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Der letzte erste Song (Firsts-Reihe 4) (German Edition)

Page 7

by Bianca Iosivoni


  Nach der kurzen Ansprache zählte Paxton am Schlagzeug an. Gleich darauf legten Mason an der Gitarre, Jesse am Keyboard und Kane am Bass los. Es dauerte nur ein paar Takte, bis ich den Song erkannte. Es war eine lockere, rockige Version von Aviciis Wake Me Up. Der ideale Song zum Aufwärmen und um die Leute in Stimmung zu bringen. Und es schien zu funktionieren.

  Da sie noch immer ohne Sängerin waren, übernahm Mason die Leadstimme – und hatte die Menge innerhalb kürzester Zeit für sich eingenommen. Er machte seine Sache gut. Seine Griffe an der Gitarre waren sicher und geübt. Schon nach dem ersten Refrain schien er jede Nervosität vergessen zu haben und nur noch für die Musik zu leben. Er legte alles von sich in diesen Song, das konnte ich deutlich spüren. Seine Augen strahlten, und er warf immer wieder ein Lächeln in die Runde. Ganz in der Nähe jubelten und kreischten ein paar Mädchen in unserem Alter so laut auf, dass ich zusammenzuckte.

  Es war, als würde Mason auf der Bühne alles von sich preisgeben – seine Gedanken und Gefühle, seine Ängste ebenso wie die unverfälschte Freude, die sich auch auf seinem Gesicht abzeichnete. Mit jedem weiteren Lied wurde die Wirkung nur noch intensiver. Und das, obwohl ihm der Schweiß auf die Stirn trat und er neben dem Gesang auch noch beinahe durchgängig Gitarre spielte. An seiner Performance änderte das nichts. Die Intonation war weich und sauber, seine Präsenz die ganze Zeit über stark.

  Ich ertappte mich dabei, wie ich mit dem Fuß wippte und lautlos die Lippen bewegte, weil alle Songs Nummern mit bekannten Texten waren. Hin und wieder nippte ich an meinem Getränk und ließ den Blick durch den Pub wandern. Die Leute waren gut drauf, und es hatte sich zwischen all den Tischen sogar eine kleine Tanzfläche gebildet.

  Das aktuelle Lied endete, ging jedoch nicht wie zuvor nahtlos in ein neues über. Mason griff nach dem Mikro. Sein Blick wanderte kurz über die Leute hinweg und blieb schließlich an mir hängen.

  Er lächelte geheimnisvoll. »Der letzte Song ist für jemand ganz Besonderen.«

  Mein Herz begann schneller zu schlagen. Ich sah mich kurz um, ob er jemand anderes meinen könnte. Seine Freundin, ach nein, Exfreundin Jenny zum Beispiel oder vielleicht jemanden, der zu Jesse, Paxton oder Kane gehörte, aber Masons Blick ruhte noch immer auf mir. Ich schluckte hart. Das konnte er nicht ernst meinen …

  Jesse begann mit der Melodie am Keyboard und zwinkerte mir verschwörerisch zu, als ich in seine Richtung schaute. Diesmal brauchte ich etwas länger, bis ich den Song erkannte, doch als Mason die ersten Worte sang, wusste ich es: Fuckin’ Perfect von Pink. Allerdings in einer schnellen, rockigen Coverversion, die wie für Mason gemacht zu sein schien. Seine warme Stimme nahm eine tiefere Tonlage an, und es war, als würde sie den Raum bis in den letzten Winkel erfüllen.

  Ich atmete tief ein und ganz langsam wieder aus, aber das half nichts gegen meinen rasenden Puls oder die Gänsehaut, die sich auf meinen Armen ausbreitete. Ich wollte woanders hinschauen, konnte den Blick aber nicht von der Bühne losreißen. Nicht von Mason. Und er hielt meinen Blick genauso fest.

  Für einen kurzen Moment fühlte ich mich an unsere allererste Begegnung erinnert. Auch wenn die alles andere als freundschaftlich gewesen war, weil Mason irgendeinen sexistischen Mist von sich gegeben hatte und sich direkt im Anschluss mit Emery gezankt hatte. Ich hatte ihn sofort als Idioten abgestempelt, zumal er der typische Troublemaker zu sein schien, der Klassenclown, wie ich ihn von der Highschool kannte. Aber seine Stimme war mir schon damals unter die Haut gegangen. Und nachdem ich ihn das erste Mal singen gehört hatte, hatte es Tage gedauert, sie wieder aus meinem Kopf zu verbannen.

