Charisma
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Zuviel Hetze. Zuviel Drängeln«, sagte Wallace Mellors, der erfolgreichste Drängler an der ganzen Südküste. »Ich habe oft das Gefühl, daß die Welt besser wäre, wenn die Menschen für alles etwas mehr Zeit, etwas mehr Sorgfalt verwenden würden.
Wo sind die guten Handwerker von gestern?«
»Meine Hausyachten sind die besten im ganzen Land, Wal.
Jeder wird dir das bestätigen.«
Mellors nahm einen großen Schluck von seinem Scotch, seufz te und stellte das Glas nachdenklich auf die Theke zurück. »Plastik, Blakesley, Plastik und Glasfiber. Ohne Seele. Früher war ein Boot ein lebendes Wesen, eine Schönheit aus Eiche und Kiefer, Kupfer und Messing, Teak und Segeltuch. Damals wurden die besten
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Boote der Welt an der Südküste gebaut, hier in Falcombe. Mein Gott, Dorinda, erinnerst du dich noch an Guerneys Werft?«
Dorinda nickte mechanisch, lächelte in mechanischer Nostalgie.
Ich hatte von Guerneys Werft gelesen; sie müssen dichtgemacht haben, bevor Dorinda geboren wurde. Und wenn Mellors die Werft noch in Betrieb erlebt haben sollte, war er älter, als ich angenommen hatte. Guerneys Werft war ein Zuschußbetrieb mit stark kulturellen Tendenzen gewesen, der einen an Frauen in Tweed, häßliche Töpferwaren, Weberei, Korbflechterei und schlechte Lyrik gemahnte, gegründet, um die Kunst des Bootsbaus wiederzubeleben in einer Welt, die sich sehr realistisch dem schnellen Geldverdienen ergeben hatte. Die Organisatoren dieses Unternehmens hatten eine Gruppe alter Männer eingestellt, ihnen uralte Werkzeuge in die Hände gedrückt und ihnen befohlen, so zu tun, als seien sie Handwerker. Nach allem, was ich gehört habe, muß die Werft auf dem Höhepunkt ihrer Existenz, vor etwa fünfzig Jahren, als die Helling voller Holzabschnitte und Hobelspäne lag und die Boote wie lebende Skelette allmählich Formen annahmen und der scharfe Geruch von Kiefernholz in der Luft lag, einen sehr pittoresken Anblick geboten haben.
Doch ein Mann wird nicht zum Handwerker, nur weil er alt ist und man ihm museale Werkzeuge in die Hand drückt, und die alten Männer, die auf Guerneys Werft angestellt worden waren, hatten vergessen, wie man Holz bearbeitet. Trotzdem wurde die Werft zu einer touristischen Sehenswürdigkeit, doch die auf diese Weise erzielten Profite wurden von den Verlusten, die durch den Bau der Boote entstanden, mehr als verschlungen.
Die Werft ging pleite, bevor ich geboren wurde.
Pablos Gesicht war gerötet; ich kann mir vorstellen, daß man ihm Guerneys Werft schon öfter vorgehalten hatte. »Muß auf die Toilette«, murmelte er und ging rasch fort, gefolgt von Dick. Mir war klar, daß sie über den Waschbecken etwas besprechen wollten.
Die nächste Runde war eingetroffen, und da ich nicht gegessen hatte, zeigte der Scotch bereits gute Wirkung. Mellors’ Art
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ärgerte mich, außerdem wußte ich, daß ich nichts zu verlieren hatte; in wenigen Stunden würde ich dies alles hinter mir zurücklassen – und wahrscheinlich würde Mellors tot sein. Also beschloß ich, mir ein paar kleine Unverschämtheiten zu gönnen.
»Pablos Boote sind verdammt gut, Mellors«, sagte ich.
