wie Blythes Körper neben mir vor Lachen bebt. »Ach, Annabella«, sagt sie.
»Ich werde demnächst mit Curtis mal in diesem Club vorbeischauen. Wahrscheinlich ist es gar nicht so schlimm, wie sie denkt. Aufreizend, ja. Aber es ist schließlich kein Stripclub.«
»Warum mit Curtis?«, fragt Blythe.
»Weil er mich ohnehin die ganze Zeit löchert, wo sie arbeitet.«
Jasper kommt mit zwei Plastikbechern zurück. Einen stellt er auf Blythes Nachttisch, den anderen behält er in der Hand. Er setzt sich zurück auf den Stuhl neben Blythes Bett. Ich bleibe neben ihr liegen.
»Ihr könntet Jasper mitnehmen«, sagt Blythe leise lachend.
»Wohin?«, fragt er.
»In den Nachtclub, in dem Lula tanzt«, sagt sie.
Er stöhnt und verdreht die Augen. »Du bringst mich noch ins Grab«, sagt er.
»Ich bringe mich ins Grab«, sagt sie und lacht etwas lauter.
Jasper und ich werfen uns unsichere Blicke zu. Dann zwingen wir uns, mitzulachen.
»Ihr seid echt süß«, sagt Blythe, die ganz genau weiß, dass uns eigentlich nicht nach Lachen zumute ist. »Aber jetzt muss ich schlafen.« Als sie Jaspers Blick bemerkt, fügt sie hinzu: »Wenn ich etwas gegessen habe. Keine Sorge.«
Wie zum Beweis zieht sie das Tablett näher zu sich.
Wir verabschieden uns, versprechen, dass wir morgen wiederkommen. Wie jeden Tag.
Vor der Tür bleiben wir stehen.
»Fuck«, sagt Jasper, und ich höre, dass seine Stimme bricht. »Das ist so eine Scheiße, es ist nicht auszuhalten.«
»Ich weiß«, sage ich.
Und dann umarmen wir uns. Minutenlang. Wir stehen einfach nur so da, halten uns aneinander fest. Ich spüre seine Arme auf meinem Rücken, seinen Herzschlag, seine Brust, die sich bei jedem Atemzug hebt und senkt. Erst schnell, dann mit der Zeit immer ruhiger, bis er sich so weit gefangen hat, dass wir uns voneinander lösen können.
Gemeinsam warten wir auf den Bus, der uns zurück nach Tremé bringt. Wir schweigen. Als wir uns im Bus nebeneinandersetzen, schweigen wir. Als wir eine halbe Stunde später aussteigen und gemeinsam die letzten Meter zu Blythes und Jaspers Haus laufen, zu dem Haus, in das sie nicht mehr zurückkehren wird, schweigen wir.
»Danke«, sagt er und bleibt vor dem Gartentor stehen. »Danke, dass du da bist. Bei ihr. Bei mir.«
»Immer«, gebe ich zurück.
Dann gehe auch ich nach Hause und in mein Zimmer, wo ich Blythes Brief aus der Hosentasche meiner Hotpants ziehe und in das große Einweckglas lege, das ich für unsere gemeinsamen Erinnerungen reserviert habe.
16 – Jasper
Heute
»Franzi hat erzählt, dass ihr tatsächlich fertig geworden seid mit Streichen«, sagt Link an Bonnie gewandt, während er seine Gitarre behutsam in ihren Kasten legt.
»Ja.« Sie massiert sich mit der rechten Hand den Nacken. »Montagmittag.«
»Und jetzt? Rückenschmerzen?«, fragt Curtis.
»Ich habe solchen Muskelkater, das kannst du dir nicht vorstellen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass ich überhaupt so viele Muskeln habe!«
»Das kenne ich sonst nur von …«
Bonnie hebt die Hand. »Ich weiß, Curtis. Ich weiß.«
Er grinst. »Sorry, ist eben so.«
»Dass Amory es mit dir aushält …«
»Meinst du wohntechnisch oder sextechnisch?«
»Beides, ehrlich gesagt.«
»Also wohntechnisch weiß ich nicht. Aber s–«
»Ehrlich gesagt, wollte ich es gar nicht unbedingt hören.« Bonnie lacht.
Die Stimmung heute ist gelöst. Amorys Nähe tut Curtis wirklich gut, auch wenn er das nie zugeben würde. Link schwebt ohnehin auf Wolke sieben, Sal ist drauf wie immer – was gut oder schlecht sein kann, er spricht nicht darüber – und Bonnie wirkt nach unserem Gespräch neulich wieder ganz normal.
Auf meinem Handy öffne ich die Uber-App.
»Hat sie nicht über mich gesprochen?«, fragt Curtis jetzt grinsend. »Beim Streichen, meine ich? Ich dachte, ihr Frauen redet über so was.«
»Wenn du mit ›so was‹ Sex meinst, nein, darüber haben wir nicht gesprochen. Wenn du mit ›so was‹ Amorys gestörten und selbstverliebten Mitbewohner meinst, ja, dann haben wir tatsächlich darüber gesprochen.«
Sal gluckst, klatscht mit Bonnie ab und winkt in die Runde. »Bis zum nächsten Mal!«
»Bye, Sal!«, rufen wir im Chor.