  Jetzt gab er alles, schmetterte die Lyrics und ließ mit Sicherheit jede Menge Herzen höher schlagen. Aber ganz bestimmt nicht meines. Ich wusste genau, was er damit erreichen wollte. Oder vielmehr, was er damit meinte. In seinen Augen war ich perfekt für die Band. Nicht mehr, nicht weniger. Ganz sicher nicht perfekt für ihn. Und wenn ich mir das noch zwei-, drei- oder zwanzigmal sagte, würde das schnelle Pochen in meiner Brust bestimmt aufhören.

  Die letzten Töne verklangen und ein paar Sekunden lang war nur noch Masons Stimme zu hören. Stille senkte sich über die Bühne. Dann brach tosender Applaus aus. Die Leute jubelten, verlangten nach einer Zugabe und klatschten so laut, dass es mich aus dieser seltsamen Trance riss. Ich bemerkte kaum, wie ich ebenfalls aufstand und mitklatschte, bis meine Hände wehtaten.

  Mason bedankte sich im Namen der Band, die noch zwei weitere Songs spielte, dann wünschte er allen einen schönen Abend. Die normale Beleuchtung wurde wieder angeschaltet, im Hintergrund lief plötzlich leise Musik und um mich herum wurden die Gespräche wieder aufgenommen. Ich trank meine Cola aus und stand auf.

  Als ich zur Bühne gehen und in der Traube von Menschen, die den Jungs gratulierten und auf die Schultern klopften, nach Mason suchen wollte, kam er mir bereits auf halbem Wege entgegen. Er glühte förmlich von dem Auftritt, und in seinen Augen funkelte es gut gelaunt.

  »Fuckin’ Perfect?«, fragte ich und blieb vor ihm stehen. »Wirklich?«

  »Was soll ich sagen?« Er schob die Hände in die Taschen seiner Jeans und zog die Schultern hoch wie ein Kind, das etwas angestellt hatte, es aber kein bisschen bereute. »Musik drückt aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist.«

  Ich presste die Lippen aufeinander, um nicht zu lachen. Irgendwie überraschte es mich nicht, dass er dieses Zitat brachte. »Victor Hugo war ein weiser Mann. Eins muss man dir lassen: Du bist ganz schön raffiniert.«

  »Ich weiß.« Er grinste. »Hat es funktioniert? Haben wir eine neue Sängerin?«

  Ich sah von ihm zu den anderen, die ihre Instrumente zusammenräumten und jetzt innehielten. Um uns herum herrschte noch immer Trubel, aber da waren keine aufdringlichen Groupies und auch keine Kritiker mit zynischen Bemerkungen, sondern nur Menschen, die einen schönen Abend haben wollten und den Auftritt genossen hatten. Genau wie ich. Nicht mehr, nicht weniger.

  Obwohl ich versuchte, mein Lächeln zu unterdrücken, kam ich nicht dagegen an. »Ich bin dabei.«

  »Yeah!« Jesse riss die Faust in Siegerpose hoch.

  Kane zuckte mit den Mundwinkeln, Pax trommelte mit den Sticks in die Luft und Mason … Mason packte mich ohne Vorwarnung bei der Taille und wirbelte mich herum.

  »Ich wusste, dass wir dich überzeugen können!« Er setzte mich wieder ab, ließ mich aber nicht sofort los. »Du wirst es nicht bereuen, das verspreche ich dir.«

  Wieder war da dieses Hämmern in meiner Brust, aber das musste an der Überraschung liegen. Ich war es nicht gewohnt, so spontan umarmt oder sogar durch die Luft gewirbelt zu werden.

  Mit dem Finger pikste ich ihm in die Brust. »Wieso macht mir diese Aussage mehr Angst, als wenn du mir versprochen hättest, dass es die Hölle auf Erden wird?«

  »Hey!«, protestierte er, aber die anderen lachten, und ich fiel mit ein.

