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Faded Duet 1 - Faded - Dieser eine Moment

Page 27

by Julie Johnson


  Als sich meine Schlafzimmertür endlich öffnet, ist es auf die Minute siebzehn Uhr.

  Wir drehen uns alle drei herum, um zu sehen, wie sie ins Wohnzimmer kommt. Sie sieht so zerbrechlich aus. Sie ist barfuß und trägt eins dieser hauchdünnen Sommerkleider, die sich so perfekt an ihren Körper schmiegen. Ich versuche, die Antwort von ihrem Gesicht abzulesen, doch sie ist eine Meisterin, wenn es darum geht, ihre Gedanken zu verbergen.

  »Und?«, keift Linc beinahe. Er scheint deutlich weniger Geduld mit ihr zu haben.

  Sie schaut zu mir und verzieht die Lippen dann langsam zu einem Grinsen. Ich spüre, wie sich Freude und Erleichterung und Aufregung in mir breitmachen.

  »Lasst es uns tun.« Sie lacht. »Lasst uns ein Album aufnehmen.«

  Aiden und Linc grölen so laut, dass ich mir sicher bin, dass die Nachbarn denken müssen, dass hier gerade ein Mord geschieht. Ich strecke die Arme aus, und Felicity wirft sich hinein und lacht, während ich sie im Zimmer herumwirbele, bis uns schwindelig wird.

  Später an diesem Abend liegen wir unter meiner Bettdecke und atmen einander ein. Ich habe die Arme um sie geschlungen und beschreibe mit den Fingerspitzen Kreise auf ihrer nackten Haut. Ihr Kopf ruht an meiner Brust, und sie lauscht jedem meiner Herzschläge, die unter ihrem Ohr pochen.

  »Bist du dir wirklich sicher?«, frage ich sanft. »Ich weiß, dass das alles ziemlich schnell geht.«

  Sie hebt den Kopf, bis sie mir in die Augen schauen kann. »Ich bin mir sicher.«

  »Das wird gut werden.« Ich grinse. »Besser als gut, Felicity. Es wird unglaublich werden.«

  »Ich weiß.«

  »Wir müssen uns immer noch für einen Bandnamen entscheiden.« Ich ziehe die Augenbrauen zusammen. »Ist dir schon was eingefallen? Linc will etwas Kurzes, Prägnantes, das außerdem eine Bedeutung hat. Er hat vorgeschlagen, dass wir uns ›Nash‹ nennen – was so grottig ist, dass ich mich weigere, auch nur darüber nachzudenken. Aiden will etwas Einzigartiges – ›The Wandering Souls‹ oder ›When Darkness Comes‹ oder irgend so einen furchtbaren Mist.«

  »Kurz, einzigartig und außerdem bedeutsam. Das ist ganz schön viel verlangt.« Felicity lacht. »Was ist mit dir? Hast du irgendwelche Vorschläge, da du die Ideen der anderen alle für Schrott zu halten scheinst?«

  »Bislang ist mir noch nichts eingefallen.«

  Sie schweigt sehr lange – so lange, dass ich glaube, dass sie eingeschlafen ist. Doch als ich nach unten schaue, sehe ich, dass ihre Augen offen und voller Gedanken sind. Ihr Murmeln ist unfassbar leise. »Wildwood.«

  »Was?«

  »Als Name für die Band. Wie wäre es mit Wildwood?« Sie hebt den Blick zu mir. »Wilde und Woods. Eine Kombination aus deinem und meinem Nachnamen. Es ist kurz, es ist einzigartig, und es hat eine Bedeutung.«

  Ich grinse. »Felicity Wilde, du bist ein Genie. Habe ich dir das schon mal gesagt?«

  »Heute noch nicht.«

  Ich werfe einen Blick auf die Uhr. »Tja, es ist erst halb zwölf. Wir haben noch Zeit.«

  »Du machst es aber ganz schön knapp, mein Lieber.« Ihr Lächeln wankt ein bisschen, als ihr ein Gedanke kommt. »Schwer zu glauben, dass das unsere letzte Nacht in Nashville ist.«

  »Bist du sicher, dass du bereit bist, so bald abzureisen?« Ich verspüre leichtes Unbehagen, als ich daran denke, dass unser Flug morgen Abend geht. Francesca hat es geschafft, uns Plätze in demselben Flugzeug zu besorgen, mit dem sie nach L. A. zurückfliegt. »Wenn du hier noch etwas zu erledigen hast …«

