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Ashes for Breakfast

Page 9

by Durs Grünbein


  This death must have been, helplessly splayed

  On the wintry earth, the last convulsions.

  The sole survivor of the slaughter perched in the boughs;

  Like a bribed witness, it had no recollection of anything.

  The grass, which had long since picked itself up, sees to it

  That this was all there was to see, this rabbit’s foot.

  IN DER PROVINZ III

  (BÖHMEN)

  Die Stille um einen toten Maulwurf

  Am Rand eines Weizenfeldes, sie trügt.

  Unter ihm sammeln sich Käfer, bewaffnete Kräfte

  In schwarzer Uniform. Über ihm kreist,

  Bevor er abdreht, die Flügel zerzaust, ein Habicht.

  Ameisen graben, Kommandos im Eilmarsch,

  Am Rückgrat entlang eine Rinne. Im Innern

  Laufen die Drähte heiß, wimmeln nervöse Maden

  An der Börse der Eingeweide. Vom Bauchfell

  Tragen fliegende Händler (oder sind es Reporter)

  Die Botschaft in alle vier Winde: Ein Aas, ein Aas!

  Nur eine Grille, einen Sprung weit entfernt,

  Liest in den Wolkenzügen und sonnt sich

  Schweigend, ein stoischer Philosoph.

  IN THE PROVINCES III

  (BOHEMIA)

  The silence round a dead mole

  On the edge of a wheat field is deceptive.

  Under it is a rendezvous for beetles, armed

  And in black. Above it wheels a hawk

  With ruffled wings, till he veers away.

  Like sappers at the double, ants dig

  A trench along the spine. On its inside

  The wires are glowing, nervous maggots

  On the ticker tape. From the stomach lining

  Traders in colored jackets (or are they reporters)

  Carry the news to all parts: carrion, carrion!

  Only a grasshopper, a hop and a skip away,

  Scans the clouds and suns itself in the silence

  Of a stoical philosopher.

  IN DER PROVINZ IV

  (CAMPANIA)

  Wie der Gekreuzigte lag dieser Frosch

  Plattgewalzt auf dem heißen Asphalt

  Der Landstraße. Offenen Mauls,

  Bog sich zum Himmel, von Sonne gedörrt,

  Was von fern einer Schuhsohle glich —

  Ein Amphibium aus älterer Erdzeit,

  Unter die Räder gekommen im Sprung.

  Keine Auferstehung als in den Larven

  Der Fliegen, die morgen schlüpfen werden.

  Durch welche Öffnung entweicht der Traum?

  IN THE PROVINCES IV

  (CAMPAGNA)

  A cruciform frog

  Lay flattened against the hot macadam

  Of the country lane. Mouth gaping

  It curled heavenwards, dried out by the sun,

  The sole of a shoe, as first appeared—

  An amphibious holdout from an older era

  Now caught under the wheels.

  No resurrection, save in the form of the larvae

  Of the flies that will hatch from it tomorrow.

  The dream leaks out of which orifice?

  IN DER PROVINZ V

  (BEI AQUINCUM)

  Wie vom Reisewagen gestreift eines fliehenden Siedlers

  Lag auf der Römerstraße die tote Amsel, zerfetzt.

  Einer, der immer dabei war, den nie was anging, der Wind

  Hatte aus Flügelfedern ein schwarzes Segel gesetzt.

  Daran erkanntest du sie, von fern, die beiseitegefegte,

  Beim Einfall der Horde an die Erde geschmiegte Schwester.

  Ob Daker und Hunnen, Mongolenpferde und Motorräder —

  Schimpfend hatte sie abgelenkt von der Nähe der Nester.

  Mehr war nicht drin. Sieht aus, als sei sie gleich hin gewesen.

  Der miserablen Sängerin blieb nur sich querzulegen.

  Damals im Staub grober Quader, heute auf nassem Asphalt.

  Immer war Völkerwanderung, meistens Gefahr auf den Wegen.

  IN THE PROVINCES V

  (NEAR AQUINCUM)

  As though brushed by the cart of a fleeing settler,

  The dead blackbird lay on the Roman road, in tatters.

  One who was always there, always indifferent, the wind

  Had hoisted a black sail out of the wings.

  And that’s how you spotted her from afar, knocked aside,

  Your sister pinned now to the earth by the marauding hordes,

  Whether Dacians or Huns, Mongol ponies or Vespas—

  She had always been a cross distraction from the proximity of her nest.