  Als ich nach West Virginia gekommen war, hatte ich mir vorgenommen, nie wieder zu singen – außer wenn es sich in meinem Studium nicht vermeiden ließ. Aber auch dann nur für eine bestimmte Rolle, niemals für mich selbst. Daran, es in einer Band voller Kerle zu tun, hatte ich nicht mal im Traum gedacht. Mein Leben lang hatte ich mich zurückgehalten, hatte im Schatten meiner schönen großen Schwester gelebt und war erst ins Rampenlicht getreten, als Gillian von zu Hause ausgezogen war und meine Mutter mich mit sechzehn für meinen ersten Schönheitswettbewerb angemeldet hatte. Ich wollte sie zufriedenstellen, wollte die perfekte Tochter sein, damit auch Dad stolz auf mich war, wenn er denn mal zwischen all seinen Geschäftsreisen heimkam – aber wenn ich ehrlich mit mir war, dann hatte ich immer nur das getan, was Mom mir befohlen hatte. Genau genommen hatte ich mein ganzes Leben lang nur das getan, was andere von mir gewollt hatten. Hübsch aussehen, den Mund halten, fleißig lernen, nie den Unterricht schwänzen und mich immer an meinen strikten Sport- und Ernährungsplan halten. Aber was war mit den Dingen, die ich selbst wollte?

  Ich hatte keine Ahnung, was die Zukunft bringen würde und ob die Entscheidung, zweitausend Meilen entfernt v
on Zuhause auf ein kleines staatliches College zu gehen, die richtige Wahl gewesen war. Ich wusste ja nicht mal, ob mein Studium zu etwas führen würde. Aber diese Band? Mason, Jesse, Paxton und Kane? Auf den ersten Blick wirkten sie alle so unterschiedlich, aber die Musik hatte sie zusammengebracht, hatte sie zu einer eingeschworenen Gemeinschaft gemacht. Und obwohl es so vieles gab, dessen ich mir unsicher war, wusste ich eine Sache nach diesem Abend auf jeden Fall: Ich wollte ein Teil davon sein. Aber vor allem wollte ich wieder singen, ganz egal, wie Furcht einflößend die Vorstellung, auf einer Bühne zu stehen, noch immer für mich war.

  Kapitel 6

  Mason

  »Dieser verfickte Gavin! Kann den endlich mal einer abknallen?« Meine Stimme hallte ebenso durch das Zimmer wie durch das Headset. Es war Sonntagabend, und ich war ganz kurz davor gewesen, meinen Gegner zu erschießen. Aber der Mistkerl war dem Tod durch mein SKS-Sturmgewehr nun schon zum zweiten Mal entkommen, weil er im letzten Moment in Deckung gegangen war, während ich auf den Controller einhämmerte. Und jetzt konterte der Typ auch noch mit einer Rauchgranate, die er auf mich und mein Team warf? Oh nein. Nicht mit mir, Kumpel.

  »Ich muss nachladen«, rief Luke. Er saß neben mir auf der Couch, aber ich hörte seine Stimme genau wie die unserer Gegner hauptsächlich durch die Kopfhörer.

  »Lad schneller!«, knurrte ich.

  »Nein, mach langsamer«, kam es von Gavin. »Dann kann ich deinem Freund hier den Arsch aufreißen.«

  »Ich reiß dir gleich was auf.« Ich rutschte bis an die Sofakante vor, um das Geschehen auf dem Bildschirm besser im Blick zu haben.

  Gavin war wieder hinter der Mauer verschwunden, aber ich entdeckte seinen Teamkollegen Luca, der nicht ganz so vorsichtig vorging. Glaubte der Typ echt, ich würde ihn in dem Gebüsch da hinten nicht sehen können? Ich schnaubte. Anfänger …

  »Bereit!« Luke visierte im Spiel wieder an.

  »Gib mir Deckung«, murmelte ich und umrundete das Gebäude, um mich näher an diesen Luca heranzupirschen. Gleichzeitig versuchte ich, alles andere im Auge zu behalten, damit wir nicht auch noch von anderen Teams entdeckt und beschossen wurden. Aber im Moment schien alles ruhig zu sein. Wir waren ganz unter uns.

  Als das Geballere im Spiel losging, stürmte ich los. Mein Soldat kämpfte sich durch das kniehohe Gras von der Seite an Luca heran. Noch im Laufen wechselte ich die Waffe, von meinem Sturmgewehr zu einer Schrotflinte, die diesen Drecksack wegballern würde. Er hatte zwar keine so große Klappe wie sein Kumpel, aber er war in Gavins Team, und das genügte, um ihn fertigmachen zu wollen. Ich blieb stehen, visierte ihn an – und musste im nächsten Moment zur Seite hechten, weil Luca schneller war.