  »Ich habe bereits alles erledigt«, murmelt Felicity. »Ich dachte, dass ich am vierten Juli abreisen würde, erinnerst du dich? Ich habe mich von meiner Großmutter verabschiedet. Ich habe meinen Job gekündigt. Ich habe all meine Sachen aus dem Zimmer über dem Nightingale geräumt. Ich muss nur noch meinen Rucksack und meine Gitarre bei Carly abholen, wenn ich morgen früh zu ihr gehe, um mich von ihr zu verabschieden.«

  »Okay.« Ich betrachte ihr Gesicht. »Hast du je vor, mir zu erzählen, wovor du weggelaufen bist?«

  In ihren Augen flackert Angst auf. »Das werde ich. Ich verspreche es. Aber …«

  »Schhh.« Ich presse meine Lippen auf ihre. »Ich will dich nicht bedrängen. Ich will nur, dass du weißt, dass ich für dich da bin. Egal was du brauchst.«

  Sie schmiegt sich enger an mich. Ich presse die Lippen auf ihr Haar und atme ihren Duft ein. Er beruhigt die nervöse Energie in meinem Inneren wie ein Balsam, den ich direkt auf meine Seele reibe.

  »Ryder?«, fragt sie nach einer Weile.

  »Ja?«

  »Versprichst du mir etwas?«

  »Alles.«

  »Du wirst doch nicht zu einem dieser verrückten Hollywoodgesundheitsfanatiker werden, die jedes Stück gekochtes Hühnchenfleisch, das ihre Lippen passiert, sorgsam abwiegen und jeden Morgen zehn Kilometer joggen, oder? Denn ich jogge nicht gern. Mein Gesicht wird dann ganz rot, und meine Arme zappeln unkontrolliert herum und …« Sie seufzt. »Es ist nicht schön.«

  Ich lache. »Ich verspreche es.«

  »Ich mache auch kein Yoga.«

  »Ich auch nicht, Baby.« Ich lasse die Hände an ihrem Körper entlang nach unten gleiten. »Allerdings fallen mir ein paar Stellungen ein, die ich gerne mit dir ausprobieren würde …«

  Ihr Kichern verwandelt sich schon bald in ein Keuchen, während unsere letzte Nacht in Nashville vorübergeht.

  26. KAPITEL

  Felicity

  Unser erster Monat in Los Angeles vergeht so schnell, dass ich kaum Zeit habe, mich an mein neues Leben zu gewöhnen.

  Wir sind in die neue Wohnung eingezogen – ein umwerfendes, sonnendurchflutetes Loft in West Hollywood, das ich mir mit den Jungs teile – und haben ununterbrochen an dem Album gearbeitet. Der Rest ist ein verschwommenes Durcheinander aus Besprechungen und Presseveranstaltungen, dem Verfassen von Songtexten, das bis spät in die Nacht andauert, und Aufnahmezeit im Studio.

  Am allerersten Tag nach unserer Ankunft rief uns Francesca zusammen und ließ uns mindestens ein Dutzend Mal »Faded« singen, bis wir eine perfekte Single hatten, die sie den Radiosendern als Aufmacher für unser Debütalbum geben konnte. Normalerweise entwickeln sich solche Dinge nicht in so einem rasanten Tempo, aber da im Internet immer noch intensiv über Ryder und mich diskutiert wird, weil das Video von unserem Kuss am vierten Juli viral gegangen ist, hieß es für uns: Volldampf voraus.

  Drei Tage nach unserer Landung in Kalifornien veröffentlichten wir als Wildwood offiziell unsere erste Single. Niemand war überraschter als ich, als sie am nächsten Tag auf Platz eins der Charts kletterte. Die Tatsache, dass sie sich seitdem dort hält, ist für mich sogar noch unbegreiflicher.

  Seitdem hat Francesca ständig ein neckisches »Ich habe es Ihnen ja gesagt«-Lächeln auf den Lippen. Die Zeit nach dem Nummer-eins-Hit war der reine Wahnsinn. Jeder Nachrichtensender wollte ein Interview, jeder Radiosender einen Exklusivbericht. Da Francesca darauf bestand, traten Ryder und ich in der Eileen Show auf – der beliebtesten Sendung im amerikanischen Nachmittagsprogramm. Wir haben nicht viel mehr gemacht, als dort zu sitzen, Händchen zu halten und zu lächeln wie zwei Idioten, während sie für ihr Publikum den Clip von unserem Kuss abspielte. Doch aus irgendeinem Grund gefiel es den Leuten. Das Interview wurde so häufig angeschaut, dass die Server von Eileens Webseite zusammenbrachen.