  And that was it. No protracted death agonies.

  The poor diva had only to lay herself down

  On dusty stone slabs then, or damp asphalt now. People were forever

  Migrating, and their roads generally attended by danger.

  KLAGE EINES LEGIONÄRS AUS DEM FELDZUG DES GERMANICUS AN DIE ELBE

  Nichts ist schlimmer als dieser tödliche Rückweg

  Nach einer Schlacht, und der Gedanke daran

  Wochen bevor der Feind sich gezeigt hat.

  Todfinster ist das Gesicht des Feldherrn,

  Die Truppe erschöpft, kein Eilmarsch mehr möglich.

  Hinter den Schilden geht schweißnaß, die Füße wund

  Der Rest der noch Unverletzten. Im Dauerregen

  Sind die Pfade im Schlamm versunken, die Wälder

  Ein einziger Hinterhalt, und die Barbaren in Rudeln

  Beißen sich Stücke aus unseren Rücken, die Wölfe.

  Wer nicht im Nordmeer ertrank, fern der Heimat,

  Den schlucken die Sümpfe, weit weg von Rom.

  Über Nacht hält Morast die ganze Legion,

  Tags sind es morsche Dämme, brüchige Leitern,

  Von deren Rand mit gebrochenen Fingern

  Der Einzelne abrutscht. Das Land liegt im Nebel

  Wie eine Inselgruppe im Meer … Germania Magna,

  Wo die Wälder noch dicht sind, kein Baum

  Auf dem Ozean treibt als Galeerenbank

  Oder als brennender Schiffsrumpf. Aussichtslos

  Ist der Krieg um Provinzen groß wie ein Erdteil,

  Um Gebiete, die nicht zu halten sind,

  Außer durch neuen Krieg. In den waldigen Tiefen

  Verliert der Triumph sich, die lateinische Ordnung.

  Und kommst du endlich, um Jahre gealtert, nach Haus,

  Steht der Germane in deiner Tür, und es winkt dir

  Das strohblonde Kind deiner Frau.

  LAMENT OF A LEGIONNAIRE ON GERMANICUS’S CAMPAIGN TO THE ELBE RIVER

  There’s nothing worse than this deadly retreat

  following a battle, except the same retreat in prospect

  weeks before …

  Black as death the expression on the general’s face,

  the shambling, exhausted troops.

  Behind the shields are the remnants of those unhurt,

  footsore, running

  with sweat. Incessant rain

  has softened the tracks, the woods are one long ambush,

  and the barbarians in packs, the wolves,

  bite pieces out of our rear guard.

  Whoever did not drown in the North Sea, far from home,

  goes down in the swamps, as remote from the eternal city.

  Overnight, morasses detain the whole legion,

  by day it’s rotten causeways, moldering ladders,

  from whose rungs a man slips to his death

  with fingers crushed. This land merely punctuates fog

  like some archipelago at sea … Germania Magna,

  where the forests are still integral and dense,

  no tree bobs on the sea cut to a bank of oars—

  or a blazing hulk. The futility of fighting

  over provinces as vast as continents, and territories

  that can only be defended by further wars.

  In the depths of the forest there is no triumph, and no
Latin order.

  And when, aged by many years, you finally make it home,

  it will be to see the German installed under your lintel,

  and waving to you your wife’s towheaded offspring.

  DER MISANTHROP AUF CAPRI

  Nicht wahr, sie machen euch Angst, meine Finger,

  So lang und so knochig, zehn krumme verdorrte Äste.

  Was wird erzählt? Ich könne mit Links einen Apfel durchbohren?

  Nicht nur das, liebe Freunde. Auch ein glotzendes Auge.

  Auch den Brief, der mir schmeichelt mit blinzelnden kleinen Worten.

  Ich brauch keinen Schlagring, mir genügen die Finger —

  Dieselben, mit denen ich Krebse esse und Kleinkinder necke.

  Wie man vom Tisch eine Fliege schnippt, die dann kreiselnd

  Am Boden verendet, so fahr ich dem Staunenden ins Gesicht.

  Was wie ein Streicheln aussieht, eine zärtliche Geste,

  Ist mein gefährlichster Schlag. Nicht wahr, das brennt,

  Und macht blutige Striemen. Hab ich den Feind erst markiert,

  Bin ich ganz sicher, es findet sich einer, der ihn beseitigt für mich.

  Ich aber zieh mich zurück, trauernd. Das Schlachten widert mich an.