Die unhöfliche Anrede ließ ihn eine Sekunde lang die Brauen emporziehen, doch er hatte bereits seinen nächsten Zug vorbereitet; er schob sich an der Bar entlang auf mich zu, bis er, Dynamik und Reichtum ausstrahlend, neben mir stand. »Das weiß ich doch, mein Junge, daß weiß ich. Deshalb will ich sie ja haben. Doch in meinem ganzen Leben habe ich mich an ein Prinzip gehalten, und darauf bin ich stolz: Versichere dich, daß du niemals hereingelegt wirst. Ihr Freund Pablo verlangt ziemlich viel für diese Boote.«
»Es ist sein normaler Preis. Er verdient nicht viel dabei.«
»Dann sollte er seine Boote etwas weniger aufwendig ausstat-ten. Was habe ich von gefirnistem Mahagoni? Ich bin kein Wohltätigkeitsinstitut, mein Junge. Ich habe die Kalkulation durchgerechnet, und Sie auch – uns beiden ist klar, daß das Chartergeschäft sich kaum lohnt, was mich betrifft.«
»Aber das haben wir doch von Anfang an gewußt.
Wir haben kalkuliert, daß die Mehreinnahmen des Hotels an Übernachtungskosten, Restaurant- und Barumsätzen nach zwei Jahren, wenn die Boote zum größten Teil abgeschrieben waren, einen guten Profit hereinbringen.«
Er beugte sich noch näher und grinste wolfsartig. Dorinda stand allein, reglos, wie abgeschaltet. »Aber ich will meinen Profit jetzt, John«, flüsterte er.
»Und wie?«
»Welches ist der größte Posten der Investition? Sagen Sie mir das, mein Junge.«
»Die Kosten der Boote, natürlich.«
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»Richtig. Und jetzt werde ich Ihnen sagen, wie man diese Kosten reduzieren kann. Halbieren.«
Ich wußte, was kommen würde. Ich wußte es, doch ich konnte es nicht aufhalten. Für Mellors war das alles neu; ein brillanter Plan, den er für einen seiner besten hielt.
»Haben Sie schon einmal von den Bergungsgesetzen gehört?«
fragte er leise.
Genau in diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet und Susanna trat herein. Einfach so.
Mellors’ eindringliche Stimme sank unter den Level meines Wachbewußtseins, als ich Susanna sah, als ich Susanna dachte, mit einer solchen Flut konzentrierter Gefühle, daß es für jeden, der auch nur die kleinste Spur von ESP1 besaß, klar spürbar sein mußte. Ich sah ihr Gesicht, ihre blauen Augen, ihr goldenes Haar, ihre Stupsnase, ihr rundes Kinn; ich sah ihren Körper, ihre Arme, ihre langen, kräftigen Beine, ihre schmale Taille und vollen Brüste. Ich sah sogar, daß sie einen schwarzen Pullover und einen kurzen, grünen Rock trug, als sie auf die Bar zutrat –
auf mich. Sie ging an Dorinda vorbei, ignorierte Mellors’ Rücken, als sich ihr Blick mit dem meinen traf, dann verschwand sie hinter mir aus meinem Gesichtsfeld. Sie war irgendwo ganz nah.
Ich wußte, daß sie ganz nah war und wollte mich umdrehen und ihr zuschreien, daß ich sie liebe; aber bei einer solchen Sache mußte ich mir Zeit nehmen.
»Sie kennen doch diese plötzlichen Winterstürme, die über den Hafen hereinbrechen. Dabei werden häufig Boote losgerissen.
Letztes Jahr habe auch ich mein Boot wieder einfangen müssen.«
Hinter mir spürte ich Bewegung, hörte ein leises Scharren, ein Scheuern von Stoff. Susanna hatte sich auf einen Barhocker gesetzt, vielleicht auf den neben mir.
1 Extrasensory Perception – außersinnliche Wahrnehmung, sechster Sinn – Anm. d. Red.
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»Wir haben heute Südwestwind, und er frischt auf. Bei einlaufender Flut, heute abend…«
Eine Stimme hinter mir sagte: »Ich hätte gerne ein Bier.« Es war eine leise, sanfte Stimme. Ich hörte das Klirren von Glas, und Albert sagte irgend etwas, dann sagte Susanna: »Tut mir leid, ich habe es nicht kleiner.«
Mellors’ breitflächiges, pockennarbiges Gesicht war dem meinen unanständig nah, als er in seinem leisen, geistesgestörten Monolog weitersprach, vom Wind, von der Flut, von Ankertauen. Ich verspürte den dringenden Wunsch, ihm die Handfläche ins Gesicht zu drücken und ihn fortzustoßen. Albert sagte irgend etwas.