  Sie schickte uns einen hübschen Obstkorb als Dankeschön.

  Je näher der Veröffentlichungstermin des Albums rückt, desto hektischer wird die Presse. Den Jungs scheint das nichts auszumachen – nur ich zucke zurück, wenn die Paparazzi Fotos von uns schießen, während wir über den Sunset Strip spazieren oder den Farmers Market erkunden oder eine der vielen Kunstgalerien in unserer Nachbarschaft besuchen. Und jedes Mal erstarre ich innerlich. Wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Noch schlimmer ist es, wenn Touristen auf uns zugelaufen kommen und unbedingt ein Selfie mit Wildwood machen wollen – oder, falls es weibliche Teenager sind, ausschließlich mit Ryder, obwohl Linc und Aiden in letzter Zeit ebenfalls eine Me
nge Aufmerksamkeit bekommen.

  Sie lächeln und posieren lässig und natürlich.

  Ich lungere in der Nähe herum, winde mich innerlich und fühle mich völlig fehl am Platz.

  Mit jeder Woche, die vergeht, gewöhnen sie sich mehr an unser neues Leben hier, während ich mich immer weiter in mich selbst zurückziehe. Ich setze ein Lächeln auf und halte durch – um ihretwillen, wenn schon nicht um meinetwillen. Aber es fällt mir immer schwerer, den Kopf über Wasser zu halten. Vor allem an Abenden wie heute.

  Ich gieße mir ein Glas Wasser ein und gehe auf die Dachterrasse hinaus. Sofort spüre ich die kühlen Mosaikfliesen unter meinen nackten Füßen. Die Wohnung ist so still, dass ich das Gefühl habe, dass mir darin die Decke auf den Kopf fällt. Mit einem müden Seufzen lasse ich mich auf eine der Liegen sinken und lausche dem geschäftigen Treiben, das sich fünf Stockwerke unter mir auf der Straße abspielt.

  West Hollywood ist so anders als Nashville, dass mir davon der Kopf schwirrt. Hier gibt es keine Honkytonk-Bars und Spelunken, kein frittiertes Hühnchen und keine weitläufigen Plantagen. Wir sind in eine Welt voller schicker Restaurants, Designerläden, Dachpools und Museen für moderne Kunst gestolpert. Die Musik, die hier aus den Lautsprechern kommt, ist Elektropop oder Dubstep. Seit ich aus dem Flugzeug gestiegen bin, habe ich kein einziges Countrylied gehört, abgesehen von denen, die ich fleißig mit Ryder schreibe.

  Am liebsten sind mir die Abende, an denen wir zusammensitzen, neue Texte ausprobieren und verschiedene Melodien auf unseren abgenutzten Gitarren spielen. Im Studio ist alles auf dem neuesten Stand der Technik … Aber ich fühle mich nie so richtig wohl dabei, eine zehntausend Dollar teure Martin zu benutzen. Viel lieber zupfe ich an den abgenutzten Saiten meiner alten Yamaha, während ich nur mit Ryder zusammensitze und wir unsere Ruhe haben.

  Das sind die einzigen Momente, in denen ich einen Schimmer des Lebens durchblitzen sehe, das wir in Nashville hatten, bevor sich alles veränderte. Es sind auch die einzigen Momente, in denen ich das Gefühl habe, dass wir tatsächlich ein Paar sind. Wenn wir keine Zeit mit Linc und Aiden verbringen, kein Lächeln für die Kameras aufsetzen und nicht von Francesca über unseren Terminplan für die kommende Woche informiert werden.

  Wenn es nur uns gibt.

  Ihn und mich.

  Wenn wir Texte schreiben und Noten spielen. Wenn sich unsere Hände berühren und sich unsere Lippen streifen.

  Ich setze mich auf, als ich glaube, einen Schlüssel im Schloss zu hören. Doch es ist nur unser direkter Nachbar, der von der Arbeit nach Hause kommt. Enttäuschung überrollt mich.