  THE MISANTHROPE ON CAPRI

  There, they scare you, don’t they, my fingers

  Long and bony like ten gnarled and twisted branches.

  What is it people say about me? That I can drill through an apple with my forefinger?

  That’s not all, possums. The apple of an eye’s even easier.

  The letter that seeks to flatter me with little honeyed words.

  I don’t use a spike or knuckleduster, my bare fingers are enough—

  The same as the ones I like to eat crabs and torture children with.

  No different than swatting aside a fly, which will go spinning

  To the ground, I like to smack some poor unfortunate.

  What might look like an affectionate caress

  Is my most dangerous blow. There, it burns, doesn’t it,

  And it leaves a nasty raised welt. Once I’ve marked the enemy,

  I expect someone will come along and get rid of him for me.

  I meanwhile withdraw, grieving. Bloodshed upsets me.

  CLUB OF ROME

  Für Arno Widmann

  Tote Carthagos im Rücken, vor den Augen schneeweiß,

  Die Alpen, ein Friedhof für Elefanten,

  War nicht der Römer ein Überlebender, dem die Zeit

  Ostwärts davonlief?

  Unterm Fuß Katakomben, in deren tropfenden Gängen

  Fanatiker wohnten, Verdammung kochend

  Mit dem täglichen Mahl, war die Angst vor Barbaren

  Sein letzter Zauber.

  Denn Treppen und Vasen glänzten heller aus jedem Riß

  Im Marmor. Wie im Bordell die Matratzen,

  War der Limes zerschlissen. Aus Waldböden schossen

  Feinde wie Pilze.

  Schatten wuchsen, von der kälteren Seite des Mondes,

  Über verwilderte Gärten. An Sarkophagen

  Wurden Schweine gemästet. Im Grundwasser schlierte

  Blut aus Latrinen.

  Nur die alten Herren, bewundert, intrigierten mit Lust

  Um verpachtete Güter. Ihr großes Spiel

  War der Wechsel von Lachen und Weinen; ihr Credo —

  ›Nach uns die Schlammflut‹.

  CLUB OF ROME

  for Arno Widmann

  Deleted Carthages behind them, and sheer ahead of them

  Blinding white Alps, elephants’ graveyards—

  Wasn’t the Roman a survivor, from whom time

  Fled eastwards?

  Underfoot were catacombs in whose dripping tunnels

  Dwelt fanatics, stoking the fires of hell to boil

  Their once-a-day porridge; fear of the barbarians still

  Worked like a charm.

  Vases and staircases gleamed more brightly

  For every chip in the marble. The threshold creaked

  Like the mattresses in the brothels. Enemies sprang up

  Like mushrooms in the forests.

  Lunar shadows lengthened to cover the rank expanse

  Of the gardens. Hogs were fattened

  On sarcophagi. The water supply was laced with blood

  From the public latrines.

  Only a few admirable oldsters went on

  Gleefully buying up their neighbors’ erstwhile estates. Their speciality

  Was the seamless alternation between laughter and tears; their refain,

  “Après nous—etcetera.”

  TIZIANS NEUE ZIMMER

  All die Sitzkissen schwitzen. All die Zierfische japsen

  Hinter Panzerglas, wo das Wasser wie von Brausetabletten schäumt

  Und die Algen sich Blut zufächeln. Mit zerfressenen Flossen

  Ging der Krieg im Aquarium zuende. Der dickliche Guppy träumt.

  Vor dem Sofa, verrenkt, liegt ein Strumpfpaar mit Strapsen,

  In den letzten Zügen im Kristall die Zigarre. Wie hingegossen

  Breiten sich Stoffbahnen aus um die Fenster, knöcheltief, Kelims.

  Im ganzen Apartment schmelzen, an den Wänden in goldenen Tiegeln,

  Pastose Farben zu etwas, das Rosen ähnelt, Mondgebirgen, Phlegmonen, —

  Ein Frauenakt hier, dort eine Bibelszene. Pro Glasschrank drei Spiegel

  Decken den Rückzug ins Labyrinth. Was da klirrt als Klimbim,

  Die Fayencen, die Lüster schmeicheln den feisten, kinderlosen Bewohnern,

  Die auf Kommoden von Photos lächeln, auf Kreuzfahrt, die ewige Crew.

  Im Radio liest jemand, sich klösterlich räuspernd, das Decamerone,

  Und nur der Afghane, sein Fell eins mit den Teppichfransen, hört zu.