»Ich wüsste zu gern, was er treibt«, sagt Link, als die Tür hinter ihm zugefallen ist.
Wir spekulieren oft über Sals Leben. Er ist nicht einmal nur schweigsam, er ist regelrecht verschwiegen. Wir wissen rein gar nichts über sein Leben. Ob er eine Freundin hat, verheiratet ist, Kinder hat …
»Stellt euch vor, wenn er ganz langweilig in einem Häuschen in irgendeinem Vorort lebt. Wie enttäuschend das wäre nach all den Jahren des Mutmaßens«, sagt Bonnie.
»Ich bleibe dabei. Ich glaube, er wohnt noch bei Mama und Papa und sagt deswegen nichts. Weil es ihm peinlich ist.«
»Ach Quatsch, Curtis. Das könnte er uns doch erzählen«, sagt Bonnie.
»Gibt es etwas, das er uns nicht erzählen könnte?«, erwidert Link. »Ich meine, wir sehen doch alles ganz entspannt, oder?«
Ich räuspere mich lautstark. Schließlich ist es nur wenige Monate her, da hatte Link noch Geheimnisse vor mir.
»Ja, okay, stimmt auch wieder«, sagt er und reibt sich verlegen über den Nacken.
»Leute, habt ihr noch fünf Minuten?« Mikey kommt hinter der Bar hervor. »Ich würde gern etwas mit euch besprechen.«
Wir werfen uns unsichere Blicke zu.
»Äh, klar, Mann«, sagt Link. »Sal ist allerdings schon weg.«
»Kein Problem, ihr werdet ihm schon Bescheid geben.« Mikey fährt sich durch seinen langen Bart. »Also …«
»Mach’s nicht so spannend, Alter«, sagt Curtis, doch das Neckische ist aus seine
r Stimme gewichen.
»Die letzten Monate waren ein Auf und Ab, wie ihr wisst«, fängt er an. »Erst ein langes Auf, dann ein kurzes, aber rasantes Ab.«
»Sorry«, sagt Link, »das war scheiße. Wir hätten dich nicht hängen lassen sollen.«
»Sehr richtig. Hättet ihr nicht. Glücklicherweise gibt es in New Orleans mehr als genug Bands, die sich darum reißen, im Cat’s Cradle aufzutreten. Großartige Bands.«
»Ernsthaft jetzt?«, fragt Bonnie. »Wir sind wieder voll da. Wir sind besser als je zuvor.«
»Ich habe tausend neue Song-Ideen«, fügt Link hinzu.
Mikey hebt die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. »Dummerweise gibt es nicht viele Bands, die ich dauerhaft hier haben möchte«, fährt er fort. »Deswegen wollte ich euch fragen, ob ihr zusätzlich zum Mittwoch auch den Montag wiederhaben wollt. Allerdings den frühen Slot.«
Mir bleibt der Mund offen stehen. Und ich glaube, den anderen geht es genauso.
»Ist das dein Ernst?«, fragt Bonnie, und ihre Stimme überschlägt sich fast. »Ist das dein fucking Ernst?« Sie springt auf ihn zu, fällt ihm um den Hals und küsst ihn auf die Wange. »Du bist der Beste!«
Ich weiß nicht, wie es kommt, aber auf einmal frage ich mich, wie es sich anfühlt, Bonnies Lippen auf der Wange zu spüren.
»Na, na«, macht Mikey. Er reibt sich über die Stelle, die gerade von Bonnies Lippen berührt wurde, und wird rot. Ich tue es ihm nach und wende mich ab. »Ihr wisst, dass ich euch liebe.«
»Und wir lieben dich«, sagt Bonnie und drückt ihn noch einmal.
»Ab nächstem Monat dann.«
»Wir werden dich nicht enttäuschen, Mann«, sagt Link.
»Das will ich euch auch nicht geraten haben.«
Nachdem ich meine seltsamen Gedanken vertrieben habe, möchten meine Mundwinkel gar nicht mehr nach unten sinken. Das zusätzliche Geld brauche ich dringend. Seitdem wir nur noch einen festen Abend hatten, sind viele Rechnungen liegen geblieben. Denn das Wichtigste ist und bleibt die Tilgung meiner Schulden bei der Bank, um das Haus zu behalten. Das Zuhause meiner Kinder.
Ich blicke meine Bandkollegen an, denen es ebenso geht wie mir. Curtis, dessen blaue Augen funkeln. Link, der grinst, als wäre er high. Und Bonnie. Sie hat Mikey noch zwei weitere Küsse auf seine bärtigen Wangen gedrückt. Und ich kann mir nicht helfen und blicke erneut auf ihre Lippen.