  Ich hätte wissen müssen, dass sie es nicht sind. Es ist noch viel zu früh. Normalerweise sind die Jungs bis zur Morgendämmerung unterwegs, wenn sie sich eine Show im Viper Room oder im Roxy oder im Whisky a Go Go ansehen. Diese in der Nähe gelegenen angesagten Musikclubs sind immer proppenvoll, wenn dort eine Band auftritt. Manchmal schleppen sie mich mit, aber da ich kein Interesse an Alkohol oder Clubs habe, fühle ich mich hier, wo ich in Ruhe lesen oder komponieren kann, sehr viel wohler.

  Bist du sicher, dass du nicht mitkommen willst, Baby?, fragt Ryder, als er schon halb zur Tür hinaus ist und Lincoln ihm vom Flur aus zuruft, dass er sich beeilen soll.

  Ich grinse ihn an und verdrehe die Augen. Geh du nur. Ich habe meine Trommelfelle gerne intakt.

  Ich werde hier bei dir bleiben, bietet er an, aber ich kann in seinen Augen sehen, dass er dort draußen sein will. Er will die Energie wie ein Schwamm aufsaugen. Ein extrovertierter Mann am Ort seiner Bestimmung.

  Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr und frage mich, wann sie heute Nacht nach Hause kommen werden. Es ist schon fast Mitternacht, aber ich bezweifle, dass sie vor drei Uhr zurück sein werden. Dann werden sie torkelnd durch die Tür kommen, nach Zigaretten und Schweiß riechen, sturzbetrunken sein und vor Lachen grölen. Ich trinke einen kalten Schluck Wasser und neige den Kopf zurück, um zum Himmel zu schauen. Doch über mir kann ich kein einziges Sternbild ausmachen.

  Orion und der Skorpion.

  Zwei Gegensätze, die einander für alle Zeiten quer durch den Kosmos jagen.

  Aus dem Nichts rollt eine abtrünnige Träne über meine Wange. Ich wische sie mit der Fingerspitze ab und starre verwirrt auf den schimmernden Tropfen.

  Warum weine ich?

  Ich habe Geld, Liebe, Sicherheit, Freundschaft …

  Das ist alles, was ich je wollte.

  Oder?

  Ich wische die Tränen weg und lege mein schickes neues iPad –Francesca bestand darauf – auf meinen Schoß.

  »Es ist schon schlimm genug, dass Sie sich weigern, sich ein Handy zu besorgen«, ließ sie mich wissen und legte mir das Tablet in die Hände. »Aber ein Leben ohne E-Mail-Adresse? Wir befinden uns doch nicht mehr in der Steinzeit! Wie in aller Welt soll ich Sie erreichen? Wie in aller Welt soll ich Ihren Terminplan koordinieren?«

  Ich öffne die Kalender-App und lese mir die Veranstaltungen durch, die sie für morgen geplant hat. Ryder und ich haben morgen früh um Punkt sieben Uhr ein Radiointerview mit KLAX 102.3, einem lokalen Sender, damit wir die Pendler auf dem Weg zur Arbeit erreichen, während wir über das neue Album reden. Angesichts der Vorstellung, ein weiteres Interview über mich ergehen lassen zu müssen, macht sich Unbehagen in mir breit. Egal wie viele wir geben, sie werden nie leichter für mich.

  Ich straffe die Schultern und sage mir, dass ich mich nicht so anstellen sollte. Morgen werde ich höflich lächeln. Ich werde mich bemühen, charmant zu sein. Ich werde an den richtigen Stellen lachen, während wir die Geschichte unserer viral gegangenen Wiedervereinigung am vierten Juli erzählen, genau wie ich es all die Male davor gemacht habe.

  Das war der beste Augenblick meines Lebens, werde ich sagen und Ryder anlächeln.

  Können seitdem tatsächlich erst sechs Wochen vergangen sein? Es fühlt sich an, als wäre es ein ganzes Leben. Ich habe unsere Geschichte jetzt schon so oft erzählt, dass sie sich langsam wie etwas anfühlt, das jemand anders passiert ist. Als wäre es gar nicht meine Geschichte. Als ginge es darin gar nicht um mich.

  Sondern nur um eine Frau, die ich mal kannte, damals in einer Stadt, die ich einst liebte.

  Eine weitere Träne rollt über meine Wange. Ich reibe sie wütend weg.

  Ich weiß nicht, was heute Abend mit mir los ist.