Susanna sagte: »Auf jeden Fall viel besser als gestern.«
Während der Barmann und Mellors ihre unterschiedlichen Gespräche fortsetzten, trat Pablo in mein Gesichtsfeld, und ich bemerkte, daß sein Gesicht bleich und verschwitzt war, als ob er sich übergeben hätte. Dick stand neben ihm, ungewohnt nah, so daß der Eindruck entstand, sie bildeten zusammen ein Team oder einen Block.
Sie würden ihn jetzt zwingen, klar Stellung zu beziehen. Ich versuchte, mich zu konzentrieren. Obwohl dies nicht meine Welt war, konnte ich nicht anders, als Pablo und Dick als meine Freunde zu betrachten. Jetzt würden sie eine Konfrontation mit Mellors erzwingen und meine Hilfe brauchen. Mellors spürte die plötzlich gespannte Atmosphäre und rückte ein Stück von mir fort. »Hallo«, sagte er gedehnt, wie es Menschen tun, die glauben, daß ihnen etwas Unangenehmes bevorsteht.
»Wir wollen diese Sach
e endlich klären, und zwar sofort«, sagte Pablo hart.
Susanna sagte: »Ich hörte, daß es im Norden schneien soll.«
»Selbstverständlich, Junge, selbstverständlich. Obwohl ich der Ansicht war, daß unsere Vereinbarungen klar und deutlich sind.«
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»Es gibt keine Vereinbarungen, Wal. Darauf will ich ja hinaus.
Es ist nichts schriftlich vereinbart, gar nichts.«
»Nun, dies ist wirklich nicht der richtige Ort und der richtige Zeitpunkt, um darüber…«
Susanna sagte: »Das sind sie nie.«
»… immer mein Prinzip gewesen, Geschäft und Vergnügen zu trennen. Ein andermal, Blakesley, ein andermal. Wie wäre es heute abend? Sagen wir um sieben Uhr, hier in der Bar. Bringen Sie Ihre Unterlagen mit und wir gehen sie durch.«
»Das haben wir doch längst erledigt. Sie kennen meine Preise, und ich habe angenommen, daß sie die Basis unserer Verträge sind. Es geht jetzt doch nur darum, zu unterschreiben, Wal.«
Mellors seufzte. »Wenn Sie so lange im Geschäft wären wie ich, wüßten Sie, daß alles nicht so einfach ist, Junge. Bis zum letzten Augenblick kann noch alles mögliche passieren, und jedes davon kann die Bedingungen des Vertrages beeinflussen. Alle Möglichkeiten müssen genau durchdacht werden. Gerade eben habe ich einige sehr wichtige Punkte mit John durchgesprochen.
John kennt die Ziffern. Boote sind ein riskantes Geschäft. Mit sehr unsicheren Profiten. Die ganze Sache muß sehr sorgfältig durchbesprochen werden.«
Dick, normalerweise einer der friedlichsten Menschen, die ich kenne, explodierte jetzt. »Was, zum Teufel, haben wir denn während der vergangenen drei Wochen getan, Mellors?«
Pablo sagte: »Mir ist es ernst, Wal. Ich habe genug. Entweder wir kommen jetzt zum Abschluß oder ich steige aus. Die bisherigen Verluste kann ich verkraften. Aber nicht mehr.«
Mellors lächelte dünn, zuckte die Schultern und hob die Hände in der Parodie eines Mannes, der vor einer Pistolenmündung steht. »Okay, Sie haben gewonnen.«
»Drüben in der Ecke ist ein freier Tisch. Der ist genau so gut wie jeder andere.« Pablo bemühte sich um eine Entschärfung der Atmosphäre, legte Mellors die Hand auf die fleischige Schulter
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und steuerte ihn dem Tisch zu. Dick blieb neben mir stehen und sah mich verwundert an.
»Kommen Sie nicht mit, John?«
»Ich möchte mich da lieber heraushalten, Dick. Ich bin schließlich beiden Seiten verbunden. Ihr kommt schon allein zurecht.«
Dick blickte mich enttäuscht an, als er zu Mellors und Pablo trat, die sich gerade ein Stück entfernt an einen Tisch setzten.
Ich hatte nicht das Gefühl, meine Loyalität als Freund gegen-
über Pablo zu verletzen, weil ich das unvermeidliche Resultat dieser Diskussion ja bereits kannte. Es hatte schon früher stattgefunden, dieses unglückliche Meeting, schon viele Male; und es würde immer wieder stattfinden, unzählige Male, und das Resultat würde immer das gleiche sein. Ich war gezwungen, als hilfloser Beobachter dabeizusitzen, bis in alle Ewigkeit…
Dorinda saß noch immer an der Bar und sah mich abschätzend an.