  »Fuck!« Ich hämmerte auf den Controller ein, um das Feuer zu erwidern.

  »Maze!«, rief Luke, da erschien bereits die Meldung am Bildschirmrand, dass er von Gavin getroffen worden war.

  »Echt jetzt?«

  Ein abgehacktes Lachen schallte durch die Kopfhörer. »Du bist der Nächste.«

  »Träum weiter, du Weichei!«

  Ich bemerkte eine Bewegung aus dem Augenwinkel. Irgendwo ganz hinten in meinem Bewusstsein hatte ich abgespeichert, dass Dylan, Luke, Trevor, die Mädels und ich heute noch ausgehen wollten, aber es konnte noch nicht so spät sein, oder? Wir hatten uns doch erst vor fünf Minuten hingesetzt und die Playstation eingeschaltet.

  »Rutsch mal.« Tate drängte Luke vom Sofa und schnappte sich den Controller.

  »Hey, was soll das?« Entrüstet sah er von Tate zu mir, aber ich zuckte nur mit den Schultern. Keine Zeit für Streitereien. Wir hatten einen Job zu erledigen. Seufzend stand Luke auf und übergab Tate auch seine Kopfhörer.

  »Hi Jungs«, sagte sie gleich darauf ins Mikrofon. »Streitet euch ruhig weiter. Ich räum hier mal ein bisschen auf.«

  »Wer ist das?«, wollte jemand anderes via Headset wissen. Die Stimme gehörte nicht Gavin, dem Schwachkopf, sondern Luca. Luca, mit dem ich noch eine Rechnung offen hatte.

  Gavin schnaubte. »Lässt du jetzt etwa deine Freundin für dich spielen?«

  »Oh, keine Sorge, mein Hübscher«, säuselte Tate. »Ich werde ganz sanft sein.« Sie feuerte einen Schuss ab. »Oder auch nicht.«

  »Fuck!«

  Überrascht riss ich den Kopf herum und starrte sie an. Bevor ich etwas sagen konnte, schoss Tate erneut auf das gegnerische Team – und traf ihr Ziel.

  »Ich habe mit meinem Bruder und seinen Kumpels früher immer im Keller gezockt«, erklärte sie abgelenkt, während ihre Spielfigur nachlud.

  Das erklärte einiges. Und so leid es mir für Luke tat – offenbar hatte ich mir den falschen Teampartner ausgesucht, denn gerade deutete alles darauf hin, dass Tate unsere Gegner im Alleingang fertigmachte.

  Ein Schuss. Ein Ächzen.

  »Scheiße, ich bin getroffen!« Verärgert wegen meiner Unaufmerksamkeit riss ich den Controller herum, als könnte ich damit das Leben meiner Figur retten. Konnte ich nicht. Der Balken, der die Lebensenergie anzeigte, wurde dramatisch rot.

  »Wer ist jetzt das Weichei, hm?«, höhnte Gavin.

  Ich verkniff mir eine Antwort, heilte mich stattdessen in aller Eile mit dem letzten Erste-Hilfe-Kasten in meinem Inventar und visierte den Mistkerl erneut an. Diesmal mit einem Scharfschützengewehr. Der Penner würde die nächsten Minuten nicht überleben. Und wenn ich erst einmal …

  Eine Explosion tauchte alles in Flammen. Gleich darauf wurde der Bildschirm grau. Ich war … tot?

  »Boom! Erwischt.« Tate warf Controller und Headset auf den Tisch, pustete sich auf die Fingerspitzen und sprang auf. »Können wir jetzt los? Ich hab Hunger.«

  Fassungslos starrte ich von Tate zum Fernseher und wieder zurück. Immer wieder, bis ich meine Sprache wiedergefunden hatte. »Ist das dein verfickter Ernst?«

  »Was denn? Ich hab das Spiel beendet.«

  »Du hast uns gerade in die Luft gejagt! Nicht nur das andere Team! Uns alle!«

  Sie zuckte mit den Schultern, als wäre es nichts. Als hätte sie nicht gerade all den Fortschritt zunichte gemacht, für den Luke und ich Ewigkeiten gebraucht hatten. All die Waffen und Ausrüstung, die wir eingesammelt hatten. All die gegnerischen Mannschaften, die wir im Laufe des Spiels bereits erledigt hatten. All das war auf einen Schlag verschwunden. Puff! Einfach weg.