  27. KAPITEL

  Ryder

  Die Lichter im Club pulsieren im Rhythmus der treibenden Musik. Der Effekt sorgt dafür, dass mir ganz schwindelig wird, vor allem da ich heute Abend sehr viel Whiskey getrunken habe. Ich lehne mich auf der Couch im VIP-Bereich zurück, wo Linc und ich seit ein paar Stunden herumlungern. Die Musik hier ist total beschissen – irgend so ein elektronischer Tanzmist ohne Text, den ich nicht ausstehen kann. Aber die Jungs sind auf der Pirsch nach Frauen. Da ich auf die Ersatzbank verbannt wurde und lediglich als Gehilfe bei der Kontaktaufnahme fungieren darf, habe ich kein Mitspracherecht, wenn es um die Auswahl des Spielfelds geht.

  Ich lächle träge, als ich an Felicity denke, die zu Hause auf mich wartet. Ich wünschte, sie würde öfter mit uns ausgehen, aber wenn ich ehrlich bin, kann ich mir nicht mal vorstellen, dass sie sich an einem Ort wie diesem aufhält, ganz zu schweigen davon, dass sie sich hier amüsieren könnte. Das wäre so, als würde man ein Gemälde von Picasso in einer U-Bahn-Toilette aufhängen. Eine totale Verschwendung.

  Das Display meines Handys informiert mich darüber, dass es bereits nach zwei Uhr ist. Vermutlich schläft sie längst tief und fest. Das ist meine Lieblingszeit, um sie festzuhalten – wenn ich nach Hause komme und sie dort an eins meiner Kissen geschmiegt liegen sehe. Sie sieht immer so friedlich aus. Gelassen. Und ich bin normalerweise zu energiegeladen, um die Augen geschlossen zu halten.

  Ich beobachte, wie Linc eine Linie Kokain vom Tisch schnupft – bereits seine dritte in dieser Nacht, wenn ich richtig mitgezählt habe.

  »Dieses Zeug ist schlecht für dich, weißt du?«, rufe ich über die donnernden Bassklänge.

  »Als wären die
se kleinen weißen Pillen, die ich dich ständig einwerfen sehe, ärztlich zugelassen.« Er lacht träge.

  »Sie sollen mich nur ein wenig beruhigen.« Meine Stimme klingt verteidigend. »Davon wird man nicht mal high – sie entspannen lediglich.«

  Er schnaubt und wirft mir einen zweifelnden Blick zu. Ich ignoriere ihn.

  Aiden ist bereits verschwunden. Er ist mit einer Frau nach Hause gegangen, die er auf der Tanzfläche kennengelernt hat. Wenigstens einer der Jungs wird morgen gute Laune haben.

  »Können wir bald von hier verschwinden?«, frage ich Linc. Meine Worte klingen schleppend. »Die machen in ein paar Minuten zu.«

  »Ja, lass uns gehen.« Er kommt stolpernd auf die Füße und lacht. Seine Pupillen sind so groß wie Untertassen. »Alter, hast du die Tussi gesehen, mit der Aiden abgehauen ist? Ich glaube, mit diesen Absätzen war sie größer als er.«

  Ich schnaube. »Solange sie ihn glücklich macht.«

  »Wann bist du so eine Lusche geworden, Mann?« Er schubst mich leicht. »Du wurdest verdammt noch mal gezähmt.«

  »Sorg nicht dafür, dass ich dir eine reinhaue, Linc. Ich bin betrunken und werde ein paarmal danebenhauen, bevor meine Faust in deinem Gesicht landet … Aber ich werde es tun.«

  Wir torkeln zum Seiteneingang und auf die Straße hinaus. Linc schwankt heftig. Er ist zu benommen, um geradeaus zu laufen. Ich habe so ein Gefühl, dass er noch Bekanntschaft mit einer Toilettenschüssel machen wird, bevor die Nacht vorbei ist.

  Ich kann den Whiskey in meinem Kreislauf spüren, aber er wird von den Pillen unterdrückt, die ich vorhin eingeworfen habe. Sie sollen mir nur beim Entspannen helfen. Ich will nicht high werden. Aiden, der aus irgendeinem Grund in jeder Stadt, in der er sich aufhält, einen Dealer hat, konnte mir Nachschub verschaffen, als mein ursprünglicher Vorrat zur Neige ging. Ich bin mir allerdings nicht so ganz sicher, dass er die gleiche Sorte erwischt hat, denn diese hier scheinen nicht so stark zu sein. Ich muss drei auf einmal nehmen, nur um die gleiche Wirkung zu verspüren wie bei einer der Originalpillen.

 

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