Ich wandte ihr den Rücken zu, blickte das wunderbare Mädchen an, das neben mir saß, versuchte, den Kloß in meiner Kehle herunterzuschlucken und das Flattern meiner Stimme zu unterdrücken und sagte: »Gestatten Sie, daß ich mich vorstelle.
Ich heiße John Maine und bin Manager dieses Hotels. Darf ich Sie zu einem Drink einladen?«
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ALS SIE MICH ANSAH, versuchte ich, hinter ihre Augen zu blicken, versuchte, mir vorzustellen, daß dort ein Glühen gegenseitiger Anziehung aufleuchtete, sah jedoch nichts. Sie war lediglich ein hübsches Mädchen, das den Manager des Hotels, indem sie ein Bier trank, anblickte und sich fragte, warum dieser Mann es für nötig gehalten hatte, sich vorzustellen. Es war frustrierend, so ein Nichterkennen in diesem wunderbar vertrauten Gesicht zu sehen. Es wies gewisse Parallelen mit einer Situation auf, die mich schon immer beschäftigt hat: Was empfindet man, wenn man seiner früheren Ehefrau überraschend wiederbegegnet, nach mehreren Jahren und auf einer fröhlichen Party? Wie ist es einem möglich – nach einigen Drinks –, dieses Gefühl körperlicher Vertrautheit zu unterdrücken, das man zwangsläufig spüren muß? Worüber soll man mit ihr sprechen? Wie findet man sich mit der Tatsache ab, daß nach all den vielen Malen nun nichts mehr geht?
Sie lächelte und sagte: »Ich heiße Susanna Lincoln.« Seltsam, daß ich nie daran gedacht hatte, daß sie einen Familiennamen haben konnte. »Vielen Dank. Ein Bier, bitte.«
Albert brachte uns die Drinks und zog sich mit einem geheim-nisvollen Grinsen zurück. Das Personal würde heute abend wieder etwas zu klatschen haben.
Wir tranken gleichzeitig, um das peinliche Schweigen zu überbrücken. Susanna fragte sich, was, zum Teufel, ich von ihr wollte. Und ich fragte mich, was, zum Teufel, ich sagen sollte.
Ein Schaft wässerigen Sonnenlichts fiel durch das Fenster herein und entflammte ihr Haar zu einer goldenen Corona, die ihr ein magisches Aussehen verlieh, die Unerreichbarkeit einer Göttin.
Und das trug nicht gerade dazu bei, mein Selbstvertrauen zu stärken.
Und dabei hatte alles so einfach ausgesehen. Mein Herz schlug heftig, und der Kloß in meiner Kehle war zu einem Stein geworden, weil ich wußte, daß ich den Sprung riskieren würde,
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daß ich den Parallelismen der Welten und ihrer Menschen vertrauen würde.
Also sagte ich es. Ich blickte ihr gerade in die Augen und sagte: »Ich nehme an, Sie fragen sich, warum ich mich vorgestellt habe. Ich werde es Ihnen sagen: Weil Sie das schönste Mädchen sind, das ich jemals in meinem Leben gesehen habe. Ich bin so glücklich, neben Ihnen zu sitzen, daß ich singen könnte. Aber ich habe eine lausige Stimme.«
Susanna schluckte das, ohne auch nur ihre blauen Augen weiter zu öffnen. »Nein, singen Sie nicht«, riet sie mir ernsthaft.
»Ich bin nicht beeindruckt von Menschen, die in Bars singen.
Außerdem könnten Sie dadurch Ihre Lizenz verlieren. Aber warum sagen Sie mir so einen Quatsch?«
»Glauben Sie mir nicht?«
Sie blickte mich nachdenklich an – und dann sah ich es: ein Aufblitzen von Interesse. »Es klang eigentlich, als ob Sie es ehrlich meinten, doch das kann auch Praxis gewesen sein. Haben Männer oft Erfolg damit?«
»Ehrlich, ich weiß es nicht. Ich dachte, ich könnte es einmal versuchen. Etwas anderes fiel mir nicht ein.«
»Sie sehen nicht wie ein Mann aus, dem die Einfälle ausgehen.« Der interessierte Ausdruck wurde zu einem breiten, vertrauten Lächeln, und ich wußte, daß ich es geschafft hatte.