  ›Wie es war, willst du wissen, chérie? Wie mit himmlischen Geigen …

  Gespielt? War das Stöhnen gespielt? Frag die Fische, sie schweigen.‹

  TITIAN’S NEW PAD

  Heaving with throw cushions. All the ornamental fish are yapping

  Behind thickened glass, in water effervescing like Alka Seltzer.

  Algae fan themselves with fresh blood. Peace returns to the aquarium,

  At the expense of a few chewed up fins. The guppy stoutly dreams.

  A pair of stockings plus garters is writhing at the foot of the sofa,

  A portly cigar, with cummerbund, blows smoke rings from the massy ashtray.

  Kilims, ankle-deep, unroll clear to the windows, like red carpets.

  In golden palettes all over the apartment, glutinous colors

  Are melting to the likeness of a rose, moon mountains, phlegmons—

  Female nude here, Old Testament scene there. Three mirrors per glass-fronted cabinet

  To cover your retreat into the labyrinth. Kickshaws on the mantelpiece,

  Faience pottery and candelabra flatter the dependably childless denizens,

  Smiling from framed photographs on tallboys, cruise snaps, captain and crew.

  On the wireless someone with a nasty monastic cough is reading The Decameron,

  Though only the Afghan hound, blending in so nicely with the carpet tassels, seems to be attending.

  “Shall I describe it to you, sweetness? The music of the spheres … Faked?

  I suppose your orgasm was faked, too? Don’t take my word for it then, ask the fishes.”

  EINER GEPARDIN IM MOSKAUER ZOO

  So teure Pelze sieht man sonst nur auf den Schultern

  Der Gangsterbräute vorm Casino. So geschmeidig

  Schleicht auf dem Laufsteg nur die androgyne Jugend,

  Die Augen funkelnd unterm Blitzlicht. Eine schlanke Katze,

  Wie Pisanello sie gemalt hat, mit entzücktem Pinsel

  (Das Fell getüpfelt, grannenhaft, ein Goldnes Vließ)

  Federt sie schweifend auf und ab. Das Rückgrat

  Dosiert die leiseste Bewegung.

  Millimeter

  Vorm Grabenrand den Schwung der
Pfoten umzulenken

  Geht ohne Hinsehn ab. Dort wird dem Ohr,

  Der feinen Nase nichts geboten außer Lärm und Schweiß,

  Jenseits des Drahtzauns, wo sich diese Affen tummeln

  Mit ihren Kinderwagen zur Besuchszeit. Hechelnd

  Verwandelt sie die schlechte Luft der Großstadt

  In ein entferntes Air … die weißen Schleifen

  Im Haar der Mädchen in Gazellenfleisch. Faustgroß,

  Ihr schmaler Kopf hält wachsam noch die Stellung,

  Wenn sie im Flimmern vor den Toren Moskaus Zebras sieht.

  Dann gähnt sie lange, die Gefangne des Zements.

  TO A CHEETAH IN THE MOSCOW ZOO

  Furs this expensive you normally only find wrapped around the shoulders

  Of gangsters’ molls outside the casino, movements this slinky

  Only on the catwalk from the androgynous models,

  Eyes dilating in the flashbulbs. As lean a feline

  As Pisanello once painted with ravished brush

  (The fur spotted, whiskery, a golden fleece).

  She sashays swishing up and back. Her spine measures out

  The least movement.

  To change direction

  Millimeters in front of the ditch is something for which

  She doesn’t even need eyes. There’s nothing out there

  For the ear or the sensitive nose but the noise and sweat

  Beyond the wire fence, where those monkeys congregate

  With their baby carriages at visiting time. Her breath

  Coming hard, she magics the fetor of the metropolis

  Into a charmed ozone … the white ribbons

  In the girls’ hair into strips of gazelle meat. Her fine head,

  No bigger than your fist, keeps its alert posture

  As she spies zebras in the flickering at the gates of Moscow.

  Then she yawns, the prisoner of the cement.

  MEMORANDUM

  Alles geht weiter, nicht erst seit heute, vor allem der Krieg,

  Das Anziehn täglich, das Ausziehn. Der schmerzhaften Nähe

  Der beiden Körperhälften, der Ferne von Ich zu Gesicht,

  Zu entfliehen hilft nichts. Und getötet, gezeugt,

  Wird hier nicht nur aus Armut, zum Zeitvertreib auch.

 

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