  »Komm schon«, hörte ich jetzt auch Elle hinter mir. »Sonst gibt es keine Burger für dich, Maze.«

  Schwer seufzend nahm ich die Kopfhörer ab und schaltete das Spiel aus. Das war’s dann wohl für heute. »Danke für nichts.« Ich warf Tate einen finsteren Blick zu. »Dafür schuldest du uns was.«

  Sie lachte ungläubig und fuhr sich mit der Hand durch das dunkelbraune Haar mit den knallroten Strähnen. »Du meinst wohl eher, ihr schuldet mir was. Ein Dankeschön zum Beispiel, weil wir jetzt endlich loskönnen und keiner hier verhungern muss.«

  »Wer muss nicht verhungern?« Trevor kam gerade aus seinem Zimmer. Wahrscheinlich hatte er bis zur letzten Sekunde über seinen Büchern gehockt.

  »Wir.« Zufrieden lächelnd ging Tate zu ihm hinüber, packte ihn an seinem Hemd und drückte ihm einen kurzen Kuss auf den Mund.

  Ich verzog das Gesicht und wandte mich ab. Es war schon mal leichter gewesen, von lauter Pärchen umgeben zu sein. Zum Beispiel dann, wenn ich nicht der einzige Single in der Gruppe war. Oder eher Halb-Single, denn das mit Jenny war trotz Pause nicht vorbei. Ich weigerte mich, so einfach aufzugeben. Ich weigerte mich, sie aufzugeben. Dafür kannten wir uns zu lange, hatten zu viel zusammen durchgestanden und zu viele gemeinsame Pläne. Wir brauchten nur … Zeit. Ja, genau. Zeit, um wieder einen gemeinsamen Weg zu finden, weil wir im Grunde doch beide noch immer dasselbe wollten. Oder nicht?

  »Sind alle da?« Elle tat so, als würde sie durchzählen, während Luke bereits schwungvoll die Wohnungstür aufriss und uns alle rauswinkte.

  Mein Magen begann zu grummeln, als wir gemeinsam die Treppen hinunterliefen. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es eigentlich war, aber die Sonne schien noch und es war angenehm warm drauße
n. Die Augusthitze war in den Abendstunden kaum noch zu spüren. Wir nahmen Lukes und meinen Wagen zu unserem Lieblingsburgerladen. Dylan fuhr getrennt von uns, weil er nach dem Essen zu seiner Spätschicht in die Tierklinik musste. Wie der Kerl es schaffte, so viel zu arbeiten und trotzdem seinen Notendurchschnitt zu halten, war mir schon immer ein Rätsel gewesen. Wahrscheinlich nur, indem er sich Tate regelmäßig und ohne zu murren bei ihren gefürchteten Lernsessions anschloss, die sie uns alle kurz vor den Examen zum Semesterende aufzwang. Allein beim Gedanken daran schüttelte ich mich. Zum Glück hatte das Semester gerade erst begonnen, und die Prüfungen waren noch in weiter Ferne. Und bis es so weit war, kümmerten mich nur die Bandproben, unsere nächsten Auftritte und die Aufführungen im Rahmen meines Hauptfachs.

  Wie immer, wenn wir zusammen essen gingen, teilten wir uns schon im Eingangsbereich auf. Zwei, drei kümmerten sich um die Sammelbestellung, während der Rest Tische zusammenschob, damit wir alle Platz fanden. Diesmal gehörte ich neben Dylan und Tate zu denjenigen, die die Bestellung aufgaben.

  Mein Blick wanderte durch den Laden. Aus den Boxen dröhnte ein Popsong, der so oft im Radio lief, dass ich ihn schon nicht mehr hören konnte. Aus der Küche waren Geklapper, das Zischen von Bratfett und Stimmen zu hören, die Bestellungen durchriefen. Im Innenraum hing das Summen von Gesprächen über den Tischen. Wie so oft an einem Sonntagabend war ziemlich viel los. Ich entdeckte ein paar Leute aus meinen Kursen und vom Campus, die ebenfalls beschlossen hatten, das Wochenende mit einem Burger ausklingen zu lassen. Manchen konnte man ansehen, wie verkatert sie selbst jetzt noch waren.

 

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