Susanna war Susanna. Sie mochte den direkten Weg – jedenfalls bei mir. Sie rückte ihren Hocker etwas näher, und ihr ganzer Körper schien zu lachen, vor Glück, seinen ewigen, unendlichen Gefährten gefunden zu haben, obwohl ihr Verstand das noch nicht wußte. Sie verschluckte sich ein wenig an ihrem Bier und lachte leise.
»Im Grunde genommen bin ich ziemlich schüchtern«, konnte ich ihr jetzt gestehen.
»Oh, ich auch, ich auch… Mein Problem ist«, ihr Gesicht war wieder ernst, »daß ich nicht viel vertrage und dann zuviel rede.
Um ehrlich zu sein…« – sie hustete delikat – »dieses zweite Bier
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ist schon fast zuviel. Darf ich diese historische Begegnung mit etwas Schärferem feiern?«
»Selbstverständlich.« Der Barmann stand, wie auf telepathi-schem Weg herbeizitiert, in der Nähe.
»Ich nehme dasselbe wie Mr. Maine«, sagte sie ihm, »ganz egal, was es ist. Und ich werde es all meinen Freunden empfehlen, und sie werden berühmt werden. Alberts Eisbrecher werden sie es nennen.«
»Es ist ein schlichter Scotch mit Dry Ginger, Miß Lincoln.«
»Nun, bei ihm hat er Wunder gewirkt. Er hat ihn von einem zitternden Intro
vertierten innerhalb von zwei Minuten in eine fauchende Bestie verwandelt, also kann er nicht schlecht sein.«
Die Drinks wurden gebracht, und sie nahm einen Schluck, und alle Gäste in der Bar schienen auf ihr Urteil zu warten. Ich bemerkte ein altes Ehepaar, das in einer Ecke saß und herüberblickte. Sie lächelten freundlich und ein wenig nachsich-tig, als ob sie ihre Lieblingsenkelin beobachteten. In der Nähe saßen ein junges Mädchen und ihr Freund, kaum alt genug, um in der Öffentlichkeit trinken zu dürfen; der Junge starrte Susanna ehrfürchtig an, und das Mädchen merkte es und lächelte dünn; später würde sie ihn daran erinnern und wahrscheinlich sagen: War das nicht ein wunderschönes Mädchen in der Bar? Und ganz egal, was er antworten mochte, sie könnte nicht eifersüchtig sein; sie könnte Susanna nicht ablehnen. Niemand konnte das.
Alle blickten also zu ihr, als sie mit übertriebener Geste, wie ein Weinprüfer, den ersten Schluck nahm, und die Menschen hielten den Atem an, als sie ihn über ihre Zunge rollen ließ und dabei ein nachdenkliches, skeptisches Gesicht machte, und alle seufzten erleichtert, als sie ihn herunterschluckte und über das ganze Gesicht strahlte. »Was für ein Pißwasser«, bemerkte sie mit kultivierter Stimme nach einer angemessenen Pause.
»Obwohl recht vollmundig. Aber wenn mein Schüchternheitspro-blem zu schlimm wird, versuche ich alles.«
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Susanna sprühte vor Fröhlichkeit, und während der folgenden Stunde vergaß ich Mellors und Pablo und all die anderen; ich vergaß alles, bis auf die unglaubliche Tatsache, daß Susanna wieder bei mir war. Nach einer Weile hatte ich den Eindruck, daß andere Menschen bei uns saßen, daß andere Menschen sich redend und lachend um die Bar drängten; und ich stellte vage fest, daß sich eine Party entwickelt hatte und alle sich bestens amüsierten, doch Albert den plötzlichen Andrang nicht bewältigen konnte. Und plötzlich standen Susanna und ich hinter der Bar, schoben anonymen Freunden Drinks zu, machten uns selbst welche, und stießen gegeneinander, als wir zwischen vollen und leeren Flaschen umhertasteten, und immer wieder berührten sich dabei unsere Hände und Hüften. Wir befanden uns im Mittelpunkt des Geschehens, Susanna und ich: Wenn wir sprachen, hörten die Menschen uns zu und lachten, als ob sie wüßten, für wen diese Party gegeben wurde und um was es ging.